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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 11 U (KART.) 54/03
Rechtsgebiete: GWB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 19 IV
ZPO § 301
Zur Zulässigkeit eines Teilurteils in einer Kartellsache.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U (KART.) 54/03

Verkündet am 25.05.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... auf die mündliche Verhandlung vom 27.4.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.8.2003 ­ Az.: 3/11 O 158/01 ­ sowie das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien des vorliegenden Verfahrens streiten über die Wirksamkeit eines von ihnen im April 1993 geschlossenen Gaslieferungsvertrags sowie darüber, inwieweit die Beklagte gegenüber der Klägerin zur Bezahlung bestimmter Gaslieferungen verpflichtet ist.

Die Klägerin ist ein in X tätiges Energieversorgungsunternehmen, das Kommunen mit Erdgas und anderen Energieträgern versorgt. Die Beklagte versorgt als kommunales Unternehmen Haushalte und Gewerbebetriebe in und um Y mit Energie, u.a. auch mit Erdgas. Die Klägerin beliefert die Beklagte seit mehr als 50 Jahren mit Gas. Die rechtliche Grundlage hierfür bildete jedenfalls bis zum Gaswirtschaftsjahr (GWJ) 1999/2000 ein am 6.4.1993 geschlossener Gaslieferungsvertrag, der unter anderem ­ wie seinerzeit allgemein üblich ­ eine Verpflichtung der Beklagten zur Deckung ihres gesamten Gasbedarfs bei der Klägerin sowie zur Unterlassung der Abgabe von Gas außerhalb ihres Versorgungsgebiets (Gebietsschutzvereinbarung) enthielt. Die Laufzeit des Vertrags sollte 15 Jahre betragen. Die Klägerin verpflichtete sich in diesem Zusammenhang auch zwecks Verbesserung der Versorgungsmöglichkeiten der Beklagten dazu, eine etwa 3 km lange Gasversorgungsleitung zu bauen und der Beklagten zu übereignen (sog. Z-Leitung); dies geschah auch in der Folgezeit.

Nach der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes im Jahr 1998 kam es zu Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien. Die Beklagte verlangte von der Klägerin günstigere Gaspreise und wollte zudem einen Teil ihres Gasbedarfs bei anderen Lieferanten decken; in diesem Zusammenhang vertrat sie die Auffassung, der Vertrag vom April 1993 sei insgesamt nichtig oder doch jedenfalls mit Ablauf des 30.9.1999 unwirksam geworden. Die Klägerin berief sich auf die Wirksamkeit dieses Vertrags, war aber zu Zugeständnissen an die Beklagten bereit. Darum verhandelten die Parteien sowohl für das GWJ 1999/2000 als auch für das GWJ 2000/2001 über Interimsregelungen. Mit Schreiben vom 16.12.1998 und vom 17.5.1999 unterbreitete die Klägerin der Beklagten Angebote für das GWJ 1999/2000; mit Schreiben vom 7.9.1999 bestätigte die Klägerin den Abschluss einer Vereinbarung auf der Grundlage dieser Angebote am 23.9.1999. Die Belieferung der Beklagten mit Gas Angebote am 23.9.1999. Die Belieferung der Beklagten mit Gas und dessen Bezahlung erfolgte dann auch im GWJ 1999/2000 auf der Grundlage dieser Angebote. Im Sommer 2000 kam es erneut zu Verhandlungen unter den Parteien, diesmal für das GWJ 2000/2001. Über das Ergebnis dieser Verhandlungen herrscht unter den Parteien Streit; nach Auffassung der Klägerin ist eine erneute Interimsregelung zustande gekommen, nach Auffassung der Beklagten besteht jedenfalls seit dem GWJ 2000/2001 unter den Parteien ein vertragsloser Zustand.

