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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.06.2007
Aktenzeichen: 10 U 115/06
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, ZPO, StPO


Vorschriften:

VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 8
VOB/B § 8 Ziff. 1 Abs. 1
VOB/B § 8 Ziff. 3 Abs. 1
BGB § 648 a
ZPO § 139
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 543
StPO § 244 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der restlichen Vergütung aus einem Generalunternehmer-Vertrag in Anspruch.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit schriftlichem Generalunternehmer Vertrag vom 29. August 2002 mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Montage halle sowie eines Bürogebäudes mit Außenanlage auf dem Grundstück ...-Straße in ...O1 zu einem Pauschalpreis in Höhe von 1.132.000,-- € netto bis zum 21. März 2003. Die Klägerin übernahm dabei auch die Ausführungsplanung, ohne eine Erhöhung des Pauschalpreises (BI. 60 d. A.). Die Parteien vereinbarten u. a. die Geltung der VOB/B. Die Beklagte erklärte die Kündigung des Vertrages vor Beendigung der Arbeiten.

Im Zuge der Bauausführung kam es zu Verzögerungen und Behinderungsanzeigen durch die Klägerin, deren Berechtigung zwischen den Parteien streitig ist.

Folgende nachträgliche Änderungen sind zwischen den Parteien unstreitig:

1. Eine geplante Versickerungsanlage sollte auf einen anderen Teil des Grundstücks verlegt werden, weil das Wasser zu schnell ablief. Nachdem die Parteien wegen der damit verbundenen Mehrkosten keine Einigung erzielen konnten, sollte die Versickerungsanlage entfallen und ein Anschluss an die Kanalisation erfolgen.

2. Die Elektroanlage musste, statt wie vorgesehen in der Montagehalle, in einem Hausanschlussraum angebracht werden, um den Zugang für alle Mieter zu gewährleisten. Hierzu war eine Umplanung notwendig.

3. Für die Lichtkuppeln wurden geänderte Baugenehmigungen beantragt, von deren Eingang die Klägerin den Fortgang der weiteren Arbeiten abhängig machte.

Weiterhin bestanden zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen darüber, ob notwendige Zusatzarbeiten von der Pauschale erfasst oder gesondert zu vergüten waren. Die Verhandlungen endeten in einem Gespräch am 14. März 2003 zwischen den Geschäftsführern der Parteien. Die Nachtragsaufträge sollten dann schriftlich vereinbart werden, wozu es nicht mehr gekommen ist. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 14. April 2003 (K 19) der von der Beklagten verfassten Zusatzvereinbarung (K 18), weil diese nicht den mündlichen Absprachen entspräche. Nach Verstreichen des Fertigstellungstermins am 21. März 2003 forderte die Beklagte mit Schreiben vom 22. März 2003 die Klägerin zur vollständigen Leistungserbringung bis 8. April 2003 auf (K 16) und erklärte mit Schreiben vom 17. April 2003 (K 20) die Kündigung des Vertrages. Die Klägerin übersandte der Beklagten sodann mit Schreiben vom 22. Mai 2003 (K 22) die Schlussrechnung nebst Massenermittlung (Anlage 2). Sie bezifferte ihren Vergütungsanspruch auf 539.655,22 €.

Dabei brachte sie neben den ausgeführten Arbeiten nach dem Inhalt des Vertrages noch folgende zusätzliche Leistungen in Ansatz:

Weitere Bauleistungen (Ziffer 150), Aufwand für vorzeitige Abrechnung des Bauvorhabens (Ziffer 160), Vergütung nach § 8 VOB/B wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung (Ziffer 170). Zu dem letztgenannten Punkt sieht Ziffer 15.4 des Generalunternehmer-Vertrages nach dem Verständnis der Parteien eine pauschale Abgeltung von 40 % für die noch nicht erbrachten Leistungen vor. Den Anspruch für nicht verarbeitetes Material (Ziffer 140) stützt die Klägerin darauf, dass die Beklagte ihr Kaufangebot nicht angenommen habe und die Teile anderweitig nicht zu verwenden gewesen seien und deswegen entsorgt werden mussten.

