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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 10 U 143/07
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 103
ZPO § 313
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Fa. A GmbH, früher: Fa. B GmbH), deren Geschäftsführer die Beklagten waren, Schadensersatzansprüche gegen diese geltend. Hinsichtlich des Gegenstands, der Gründung und der Veränderung in Unternehmensstruktur und Firma wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 3 Abs. 2) Bezug genommen.

Gegenstand der Inanspruchnahme beider Beklagten sind sechs Vorgänge:

a) Anteilskaufvertrag vom 29.08.2002 in Höhe von 686.129,19 Euro

b C-Verkauf vom 03.07.2002 in Höhe von 33.000,00 Euro

c) Verwaltungsaufwand im Jahre 2002 in Höhe von 488.922,86 Euro

d) Reisekostenabrechnung in Höhe von 19.310,71 Euro

e) Mietsicherheit vom 21.05.2002 in Höhe von 222.055,29 Euro

f) Unterschlagungen D vom 27.02.2002 bis zum 23.12.2002 in Höhe von 86.878,12 Euro.

Aus diesen Vorgängen nimmt der Kläger beide Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch.

Zusätzlich macht er gegenüber der Beklagten zu 1) eine weitere Schadensersatzforderung in Höhe von 460.162,69 € wegen Auflösung des Festgeldguthabens der Insolvenzschuldnerin in dieser Höhe im Hinblick auf diesbezüglich eingegangene Bürgschaft geltend.

Dem Beklagten sind im ersten Rechtszug ihre Inanspruchnahme mit umfangreichem Vorbringen entgegen getreten. Dies betrifft im Wesentlichen die Dauer ihrer jeweiligen Geschäftsführertätigkeit und die ihnen bei ihrem Ausscheiden erteilte Entlastung, die Frage, in wie weit die ihre Inanspruchnahme zugrunde gelegten Vorgänge überhaupt als Zahlungen qualifiziert werden können, die Frage der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Insolvenzschuldnerin zu dem seitens des Klägers angenommene Zeitpunkt sowie die Frage, in wie weit die streitgegenständlichen Vorgänge sich überhaupt nach dem Zeitpunkt einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung ereignet haben. Hinsichtlich der einzelnen Vorgänge haben die Beklagten im Einzelnen konkrete sachliche Beanstandungen erhoben und das Vorbringen des Klägers unter Beweisantritt bestritten. Der Beklagte zu 2) hat zudem das Vorliegen einer internen Ressortregelung vorgetragen. wonach er mit den hier inkriminierten Vorgängen nicht befasst gewesen sei und trotz von seiner Seite aus vorgenommenen Versuchen der Informationsgewinnung keine Kenntnis erlangt habe.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze (einschließlich derjenigen im Verfahren auf Tatbestandsberichtigung) Bezug genommen.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.563.296,17 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz sei dem 6.2.2004 zu zahlen.

2. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an den Kläger weitere 460.162,69 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2004 zu zahlen.

Die Beklagten haben bezüglich der jeweils gegen sie gerichteten Anträge beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat weder Hinweise erteilt noch Aufklärungen vorgenommen, noch schließlich eine Beweisaufnahme durchgeführt. Es hat vielmehr die Beklagte in seinem am 22.5.2007 verkündeten Urteils, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 247 bis 358 d.A.), antragsgemäß verurteilt.

Die Beklagten haben gegen das Urteil umfassend begründete Tatbestandsberichtigungsanträge gerichtet, die vom Landgericht mit einem aus zwei Sätzen bestehenden Beschluss vom 9.7.2007 (Bl. 449 d.A.) zurück gewiesen wurden.

Hiergegen richten sich die seitens bei der Beklagten form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen, mit denen die Beklagten erhebliche Verfahrensfehler geltend machen und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,

sowie ergänzend,

das Verfahren gemäß § 538 II Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurück zu verweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage, soweit sie sich gegen ihn richtet, abzuweisen,

sowie ergänzend,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück zu verweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die im Einzelrichtertermin am 9. September 2007 abgegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Beklagten sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache führen sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Gerichts des ersten Rechtszuges, weil das erstinstanzliche Verfahren an einer Vielzahl wesentlicher Verfahrensmängel leidet (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO).

