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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: 10 U 79/05
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 208 | |
InsO § 209 | |
InsO § 210 |
2. Der Rechtsprechung des BGH zum Erkenntnisverfahren (NJW 03, 2456) folgend ist auf die Erinnerung die Kostenrechnung aufzuheben und die Gerichtskostenschuld der Insolvenzmasse lediglich festzustellen (so auch Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 6.1.2005, 1 SA 43/02).
Gründe:
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Er hat gegen die Beklagten zu 1) bis 3) Klage erhoben und gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Gießen form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Nach Begründung der Berufung hat er die Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen. Mit den Beklagten zu 2) und 3) hat er eine vergleichsweise Regelung getroffen. Das Oberlandesgericht hat unter dem 9.2.2006 gemäß KV Nr. 1222 Nr. 1 die Gerichtskosten berechnet und durch Verfügung vom 21.3.2006 (Bl. 458 d.A.) festgestellt, dass die Kostenrechnung vom 9.2.2006 auch für die Gebühr nach Vergleichsschluss gemäß KV Nr. 1222 Nr. 3 gilt, da diese identisch ist. Der Kläger hat die bereits zuvor gegen den Kostenansatz erhobene Erinnerung aufrechterhalten und beruft sich darauf, dass er bereits unter dem 6.5.2002 die drohende Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO angezeigt und diese unter dem 23.3.2006 gegenüber dem Insolvenzgericht wiederholt habe. Die vorhandene Insolvenzmasse reiche zur Befriedigung der Gerichtskasse als Neumassegläubiger nicht aus. Selbst unter Berücksichtigung der Vergleichssumme im vorliegenden Rechtsstreit seien die Massekosten, insbesondere die Gesamtvergütung des Insolvenzverwalters nicht in vollem Umfang gedeckt. Es stünden noch Forderungen aus, die zum Teil gerichtlich und außergerichtlich beigetrieben würden. Ob diese in einem Umfang von 153.941,00 € zur Befriedigung restlicher Neugläubigerforderungen ganz oder teilweise herangezogen werden könnten, sei bisher offen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt und auch durch Kontoumsätze und Aktenvermerkte dargelegt, dass eine Masseunzulänglichkeit auch hinsichtlich der Neumassegläubiger besteht und die Höhe einer Quote bisher nicht angegeben werden kann.
Das Oberlandesgericht (Kostenbeamtin) hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Bezirksrevisor vorgelegt. Dieser hat dahingehend Stellung genommen, dass ein Vollstreckungsverbot gemäß § 210 InsO nicht vorliege, da es sich bei den angesetzten Gerichtskosten um Masseverbindlichkeiten handele, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden seien. Die angesetzten Gerichtskosten seien bereits am 18.5.2005 mit der Einlegung der Berufung fällig geworden. Durch die teilweise Berufungsrücknahme und den Vergleichsabschluss sei lediglich eine Ermäßigung eingetreten. An der Fälligkeit der Kosten ändere sich nichts. Die Wirkung des § 210 InsO werde gemäß § 208 InsO bereits durch die Anzeige der voraussichtlichen Masseunzulänglichkeit ausgelöst, so dass die Anzeige der tatsächlichen Masseunzulänglichkeit dem gleichstehe. Die Gerichtskostenschuld gehöre also zu den Neumasseverbindlichkeiten, die nicht unter das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO fielen.
II.
Die Erinnerung ist das statthafte Rechtsmittel, sie ist auch im übrigen zulässig. Einwendungen gegen die Beitreibung der Gerichtskosten sind gemäß § 8 Justizbeitreibungsordnung vom Schuldner gerichtlich nach den Vorschriften über die Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen. Das Verfahren richtet sich folglich nach § 66 GKG. Danach entscheidet über die Erinnerung das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, über die für das Berufungsverfahren anzusetzenden Kosten folglich das Berufungsgericht.
Die mit der Erinnerung geltend gemachten Einwendungen gegen den Kostenansatz sind begründet.
Dem Bezirksrevisor ist zwar zuzustimmen, dass die Gerichtskosten zu den Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehören. Als solche werden sie vom Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht erfasst.
Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, dass der Kläger eine erneute Masseunzulänglichkeitsanzeige abgegeben hat. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt im Beschluss vom 25.11.2003 (25 W 60/03) ausführlich dargelegt hat, kennt das Gesetz nur die Unterscheidung zwischen alten Masseverbindlichkeiten und Neumasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 InsO, wobei lediglich die Neumasseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO von dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO erfasst sind.