Die Klägerin hat beantragt.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 539.655,22 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 09.08.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe nur einen Teil der von ihr in Ansatz gebrachten Bauleistungen erbracht, wie mit Schriftsatz vom 31. August 2004 dargelegt (BI. 158 d. A.). Des Weiteren sei die Schlussrechnung nicht prüfbar und inhaltlich unzutreffend. So seien auch die Planungsleistungen der Klägerin als Bestandteil der Pauschale zu berücksichtigen.

Sie meint weiter, ihre Kündigung habe keine Ansprüche der Klägerin nach § 8 VOB/B begründen können, da sie deswegen erfolgt sei, weil die Klägerin grundlos ihre Arbeiten eingestellt habe.

Weiterhin hat die Beklagte die Hilfsaufrechnung mit Avalkosten für verschiedene Zeiträume in Höhe von 8.101,53 € und 35.619,97 €, sowie wegen Mietausfalls in Höhe von 27.007,75 € erklärt.

Das Landgericht hat zur Frage der Zusatzaufträge Zeugenbeweis erhoben.

Das Landgericht hat der Klage fast vollständig stattgegeben und lediglich die Hilfsaufrechnung zu einem geringen Teil durchgreifen lassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schlussrechnung sei prüffähig und auch richtig erfolgt. Die Materialkosten seien berechtigt, weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass die Bauteile angeliefert worden und für andere Bauvorhaben nichtverwendbar gewesen seien. Die Zusatzleistungen aufgrund von Planänderungen seien berechtigt, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, welche Verzögerungen oder PIanänderungen nicht eingetreten seien. Schließlich stehe der Klägerin auch der Vergütungsanspruch nach § 8 VOB/B zu, weil die Kündigung von ihr Klägerin nicht veranlasst worden sei. Aus diesem Grund sei auch der erhöhte Abrechnungsaufwand gemäß Ziffer 160 zu vergüten. Hiervon seien lediglich die Avalkosten für eine Bürgschaft nach § 648 a BGB für die Zeit vom 30. September 2002 bis August 2003 aufgrund der Hilfsaufrechnung in Abzug zu bringen.

Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil mit der Begründung, das Landgericht habe über die der Schlussrechnung zugrunde gelegten Positionen Beweis er heben müssen, weil diese von ihr substantiiert bestritten worden seien. Einen Hin weis auf fehlende Substantiierung habe das Landgericht nicht erteilt. Die Schlussrechnung sei auch nicht prüfbar mangels hinreichender Abgrenzung zwischen ausgeführten und nicht ausgeführten Arbeiten im Verhältnis zur Pauschalierung. Die Kosten für die berechneten Bauteile seien jedenfalls der Höhe nach nicht nachvollziehbar dargelegt und bewiesen. Über die Nachtragsleistungen habe man sich nicht geeinigt. Diese seien von ihr auch bestritten. In diesem Punkt sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft und teilweise unvollständig, weil der Zeuge Z1 nicht vernommen worden sei. Die Klägerin könne auch keinen erhöhten Arbeitsaufwand für die Rechnungsstellung beanspruchen, weil diese ohnehin zu erstellen gewesen wäre. Der Anspruch nach § 8 VOB/B sei nicht begründet, weil die Klägerin die Kündigung veranlasst habe. Daneben seien die abgerechneten Leistungen auch nicht nachvollziehbar. Ergänzend werden in der Berufungsinstanz die mit Schriftsatz vom 18. Januar 2005 (BI. 158 d. A.) dargelegten Teilleistungen erläutert (BI. 370 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 06.04.2006 die Klage insgesamt abzuweisen, sowie ergänzend, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

II.

Das Urteil des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Es leidet an verschiedenen wesentlichen Verfahrensfehlern, die eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig machen, so dass eine Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges angezeigt war (§ 538 Abs. 2 lift. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abrechnung eines gekündigten Bauvertrages mit Pauschalpreisvereinbarung nicht hinreichend beachtet und aus diesem Grund fehlerhafte Auflagen und Hinweise erteilt, welche die Beklagte in ihrer Rechtsverteidigung behinderten und zu einer weitgehenden Stattgabe der Klage ohne Durchführung der gebotenen weiteren Tatsachenfeststellungen führten.

