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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 10 U 11/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 401
BGB § 985
Der Besitzer einer Mehrwegflasche ist zwar regelmäßig gem. § 985 BGB zur Herausgabe der Flasche verpflichtet. Angesichts des Umstands aber, dass die Mühe und die Möglichkeit der Rückgabe regelmäßig in das Belieben des Besitzers gestellt wird, ist diesem eine Ersetzungsbefugnis zuzubilligen. Er kann wählen, ob dem Vindikationsanspruch gerecht werden oder ob er statt dessen Schadensersatz durch "Verfallenlassen" des Einsatzbetrags leisten will.
Gründe:

I. Die Klägerin füllt Mineralwasser in 1,5 Liter-Kunststoffflaschen ab, welche bis zu 15 x verwendet werden. Diese Flaschen werden mit einem Pfand von 0,15 € je Flasche belegt. Nach ihrer Darstellung hat sie für den Erwerb einer Flasche 0,173 € aufzuwenden.

Die Beklagte vertreibt die französischen Mineralwassermarken A und B in Deutschland. Auch diese Flaschen werden in 1,5 Liter Kunststoffflaschen vertrieben, welche allerdings nur zu einem einmaligen Transport des Wassers zum Endkunden verwendet werden. Die Flaschen werden nach der Rückgabe anderweitig verwertet. Diese Flaschen werden mit einem Pfand von 0,25 € je Flasche belegt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr fehlten eine Vielzahl der von ihr in den Vertrieb gebrachten C-Flaschen. Auf der anderen Seite habe sie 728.552 entleerte A-Flaschen und B-Flaschen in ihrem Besitz; aus diesem Flaschenbesitz sei zu folgern, dass die Beklagte eine entsprechende Anzahl C-Flaschen in Besitz habe.

Sie hat im ersten Rechtszug Herausgabe von 728.552 1,5 Liter C-PET-Mehrwegpfandflaschen, hilfsweise Schadensersatz von 0,0865 € pro Flasche verlangt. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Herausgabe von 1,5 Liter C-PET-Mehrwegpfandflaschen verpflichtet ist und es zu unterlassen hat, 1,5 Liter C-PET-Mehrwegpfandflaschen zu vernichten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, ein Schluß von der Anzahl der im Besitz der Klägerin befindlichen leeren Flaschen der von der Beklagten vertriebenen Mineralwassermarken auf die Anzahl der von der Klägerin in den Verkehr gebrachten Flaschen, welche sich ihm Besitz der Beklagten befinden, sei nicht ohne weiteres möglich. Feststellungen zur Höhe eines Anspruchs seien daher nicht erlaubt.

Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der die Klageabweisung tragenden Gründe wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Schadensersatzanspruch, das Feststellungsbegehren und den Unterlassungsanspruch weiter. Sie geht von einer zwischenzeitlichen Vernichtung der von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen durch die Beklagte aus.

Sie rügt vor allem,

das Landgericht habe unzulässigerweise der Beklagten ein Bestreiten der Anzahl der in ihrem Besitz befindlichen Flaschen mit Nichtwissen zugebilligt fehlerhaft sei eine Schadensschätzung gem. § 287 ZPO nicht vorgenommen worden zu Unrecht sie ihr vorgehalten worden, das von der Beklagten verlangte Verhalten sei unverhältnismäßig.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von EUR 63.019,74 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,

festzustellen, dass die Beklagte in ihrem Besitz befindliche oder künftig ihren Besitz gelangende C-PET-Mehrwegpfandflaschen an die Beklagte herauszugeben hat,

die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung für jeden Fall der Zuwiderhandlung eines fälligen Ordnungsgelds bis zu EUR 100.000,00 es zu unterlassen, in ihrem Besitz befindliche oder in ihren Besitz gelangende 1,5 Liter C-PET-Mehrwegpfandflaschen zu vernichten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten wegen einer Vernichtung von Flaschen, welche sie in den Vertrieb gebracht hat, keinen Schadensersatz in der begehrten Weise verlangen. Die Herausgabepflicht derartiger Flaschen ist nicht in der von der Klägerin gewünschten Weise durchsetzbar, so dass das Feststellungsbegehren nicht berechtigt ist. Unterlassungsansprüche sind deshalb ebenfalls nicht gegeben.

Unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien, welche im Zusammenhang mit dem Vertrieb des Mineralwassers und dem Verkauf an den Endkunden begründet wurden, sind nicht ersichtlich.

Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz wegen der Vernichtung von Mehrwegflaschen gegen die Beklagte kommen folglich nur dann in Betracht, wenn im Rahmen eines Verkauf des in Mehrwegflaschen abgefüllten Mineralwassers nur eine Übereignung des Wassers erfolgt, die Klägerin jedoch Eigentümerin der von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen bleibt. Denn dann sind bei einer Vernichtung des Eigentums der Klägerin deliktische Ansprüche oder solche aufgrund der §§ 989, 990ff BGB gegen denjenigen zu erwägen, der den Untergang der Sachen der Klägerin herbeigeführt hat.

Eine solche Rechtslage könnte sich dann einstellen, wenn die Flasche bei einer Veräußerung des in einer Flasche abgefüllten Mineralwassers leihweise, weil unentgeltlich, oder mietweise, sofern entgeltlich, zur Verfügung gestellt wird und der vom Erwerber für die Flasche eingesetzte Geldbetrag den Rückgabeanspruch der Abfüllerin hinsichtlich des Leerguts sichert. Bei einer solchen Würdigung bleibt nämlich die Abfüllerin Eigentümer der Flasche. Sie ist auch im Hinblick auf die Einnahme des eingesetzten Betrags keinem Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der Flasche ausgesetzt, da der eingesetzte Betrag keine Gegenleistung darstellt, sondern seinen ausschließlichen Rechtsgrund in einer Sicherungsabrede hat. Dabei ist letztlich die rechtliche Einordnung gleichgültig, welche hinsichtlich des Pfandbetrags gewählt wird. Nahe liegt allerdings die Einordnung als Sicherheitsleistung, weil keinesfalls gerade die Valuta zurückgezahlt werden müssen, welche als "Pfand" eingesetzt werden. Inhalt des Rückzahlungsanspruchs ist eine Geldschuld, welche nicht auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet ist, sondern eine Wertverschaffungsschuld darstellt. Auf der andern Seite ist es selbstverständlicher Inhalt der Sicherungsabrede, dass das Leergut auch zurückgenommen werden muß, weil nur auf diese Weise gewährleistet ist, dass der Sicherungsgeber die gewährte Sicherheit zurückerhält.

Angesichts der allen Beteiligten bei dem Vertrieb und beim Kauf von Mineralwasser, welches in Mehrwegflaschen abgefüllt wird, bekannten Interessenlage kann sicherlich davon ausgegangen werden, dass es einem Käufer auf jeder Stufe des Handels ebenso wie dem Endkunden klar ist, das abfüllende Unternehmen lege bei Benutzung von Mehrwegflaschen auch Wert auf die Rückführung der Flasche und wolle deshalb auch nicht das Eigentum an der Flasche übertragen. Angesichts dieser im Verkehr bekannten Sichtweise der zugrunde liegenden Verhältnisse fehlt es somit regelmäßig an einem auf die Übereignung der Flasche abzielenden Rechtsgeschäft.

Da von keinem Eigentumsverlust der Klägerin auf dem Weg zum Endverbraucher und bei dem Erwerb des Getränks durch diesen auszugehen ist, bedarf es hier keiner Untersuchung, ob und auf welche Weise es zu einer Sicherungsabrede zwischen der Klägerin dem Endkunden kommt. Diese kann vorliegend im Hinblick auf das aus anderen Gründen vorzunehmende klageabweisende Ergebnis unterstellt werden.