1. Das Landgericht hat im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung in äußerst erheblichem Umfang wesentliches Parteivorbringen der Beklagten nicht mitgeteilt und sich in Übereinstimmung damit in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung hiermit auch nicht auseinander gesetzt. Nachdem die Beklagten in umfangreichen Tatbestandsberichtigungsanträgen die Auslassungen des landgerichtlichen Tatbestands beanstandet haben, hat das Landgericht dies in seinem Beschluss vom 9.7.2007 mit der kurzen Begründung zurück gewiesen, dass nach § 313 II ZPO der Tatbestand nur knapp dargestellt werden solle (Bl. 449 d.A.). In den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung (dort S. 12, Bl. 358 d.A.) hat das Landgericht demgegenüber die Befassung mit den einzelnen streitgegenständlichen Positionen mit der Begründung für nicht erforderlich gehalten, dass diese "sehr detailliert im Tatbestand dieser Entscheidung aufgeführt sind". Das Landgericht hat dabei nicht nur übersehen, dass ein Weglassen von Ausführungen in den Entscheidungsgründen im Hinblick auf angebliche Inhalte des Tatbestandes bereits deshalb neben der Sache liegt, weil im Tatbestand der Sach- und Streitstand unter tatsächlichen Gesichtspunkten zu referieren ist, während dessen rechtliche Aufarbeitung den Gegenstand der Entscheidungsgründe darstellt. Es hat aber damit auch damit insgesamt eine Position angenommen, die mit einer Scheinbegründung das Übergehen von Parteivortrag in erheblichem Umfang vermeintlich rechtfertigen soll: Bei der Frage, warum in den Entscheidungsgründen maßgebliches wesentliches Parteivorbringen der Beklagten nicht angesprochen wird, nimmt das Landgericht die Position ein, dass dies im Tatbestand nicht erforderlich sei (was ja nur bedeuten kann, dass es ausreicht, wenn die diesbezüglichen Dinge in den Entscheidungsgründen erörtert werden); in den Entscheidungsgründen werden diese Dinge aber ebenfalls nicht angesprochen und dies damit zu begründen versucht, dass angeblich das Parteivorbringen "sehr detailliert" im Tatbestand aufgeführt worden sei. Mit einer derartigen Artikulation, die inhaltlich nicht einmal ansatzweise eine Begründung darstellt, kann in einem Zivilprozess das umfassende Übergehen von Parteivortrag weder gerechtfertigt noch kaschiert werden, ein derartiges Vorgehen stellt vielmehr einen groben Verfahrensmangel dar.

2. Das Landgericht hat beide Beklagten zu einer Zahlung von weit über 300.000,00 € ohne jegliche Begründung verurteilt. Es handelt sich hierbei um die beiden Positionen, die das Landgericht bei seiner übersichtsartigen Aufzählung (S. 4 des angefochtenen Urteils, Bl. 350 d.A.) mit "Mietsicherheit vom 21.05.2002 in Höhe von 222.055,29 €" und "Unterschlagungen D vom 27.02.2002 bis zum 23.12.2002 in Höhe von 86.878,12 €" bezeichnet hat. Zu diesen beiden Positionen finden sich weder im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung irgendwelche weitergehenden Informationen, noch geht das landgerichtliche Urteil auf sie in den Entscheidungsgründen auch nur mit einem einzigen Wort ein. Dies bedeutet, dass das Landgericht die Beklagten zur Zahlung in einer Größenordnung von weit über 300.000,00 € verurteilt hat, ohne dies mit einem Wort zu begründen, ja, ohne auch nur im Tatsächlichen mitzuteilen, worum es sich dabei konkret handelt. Dass dies in einem rechtsstaatlichen Verfahren einen groben Verfahrensmangel darstellte, der zwingend zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges führen muss, bedarf nicht weiterer Darlegung.

3. Das Landgericht hat in erheblichem Umfang in Bezug auf die von seiner Seite erfolgte Unterstellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 64 II GmbHG das Parteivorbringen der Beklagten grob verfahrensfehlerhaft übergangen und damit deren verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) verletzt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird auf die wesentlichsten diesbezüglichen Verfahrensverstöße nur kurz wie folgt hingewiesen:

a. § 64 II GmbHG hat vier anspruchsbegründende Voraussetzungen, mit denen das Landgericht sich teilweise überhaupt nicht befasst, hinsichtlich deren es aber jedenfalls insgesamt komplett das erhebliche Vorbringen der Beklagten ignoriert hat: Bei dem Schuldner des Anspruchs muss es sich um einen "Geschäftsführer" handeln, Gegenstand des Anspruchs ist der Ersatz von "Zahlungen", es muss "Zahlungsunfähigkeit" oder festgestellte "Überschuldung" der Gesellschaft eingetreten sein, und die Zahlungen müssen "nach" Eintritt dieser finanziellen Krise erfolgt sein. Bei der Feststellung der diesbezüglichen anspruchsbegründenden Voraussetzungen fehlt es an der landgerichtlichen Entscheidung an allem, und das Parteivorbringen der Beklagten ist komplett übergangen worden:

I. Beide Beklagten haben intensiv hinsichtlich der Frage ihrer Abberufung, des diesbezüglichen Zeitpunktes und eine in diesem Zusammenhang erteilten Entlastung vorgetragen. Das Landgericht hat dies übergangen und sich damit nicht befasst.

