Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 44/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 116
Verschonung vom Vollzug der Untersuchungshaft nach noch nicht rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 Ws 44/00

88 Js 14593.2/98 5/30 KLs (LG Frankfurt am Main)

In der Strafsache

...

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am main auf die beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 30. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.2.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... am 31. März 2000 beschlossen

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Angeklagte wird unter den Bedingungen, dass er

a) Reisepass und Personalausweis zu den Akten reicht und

b) Sicherheit durch Hinterlegung von 100.000,-DM (in Worten: Hunderttausend Deutsche Mark) oder durch Vorlage einer selbstschuldnerischen und unbefristeten Bankbürgschaft in gleicher Höhe leistet und im Übrigen unter nachfolgenden Auflagen vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24.4.1998 - in der Fassung vom 8.1.1999 ­ Az. 88 Js 14593.2/98 verschont:

1. Der Angeklagte hat festen Wohnsitz beizubehalten.

2. Er hat jeden Wohnsitzwechsel unter Vorlage einer Ummeldebescheinigung unverzüglich der 30.Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am

Mein mitzuteilen.

3. Er hat sich 2 x wöchentlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen

Polizeistation zu melden. Die Meldezeiten bestimmt die Polizei.

4. Er darf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen.

5. Er hat jeder in dieser Sache an ihn ergehenden Ladung Folge zu leisten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, die sich gegen den angefochtenen Beschluss nur insoweit richtet, als er eine Haftverschonung versagt (Ziff. 2), ist begründet.

Der Angeklagte ist der im Haftbefehl nach Maßgabe des ­ noch nicht rechtskräftigen ­ Urteils der 30. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.9.1999 zur Last gelegten Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht gründet sich auf die Feststellungen des Urteils vom 30.9.1999. Der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs.2 Nr.2StPO) besteht ansatzweise aufgrund der Straferwartung im Falle der Rechtskraft des Urteils vom 30.9.1999 (7Jahre Freiheitsstrafe). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich seit 21,5 Monaten in dieser Sache in Untersuchungshaft befindet, die auf die erkannte Strafe anzurechnen sind . Hinzu kommt , daß für den nicht vorbestraften Angeklagten die Möglichkeit einer bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der verhängten Strafe nach weiteren 34,5 Monaten nicht fernliegt. Die Voraussetzungen für eine positive Prognose in dieser Richtung erscheinen nicht von vornherein ungünstig. Der nicht vorbestrafte Angek!agte lebt seit 1976, als er mit seiner Familie einwanderte, in der Bundesrepublik. Hier hat er die Schule besucht , eine Lehre als Koch abgeschlossen und danach bis 1986 im erlernen Beruf arbeitet, sodann als Fahrer in zwei Schichten für zwei Firmen. Daneben betätigte er sich zeitweise auch als Gerichtsdolmetscher. Im Jahre 1993 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch seine Ehefrau, deren Name in der Anklage mit ... angegeben wird, ist Deutsche. Die Eheleute haben drei gemeinsame Kinder im schulpflichtigen Alter (lt. Urteil vom 30.9.1999: 11, 7 und 6 Jahre). Sie haben eine Wohnung in Frankfurt. Eltern und einige Geschwister des Angeklagten leben auch in Deutschland, haben nach seiner Mitteilung auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Unter diesen Umständen erscheint der Fluchtanreiz so weit gemindert, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch die aus der Beschlußformel ersichtlichen weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreicht werden kann. Der Angeklagte wird es nach Strafverbüßung nicht ganz leicht haben, beruflich wieder Fuß zu fassen, käme möglicherweise auch in Marokko noch einigermaßen zurecht . Doch würde eine Rückkehr mit der Familie nach Marokko die Zukunftschancen seiner Kinder nachhaltig beeinträchtigen. Dies wäre ebenso wie eine dauerhafte Trennung von der Familie aus seiner Sicht kein vernünftiger Preis für die Vermeidung ­ wenn auch belastender ­ restlicher Strafhaft von knapp 3 Jahren, zudem die Sicherheit verfallen würde und der Angeklagte als deutscher Staatsangehöriger in Marokko vor Strafverfolgung und Auslieferung sich nicht sicher fühlen könnte.



Ende der Entscheidung

Zurück