Allerdings führen die Vorstellungen des Verkehrs und eine lebensnahe, an tatsächlichen Gegebenheiten ausgerichtete Würdigung der Verhältnisse dazu, dass kein Besitzer einer Pfandflasche davon ausgeht und ausgehen muß, er sei zur Rückgabe der Flasche verpflichtet ist oder müsse einem ausdrücklich an ihn herangetragenen Herausgabebegehren entsprechen. Jedermann legt zugrunde, dass er bei ausbleibender Rückgabe in Kauf nimmt, den Einsatz nicht mehr zu bekommen. Selbstverständlich geht jeder Besitzer einer Flasche weiter davon, dass er keinesfalls zu einem über den Einsatzbetrag hinausgehenden Schadensersatzanspruch des Eigentümers der Flasche ausgesetzt sein wird. Jede andere Regelung würde dem Massengeschäft nicht gerecht.

Diese Vorstellung herrscht nicht nur beim Endkunden, sondern auch beim Einzelhändler und Großhändler gegenüber dem Abfüller oder Vertreiber. Sie kann daher als einvernehmliche Abrede zwischen allen Beteiligten angesehen werden.

Der Sache nach bedeutet dies, dass der Besitzer einer Mehrwegflasche zwar regelmäßig gem. § 985 BGB zur Herausgabe der Flasche verpflichtet ist; angesichts des Umstands, dass die Mühe und die Möglichkeit der Rückgabe regelmäßig in das Belieben des Besitzers gestellt wird, ist diesem eine Ersetzungsbefugnis zuzubilligen ist. Er kann wählen, ob dem Vindikationsanspruch gerecht werden will oder ob er statt dessen Schadensersatz durch "Verfallenlassen" des Einsatzbetrags leisten will, wobei es bei der Ersetzung durch einen Sekundäranspruch der Höhe nach mit dem Verfall des Einsatzes regelmäßig sein Bewenden hat.

Die Klägerin macht einen Sachverhalt geltend, bei welchem ihre Pfandflaschen vom Endkunden oder einem sonstigen späteren Besitzer nicht in ihr Vertriebsnetz zurückgegeben wurden, sondern auf einem anderen, im einzelnen nicht aufklärbaren Weg zu Beklagten gelangt sind.

Der Senat hat in einem anderen von der hiesigen Beklagten als Klägerin geführten Rechtsstreit (10 U 274/04) ausgeführt, wie sich die Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit dem Besitz einer Pfandflasche, deren Rückgabe durch einen Einsatzbetrag gesichert ist, im einzelnen gestalten. Dort wurde darauf hingewiesen, dass sich der Endverbraucher zwar keine genauen Vorstellungen über eine rechtliche Einordnung der Verhältnisse beim Erwerb einer Pfandflasche machen wird; er erwirbt die "eingesetzte" Flasche aber sicherlich mit dem Rechtsbewußtsein, er erhalte den Einsatzbetrag bei Rückgabe der Plastikflasche zurück, wobei auf der anderen Seite auch davon ausgeht, dass eine Rücknahmeverpflichtung hinsichtlich der Flasche besteht. Nach der in der Bevölkerung bestehenden Vorstellung legitimiert der Besitz der Flasche zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs hinsichtlich des Einsatzbetrags. Wie selbstverständlich besteht bei jedermann die Gewißheit, dass bei der Rückgabe des Leerguts nicht nachzuweisen ist, ob der Einsatzbetrag geleistet wurde und wer ihn an wen erbracht hat. Der Besitz des Leerguts rechtfertigt ohne weiteres die Inhaberschaft hinsichtlich des Erstattungsanspruchs. Die Flasche ist zwar nicht Rechtsträger des Anspruchs im Sinne eines Inhaberpapiers, sie stellt aber ein Beweismittel für die Inhaberschaft des auf den Einsatzbetrag gerichteten Rückforderungsanspruchs dar. Es ist aber dann Sache des in Anspruch Genommenen, die durch den Besitz der Flasche aufgestellte Vermutung der schuldrechtlichen Rechtsposition des Besitzers zu widerlegen. Er hat zu beweisen, dass trotz des Besitzes der Flasche der Besitzer nicht Rechtsinhaber des Erstattungsanspruchs geworden ist. Da dies im Regelfall nicht möglich sein wird und auch nicht geschieht, läuft die Handhabung in der Praxis für den Besitzer einer Flasche auf die Rechtswirkungen eines Zeichens im Sinne des § 807 BGB hinaus. Auch die Klägerin nimmt offenbar diese Rechtsposition ein. Denn sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gemacht, dass sie für den Fall des Scheiterns ihres Begehrens auf die Erstattungsansprüche wegen der ihn ihrem Besitz befindlichen Flaschen zurückgreifen werde, welche durch die Beklagte in den Verkehr gebracht wurden.