1.

Bei einem gekündigten Bauvertrag mit Pauschalpreisvereinbarung muss nach ständiger Rechtsprechung des BGH bei der Abrechnung sichergestellt werden, dass der Unternehmer sich durch die Kündigung nicht besser stellt als bei vollständiger Durchführung des Bauvertrages, weil ihm nur der Anteil seiner vereinbarten Vergütung zusteht, der seinen bisher erbrachten Leistungen entspricht (BGH NJW 1995, 1837). Aus diesem Grund kann er die erbrachten Leistungen nicht alleine nach Aufmaß und Einheitspreisen abrechnen - wie dies die Klägerin in ihrer Schlussrechnung getan hat - weil hierdurch der Bedeutung der Pauschalpreisvereinbarung nicht Rechnung getragen wird. Der Unternehmer muss vielmehr eine Bewertung der Teilleistungen vornehmen und den Wert der erbrachten Teilleistungen in das Verhältnis setzen zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung (BGH BauR 2000, 726; MDR 2002, 1244). Dazu ist es zunächst notwendig, die erbrachten Leistungen von den nicht mehr ausgeführten Leistungen in einer Weise abzugrenzen, die es dem Auftrageber ermöglicht, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH NJW-RR 2002,1532 m. w. N.). Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet.

Die Klägerin hat in der Schlussrechnung vom 22.05.2003 (K 22) lediglich die nicht ausreichende Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht ausgeführten Leistungen vorgenommen. Sie hat auch später durch die Gegenüberstellung der kalkulierten Kosten gemäß Kostengruppenaufstellung zu den tatsächlich erbrachten Leistungen laut Schlussrechnung im Schriftsatz vom 12.07.2004 (BI. 126 ff. d.A.) keine für den Auftraggeber nachvollziehbare Bewertung vorgenommen. Die Beklagte wird hierdurch nicht in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die Klägerin die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zutreffend bewertet hat (BGH MDR 2000, 1244; NJW-RR 2001, 1532).

Beispielhaft zeigt sich dies an den Positionen 1.2 und 1.3 der genannten Aufstellung. So wurde die Position 1.2 (Erdarbeiten) mit 20.100,00 € netto kalkuliert und mit 65.501,42 € brutto abgerechnet. Im Falle einer vollständigen Beendigung des Bauvertrages hätte die Klägerin den Mehrbetrag aus dieser Position nur beanspruchen können, wenn hierdurch der gesamte vereinbarte Pauschalpreis nicht überschritten worden wäre. Dies bedeutet, andere Positionen hätten sich dann bei vollständiger Erfüllung entsprechend verringern müssen. Die Klägerin könnte sonst für die genannte Position mehr als das dreifache des kalkulierten und in die Pauschale eingeflossenen Betrages erhalten. Die Klägerin hat sich jedoch zu diesem Punkt nicht geäußert und hatte hierzu nach den prozessleitenden Verfügungen des Landgerichts auch keinen Anlass. Es ergibt sich auch aus den weiteren Gegenüberstellungen nicht, dass der Begrenzung der Pauschalpreisvereinbarung Rechnung getragen wurde. Soweit die abgerechneten Leistungen hinter den kalkulierten Kosten zurückbleiben, beruht dies lediglich darauf, dass die Leistungen nur teilweise erbracht wurden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass bei vollständiger Leistungserbringung der kalkulierte Betrag unterschritten worden wäre und somit die Begrenzung durch den Pauschalpreis beachtet wurde.

Eine Bewertung, die auch durch Offenlegung der Kalkulationsgrundlage der Klägerin erfolgen kann (BGH MDR 2002, 1307; BauR 99,634) scheitert desweiteren daran, dass in den Vertragsunterlagen keine Einheitspreise ausgewiesen wurden.

