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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.09.2008
Aktenzeichen: 1 Ws 27/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 28 Abs. 2 S. 2
StPO § 210 Abs. 3
StPO § 359
StPO § 370
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss sind die Feststellungen des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 15.6.2004 in den Fällen II. 1 und 2 des Urteils - im Januar 2002 begangene Taten der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie der anschließenden Nötigung der Zeugin Z1 - durch die Beweisergebnisse des Probationsverfahrens derart erschüttert worden, dass insoweit genügender Anlass zur Erneuerung der Hauptverhandlung besteht. Die Feststellungen zu den anderen abgeurteilten Fällen II. 3 und 4, bezüglich derer der Senat mit Beschluss vom 6.6.2006 - Az. 1 Ws 46/06 - ebenfalls die Zulassung der Wiederaufnahme angeordnet hatte, sind hingegen vom Beweisergebnis des Probationsverfahrens nicht hinreichend in Frage gestellt worden, so dass diesbezüglich die Beschwerde zu verwerfen war.

Nach dem Ergebnis des durchgeführten Probationsverfahrens ist aufgrund der Angaben der Zeugin Z1 davon auszugehen, dass es tatsächlich - wie mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgetragen - nur einmal zur Aufnahme von Nacktbildern der Zeugin durch den Verurteilten gekommen ist und es nicht - wie das Landgericht Kassel dem Nichtzulassungsbeschluss vom 14.3.2006 zugrunde gelegt hatte - außer im Zusammenhang mit der als Tat II. 1 des Urteils vom 15.6.2004 abgeurteilten Vergewaltigung vom Januar 2002 zu weiteren Nacktfotoaufnahmen im Oktober 2001 gekommen war, von denen die Zeugin Z1 versehentlich eine mit der Aufnahme aus dem Januar 2002 verwechselt hatte. Überdies ist als hinreichend bestätigt anzusehen, dass die mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Bilder allesamt in einer Serie zusammen mit dem zuvor allein als Kopie bei den Akten befindlichen und der Urteilsfindung zugrunde gelegten Bild entstanden sind. Bestätigt hat sich damit auch, dass die Zeugin nicht nur mit gespreizten Beinen in Rückenlage liegend fotografiert wurde, sondern auch während der Vornahme des Oralverkehrs sowie knieend mitsamt einem auf ihren After zeigenden Stock.

Nicht hinreichend bestätigt hat das Probationsverfahren die Behauptung des Wiederaufnahmevorbringens, alle Bilder seien bereits im Oktober 2001 entstanden. Die Zeugin Z1 hat im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landgericht Kassel bekundet, alle Bilder seien nach der von ihr beschriebenen Vergewaltigung im Januar 2002 entstanden, wenn auch über einen längeren Zeitraum von - ausweislich der Zeitangaben auf den Bildern - rund 40 Minuten als in der zunächst von ihr geschätzten Zeit von maximal 2 Minuten. Weitere Beweise für die Entstehungszeit der Aufnahmen sind nicht gegeben. Wie das Landgericht Kassel auf Seiten 23-24 des angefochtenen Beschlusses zutreffend dargelegt hat, ist entgegen dem Wiederaufnahmevorbringen nicht davon auszugehen, dass die auf den Bildern eingeblendete Zahl "10" vor den Zeitangaben im Format "Stunde:Minute" die Monatsangabe Oktober bedeuten würde. Dass sich eine Datumsangabe in einer derartigen Dateneinblendung neben der Einblendung der minutengenauen Uhrzeit auf die Angabe des Monats beschränkt, konnte die Kammer zurecht ohne die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens ausschließen. Vielmehr ist auch nach Kenntnis des Senats davon auszugehen, dass die Zahl "10" die Bezeichnung eines Kalendertags bedeutet und weitere, der Tagesangabe übergeordnete Angaben wie Monat und Jahr aufgrund der Beschränktheit des Umfangs der Dateneinblendung bei derartigen Fotoapparaten entfallen. Überdies ist der Kammer darin beizupflichten, dass auch die damit vorliegende Angabe des Aufnahmezeitpunkts mit Tag, Stunde und Minute nicht mit dem tatsächlichen Aufnahmezeitpunkt übereinstimmen muss, da keineswegs sichergestellt ist, dass die in einem solchen Fotoapparat gespeicherten Datums- und Zeitwerte mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen. Wie die Kammer ausgeführt hat, beschränkt sich der Beweiswert der Dateneinblendungen darauf, dass die vorliegenden Bilder binnen rund 40 Minuten entstanden sein dürften. Dieser Zeitablauf ist im Übrigen auch mit den teilweise sehr unterschiedlichen Positionen der auf den Bildern abgebildeten Zeugin in Übereinstimmung zu bringen.

