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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: 1 Ws 11/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 370
AO § 393
Das sog. "nemo-tenetur-Prinzip" bewirkt nicht die Straffreiheit der Abgabe einer unrichtigen, den Steuervoranmeldungen entsprechenden Umsatzsteuerjahreserklärung.
Gründe:

In der Anklageschrift vom 4.6.2002 wird dem Angeklagten vorgeworfen, am 8.4.1998 in O1 den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Umsatzsteuer verkürzt zu haben, wobei es bei einem Versuch geblieben sei. In der eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1996 unter dem Datum des 7.4.1998, eingegangen beim Finanzamt O1 am 8.4.1996, habe der Angeklagte 6.969.319,35 DM als Vorsteuerbeträge aus 77 Rechnungen des Zeugen Z1 an das Unternehmen des Angeklagten geltend gemacht, wobei ihm bekannt und bewusst gewesen sei, dass es sich bei diesen Rechnungen um Scheinrechnungen handele und ihm hierdurch kein Vorsteueranspruch zugestanden habe. Durch die unzutreffende Geltendmachung habe er in der Absicht gehandelt, Umsatzsteuer in Höhe von 6.969.319,35 DM zu verkürzen, was durch die vorherige Einleitung und Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gegen ihn jedoch verhindert worden sei.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 31.10.2003 aus rechtlichen Gründen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht, weil die strafbewehrte Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Jahressteuererklärung wegen des gegen den Angeklagten laufenden Ermittlungsverfahrens suspendiert gewesen sei. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass während der Dauer eines wegen der Abgabe unrichtiger Steuervoranmeldungen anhängigen und dem Beschuldigten bekannt gewordenen Strafverfahrens die Strafbarkeit wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung entfalle. Die Überlegungen des Bundesgerichtshofs würden nicht nur die Straffreiheit der Nichtabgabe einer Umsatzsteuererklärung, sondern auch die Straffreiheit der Abgabe einer unrichtigen, aber den Steuervoranmeldungen entsprechenden Steuererklärung rechtfertigen. Das gelte jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden, in dem die Umsatzsteuerjahreserklärung vor Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgegeben worden sei. Wolle man die Strafbarkeit der Abgabe der unrichtigen Jahressteuererklärung in diesen Fällen bejahen, würde das natürliche Recht des Angeklagten auf Selbstschutz verletzt und ein prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten unter Strafe gestellt. Ein Bedürfnis für eine Differenzierung zwischen Nichtabgabe und Abgabe einer den unrichtigen Steueranmeldungen entsprechenden Jahressteuererklärung sei nicht zu erkennen. Für die Strafbarkeit des Beschuldigten könne es keinen Unterschied machen, ob er sich in der für ihn bestehenden Konfliktlage dafür entscheide, eine den Voranmeldungen entsprechende Jahressteuererklärung abzugeben oder die Abgabe einer Jahressteuererklärung zu unterlassen.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main hat fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und im wesentlichen ausgeführt, dass die Übertragung der Konfliktlage bei den Fallkonstellationen der Nichtabgabefälle auf die Begehungsvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO weder dogmatisch begründbar noch interessengerecht sei. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.4.2001 werde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen zum Zwangsmitteleinsatz in § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO nur die Konfliktsituation des Nichthandelnden, d. h. den strafrechtlichen Unterlassungstäter schützen wollen. Die Regelung des § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO konkretisiere für das Steuerstrafverfahren nur den allgemeinen Grundsatz, dass eine unzumutbare Handlung nicht erzwungen werden dürfe, weil die Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens bei jedem Unterlassungsdelikt vorliegen müsse. Eine Lücke bestehe nicht. Das Zwangsmittelverbot erlaube nicht die Begehung neuen Unrechts, das auch durch ein aktives Handeln im selben Besteuerungsverfahren verwirklicht werden könne.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 210 Abs. 2 StPO zulässig und begründet.