So zeigt sich die fehlende Nachvollziehbarkeit der Bewertung der Teilleistungen der Klägerin auch bei den nicht vollständig erbrachten Leistungen gemäß der Schlussrechnung, wie dies am Beispiel der Position 1.3 (EntwässerungskanaIarbeiten) deutlich wird. Diese Position wird nach Einheitspreisen und Massen abgerechnet. Es findet sich jedoch keine Bewertung der nicht durchgeführten Arbeiten nach Massen und Einheitspreisen. Eine solche kann auch nicht an hand der vor Vertragsschluss vorhandenen Ausschreibungsunterlagen erfolgen, da sich dort nirgends Angaben zu den zugrunde gelegten Einheitspreisen finden. Der Beklagten ist es daher nicht möglich, die Bewertung der Klägerin einer Überprüfung zu unterziehen. Auch auf diesen Punkt hätte das Landgericht hinweisen müssen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, hierzu weiter vorzutragen.

Desweiteren hat das Landgericht das Bestreiten der Beklagten zu Unrecht als unsubstantiiert eingestuft und ist aus diesem Grund insbesondere der Frage der Angemessenheit der in Ansatz gebrachten Einheitspreise und auch der bestrittenen Massen nicht nachgegangen. Die Beklagte hat hierzu auf eine vorgelegte Prüfung der Schlussrechnung Bezug genommen und unter anderem ausdrücklich ausgeführt, dass sämtliche in der Schlussrechnung eingesetzten Einheitspreise als weder vereinbart noch nachvollziehbar gestrichen wurden und eine handschriftliche Änderung des Aufmaßes deren Bestreiten bedeutet (BI. 62 d. A.) Dieses Bestreiten der erstgenannten Positionen ist als ausreichend anzusehen. Die Beklagte hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie zu allen Positionen die Angemessenheit der Einheitspreise bestreitet und teilweise das Aufmaß, soweit sie Änderungen vorgenommen hat. Da keine Einheitspreise vereinbart waren, konnte die Beklagte diese als nicht nachvollziehbar bestreiten, so dass die Klägerin gehalten war, zu deren Angemessenheit näher vorzutragen. Gegebenenfalls wäre also dann hierüber Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben gewesen. Ebenso ist es ausreichend, wenn die Beklagte die angegebenen Aufmaße streicht und durch andere Zahlen ersetzt, da sie hierdurch eindeutig zum Ausdruck bringt, welches Aufmaß ihrer Ansicht nach zutrifft. Wenn das Landgericht die Massenangaben der Klägerin als. ausreichend substantiiert ansieht, so können an die geänderten Angaben der Beklagten keine höheren Anforderungen gestellt werden, so dass deren Bestreiten genügend Substanz aufweist, um als erheblich zu gelten. Das Landgericht hätte daher nicht die Beklagte mit Auflagenbeschluss vom 25.11.2004 auffordern dürfen, anzugeben, in welcher Höhe die dort gemachten Angaben unzutreffend sind und sich die "Einsatzpreise" ermäßigen, da die Abrechnung der Klägerin für die Beklagte nicht hinreichend nachprüfbar war. Daneben bleibt auch unklar, was das Gericht mit dem Begriff "Einsatzpreise" gemeint hat. Einheitspreise können nicht gemeint gewesen sein, da diese nicht vereinbart waren. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum sich die Einheitspreise ermäßigen sollten, falls diese vereinbart gewesen wären. Mangels substantiierten Klagevorbringens bedurfte es somit entgegen den Ausführungen des Landgerichts auch keiner weiteren Darlegungen der Beklagten, so dass deren Vortrag weder zu einer unzulässigen Ausforschung führt noch die Klägerin in ihrer Verteidigung behindert.

2.

Hinsichtlich der Abrechnung von gelieferten und gelagerten Bauteilen gelten die Ausführungen zu der fehlenden Nachprüfbarkeit der erbrachten Leistungen entsprechend. Aus der Aufstellung der Klägerin wird nicht ersichtlich, in welchem Umfang diese nicht verbrauchten Bauteile Einfluss auf die ursprüngliche Kalkulation der Klägerin im Rahmen der betroffenen Kostengruppen hatten, da der kalkulierte Materialaufwand nicht dargelegt wurde. Auch in diesem Punkt hätte das Gericht nach § 139 ZPO auf die bislang nicht hinreichende Darlegung der Materialkostenkalkulation hinweisen müssen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, hierzu weiter vorzutragen. Auch zu diesem Punkt wäre dann im Falle eines weiteren substantiierten Vorbringens der Klägerin Beweis zu erheben gewesen.