Nach dem Ergebnis des Probationsverfahrens steht daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Zeugin Z1 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt ebenso wie auch noch zu Beginn ihrer Vernehmung durch das Landgericht Kassel unwahre Angaben über den Zeitraum sowie die Motive der Nacktaufnahmen gemacht hat. Sie hat stets angegeben, es seien allenfalls wenige Bilder gewesen, während derer sie auf dem Rücken gelegen habe, bis sie den Verurteilten durch einen Tritt gegen die Kamera von der Anfertigung weiterer Bilder abgehalten habe. Diesen Zeitraum hat sie zu Beginn ihrer Vernehmung im Probationsverfahren - noch ohne Vorhalt der vom Verurteilten mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Bilder - nochmals präzisiert auf eine Dauer von maximal 2 Minuten. Diese Angabe steht auch in Übereinstimmung mit den auf den Aussagen der Zeugin in der Hauptverhandlung beruhenden Urteilsfeststellungen zu II. 2, die zwar keine genauere Zeitangabe enthalten, aber offensichtlich mit einem über rund 40 Minuten dauernden Geschehen, während dessen die Zeugin nicht nur in Rückenlage, sondern auch knieend und bei Ausübung des Oralverkehrs fotografiert wurde, nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss ist die Angabe der Zeugin Z1 im Probationsverfahren, sie habe bis zur Vorlage der Bilder im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landgericht Kassel keine Erinnerung mehr an die darauf ersichtlichen, rund 40 Minuten dauernden Vorgänge gehabt und sei bis dahin stets irrig davon ausgegangen, es sei nur über maximal 2 Minuten zu wenigen Bildern gekommen, die sie allesamt schlicht in Rückenlage mit gespreizten Beinen auf dem Bett liegend zeigten, nicht hinreichend glaubhaft. Es erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, dass eine Frau, die bei einem einmaligen Anlass über einen Zeitraum von 40 Minuten unter anderem bei der - wenn auch möglicherweise simulierten - Vornahme des Oralverkehrs sowie in anderen sexuellen Posen wie aus den vorgelegten Bildern ersichtlich fotografiert wird, sich an die Umstände der Aufnahme dieser Fotos nicht einmal mehr grob erinnern kann. Dies gilt erst recht, wenn diese Fotos nicht freiwillig gemacht wurden, sondern, wie die Zeugin auch im Probationsverfahren angegeben hat, allesamt unter Gewaltandrohung nach einer unmittelbar vorangegangenen Vergewaltigung. Überdies lässt der Inhalt der Fotos kaum auf eine derartige Unfreiwilligkeit schließen. Auch das von der Zeugin im Rahmen des Probationsverfahrens gezeigte Aussageverhalten spricht entgegen den Annahmen in dem angefochtenen Beschluss nicht für die Glaubhaftigkeit ihrer Angabe, insoweit einem Irrtum erlegen zu sein. Vielmehr ist dem Vorbringen des Verurteilten auf Seite 2 des Schriftsatzes seiner Verteidigerin vom 19.10.2006 (Bd. 6 Bl. 136 d. A.; fälschlich datiert auf den 19.10.2005) beizupflichten, dass das in der Vernehmung gezeigte Verhalten der Zeugin Z1 - von der anfänglichen Angabe, sich nicht als die abgebildete Person erkennen zu können, bis zuletzt die nicht bestreitbare Existenz der Bilder und der dort abgebildeten Situationen zugeben und sogar quasi vorsorglich erklären zu müssen, es könne noch mehr Bilder mit weiteren sexuellen Szenen geben - den offensichtlichen Widerspruch zwischen ihren zuvor gemachten Angaben und der durch Vorlage der Fotos neu geschaffenen Beweislage nicht glaubhaft erklären kann. Mit der von der Kammer herangezogenen Erklärung, es lasse sich "anhand der protokollierten Aussage geradezu in Einzelschritten nachvollziehen, wie sich die Erinnerung der Zeugin wieder zu einem klarer werdenden Bild zusammensetzte", was ihren Angaben "ein sehr authentisches Gepräge" gebe, sind die Angaben nicht zu vereinbaren.