Gleichwohl bezog die Beklagte unter Hinweis darauf, dass sie nicht vollständig auf andere Lieferanten ausweichen könne, von der Klägerin im GWJ 2000/2001 Gas. Dieses berechnete die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage ihres Angebots vom 6.11.2000, das die Beklagte nach Auffassung der Klägerin durch widerspruchslose Hinnahme und den nachfolgenden Gasbezug konkludent angenommen hatte. Die Beklagte kürzte jedoch die Rechnungen der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 2000 bis April 2001 um 825.568,69 €. Ferner kürzte sie im Zeitraum von Mai 2001 bis Oktober 2001 Rechnungen der Klägerin um weitere 133.929,20 €; beide Beträge ergeben zusammen die Klageforderung von 959.497,89 €.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 825.568,69 € nebst bestimmten, dort näher spezifizierten Zinsen zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie das Eigentum an der ErdgasHochdruckleitung Z von der Übergabestation A bis Ortsausgang B-...straße mit einer Länge von ca. 4.340 m Zug um Zug gegen Zahlung von 207.210,24 € zu übertragen.

Ferner hat sie mit Schriftsatz vom 19.8.2002 ihre Klage um 133.929,20 € auf insgesamt 959.497,89 € erweitert (Kürzungsbeträge für Mai bis Oktober 2001); über diesen Antrag ist bislang nicht mündlich verhandelt worden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ferner hat sie Widerklage erhoben und hierzu zuletzt beantragt,

1) festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 6.4.1993 geschlossene Gaslieferungsvertrag jedenfalls seit dem 30.9.1999 insgesamt unwirksam ist,

2) die Klägerin zu verurteilen, an sie 1.452.068,50 € nebst Zinsen in näher spezifizierter Höhe seit Zustellung der Klageerwiderung zu zahlen.

Zudem hat die Beklagte zu ihrem Feststellungsantrag eine Reihe von Hilfsanträgen gestellt. Dem mit der Widerklage erhobenen Zahlungsantrag liegt ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zugrunde, mit dem die Beklagte angebliche Überzahlungen aus dem GWJ 1999/2000 zurückfordert.

Die Klägerin hat hierzu beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Zudem hat sie insoweit verschiedene Hilfsanträge gestellt.

Durch Teilurteil vom 12.8.2003 hat das Landgericht die Beklagte entsprechend dem Hauptantrag der Klägerin zur Zahlung von 825.568,69 € zuzüglich Zinsen verurteilt und den Widerklageantrag zu 2 (Zahlungsantrag) abgewiesen. Die Entscheidung ist wie folgt begründet: Zwar sei ein vertraglicher Vergütungsanspruch der Klägerin für das GWJ 2000/2001 zu verneinen, da beide Parteien den Vertrag vom April 1993 nicht hätten fortführen wollen und da eine Interimsregelung für das GWJ 2000/2001 nicht zustande gekommen sei. Das Schweigen der Beklagten auf das letzte Angebot der Klägerin vom 6.11.2000 sei nicht als Zustimmung hierzu zu werten. Das Zapfen von Gas durch die Beklagte im GWJ 2000/2001 lasse ihre Weigerung, den von der Klägerin geforderten Preis zu zahlen, auch nicht als treuwidrig erscheinen, weil die Klägerin dieses Zapfen geduldet habe. Ein Leistungsbestimmungsrecht nach den §§ 315, 316 BGB stehe der Klägerin mangels wirksamen Vertrags nicht zu. Die Klägerin habe aber wegen der Gaslieferungen im GWJ 2000/2001 einen Anspruch aus den §§ 812 I 1, 818 II BGB. Dass der von ihr geforderte Preis von 4,24 Pfennig pro Kilowattstunde üblich gewesen sei, habe die Klägerin anhand der sog. C-Studie (Bl. 974 ff d.A.) dargelegt; die Beklagte habe diese Studie nicht grundsätzlich angegriffen. Die Beklagte könne sich gegenüber diesem Bereicherungsanspruch auch nicht auf die Bestimmung des § 19 IV Nr.2 GWB berufen. Zwar sei die Wertung dieser Bestimmung auch im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Abwicklung zu beachten. Die Darlegungslast für die geringeren Preise, die sich danach im Fall von wirksamem Wettbewerb ergäben, und damit für die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Klägerin treffe jedoch auch im Rahmen des Anspruchs aus den §§ 812, 818 II BGB die Beklagte. Dieser Darlegungslast sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die von der Beklagten vorgelegten Angebote von anderen Lieferanten seien wenig aussagekräftig, da die Klägerin für ihren Preis sog. strukturierte Lieferungen biete, die das Schwankungsrisiko der Beklagten (Spitzenbedarf) abdeckten, während es sich bei den übrigen Angeboten um sog. Bandlieferungen handele, bei denen dies nicht der Fall sei. Zudem sei ein Missbrauch im Sinn von § 19 IV Nr.2 GWB nur bei einer erheblichen Abweichung vom Wettbewerbspreis anzunehmen; erforderlich sei insoweit eine Abweichung um mindestens 15 %. Dass dies beim Preis der Klägerin der Fall sei, ergebe sich auch aus dem Vorbringen der Beklagten nicht. Der mit der Widerklage erhobene Zahlungsanspruch aus den §§ 812, 818 II BGB sei unbegründet, weil die Parteien für das GWJ 1999/2000 eine Interimsregelung getroffen hätten, die die Rechtsgrundlage für die Zahlungen der Beklagten bilde.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte insoweit Berufung erhoben, als das Landgericht sie zur Zahlung von 825.568,69 € verurteilt hat; die Abweisung des auf Rückzahlung gerichteten Widerklageantrags ist mithin in Rechtskraft erwachsen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts teilweise aufzuheben und die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags und des insoweit gestellten Hilfsantrags (Übertragung des Eigentums an der Z-Leitung) abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