3.

Schließlich bedürfen die geltend gemachten Nachtragsleistungen in Höhe von 33.816,84 € weiterer Aufklärung.

Auf eine Vereinbarung über die Vergütungspflicht der Nachtragsleistungen kann der Anspruch schon deswegen nicht gestützt werden, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin noch eine schriftliche Auftragserteilung durch die Beklagten erfolgen sollte, zu der es unstreitig nicht mehr gekommen ist (§§ 127, 154 Abs. 2 BGB). Soweit das Landgericht gleichwohl durch Zeugenvernehmung darüber Beweis erhoben hat, ob eine mündliche Vereinbarung getroffen wurde, hat es den in diesem Punkt übereinstimmenden Parteivortrag übersehen und damit seiner Entscheidung in diesem Punkt einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der von den Parteien nicht vorgetragen wurde. Soweit der Vortrag der Parteien dabei nicht hinreichend berücksichtigt wurde, stellt dies ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Dieser hat sich auch ausgewirkt, weil das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme von einer entsprechenden Vereinbarung ausgegangen ist.

Desweiteren liegt unter Zugrundelegung der Auffassung des Landgerichts, wonach über diesen Punkt Beweis zu erheben war, auch eine mangelhafte Tatsachenfeststellung vor, weil der Zeuge Z1 nicht vernommen wurde. Der Zeuge Z1 hat dem Landgericht gegenüber angegeben, dass er an dem Gespräch, über dessen Inhalt er vernommen werden sollte, nicht teilgenommen habe, er aber in den Vorgang involviert gewesen sei und deswegen Angaben machen könne. Die Beklagte hat auf Anfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt, dass auf den Zeugen Z1 nicht verzichtet werde. Gleichwohl hat das Landgericht den Zeugen nicht vernommen, weil er an dem Gespräch nicht teilgenommen habe und nicht vorgetragen worden sei, dass er sonst irgendwelche Kenntnisse über das Gespräch habe. Da der Zeuge jedoch selbst erklärte; dass er zu der nach Auffassung des Landgerichts streitigen Frage, ob eine Einigung über die Vergütung der Nachträge zustande gekommen sei, Angaben machen könne und deswegen von der Beklagten ausdrücklich erklärt wurde, dass auf den Zeugen nicht verzichtet werde, hätte das Landgericht die Beklagte zumindest darauf hinweisen müssen, dass nach seiner Auffassung nähere Angaben zu den behaupteten Kenntnissen des Zeugen Z1 erforderlich waren, damit dieser vernommen werden konnte. Die Vernehmung des Zeugen stellt weder eine unzulässige Ausforschung dar, noch ist der Zeuge als Beweismittel in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 StPO ungeeignet. Die Benennung des Zeugen diente nicht dazu, ohne greifbare Anhaltspunkte Tatsachen zu erfahren, die einen substantiierten Sachvortrag erst ermöglichen (BGH NJW 1995, 2111). Der Zeuge war zum Beweis für den Inhalt des Gespräches am 13.03.2003 und damit zu einem genau bezeichneten Beweisthema benannt, von dem er nach eigenen Angaben auch Kenntnis hatte. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass seine Aussage zu sachdienlichen Erkenntnissen geführt hätte. Nur in diesem Fall wäre das Beweismittel ungeeignet (BVerfG NJW 2004, 1443). Es durfte nicht einfach davon absehen, den Zeugen zu vernehmen, nachdem es zuvor lediglich angefragt hatte, ob auf den Zeugen verzichtet werde. Da eine solche Verzichtserklärung durch die Beklagte gerade nicht erfolgte, durfte diese davon ausgehen, dass der Zeuge Z1 vernommen werde. Das Landgericht dürfte auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Vernehmung des Zeugen zu einem anderen Beweisergebnis geführt hätte.