Damit ist als weiteres Ergebnis des Probationsverfahrens festzuhalten, dass die Zeugin Z1 in dem zum Urteil des Landgerichts Darmstadt führenden Verfahren zu den Umständen der Anfertigung der Nacktfotoaufnahmen durchgehend falsche Angaben gemacht hat. Dies lässt allerdings entgegen der Annahme des Verurteilten nicht auf die generelle Unglaubwürdigkeit der Zeugin Z1 schließen. Zu berücksichtigen war vielmehr, dass es für diese Falschangaben der Zeugin Z1 ein nachvollziehbares Motiv gab. Der zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am 23.6.2003 bereits weit mehr als ein Jahr zurückliegende Vorfall mit den Bildern war insbesondere dadurch in die Aufmerksamkeit der Zeugin und des nachfolgenden Ermittlungsverfahrens gerückt, dass der Vater der Zeugin, der Zeuge Z2, nach einer Drohung des Angeklagten, Nacktbilder von der Zeugin zu veröffentlichen, kurz nach dem 29.5.2003 an dem Rollladen ihrer Wohnung unter anderem die bei den Akten befindliche Kopie gefunden hatte. Als er die Zeugin mit diesem Bild konfrontierte und fragte, ob sie so etwas freiwillig mache, antwortete sie - so die polizeiliche Aussage des Zeugen Z2 vom 28.8.2003, Bd. I Bl. 122 d. A. -, der Angeklagte habe sie dazu durch Vorhalt eines Messer gezwungen. In diese für sie überaus unangenehme Lage, die Existenz von Nacktfotos ihrer Person erklären zu müssen, geriet die Zeugin nur durch das Verhalten des Angeklagten. Dieser hatte sie zuvor mit der Veröffentlichung der Fotos bedroht und dann auch die Kopien an ihren Rollladen gehängt. Nachdem ihr Vater sie dort gefunden hatte, geriet die Zeugin ihm gegenüber in einen erheblichen Erklärungsdruck. In dieser Situation erscheint es nachvollziehbar, wenn die Zeugin durch eine falsche Äußerung zunächst nur gegenüber ihrem Vater dem sich aus dem einzelnen Bild nicht zweifelsfrei ergebenden Eindruck der Freiwilligkeit der Nacktaufnahme entgegenwirken wollte. Wenn die Zeugin diese falsche Angabe im darauf folgenden Ermittlungsverfahren durchgehend aufrecht erhielt und mangels Vorlage weiterer Bilder auch keinen Anlass sah, ihre Angaben zu revidieren, ist hierdurch ihre generelle Glaubwürdigkeit nicht derart zweifelhaft geworden, dass die Hauptverhandlung bezüglich aller Fälle, die auf ihren Angaben beruhen, erneuert werden müsste. Hier ist vielmehr zwischen den einzelnen Fällen zu differenzieren.

Bezüglich des als Fälle II. 1 und 2 vom Landgericht Darmstadt abgeurteilten Geschehens vom Januar 2002 - Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung (II. 1) sowie anschließender Nötigung (II. 2) besteht nach dem geschilderten Ergebnis des Probationsverfahrens hinreichender Anlass zur Anordnung der Erneuerung der Hauptverhandlung.