Die Fälle der Anzeige der voraussichtlichen Masseunzulänglichkeit und der Anzeige der tatsächlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit stehen dabei gleich. Es gibt auch keine Regelung, wonach der Insolvenzverwalter mehrfach die Masseunzulänglichkeit nacheinander anzeigen und dadurch die entstandene Privilegierung der unter § 209 InsO fallenden Neumasseschulden wieder beseitigen könnte. Da das Gesetz dem Insolvenzverwalter ermöglicht, durch die allein von seinem Willen abhängende - vom Insolvenzgericht also nicht auf seine sachliche Richtigkeit nachprüfbare - Anzeige der Masseunzulänglichkeit Neumassegläubiger zu privilegieren und sie auf diese Weise überhaupt erst als Geschäftspartner im Rahmen der Abwicklung der Insolvenz zu gewinnen, kann es nicht im Belieben des Insolvenzverwalters stehen, durch eine Reihe von Anzeigen innerhalb der Neumassegläubiger wiederum neue Massegläubiger gegenüber den früheren Neumassegläubigern zu privilegieren und so praktisch frühere Neumassegläubiger in schlechtere Befriedigungsränge zu drängen, sie also de facto zu Altmassegläubigern zu degradieren.
Um diese Frage geht es vorliegend aber nicht. Der Kläger beruft sich nicht auf das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO, sondern darauf, dass bei weiterer Masseunzulänglichkeit die Forderungen der Neumassegläubiger gleichmäßig behandelt werden müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 03, 2456) ist es auch in den Fällen der erneuten Masseunzulänglichkeit gegenüber den Neumassegläubigern geboten, auf eine entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters hin nur noch die Feststellungsklage zuzulassen. Denn wie in den Fällen des § 208 InsO kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung von Neumasseverbindlichkeiten verweigern, sobald sich herausstellt, dass die verfügbare Insolvenzmasse nicht zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreicht. Für diese greift ebenfalls wieder der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren. § 209 InsO ordnet für Altgläubiger an, dass sie nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind. Das gilt sinngemäß auch, wenn nicht mehr alle Forderungen der Neumassegläubiger voll zu berichtigen sind. Dann ist ein Vorrang schnellerer Neumassegläubiger, welche Vollstreckungsmaßnahmen durchführen und hierdurch die auf andere Neumassegläubiger entfallende Quote weiter verringern, zu vermeiden.
Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall nicht mehr uneingeschränkt zur Leistung verurteilt werden; das Bestehen der Forderung der Neumassegläubiger ist - jedenfalls wenn eine auf sie entfallende Quote noch nicht feststeht - gerichtlich nur noch festzustellen (vgl. BGH NJW 03, 2456 m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Erkenntnisverfahren selbst, sondern auch für den daraus resultierenden Kostenansatz. Auch die Gerichtskasse kann im Insolvenzverfahren nicht vorrangig vorgehen oder vollstrecken, sie muss sich ebenso wie die anderen Neumassegläubiger bei Vorliegen einer Masseunzulänglichkeit auf die auf sie entfallende Quote verweisen lassen (vgl. nur Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 3.9.2004, Az.: 8 TA 67/04; Beschluss vom 6.1.2005, Az.: 1 SA 43/02 m.w.N.).
Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in der Entscheidung vom 25.11.2003 (25 W 60/03) festgestellt, dass mit dem Bundesgerichtshof davon auszugehen sei, dass alle Neumassegläubiger nach dem in § 1 InsO niedergelegten Grundsatz gemeinschaftlich und gleichmäßig befriedigt werden müssen, was bei Unzulänglichkeit der Masse die volle Befriedigung aller Neumassegläubiger ausschließt. Die Neumassegläubiger könnten dann nur quotenmäßig befriedigt werden, auch nicht im Wege der Einzelvollstreckung gegen die Masse vorgehen und seien auf Feststellungsanträge im Erkenntnisverfahren beschränkt. Dies setze aber voraus, dass die Unzulänglichkeit der Masse für die Befriedigung aller Neumassegläubiger vom Insolvenzverwalter im Einzelnen dargelegt und bewiesen werde. Es sei also die mindestens drohende Unzulänglichkeit des für Neumasseverbindlichkeiten gebildeten, abgesonderten Massebestandteiles konkret darzustellen und zu belegen.
Daran fehlte es in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall.
Vorliegend hat der Kläger allerdings im einzelnen dargelegt, wie sich das Massevermögen entwickelt, welche Forderungen geltend gemacht werden können, welche Verwaltervergütung offen steht und warum bisher eine Quote nicht festgestellt werden kann. Dies ist als ausreichend im Sinne der Rechtsprechung des BGH anzusehen, zumal die Angaben glaubhaft gemacht sind und keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen.
Mithin kann der Kostenansatz nicht als Vollstreckungsgrundlage gelten. Die Kostenschuld war entsprechend einem Feststellungsurteil im Erkenntnisverfahren im Beschlusswege festzustellen, so dass sie im Insolvenzverteilungsverfahren berücksichtigt werden kann.
Ende der Entscheidung
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