Ungeachtet dessen erscheint dem Senat auch bei Beachtung der Bindungswirkung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Beweiswürdigung des Landgerichts zweifelhaft, da die gegensätzlichen Aussagen der vernommenen Zeugen eher für ein non Iiquet sprechen. Wenn das Landgericht ausführt, die einzig mögliche Konsequenz des Treffens mit den Geschäftsführern sei es gewesen, die Nachträge zu beauftragen, wenn ihr Umfang nun endlich feststand, so begegnet diese Würdigung erheblichen Bedenken, weil eine weitere mögliche Konsequenz des Treffens genauso gut auch darin gelegen haben kann, dass kein Auftrag erteilt wurde, beispielsweise weil nun doch nicht in allen Punkten Übereinstimmung erzielt werden konnte. Für diese Betrachtungsweise spricht vor allem auch der Umstand, dass die vereinbarte schriftliche Vereinbarung dann nicht mehr geschlossen wurde.

4.

Die Klägerin kann keinen erhöhten Abrechnungsaufwand wegen vorzeitiger Vertragskündigung durch die Beklagte beanspruchen. Gemäß § 8 Ziff. 1 Abs. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag jederzeit kündigen. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte vorliegend Gebrauch gemacht. Sie stellt daher keine Pflichtverletzung dar, die einen Schadenersatzanspruch begründen könnte. Bei der Rechnungsstellung handelt es sich um eine nichtvergütungspflichtige Nebenleistung aus dem Bauvertrag. Aufgrund der gesetzlichen Wertung, wonach eine freie Kündigung des Bauvertrages durch den Auftraggeber jederzeit möglich ist, trägt der Auftragnehmer das Risiko einer gegenüber dem Pauschalpreisvertrag aufwendigeren Abrechnung.

5.

Der geltend gemachte Vergütungsanspruch für nicht ausgeführte Bauleistungen steht der Klägerin dem Grunde nach zu. Der Beklagten steht kein wichtiger Grund zur Kündigung nach § 8 Ziff. 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Nr. 4 VOB/B zur Seite. Die Klägerin ist vorliegend nicht in Verzug geraten. Dabei kann dahinstehen, ob die den Behinderungsanzeigen der Klägerin zugrunde gelegten Umstände tatsächlich vorgelegen haben, was unter den Parteien streitig ist. Die Verzögerung der Bauausführung beruht nämlich unstreitig zum einen darauf, dass sich die Parteien jedenfalls in der Zeit vom 25. Februar 2003 bis 31. März 2003 in Verhandlungen wegen der Zusatzvereinbarungen befanden, so dass die zugrundeliegenden Arbeiten in dieser Zeit nicht ausgeführt werden konnten. Weiterhin ergaben sich aufgrund des vorgelegten Schriftverkehrs wegen der ebenfalls unstreitig erforderlichen Änderungen der Versickerungsanlage Verzögerungen von etwa vier Wochen. So hat die Beklagte auf die Behinderungsanzeige der Klägerin vom 22.11.2002 erst am 16. Dezember 2002 mitgeteilt, dass die Anlage entfallen solle. Die Ausführungszeit hat sich aufgrund dieser Umstände um mindestens zwei Monate verlängert, so dass zum Zeitpunkt der Kündigung der Beklagten jedenfalls kein Verzug vorlag, mit der Folge, dass der Klägerin auch für die nicht erbrachten Leistungen ein Vergütungsanspruch zusteht. Der hierfür in Ansatz gebrachte Betrag von 89.196,85 € dürfte gemäß Ziffer 15.4 des Vertrages zwischen den Parteien auch begründet sein, da 40 % der nicht erbrachten Leistungen entsprechend dieser Regelung nach dem bisherigen Parteivorbringen den geltend gemachten Betrag übersteigen.

Die aufgezeigten Verfahrensfehler führen zur Zurückverweisung an das Landgericht, weil Beweis durch Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens und die Vernehmung weiterer Zeugen zu erheben sein wird, vorbehaltlich etwaigen ergänzenden Parteivorbringens unter Berücksichtigung der zutreffenden Darlegungs- und Beweislastverteilung.

Die Revision war mangels Vorliegens der in § 543 ZPO normierten Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht zu überlassen, weil sich der Erfolg der Klage erst nach dessen weiterer Entscheidung bestimmen lässt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, wobei die Abwendungsbefugnis mangels vollstreckungsfähigen Inhalts entfällt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 530.635,22 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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