Die Urteilsfeststellungen beruhen insofern ausschließlich auf den Angaben der Zeugin Z1, die im Widerspruch zu den bestreitenden Angaben des Angeklagten stehen, so dass - wie im Senatsbeschluss vom 6.6.2006 auf S. 5 bereits ausgeführt - besonders strenge Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind und im besonderen Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien zu erfolgen hat. Dabei war bezüglich der Taten II. 1 und 2 zu berücksichtigen, dass die im Urteil des Landgerichts Darmstadt (UA S. 27 f.) aufgeführten Unstimmigkeiten im Aussageverhalten der Zeugin Z1 sich insbesondere auf das Geschehen im Januar 2002 bezogen. So war die Zeugin bei ihrer ersten Vernehmung am 23.6.2003 unsicher, ob der erzwungene Geschlechtsverkehr vaginal oder anal vollzogen worden sei; am 7.7.2003 schilderte sie ohne erkennbares Zögern einen analen Geschlechtsverkehr nach vorangegangenen Stockschlägen und Tritten in den Bauch; in der Hauptverhandlung schließlich sei sie sich sicher gewesen, dass der Angeklagte zur Erzwingung der Fotos auch noch mit einem Messer gedroht hatte, wovon in den vorherigen Aussagen nicht die Rede war. Diese Unstimmigkeit setzte sich im Probationsverfahren fort, als die Zeugin auf Befragen der Verteidigerin äußerte, sie sei sich nicht mehr sicher, tatsächlich mit einem Messer bedroht worden zu sein. Zudem hat das Landgericht Darmstadt bereits im Urteil (UA S. 28) vor allem im Hinblick auf den Vorfall vom Januar 2002 festgestellt, dass der Zeugin aufgrund der Vielzahl der Vorfälle zwischen ihr und dem Angeklagten "eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Ereignis nicht immer ohne weiteres möglich war." Diese schon bei Urteilserlass vorliegenden Unstimmigkeiten werden durch das oben geschilderte Ergebnis des Probationsverfahrens nochmals erheblich verstärkt. Zudem liegen keinerlei Indizien oder Zeugenaussagen vor, die als zusätzlicher Beweis für die Richtigkeit der Angaben der Zeugin über das Geschehen aus dem Januar 2002 herangezogen werden könnten. Im Gegenteil vermögen die mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Bilder die von der Zeugin Z1 behauptete Unfreiwilligkeit des Geschehens nicht zu stützen, sondern lassen eher auf das Gegenteil schließen. Insgesamt sind damit die Urteilsfeststellungen bezüglich des Tatgeschehens im Januar 2002 derart erschüttert, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung bezüglich der Tatvorwürfe zu II. 1 und 2 des Urteils des Landgerichts Darmstadt anzuordnen war.

Dies gilt jedoch nicht für die den Verurteilungen zu II. 3 und II. 4 zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen.

Zwar schildert das Urteil (UA S. 27) auch bezüglich dieser beiden Fälle gewisse Unstimmigkeiten in der Aussage der Zeugin Z1. So bekundete die Zeugin im Rahmen ihrer ersten Vernehmung am 23.6.2003 zu dem Vorfall an diesem Tag (Fall II. 4 des Urteils), der Verurteilte sei in den Büroräumen von hinten mit einer Pistole gekommen, die er ihr in den Magen gerammt habe, während sie in der Hauptverhandlung zunächst angegeben habe, er habe sich vor die Büroeingangstür gestellt und die Waffe herausgeholt, die er ihr dann in den Magen gerammt habe. Bezüglich des Tatvorwurfs vom 29.5.2003 ergaben sich Unstimmigkeiten im Wesentlichen lediglich dahin, dass die Zeugin nicht sicher angeben konnte, ob der Verurteilte ihr zuerst die Hose heruntergezogen und sie dann geschlagen oder sie zuerst geschlagen und dann die Hose heruntergezogen habe; überdies war sie sich zuletzt nicht mehr sicher, ob der Verurteilte nach der Tat ihre Wohnung verließ oder über Nacht blieb. Diese Unstimmigkeiten sind aber von wesentlich geringerem Ausmaß als die an gleicher Stelle des Urteils geschilderten, oben bereits erörterten Unstimmigkeiten bezüglich der Fälle II. 1 und 2. Auch betrifft die generelle Einschränkung auf UA S. 28, dass der Zeugin aufgrund der Vielzahl der Vorfälle zwischen ihr und dem Angeklagten "eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Ereignis nicht immer ohne weiteres möglich war", den Vorfall vom 23.6.2003 (Fall II. 4) schon ausdrücklich gar nicht. Aber auch der Vorfall von Ende Mai 2003 unterliegt nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ebenfalls nicht diesem Vorbehalt, da dieser sich nur auf die Übergriffe des Angeklagten während der Zeit seines Zusammenlebens mit der Zeugin Z1 bezog, die Zeugin aber bereits im Frühjahr 2002 und damit rund ein Jahr vor der Ende Mai 2003 begangenen Tat II. 3 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war.

Hinzu kommt, dass die Urteilsfeststellungen zu den Fällen II. 3 und 4 sich nicht allein auf die Bekundungen der Zeugin Z1 stützen. Diese werden vielmehr zum einen gestützt durch die Bekundungen weiterer Zeugen; zum anderen erscheint die auf UA S. 20 f. wiedergegebene bestreitende Einlassung des Angeklagten bezüglich dieser beiden Fälle als derart konstruiert, dass ihr entgegen den nach den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Darmstadt (UA S. 29 ff.) erlebnisbezogenen sowie ohne Belastungseifer oder Falschbelastungsmotiv getätigten Angaben der Zeugin Z1 auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Probationsverfahrens keine hinreichende Glaubhaftigkeit beizumessen ist, die in der Gesamtschau eine Erschütterung der Urteilsfeststellungen begründen könnte.