Das Hauptverfahren war zu eröffnen, da eine Verurteilung wegen versuchter Steuerhinterziehung hinreichend wahrscheinlich ist. Der hinreichende Tatverdacht gründet sich auf die in der Anklage genannten Beweismittel in Verbindung mit dem umfänglichen steuerstrafrechtlichen Schlussbericht des Finanzamtes O2 - Steuerfahndungsstelle - vom 18.5.2001. Der Senat schließt sich den dortigen Bewertungen, die einen hinreichenden Tatverdacht begründen, an.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts bewirkt das "nemo-tenetur-Prinzip" nicht auch die Straffreiheit der Abgabe einer unrichtigen, den Steuervoranmeldungen entsprechenden Umsatzsteuerjahreserklärung.

Die Pflicht zur Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärung für 1996 war zwar unter dem Gesichtspunkt suspendiert, das niemand gezwungen werden darf, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen (nemo tenetur se ipsum accusare). Während der Dauer des Strafverfahrens entfällt nämlich die Strafbarkeit hinsichtlich der Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung, wenn wegen der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen des nämlichen Jahres ein Strafverfahren anhängig ist (vgl. BGHSt 47, 8).

Der "nemo-tenetur-Grundsatz" findet aber nach Auffassung des Senats seine Grenze darin, dass das natürliche Recht auf Selbstschutz, das im nemo-tenetur-Grundsatz zum Ausdruck kommt, nicht dazu berechtigt zur Verdeckung eigener Straftaten durch neues Unrecht in die strafrechtlich geschützte Rechtsordnung einzugreifen. Es gestattet dem Betroffenen nur, passiv zu bleiben, nicht dagegen die Vornahme neuerlicher verbotener Handlungen (vgl. hierzu Wabnitz/Janovski - Raum, Handbuch des Wirtschaft- und Steuerstrafrechts, 2. Aufl., Kap. 4, Rdnr. 100). Die Regelungen des § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO konkretisieren nur den allgemeinen Grundsatz, dass eine unzumutbare Handlung nicht erzwungen werden darf, weil die Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei jedem Unterlassensdelikt vorliegen muss (vgl. BGH wistra 2001, 341, 345). Die "Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" kommt jedoch nur bei Unterlassungs- oder Fahrlässigkeitsdelikten zur Anwendung, nicht aber bei einem vorsätzlich begangenen Erfolgsdelikt Steuerhinterziehung, begangen durch positives Tun (vgl. Rolletschke/Kemper - Rolletschke, Steuerverfehlungen, § 370 Rdnr. 55 a).

Der durch den Angeklagten am 8.4.1998 für das Jahr 1996 abgegebenen Jahressteuererklärung kommt auch selbständige strafrechtliche Bedeutung zu.

Grundsätzlich gilt, dass es sich bei durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. durch Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen begangenen Steuerhinterziehungen objektiv um Steuerverkürzungen auf Zeit handelt, während durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärungen bzw. durch Nichtabgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen begangene Steuerhinterziehungen objektiv Steuerverkürzungen auf Dauer darstellen (vgl. Rolletschke wistra 2004, 246, 247 m.w.N.). Möglich ist aber auch, dass die durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen begangene Steuerhinterziehung bereits auf Dauer ausgelegt sein sollte. Wenn man in einem solchen Fall die durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen begangene Steuerhinterziehung als dauerhaft ansehen sollte, könnte sich durch die pflichtwidrige Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung bzw. durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung im Grundsatz gegebenenfalls keine Unrechtsvertiefung mehr ergeben. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die nachfolgende Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung weitergehende unrichtige Angaben enthalten würde.

Im Ergebnis offen bleiben kann, ob vorliegend die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen auf Dauer ausgerichtet waren und demnach sich für die Steuererklärung vom 8.4.1998 keine Unrechtsvertiefung mehr ergab. Denn selbst wenn die Tat vom 8.4.1998 in einem solchen Fall der fehlenden Unrechtsvertiefung als mitbestrafte Nachtat hinter der zuvor begangenen Steuerhinterziehung durch die falschen Umsatzsteuervoranmeldungen zurücktreten würde, würde die Straflosigkeit der (nicht "mitbestraften") Nachtat entfallen, da im vorliegenden Fall die Vortaten der Steuerhinterziehung wegen falscher Umsatzsteuervoranmeldungen wegen Verjährung nicht mehr bestraft werden können (vgl. BGHSt 38, 366, 368 f m.w.N.).