Der Anspruch auf Erstattung des beim Erwerb des Getränks entrichteten Einsatzbetrags ist nach der Überzeugung des Endverbrauchers sowohl gegen den Abfüller oder dessen Vertreiber, als auch gegen den Empfänger des Einsatzbetrags gerichtet. Darüber hinaus wird vielfach die Vorstellung bestehen, dass es auch sonstige erfüllungsbereite Dritte gibt, welche es übernehmen, die Flasche zum Abfüller oder Vertreiber zurückzuleiten. Diese Sichtweise der Dinge ist aufgrund einer tagtäglich vielfach geübten Handhabung, welche jedermann geläufig ist, bei der Benutzung von Pfandflaschen vorhanden.

Wird nunmehr eine Flasche an einen Dritten zurückgegeben, der an sich zur Rücknahme nicht verpflichtet ist, so liegt es nahe zu folgern, dass bei der Übertragung des Besitzes auch der Anspruch auf Erstattung des Einsatzbetrags abgetreten wird. Dieser Bewertung entspricht auch die oben vorgenommene rechtliche Würdigung, welche mit dem Besitz der Pfandflasche verbunden wird. Mit dem Anspruch auf Erstattung des Einsatzbetrags geht wie selbstverständlich der Anspruch einher, der auf die Verpflichtung zur Rücknahme der Flasche gerichtet ist. Da dem Endkunde das Recht zur Ersetzungsbefugnis hinsichtlich der Erfüllung des Vindikationsanspruchs durch Leistung von Schadensersatz, der der Höhe nach auf den Einsatzbetrag begrenzt ist, zugebilligt wird, geht dieses Recht zur Ersetzungsbefugnis in entsprechender Anwendung des § 401 BGB auf de neuen Gläubiger des Erstattungsanspruchs über. Diese entsprechende Anwendung des § 401 BGB ist deswegen gerechtfertigt, weil ein Rechtsnachfolger grundsätzlich nicht einem größerem Pflichtenkreis ausgesetzt sein kann als sein Rechtsvorgänger. Er bezieht ausschließlich von diesem seine Rechtsposition. Dies bedeutet, dass jegliche Schadensersatzansprüche wegen Vernichtung der Flaschen scheitern müssen.

Unabhängig davon hält auch der Senat ebenso wie das Landgericht es für zutreffend, dass von der Anzahl von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Flaschen, welche sich im Besitz der Klägerin befinden, nicht darauf geschlossen werden kann, dass Beklagte ihrerseits eine gleiche Anzahl von Flaschen der Klägerin in Besitz genommen hat. Der Klägerin ist lediglich zuzugeben, dass nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgehen ist, das Leergut gelange ausschließlich markensortiert in den Rücklauf. Dies gilt umso mehr, wenn die Gestaltung der Flaschen der einzelnen Abfüller sich sehr ähnelt oder die Flaschen sogar im Aussehen identisch sind. Allerdings gibt diese Einsicht keine Auskunft über die Größenordnung möglicher Verwechslungen und Vertauschungen oder bewusst vorgenommener Irreführungen bei Rückgabe. Da die Größenordnung so unbestimmt ist, besteht auch keine Möglichkeit, auf eine jedenfalls anzunehmende Anzahl fehlgeleiteter Flaschen im Wege der Schätzung gem. § 287 Abs. 1 ZPO zu folgern.

Die Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis des Besitzers einer Pfandflasche führt auch dazu, dass die weiteren Begehren der Klägerin unbegründet sind. Die Klägerin kann weder verlangen, dass die Beklagte das bei ihr einlaufende Leergut überprüft, sortiert und dem Eigentümer zuführt, noch kann es ihr verboten werden, Schadensersatz statt Herausgabe zu wählen. Will die Klägerin derartige Ansprüche durchsetzen, ist sie auf individuelle Absprachen angewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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