So wurden die Angaben der Zeugin über die Schläge, die der Angeklagte im Rahmen der Vergewaltigung vom 29.5.2003 mit seinem Hosengürtel auf ihren Po führte, bestätigt durch die Zeugenaussage ihres Vaters Z2, dem sie sich anschließend erstmals anvertraute und ihm die Hämatome am Gesäß zeigte. Dessen diesbezügliche Aussage will der Angeklagte mit seiner Einlassung gar nicht entkräften, sondern die blauen Flecke damit erklären, er hätte mit der Zeugin an diesem Tag zwar gestritten, aber dann doch Sex in der Dusche gehabt und ihr hierbei "scherzhaft mit der Hand auf den Po geschlagen" (UA S. 20). Auch unter Berücksichtigung des oben geschilderten Ergebnisses des Probationsverfahrens erscheinen die Urteilsfeststellungen zu Fall II. 3, die diese abwegige und offensichtlich konstruierte Einlassung des Angeklagten als widerlegt ansehen, nicht als erschüttert.

Entsprechendes gilt für Fall II. 4 des Urteils. Die von der Zeugin geschilderten erheblichen Körperverletzungen durch den Angeklagten finden nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 34 f.) ihre medizinische Bestätigung in den Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. SV1, der die Zeugin nach ihrer Strafanzeige ärztlich untersucht hatte. Dessen Aussage widerlegte insbesondere auch die auf UA S. 21 wiedergegebene Einlassung des Angeklagten, er habe nach einvernehmlichem Analverkehr mit der Zeugin sich mit dieser im Treppenhaus gestritten, sie weggeschubst und gegen die Wand geschleudert, bevor man sich gegenseitig an den Haaren gezogen habe. Auch diese Einlassung ist derart offensichtlich um die dem Angeklagten bekannten Ergebnisse der Beweisaufnahme herum konstruiert, dass das Ergebnis des Probationsverfahrens die Glaubhaftigkeit der entgegenstehenden Angaben der Zeugin Z1 und damit die darauf gestützten Feststellungen des Urteils zu Fall II. 4 nicht hinreichend in Frage zu stellen vermag.

Soweit mit der Beschwerdebegründungsschrift vom 11.10.2007 unter Punkt 4 noch vorgetragen wird, dass der Verurteilte zusammen mit der Zeugin Z1 in der Zeit vom 22.1.2002 bis 28.1.2002 in den USA einen Urlaub verbracht habe und zum Beweis hierfür ein Sichtvermerk der amerikanischen Einreisebehörde vorgelegt wird, liegt darin das Nachschieben vollständig neuer Tatsachen und Beweismittel, die mit dem bisherigen, ausschließlich auf die vorgelegten Fotos gestützten Wiederaufnahmevorbringen in keinem Zusammenhang steht und deshalb im Beschwerdeverfahren unzulässig ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 372 Rn. 7 m. w. N.). Zudem kam es vorliegend schon deshalb nicht auf diesen neuen Vortrag an, da sich dieser nur gegen die Urteilsfeststellungen zu den auf Januar 2002 datierten Fällen II. 1 und 2 richtet; insofern ist ohnehin die Hauptverhandlung aus den genannten Gründen zu erneuern.

Mithin war auf die Beschwerde hin die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung bezüglich der Taten II. 1 und 2 des Urteils anzuordnen, die Beschwerde im Übrigen hingegen zu verwerfen.