Die Staatsanwaltschaft ist zu Recht von einer Verjährung der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen ausgegangen.

Bei Anmeldungssteuern ist mit jeder Abgabe einer unrichtigen Voranmeldung eine einzelne Steuerstraftat vollendet und auch beendet, da die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht (§ 168 S. 1 AO). Zu diesem Zeitpunkt beginnt damit die strafrechtliche Verjährungsfrist (Randt, Der Steuerfahndungsfall, E, Rdnr. 200). Der Umsatzsteuerjahreserklärung kommt in diesem Zusammenhang keine weitere Bedeutung zu. Zwar muss eine Jahressteuererklärung bis zum Ablauf des 31.5. des Folgejahres abgegeben werden. Erfolgt dies nicht, so hat dies keinen Einfluss auf die vorher abgegebenen Voranmeldungen und die damit verwirklichten Steuerverkürzungen. Dieses Ergebnis ergibt sich aus dem Konkurrenzverhältnis der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen zur falschen oder unterlassenen Jahresumsatzsteuererklärung. Da diese Taten grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen, kann die unrichtige Jahreserklärung auch keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung der Tat infolge unrichtiger/unterlassener Voranmeldungen haben (Wannemacher-Grötsch, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Rdnr. 846; Randt a.a.O., E, Rdnr. 204). Zwar wurde in der Zeit vor der Entscheidung des großen Senats des Bundesgerichtshofs zur fortgesetzten Handlung (vgl. BGHSt 40, 138) angenommen, dass in den Fällen, in denen die Daten unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen in die Jahreserklärung übernommen wurden, die durch unrichtige Voranmeldungen bereits vollendeten Steuerhinterziehungen erst durch die jeweilige Jahreserklärung beendet waren, so dass die Verjährungsfrist erst mit der Abgabe dieser Jahreserklärung zu laufen begann. Da aber ein Fortsetzungszusammenhang bei der Umsatzsteuerhinterziehung ausgeschlossen sein dürfte, ist die Verjährung für jede einzelne Voranmeldung gesondert zu betrachten.

Daran ändert nach Auffassung des Senats auch die neueste Rechtsprechung des BGH (StV 2005, 211) nichts, wonach bei der Umsatzsteuerhinterziehung die Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO bilden. Der BGH hat vielmehr sogar betont, dass insoweit materiellrechtlich Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB besteht, da beiden Arten von Steuererklärungen ein eigenständiger Erklärungswert zukommt, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird. Materiellrechtliche Tatmehrheit spricht, wie schon ausgeführt, für einen unterschiedlichen Lauf der Verjährungsfristen.

Danach ist Verjährung deshalb eingetreten, weil die letzte Unterbrechungshandlung am 25.2.1997 erfolgte und Anklage erst am 17.7.2002 erhoben wurde (gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist 5 Jahre).

Unter Berücksichtigung dessen entfällt, wie schon ausgeführt, die Straflosigkeit der unrichtigen Jahressteuererklärung für 1996, auch wenn sie lediglich als Nachtat anzusehen wäre.

Die Straftat der versuchten Steuerhinterziehung wegen der falschen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1996 selbst ist auch nicht verjährt. Es lag eine rechtzeitige Verjährungsunterbrechung durch Anklageerhebung vor. Insoweit kann nicht auf den 31.5.1997, wie bei einer unterlassenen Erklärung, als Verjährungsbeginn abgestellt werden. Der dem Angeklagten angelastete Versuch der Steuerhinterziehung wurde durch aktives Tun nach dem 31.5.1997 begangen. In einem solchen Fall ist Anknüpfungspunkt die letzte Tathandlung (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. Auflage, § 376 AO, Rdnr. 33).

Es besteht auch kein Verwertungsverbot aufgrund einer unterlassenen "qualifizierten Belehrung."

