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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.12.2007
Aktenzeichen: 10 W 63/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 | |
ZPO § 406 |
Gründe:
I.
Die Antragstellerin hat unter dem 21.2.2007 beantragt, den Sachverständigen SV1 wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, und hat sich dabei auf enges persönliches Verhältnis des Sachverständigen zum Sohn des Beklagten zu 3) und Neffen des Antragsgegners zu 1., des öffentlich beeidigten Sachverständigen SV2, gestützt. Zum Beleg dafür hat sie die gemeinsame Autorenschaft der Loseblattsammlung "..." sowie die Tatsache angeführt, dass beide Sachverständige in Veranstaltungsreihen der ...-akademie, ...A-schule O1 und der ...B-schule aufgetreten seien. Beide Sachverständige würden zwar nicht miteinander, aber doch zu denselben Themen referieren und hätten sich auch gegenseitig als Referenten empfohlen.
Daraus ergebe sich eine verfestigte Beziehung durch ständigen Kontakt, die über rein berufliche oder wissenschaftliche Bekanntschaft hinausgehe und deshalb befürchten lasse, dass der Sachverständige dem Privatgutachten gefolgt sei, weil er Herrn SV2 besonderes Vertrauen entgegenbringe. Der Sachverständige sei gehalten gewesen, diese Beziehung zu Herrn SV2 den Parteien offenzulegen.
Deshalb erschienen auch andere Umstände des bisherigen Verfahrens in einem anderen Licht. So habe der Sachverständige den Antragsgegner zu 4. die Statik berechnen lassen wollen, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, das Genehmigungsverfahren fortzusetzen. Der Sachverständige habe offensichtlich dem Antragsgegner zu 1. Unterlagen zukommen lassen, die die Antragstellerin nicht erhalten habe. Anders ließen sich Äußerungen des Antragsgegners zu 1. nicht erklären. Außerdem könnten auch fehlerhafte Sachverhaltsinterpretationen und massive Fehler des Gutachtens die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Der Sachverständige hat unter dem 23.3.2007 dazu Stellung genommen, wobei hinsichtlich der Einzelheiten auf Bl. 1069-1072 d.A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass sich aus der gemeinsamen Autorenschaft keine enge persönliche Beziehung oder vertrauensvolle Zusammenarbeit ergeben habe, da die gemeinsame Tätigkeit sich darin erschöpft habe, dass er die von Herrn SV2 eingereichten Schadensfälle auf die Eignung für die Schadenskartei hin überprüft habe.
Es habe keine gemeinsamen Veranstaltungen mit Herrn SV2 gegeben, sie seien sich auch nicht während der Veranstaltungsreihen begegnet, da sie zu unterschiedlichen Zeiten referiert hätten. Es habe keinen persönlichen Kontakt gegeben; der vorhandene unterscheide sich nicht von dem zu anderen Sachverständigenkollegen.
Das Landgericht - Kammer - hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluss vom 18.6.2007, auf den hinsichtlich seiner Begründung Bezug genommen wird, für unbegründet erklärt. Dagegen hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben, der das Landgericht durch Beschluss vom 28.8.2007 nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und weist darauf hin, dass es sich bei der Schadenskartei um ein kleines Autorenteam von 6 Personen gehandelt habe, von denen nur zwei Bausachverständige, nämlich Herr SV1 und Herr SV2, gewesen seien. Daraus ergebe sich eine konstante Bindung und gemeinsame wirtschaftliche Interessenlage. Die Aktualisierung des Handbuchs bedinge einen intensiven Meinungsaustausch und eine gegenseitige Abstimmung.
Aus dem Gutachten ergebe sich, dass der Sachverständige sich teilweise auch blind auf das Privatgutachten SV2 verlassen und unkritisch Fehler übernommen habe. Ebenso sei der Sachverständige teilweise von falschem Sachverhalt ausgegangen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29.10.2007 Bezug genommen.
Der Sachverständige SV1 hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem Senat erneut ausgeführt, dass es keine persönlichen Kontakte zu dem Sachverständigen SV2 gegeben habe und er deshalb auf die sich aufdrängenden beruflichen Kontakte nicht gesondert habe hinweisen müssen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist auch begründet.