II. Die Beklagten haben vorgetragen, dass und warum es sich bei den Vorgängen C-Verkauf 33.000,00 € (oben b)) und "Verwaltungsaufwand 488.922,86 € (oben c)) nicht um Zahlungen zu Lasten der Insolvenzschuldnerin gehandelt habe. Das Landgericht hat dies übergangen und sich damit nicht befasst.

III. Das Landgericht hat eine Überschuldung der Gesellschaft spätestens zum 30.4.2002 angenommen und dies damit begründet, dass sich dies aus den Ausführungen des "Sachverständigen" in den "von dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen E & Partner festgestellten Bilanzen und Unterlagen" ergebe. Das Landgericht hat dabei in keiner Weise berücksichtigt, dass es sich hierbei nicht etwa um ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten , sondern um ein seitens der Klägerseite vorgelegtes Privatgutachten handelte. Ein solches Privatgutachten ist grundsätzlich nicht mehr als Parteivorbringen und kann daher auch nur dies im Rahmen von § 286 ZPO gewürdigt werden. Es ist zwar grundsätzlich auch urkundenbeweislich verwertbar, beweist dann aber, da es sich um eine Privaturkunde handelt, nicht mehr als das, dass es von der oder den es unterzeichnet habenden Person(en) stammt (§ 416 ZPO), ein Beweis einer etwaigen inhaltlichen Richtigkeit eines derartigen Privatgutachtens kann vielmehr über die Kategorie des Urkundenbeweises nicht erreicht werden. Im Wege des Sachverständigenbeweises kann ein derartiges Privatgutachten grundsätzlich nur bei Einverständnis sämtlicher Beteiligter Parteien verwertet werden, welches hier aber unzweifelhaft nicht vorlag. Ganz im Gegenteil hatten die Beklagten im ersten Rechtszug wiederholt vorgetragen, dass eine Überschuldungsbilanz nicht vorgelegt worden sei, es sich bei dem Privatgutachten E & Partner nur um Parteivortrag handele, indem im Übrigen selbst eingeräumt werde, dass die diesbezüglich zur Verfügung gestanden habenden Unterlagen ersichtlich nicht vollständig gewesen seien, und dass man sich insgesamt für ein Fehlen von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit auf die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens beziehe. Danach war das Landgericht zwingend verpflichtet, den diesbezüglichen Sachverständigenbeweis zu erheben. Das Landgericht hat dies nicht getan, es hat vielmehr das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten überhaupt nicht in sein Urteil aufgenommen.

IV. Die Beklagten haben im Einzelnen vorgetragen, dass eine Reihe der seitens des Klägers inkriminierten Vorgänge - insbesondere die Vorgänge "Servicevereinbarung" c), "Mietvertrag" e)) und "Forfaitierungsvertrag" (g)) sich nicht nach dem seitens des Landgerichts eingenommenen Zeitpunkt (30.4.2002) ereignet hätten. Das Landgericht hat dies übergangen, es hat sich damit nicht befasst.

b. Hinsichtlich der einzelnen seitens des Klägers beanstandeten Vorfälle und Vorgänge haben die Beklagten u.a. im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

I. Hinsichtlich des Anteilskaufvertrages (a)) haben sie das klägerische Vorbringen bestritten, das Fehlen einer Zahlung zu Lasten der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht, sich auf mangelnden Eintritt nach § 12 des Vertrages bezogen und im Übrigen darauf hingewiesen, dass der Insolvenzschuldnerin habe der gesamte Kaufpreis zufließen sollen, letztlich aber durch die Ablehnung der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter die Anteile bei der Insolvenzschuldnerin verblieben seien.

II. Hinsichtlich des C-Verkaufs (b)) haben die Beklagten bestritten, dass sich das genannte Fahrzeug im Eigentum der Insolvenzschuldnerin oder im Gesellschaftsvermögen befunden habe, es sich um ein Leasinggeschäft gehandelt habe und der Insolvenzschuldnerin ein Schaden nicht entstanden sei.

III. Hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes (c) haben die Beklagten das klägerische Vorbringen bestritten und sich im Übrigen darauf bezogen, dass im Zeitpunkt der Rechnungserstellung eine Geschäftsführereigenschaft nicht mehr vorgelegen habe und es sich im Übrigen auch nicht um Zahlungen der Insolvenzschuldnerin handele.

IV. Hinsichtlich der Reisekostenabrechnung (d)) haben die Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen, dass eine erfolgte Doppelzahlung durch Rücküberweisung ausgeglichen worden sei.