Auch hier ist zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof das Schweigerecht, das heißt die Suspendierung der Strafbewehrtheit der Steuererklärungspflicht aus der Rechtsfigur der "Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" ableitet. Vorliegend steht allerdings, wie schon ausgeführt, ein vorsätzliches Erfolgsdelikt, begangen durch aktives Tun, im Raum. Der Angeklagte handelte bei der Abgabe seiner Steuererklärung nicht im Rahmen eines Strafverfahrens, in dem nicht nur ein "Schweigerecht", vielmehr sogar ein "Lügerecht" begründet ist. Dieses "Lügerecht" verleiht ihm nicht das Recht, andere Rechtsgüter zu verletzen. Ein "Lügerecht", welches die Begehung neuen Unrechts rechtfertigen könnte, besteht nicht (Böse wistra 2003, 47, 51). Das nemo-tenetur-Prinzip gibt kein Recht zu einer unwahren Erklärung, sondern lediglich ein Schweigerecht (vgl. Tormöhlen in Festschrift zum 65. Geburtstag von Klaus Korn S. 779, 786 f.). Dem Angeklagten verbleibt ein ausreichender Freiraum zur Verteidigung durch "Lügen" im Rahmen der Strafgesetze. Notfalls kann er sich, um eine Selbstbelastung auf der einen und eine strafbare Lüge auf der anderen Seite zu vermeiden, auf sein Schweigerecht zurückziehen. Im Hinblick auf § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO bedeutet dies, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch aktives Tun entfallen zu lassen. Unter Berücksichtigung dessen ist eine qualifizierte Belehrung nicht erforderlich bzw. kann eine solche fehlende Belehrung nicht dazu führen, dass die von dem Angeklagten abgegebene Steuererklärung unverwertbar bleibt.

Im übrigen ist das Schweigerecht auch nicht erst durch den BGH-Beschluss vom 26.4.2001 bekannt gewesen. Wie Rolletschke wistra 2004, 246, 248 zutreffend ausführt, ist das Schweigerecht auch schon in früheren obergerichtlichen Entscheidungen anerkannt (so Hanseatisches Oberlandesgericht wistra 1996, 239).

Ein Verwertungsverbot käme im übrigen nach Auffassung des Senats dann in Betracht, wenn der Angeklagte durch Einsatz von Zwangsmitteln zur Abgabe der Jahressteuererklärung veranlasst worden wäre.

Dem in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten nemo-tenetur-Grundsatz (vgl. BVerfGE 56, 37, 41 f.) wird in der Abgabenordnung dadurch Rechnung getragen, dass in § 393 Abs. 1 AO der Einsatz von Zwangsmitteln untersagt ist, soweit der Steuerpflichtige Steuerstraftaten offenbaren müsste. Ergänzt wird der Schutz in § 393 Abs. 2 AO hinsichtlich anderer Straftaten durch ein begrenztes strafrechtliches Verwertungsverbot (vgl. BVerfGE 56, 37, 47). Dass der Angeklagte durch unzulässigen Einsatz von Zwangsmitteln zur Abgabe der Jahressteuererklärung veranlasst worden wäre, ist nicht ersichtlich.