Der Senat ist der Auffassung, dass vorliegend die Voraussetzungen der §§ 406, 42 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Danach kann der Sachverständige wie ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Der Ablehnung ist auch nicht gemäß § 406 Abs. 2 ZPO verfristet, weil die Antragstellerin dargelegt hat, erst kurz vor der Ablehnung von der Verbindung der Sachverständigen erfahren und weitere Nachforschungen angestellt zu haben. Dies ist ausreichend. Eine Verpflichtung der Parteien, bereits im Zeitpunkt der Bestellung Nachforschungen über die Parteilichkeit eines Sachverständigen anzustellen, besteht nicht (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.2.2003 - 4 W 52/02).
Die Ablehnung ist begründet, wenn ein Grund gegeben ist, der bei verständiger Würdigung ein Misstrauen der Partei gegen den Sachverständigen von ihrem Standpunkt aus rechtfertigen kann. Eine offenkundige Pflichtwidrigkeit ist nicht erforderlich.
Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters oder Sachverständigen zu rechtfertigen sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter oder Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (BGH MDR 2003, 892). Nicht erforderlich ist, dass der Richter oder Sachverständige tatsächlich befangen ist; unerheblich ist auch, ob er sich für befangen hält (BVerfGE 99, 56). Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln (BGH NJW 2006, 2492). Da für die Beurteilung der Befangenheitsbesorgnis von der Person des Ablehnenden auszugehen ist, enthält auch der zutreffende objektive Maßstab bereits eine subjektive Komponente. Ablehnungsgründe sind vom Gericht in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Nach dem Sinngehalt des § 42 Abs. 2 ZPO ist in Zweifelsfällen im Sinne der Stattgabe des Ablehnungsgesuchs, nicht seiner Zurückweisung zu entscheiden (KG MDR 99,1019).
So können nahe persönliche oder geschäftliche Beziehungen zu einer Partei ebenso wie berufliche oder wissenschaftliche Zusammenarbeit ausreichen. Allein ein bloßes Kollegialitätsverhältnis genügt allerdings nicht. Für einen Befangenheitsgrund müssen darüber hinausgehende engere berufliche oder private Beziehungen hinzutreten (BVerfG NJW 2004,3550).
Der Bundesgerichtshof hat auch die Mitautorenschaft bei einem juristischen Kommentar nicht für ausreichend erachtet, auch wenn sich die Autoren bei dieser Gelegenheit gelegentlich persönlich begegnet sind. Danach kann selbst ein Kollegialitätsverhältnis, das in der Regel mit häufigeren persönlichen Begegnungen verbunden ist, nur dann eine Ablehnung rechtfertigen, wenn damit eine sehr enge berufliche Zusammenarbeit verbunden ist (BGHR 05, 1350).
Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände hält der Senat aber die Beziehung zwischen dem Sachverständigen SV1 und Herrn SV2 aus Sicht der Antragstellerin für so eng, dass auch bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung geweckt werden kann, der Sachverständige stehe der Sache nicht objektiv gegenüber.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass beide Sachverständige vorliegend nicht nur Mitautoren eines Handbuchs sind, sondern dasselbe Kapitel und mithin auch dasselbe Thema bearbeitet haben. Dies wird dadurch bestätigt, dass beide beim Deutschen Anwaltsverein über dasselbe Thema referieren, und zwar alternierend. Ebenso haben sie sich gegenseitig bei verschiedenen Veranstaltungsreihen eingeführt, so beim ...-verein und der ...A-schule.
Diese Umstände lassen für den Außenstehenden nur den Schluss zu, dass ein deutlich über bloße Kollegialität hinausgehender Kontakt vorhanden ist. Mag dies auch aus Sicht des Sachverständigen so organisiert sein, dass es kaum zu näherer Abstimmung kommt, sei es durch die Form der Loseblattsammlung, sei es durch die Organisation der Veranstaltungsreihen, so muss doch eine gewisse Form vertrauensvoller Zusammenarbeit und gegenseitiger Wertschätzung vorhanden sein. Anders wäre die gegenseitige Empfehlung für Vortragstätigkeit nicht zu erklären. Außerdem erscheint es sehr naheliegend, dass sich die Referenten zu gleichen Themen auch im Rahmen der Organisation von Fortbildungsveranstaltungen hinsichtlich Umfang und Gestaltung absprechen und so auch ähnliche Auffassungen zu bestimmten Fragestellungen entwickeln.