Die vom Verurteilten mit der Beschwerde gerügte Befangenheit der an dem Beschluss des Landgerichts Kassel beteiligten Richter R1 und Dr. R2 konnte nicht zum weitergehenden Erfolg der Beschwerde führen. Die Frage der Befangenheit der abgelehnten Richter und der Richtigkeit des das Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschlusses des Landgerichts Kassel vom 21.11.2006 unterliegt nicht der Prüfung durch den Senat im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Zwar hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Beschluss vom 18.1.2007 - Az. 2 Ws 2/07 (veröffentlicht in NStZ-RR 2007, 148) - die gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO erhobene Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss vom 21.11.2006 mit der Begründung als unzulässig verworfen, ein Beschluss, mit dem ein im Wiederaufnahmeverfahren gestellter Ablehnungsantrag zurückgewiesen wurde, könne entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nur zusammen mit der Endentscheidung angefochten werden. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Richtigerweise muss es bei Ablehnungsanträgen im Rahmen von Wiederaufnahmeverfahren beim Grundsatz des § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO verbleiben und die Frage der Befangenheit der abgelehnten Richter im gesonderten Beschwerdeverfahren abschließend geprüft werden. Für eine entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist in diesen Fällen kein Raum (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.11.1994 - Az. 3 Ws 671/94, JMBl NW 1995, 80-82 und NStE Nr. 5 zu § 28 StPO; SK-Frister/Deiters, StPO, § 372 Rn. 3).

Der 2. Strafsenat hat für seine Entscheidung - in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 11.3.1993 - Az. 1 Ws 60/92, OLGSt StPO § 28 Nr. 5 und NStE Nr. 3 zu § 28 StPO) - als maßgebliches Argument die Annahme herangezogen, die Vorschrift des § 372 StPO enthalte eine eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit, wonach nur die das Wiederaufnahmeverfahren abschließenden Entscheidungen der Beschwerde zugänglich seien. Diese Annahme ist falsch. Die Vorschrift des § 372 StPO bestimmt nur, dass die aus Anlass eines Wiederaufnahmeantrags von dem Gericht im ersten Rechtszug erlassenen Beschlüsse über die Zulässigkeit oder Begründetheit des Antrags (§§ 368, 370, 371 StPO) oder die Frage der Strafvollstreckung (§ 360 Abs. 2 StPO) mit der fristgebundenen sofortigen Beschwerde nach § 311 StPO anzufechten sind (vgl. BGH NJW 1976, 431; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 372 Rn. 1). Das ist notwendig, weil gerade im Wiederaufnahmeverfahren der Rechtskraft und Unabänderbarkeit von Beschlüssen besondere Bedeutung zukommt. Sofern das Gesetz schon an anderer Stelle vorschreibt, dass Beschlüsse mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind, hat § 372 Satz 1 StPO hingegen keine Bedeutung; dies gilt insbesondere auch für § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO (LR-Gössel, StPO, 25. Aufl., § 372 Rn. 1 f.). Die nicht unter § 372 StPO fallenden Entscheidungen - wie etwa Entscheidungen nach §§ 364 a und 364 b StPO (vgl. BGH NJW 1976, 431) - sind durch diese Vorschrift nicht der Anfechtung entzogen, sondern grundsätzlich mit der einfachen Beschwerde nach § 304 StPO anfechtbar (KK-Schmidt, StPO, 5. Aufl., § 372 Rn. 1; Meyer-Goßner aaO § 372 Rn. 2). Eine Ausnahme bildet lediglich die in diesem Zusammenhang nicht einschlägige Norm des § 372 Satz 2 StPO, die allein einen die Wiederaufnahme des Verfahrens und Erneuerung der Hauptverhandlung anordnenden Beschluss der Anfechtungsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft entzieht. Einschränkungen der Anfechtungsmöglichkeiten von Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren ergeben sich im Übrigen lediglich aus der hier entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 305 Satz 1 StPO (KK-Schmidt aaO § 372 Rn. 4; Meyer-Goßner aaO § 372 Rn. 2; LR-Gössel aaO § 372 Rn. 7; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.8.1964 - Az. 1 Ws 157-159/64, NJW 1965, 314), die aber auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar ist (vgl. SK-Frister/Deiters, StPO, § 372 Rn. 3).