Soweit der Verteidiger pauschal darlegt, dass der Angeklagte sich unter dem Druck des § 328 AO gezwungen gesehen habe, die Steuererklärung abzugeben, er habe geglaubt dazu verpflichtet zu sein und sei auch mehrfach aufgefordert worden, vermag dies ein Verwertungsverbot nicht zu begründen. Der Verteidiger legt nur pauschal dar, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung auch tatsächlich durch das zuständige Veranlassungsfinanzamt mehrfach angefordert worden sei und stellt dies unter Beweis des Steuerberaters A, ohne dazu nähere Angaben zu machen, die einer Überprüfung zugänglich sind. Die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 1996 ist auch nicht mit einer amtlichen Vernehmung vergleichbar. Bei einer solchen Vernehmung nimmt die Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1992, 294) ein grundsätzliches Verwertungsverbot für eine gleichwohl vorgenommene Aussage an, wenn der Beschuldigte sein Schweigerecht nicht kannte. Ein Verwertungsverbot dürfte unter Berücksichtigung dessen allenfalls anzunehmen sein, wenn z. B. der Steuerpflichtige gegenüber einem Betriebsprüfer Auskunft erteilt, wenn dieser trotz strafrechtlichen Verdachts nicht auf das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 S. 4 AO hingewiesen hat, und zwar möglicherweise auch dann, wenn kein Fall der Drohung oder Täuschung nach § 136 a StPO gegeben ist (vgl. Joecks a.a.O., § 393 AO, Rdnr. 46). Dieser Fall ist aber nicht vergleichbar mit der Abgabe einer Steuererklärung, auch nicht wenn, wie vorliegend, das A u. Partner mit Datum vom 27.8.1997 Fristverlängerung zur Abgabe der Steuererklärungen für 1996 bis zum 2.3.1998 beantragt hat und dies seitens des Finanzamts lediglich stillschweigend gewährt wurde (vgl. EA VII Bl. 205 - dieser Antrag ist aber in dem Beweismittelordner 12 selbst nicht zu finden -). Zu berücksichtigen ist dabei, dass dem Angeklagten im Rahmen der von der Steuerfahndung am 16.1.1997 durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen das Steuerstrafverfahren bekanntgegeben und eine Durchsuchungsbeschlussausfertigung ausgehändigt wurde (vgl. EA VII, Bl. 28, 29).

Die Rechtsprechung des BGH StV 2005, 316 steht nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausdrücklich nur ein strafrechtliches Verwendungsverbot für die zutreffenden Angaben des Steuerpflichtigen angenommen, soweit sie zu einer mittelbaren Selbstbelastung für zurückliegende strafbefangene Besteuerungszeiträume führen. Wie weit das Verwendungsverbot im Einzelfall reicht, hatte der BGH nicht zu entscheiden, da in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall der Angeklagte überhaupt keine Erklärungen abgegeben hatte. Der BGH hat allerdings betont, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vor der Bestrafung strafbaren Verhaltens schützt, sondern lediglich vor einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung und einer darauf beruhenden strafrechtlichen Verurteilung.

Eine strafbefreiende Selbstanzeige durch den Angeklagten ist am 29.8.1996 nicht erfolgt. Hierzu hätte es bedurft, dass der Angeklagte unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt bzw. unterlassene Angaben nachholt, was nach Aktenlage gerade nicht erfolgt ist.

Eine überlange Verfahrensdauer, die zu einem Verfahrenshindernis führen würde, ist nicht gegeben. Die Verfahrensdauer wird allenfalls bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein. Zu beachten ist hierbei, dass umfängliche Ermittlungen erforderlich waren, so dass der Schlussbericht vom 18.5.2001 aus Beschleunigungsgesichtspunkten noch nicht zu beanstanden ist, ebensowenig die Anklageerhebung am 17.7.2002 und die Entscheidung des Landgerichts über die Nichteröffnung am 31.10.2003.

Nach alledem war die Anklage zuzulassen und das Hauptverfahren vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zu eröffnen.

Die Zuständigkeit des Landgerichts ist entgegen der Auffassung des Verteidigers des Angeklagten jedenfalls wegen des besonderen Umfangs gemäß §§ 74 Abs. 1, 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG begründet.

Veranlassung die Eröffnung bei einer anderen Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main zu beschließen (§ 210 Abs. 3 StPO) bestand nicht. Die unterschiedliche rechtliche Bewertung der Frage hinreichenden Tatverdachts rechtfertigt nicht die Annahme, die 13. Strafkammer könnte sich einer unvoreingenommenen Verhandlungsführung und Urteilsfindung verstellen.

Soweit der Verteidiger Akteneinsicht in die Steuerakten sowie das Fallheft der Steuerfahndung sowie die Strafakten bzgl. des Z1 begehrte, brauchte diesem Antrag im Beschwerdeverfahren nicht nachgegangen zu werden.

Ende der Entscheidung

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