B.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt. Das Landgericht hat entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO und damit unzulässigerweise ein Teilurteil erlassen, § 538 II 1 Nr.7 ZPO; in diesem Fall kann der Senat auch ohne entsprechenden Antrag der Parteien (§ 538 II 3 ZPO) die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zurück verweisen (dazu unten I). Ein grundsätzlich mögliches "Heraufziehen" des noch beim Landgericht anhängigen Teils zum Zweck einer abschließenden Entscheidung durch den Senat ­ gegebenenfalls nach einem Zwischenfeststellungsstreit ­ erscheint auf der Grundlage des derzeitigen Streitstandes nicht sachdienlich (dazu unten II).

I) 1) Ein Teilurteil ist unzulässig, wenn die Gefahr besteht, dass es im Teil- und im Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt (s. dazu zuletzt BGH NJW-RR 2003, 303 f). Widersprüchlichkeit meint dabei keinen Rechtskraftkonflikt, sondern ist in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst damit auch die Fälle der Präjudizialität. Der Erlass eines Teilurteils scheidet darum bereits dann aus, wenn die Möglichkeit abweichender Beurteilung einer auch für den noch offenen Verfahrensgegenstand bedeutsamen Vorfrage besteht (BGH NJW 1997, 453, 454; OLG Frankfurt, MDR 1998, 1053 f). So hat es etwa der BGH als unzulässig angesehen, in einem Bauprozess eine auf Mängelbeseitigung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichtete Widerklage durch Teilurteil wegen eingetretener Verjährung abzuweisen, solange die auf Zahlung des Werklohns gerichtete Klage noch anhängig war; der Grund hierfür wurde darin gesehen, dass sowohl für den bereits beschiedenen Gewährleistungsanspruch als auch für den noch unbeschiedenen Werklohnanspruch die Frage der Abnahme der Werkleistung vorgreiflich war und dass damit in dieser Frage die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen eröffnet wurde (BGH NJW 1997, 453, 455). Dabei ist es für die Zulässigkeit eines Teilurteils nicht ausreichend, dass aus der Sicht des Gerichts, das das Urteil erlässt, die Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nicht besteht. Die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen und damit die Unzulässigkeit eines Teilurteils kann sich vielmehr auch daraus ergeben, dass das Berufungs- oder Revisionsgericht zu einer vom Erstgericht abweichenden Beurteilung gelangen kann (BGH FamRZ 1987, 151, 152; BGH WM 1994, 865, 868; BGH NJW 2001, 778, 79; OLG Hamburg, FamRZ 1991, 445, 446).