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nach ihrem Wortlaut nur auf die Ablehnung erkennender Richter anwendbar, das heißt Richter, die berufen sind, in der Hauptverhandlung mitzuwirken. Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt mit der Eröffnung des Hauptverfahrens und endet mit dem Erlass des Urteils (KK-Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 28 Rn. 3; Meyer-Goßner, aaO, § 28 Rn. 6; LR-Siolek, StPO, 26. Aufl., § 28 Rn. 11 ff.). Einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf das Wiederaufnahmeverfahren steht bereits entgegen, dass für diesen Fall eine planwidrige Regelungslücke bestehen müsste. Diese ist aber nicht gegeben, vielmehr regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO die generelle gesonderte Anfechtbarkeit eines Beschlusses, durch den die Ablehnung eines nicht aufgrund einer Hauptverhandlung erkennenden Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wurde, mit der sofortigen Beschwerde (vgl. Chlosta, NStZ 1987, 291). Auch ist die Prozesslage der Ablehnung erkennender Richter in einer nur für begrenzte Zeit zu unterbrechenden Hauptverhandlung, für die die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO geschaffen wurde (LR-Siolek aaO § 28 Rn. 11; KK-Pfeiffer aaO § 28 Rn. 3), mit der Lage im ohne besonderen zeitlichen Druck durchzuführenden Wiederaufnahmeverfahren in keiner Weise vergleichbar (vgl. OLG Düsseldorf aaO). Überdies ermöglicht die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO, zu Recht als befangen abgelehnte Richter von der Beweisaufnahme im Probationsverfahren auszuschließen; die analoge Anwendung von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO hingegen führt dazu, dass trotz möglicherweise zu Recht erfolgter Ablehnung der Richter zunächst die vollständige Durchführung des Probationsverfahrens sowie der Erlass der Endentscheidung durch diese abzuwarten ist. Hierfür gibt es mangels Vergleichbarkeit des Wiederaufnahmeverfahrens mit der Hauptverhandlung, für deren Besonderheiten § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO geschaffen wurde, keinen sachlichen Grund.

Schließlich gleicht das Gesetz den in § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgesehenen Ausschluss eines Rechtsmittels gegen die Mitwirkung eines möglicherweise befangenen Richters an einer Hauptverhandlung, der als Ausnahme vom Regelfall des § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO eine erhebliche Einschränkung der Rechte des Angeklagten darstellt, in dem bei Rechtsmitteleinlegung in diesen Fällen zumeist anwendbaren Revisionsrecht dadurch aus, dass von befangenen Richtern gesprochene Urteile dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO unterfallen mit der Folge der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an eine andere landgerichtliche Kammer oder amtsgerichtliche Abteilung. Eine entsprechende Regelung ist für die im Wiederaufnahmeverfahren zu treffende Beschwerdeentscheidung nicht vorgesehen, hier ist vielmehr gem. § 309 Abs. 2 StPO vom Beschwerdegericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden (KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 309 Rn. 7, 11). Dies käme für den Betroffenen letztlich dem Verlust einer Gerichtsinstanz gleich (vgl. Chlosta aaO S. 292).

Aus den vorgenannten Gründen ist der Auffassung, wonach eine Überprüfung von im Wiederaufnahmeverfahren geltend gemachten Befangenheitsgründen gemeinsam mit der Beschwerde gegen die Endentscheidung im Wiederaufnahmeverfahren durchzuführen wäre, nicht zu folgen. Der Senat hat damit auf die vorliegende Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.8.2007 hin über den in der Beschwerdebegründung erhobenen Angriff gegen den Beschluss vom 21.11.2006 nicht zu entscheiden.

Der Senat hat erwogen, in entsprechender Anwendung von § 210 Abs. 3 StPO die Erneuerung der Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Kassel anzuordnen, da nach dem bisherigen Verfahrensgang in Frage steht, ob die bisher zuständige Kammer sich die Ausführungen des Senats innerlich voll zu eigen machen wird (vgl. Meyer-Goßner aaO § 210 Rn. 10 und § 370 Rn. 18). Eine entsprechende Anwendung der nur für die Beschwerde gegen einen Nichteröffnungsbeschluss geschaffenen Ausnahmevorschrift des § 210 Abs. 3 StPO, die ohnehin unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Rechts auf den gesetzlichen Richter eng auszulegen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.6.1993 - Az. 2 BvR 848/93 [zit. nach juris]; siehe auch Seier, StV 2000, 586 ff.), ist jedoch entgegen vereinzelt gebliebener Rechtsprechung (OLG Hamburg JR 1979, 383) de lege lata nicht zulässig (vgl. Meyer-Goßner JR 1979, 384 ff.).

Da die Wiederaufnahme nach § 370 Abs. 2 StPO, wenn auch nur teilweise, angeordnet wurde, war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen. Erst aufgrund der neuen Hauptverhandlung wird über die Kosten des gesamten früheren Verfahrens zu entscheiden sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 473 Rn. 37; KK-Franke, StPO, 5. Aufl., § 473 Rn. 14; LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 473 Rn. 96).

Ende der Entscheidung

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