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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.08.2002
Aktenzeichen: 1 WF 102/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 380 Abs. 3 | |
ZPO § 36 Abs. 3 | |
ZPO § 372a |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 24.04.2002 am 30. August 2002 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Hauptsache.
Gründe:
Mit Beweisbeschluss vom 08.03.2002 hat das Amtsgericht in dem bei ihm anhängigen Kindschaftsverfahren über die Abstammung des beklagten Kindes Beweis durch Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet, in das die Parteien und die Kindesmutter einzubeziehen seien. Mit Anwaltsschriftsatz vom 11.04.2002 hat daraufhin die Kindesmutter mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, einer Blutentnahme zuzustimmen, da ihr hieraus erhebliche Nachteile erwachsen würden. Als gebürtige Marokkanerin hätte sie in dem muslimisch geprägte Umkreis ihrer Heimat und ihrer dort lebenden Angehörigen mit erheblichen Nachteilen, bishin zur Gefahr für Leib und Leben, rechnen müssen, wenn ein amtliches Dokument über einen außerehelichen Verkehr publik würde. Mit einer solchen Verbreitung des Gutachtens müsse sie angesichts der ihr bekannten Haltung des Klägers, der ihr schaden wolle, rechnen. Zu einer Blutentnahme für eine etwa im Termin zu erstattende mündliche Begutachtung sei sie bereit.
Nachdem der beauftragte Sachverständige mitgeteilt hatte, dass die Kindesmutter auf mehrere Ladungen nicht erschienen sei, hat das Amtsgericht mit der angefochtenen Ladungsverfügung ihre Vorladung zu einem Termin in dem Laboratorium des Sachverständigen unter Androhung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft erlassen.
Gegen diese ihr am 26.04.2002 zugestellte Verfügung hat die Kindesmutter durch ihren Bevollmächtigten am 03.05.2002 'das zulässige Rechtsmittel' eingelegt. Sie hält sich angesichts der von ihr bereits mitgeteilten Gründe zu einer Mitwirkung an dem Abstammungsgutachten nicht für verpflichtet.
Das Rechtsmittel, dem das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.05.2002 mit weiterer Begründung nicht abgeholfen hat, ist gem. §§ 567, 380 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Zwar sieht die genannte Bestimmung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nur im Fall der Verhängung eines Zwangsmittels vor. Nach einer am Sinn dieser Regelung orientierten Auslegung ist dies jedoch auch auf den Fall der Androhung zu erstrecken. Es wäre eine sinnlose Förmelei, dem mit der Verhängung eines Zwangsgeldes bedrohten Zeugen anzusinnen, zunächst die Ladung unbeachtet zu lassen, den Erlass eines Zwangsmittels abzuwarten und erst hiergegen ein Rechtsmittel einzulegen. Der entgegenstehenden Rechtsauffassung des OLG Stuttgart (FamRZ 1992, 971, 972) schließt sich das Gericht nicht an. Danach soll die Ladung unter Zwangsgeldandrohung für den davon Betroffenen unanfechtbar sein, dagegen ausnahmsweise entgegen § 355 Abs. 2 ZPO eine Anfechtung des Beweisbeschlusses, der die Blutentnahme anordnet, möglich sein. Für eine solche erweiternde Auslegung entgegen dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung, da das in § 372a Abs. 2 S. 1 ZPO für anwendbar erklärte Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Weigerung hinreichenden Schutz vor einem unzulässigen Eingriff in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 GG bietet. Dagegen ist aus den aufgezeigten Gründen eine erweiternde Auslegung des § 380 Abs. 3 ZPO geboten, um den Drittbeteiligten nicht dem Risiko einer Fehlbeurteilung der Rechtslage und einer dann drohenden Sanktion für eine Weigerung auszusetzen.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angeordneten Ladung mit Ordnungsgeldandrohung. Diese war nicht rechtmäßig, da die Kindesmutter unter Angabe von Gründen rechtzeitig ihre Weigerung, an der Blutentnahme mitzuwirken, angezeigt hat (§§ 372a Abs. 2 S. 1, 386 Abs. 3 ZPO). Die Vorladung zum Zwecke der Blutentnahme und Erzwingung mit den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmaßnahmen ist nur zulässig, wenn entweder der Betroffene gar keine Weigerungsgründe geltendgemacht hat oder diese zuvor rechtskräftig für unbeachtlich erklärt worden sind (BGH NJW 1990, 2936 f.). Hierüber ist im Wege eines Zwischenverfahrens durch Zwischenurteil zu befinden (§ 387 ZPO, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 372a Rdnr. 13; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 372a Rdnr. 27). In diesem Verfahren kann dann das Gericht die gebotene Abwägung zwischen den geltendgemachten Weigerungsgründen und den durch § 372a ZPO geschützten Belangen vornehmen.
Für das weitere Verfahren weist das Gericht auf Folgendes hin:
Die von der Kindesmutter im Verfahren geäußerte Auffassung, ihre angekündigte Zeugenaussage, sie habe mit dem Kläger in der entscheidungserheblichen Zeit keinen Verkehr gehabt, sei als Entscheidungsgrundlage ausreichend, so dass es der Blutentnahme für ein Gutachten nicht bedürfe, ist unzutreffend. Eine Aussage der Kindesmutter als Zeugin reicht im Statusverfahren nicht aus, soweit bessere Beweismittel, hier das Abstammungsgutachten, zur Verfügung stehen (vgl. Senatsurteil vom 16.05.2002, 1 UF 309/99, OLG-Report 2002, 203).
Auch die angekündigte Vaterschaftsanerkennung des wirklichen Erzeugers ist unzureichend, da sie nicht wirksam wird, solange die gesetzliche Vaterschaftsvermutung des Klägers nicht ausgeräumt ist (§ 1594 Abs. 2 BGB).
Dagegen kann in Betracht kommen, dass der Sachverständige sein Gutachten mündlich vor Gericht erstattet und die Kindesmutter mit dieser Zielrichtung die Blutentnahme duldet. Dies wird jedoch das Gericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu entscheiden haben.
Ende der Entscheidung
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