All dies sagt nichts darüber aus, dass der Sachverständige sich tatsächlich in seiner Tätigkeit von der Tatsache beeinflussen ließ, dass auf Seiten der Antragsgegner zu 1. und 3. der mit diesen familiär verbundene Sachverständige SV2 tätig war. Der Senat geht auch davon aus, dass dies nicht der Fall war.
Herr SV2 hat allerdings, wie die Akte ergibt, erheblich auf Seiten der Antragsgegner mitgewirkt, in dem er nicht nur ein Privatgutachten erstellt hat, mit dem sich der Sachverständige auseinandersetzen musste, sondern auch bei Ortsterminen anwesend war.
Es wäre deshalb aus Sicht der Antragstellerin naheliegend gewesen, dass der Sachverständige auf seine Bekanntschaft und seine gemeinsame Tätigkeit mit Herrn SV2 hinwies, um Missverständnisse auszuschließen.
Dabei geht es nicht darum, dass der Sachverständige, wie er meint, sämtliche beruflichen Kontakte zu allen Verfahrensbeteiligten offen legen muss. Natürlich kann der Sachverständige davon ausgehen, dass einzelne frühere Kontakte keineswegs die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies gilt sogar für frühere Parteigutachten (OLG Celle NJW RR 03, 135; OLG Frankfurt am Main VersR 81, 557; OLG Hamm MDR 00, 49).
Vorliegend geht es aber darum, dass beide Sachverständige zum gleichen Thema abwechselnd referieren und veröffentlichen und dieses auch bei der Begutachtung des vorliegenden Falles eine Rolle spielte (Bautechnik; Abnahme/Gewährleistung). Bei dieser zumindest für einen fachunkundigen Betrachter bestehenden fachlichen Ab- und Übereinstimmung kann die Gefahr bestehen, dass sich der Sachverständige, wenn auch unbewusst, von der fachlichen Nähe zum Parteigutachter der Antragsgegner beeinflussen lassen konnte, zumal jener mit diesen familiär verbunden war.
Es ist deshalb auch nachvollziehbar, wenn die Antragstellerin Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zwischen dem Gutachten des Sachverständigen und dem Parteigutachten dahingehend interpretiert, dass es sich um den Ausfluss der kollegialen Beziehung handelt, auch wenn tatsächlich lediglich die gleiche fachliche Einschätzung der Grund sein mag.
Die Gefahr der unbewussten Beeinflussung kann auch nach Auffassung des Senats nicht in vollem Umfang ausgeschlossen werden. Deshalb muss im Zweifel nach den oben dargelegten Grundsätzen zugunsten der betroffenen Partei entschieden werden.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Sachverständige schuldhaft fehlerhaft gehandelt hat und deshalb sein Entgeltanspruch ausgeschlossen wäre.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung lediglich der besonderen Situation Rechnung getragen, dass aus nachvollziehbarer Sicht der Antragstellerin, wie dargelegt, ein deutlich näheres Verhältnis bestehen kann, als dies vielleicht tatsächlich der Fall ist.
Eine gesonderte Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergeht nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptverfahrens, da es sich bei dem Verfahren der Richter- und Sachverständigenablehnung um ein nichtkontradiktorisches Nebenverfahren handelt (Stollenwerk NJW 07, 3753). Anders zu beurteilen ist dies lediglich für den Fall der erfolglosen Beschwerde, § 97 ZPO (BGH NJW 05, 2233). Ebenso wenig kommt in Betracht, die Kosten wegen fehlerhafter Sachbehandlung der Staatskasse aufzuerlegen (OLG Frankfurt am Main, B. v. 28.5.2007 - 1 W 23/07).
Ende der Entscheidung
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