V. Hinsichtlich der Mietsicherheit (e) gibt es seitens des Landgerichts kein Wort der Begründung.

VI. Gleiches gilt für die Position Unterschlagungen D (f)) , bezüglich deren die Beklagten das Vorliegen von dem Tatbestand der Untreue erfüllenden Handlungen des früheren Geschäftsführers D bestreiten und im Übrigen geltend machen, dass ein wesentlicher Teil der diesbezüglichen Aktivitäten erst nach ihrem Ausscheiden entfaltet worden sei.

VII. Hinsichtlich der Auflösung des Festgeldguthabens (g)) haben die Beklagten schon im ersten Rechtszug das diesbezügliche Vorbringen des Klägers bestritten.

Hinsichtlich all dieser Punkte hat das Landgericht das erhebliche Vorbringen der Beklagten übergangen und sich mit ihm nicht auseinandergesetzt.

4. Das Landgericht hat darüber hinaus im Rahmen im Rahmen der von ihm angenommenen Verpflichtungen des Beklagten zu 2) aus § 43 II GmbHG in erheblichem Umfang wesentliches Parteivorbringen des Beklagten zu 2) übergangen. Nach der genannten Vorschrift haften Geschäftsführer für die Verletzung von Obliegenheiten, mithin für die Verletzung der ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegenden Verpflichtungen. Das Landgericht hat den Beklagten zu 2) im angefochtenen Urteil gesamtschuldnerisch neben dem Beklagten zu 1) zu einer Zahlung in Höhe von mehr als 1,5 Mio. € nebst Zinsen verurteilt, ohne sich auch nur mit der Frage zu befassen, ob derartige Pflichtverletzungen seitens des Beklagten zu 2) vorliegen. Der Beklagte zu 2) hat vorgetragen, dass er aufgrund einer innerhalb der Gesellschaft bestehenden internen Ressortregelung mit den entsprechenden Vorgängen nicht befasst gewesen sei und er habe diesbezüglich nichts in Erfahrung bringen können, obwohl es sich um entsprechende Unterrichtungen bemüht habe. Hierauf ist das Landgericht, obwohl es auf diese Fragen für eine mögliche Haftung des Beklagten zu 2) maßgeblich ankommt (vgl. nur die Nachweise bei Baumbach/Huck, HGB, 18. Aufl., 2006, § 35 Rdn. 33, § 37 Rdn. 27, § 43 Rdn. 17, § 43 Rdn. 26), in keiner Weise eingegangen und hat sich mit ihm überhaupt nicht befasst.

5. Die vorstehende - und, wie bereits ausgeführt, für sich nicht Vollständigkeit in Anspruch nehmende - Aufzählung zeigt, dass das Landgericht in extrem verfahrensfehlerhafter Weise nahezu das gesamte erhebliche Parteivorbringen der Beklagten übergangen und damit deren verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) verletzt hat. Das damit im Übermaße Verfahrensfehler vorliegen, die nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges nach sich ziehen, bedarf nicht weiterer Ausführungen. Gleiches gilt insoweit, als festzustellen ist, dass angesichts der bislang fehlenden Aufklärung in jeglicher Hinsicht und der ausstehenden Aufklärung und Beweisaufnahmen in erheblichem Umfang eine Fortführung des Rechtsstreits in diesem Stadium durch das Berufungsgericht nicht ernsthaft in Betracht kommt. Die Sache ist jetzt vielmehr nach der erfolgten Zurückverweisung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien vom Landgericht zu bearbeiten.

Zu berücksichtigen ist dabei das gesamte Vorbringen der Parteien, nicht etwa nur die Punkte, die in diesem Urteil - weit über das hinausgehend, was zur Rechtfertigung einer Aufhebung und Zurückverweisung erforderlich wäre - expressis verbis angesprochen worden sind. Weitergehende Ausführungen waren seitens des Berufungsgerichts nicht veranlasst. Es ist bei einem Übergehen von Parteivortrag durch das erstinstanzliche Gericht in einem derart umfassenden Ausmaße nicht Sache des Berufungsgerichts, durch eine Aufzählung aller einzelnen Punkte gleichsam eine Gebrauchsanweisung für die detaillierte weitere Handhabung des Verfahrens durch das Landgericht nach Zurückverweisung an dieses zu formulieren.

Das Landgericht wird vielmehr nunmehr das gesamte Parteivorbringen vollständig zu Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen, im Falle seiner Auffassung nach bestehende Unvollständigkeit Hinweise nach § 139 ZPO zu erteilen, sodann die erforderlichen Aufklärungen vorzunehmen und die gebotenen Beweisaufnahmen durchzuführen haben.

6. Im Rahmen seiner abschließend zu treffenden Entscheidungen wird das Landgericht auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz mit zu entscheiden haben. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für den zweiten Rechtszug beruht auf § 22 GKG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10, ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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