2) Nach diesem Maßstab war die angefochtene Entscheidung unzulässig.

a) Zweifelhaft ist schon, ob über den im Berufungsverfahren allein streitbefangenen Restzahlungsanspruch der Klägerin aus Gaslieferungen an die Beklagte im GWJ 2000/2001 entschieden werden kann, ohne die Frage zu klären, ob der zwischen den Parteien seit 1993 bestehende Gaslieferungsvertrag jedenfalls seit dem 30.9.1999 insgesamt unwirksam ist; genau diese Frage aber ist auch Gegenstand des von der Beklagten im Rahmen ihrer Widerklage erhobenen, vom LG noch nicht beschiedenen Feststellungsantrags.

aa) Aus der Sicht das Landgerichts bestand die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen unter diesem Aspekt allerdings nicht. Denn das Landgericht hat angenommen, zwischen den Parteien habe im Jahr 2000 Einigkeit darüber bestanden, dass der Vertrag aus dem Jahr 1993 im GWJ 2000/001 nicht fortgeführt werden, sondern eine Interimsregelung getroffen werden solle; eine solche Regelung sei allerdings nicht zustande gekommen. Aus dieser Sicht kommt der Vertrag vom Jahr 1993 als Grundlage für Ansprüche der Klägerin wegen Gaslieferungen im GWJ 2000/2001 nicht in Betracht.

bb) Diese Sicht ist sicherlich insoweit zutreffend, als eine derartige Interimsregelung für das GWJ 2000/2001 nicht zustande gekommen ist. Zwar hat die Klägerin der Beklagten mehrfach Angebote zum Abschluss einer solchen Interimsregelung unterbreitet. Die Beklagte hat diese Angebote jedoch nicht angenommen. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 11.10.2000 unmissverständlich erklärt, sie sehe die Verhandlungen hierüber als "gescheitert" an und werde sich mit einer Interimsvereinbarung für das GWJ 2000/2001 "nicht einverstanden erklären". In dieser Situation kann auch ihr Schweigen auf das nachfolgende, letzte Angebot der Klägerin vom 6.11.2000 nicht als konkludente Zustimmung gedeutet werden, zumal da dem Schweigen im Rechtsverkehr diese Bedeutung regelmäßig ohnehin nicht zukommt. Schließlich ist die Beklagte auch nicht dadurch, dass sie auf das letzte Angebot der Klägerin geschwiegen und in der Folgezeit von der Klägerin Strom bezogen hat, gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf das Nichtzustandekommen der Interimsvereinbarung zu berufen ("protestatio facto contraria"). Zwar nimmt grundsätzlich derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Energie entnimmt, die Offerte des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten an; er muss daher auch dann das tarifliche Entgelt zahlen, wenn er dem ausdrücklich widerspricht (BGH NJW 1983, 1777). Im vorliegenden Fall liegen jedoch besondere Umstände vor, die eine abweichende Beurteilung nahe legen. Die Parteien befanden sich in Vertragsverhandlungen über eine Interimsregelung für das GWJ 2000/2001. Der Grund für diese Verhandlungen ist in der mit der GWB-Novelle einsetzenden Liberalisierung der Energieversorgungsmärkte zu sehen, aufgrund derer die Beklagte nunmehr die Chance sah, günstigere Konditionen beim Gasbezug durchzusetzen (günstigere Tarife, Drittbezug unter Durchleitung des Fremdgases durch das Netz der Klägerin). Wenn die Verhandlungen um solche Konditionen für das GWJ 2000/2001 gescheitert waren und die Beklagte nunmehr, weil ihr ein vollständiger Wechsel zu einem anderen Anbieter aus Zeitgründen nicht möglich war, weiterhin Gas von der Klägerin bezog (und beziehen musste), so kann hierin nach Treu und Glauben keine Zustimmung zu den von der Beklagten als kartellrechtswidrig angesehenen Bezugsbedingungen der Klägerin gesehen werden, die es ihr verwehren würde, sich gegen die daraus resultierenden Zahlungsansprüche der Klägerin gerichtlich zur Wehr zu setzen.

cc) Die Entscheidung des Landgerichts beruht indes weiter auf der Annahme, dass die Parteien schon bei Aufnahme der Verhandlungen über die Interimsregelung im Jahr 2000 vollständig und bedingungslos vom ursprünglichen Gaslieferungsvertrag aus dem Jahr 1993 abgegangen sind, zumindest dessen zeitweises Außerkrafttreten vereinbart haben. Nur diese Annahme macht es verständlich, dass das Landgericht die Lieferungen der Klägerin mit Rücksicht auf das Scheitern der Interimsregelung als ohne vertragliche Grundlage erbracht ansieht und Ansprüche der Klägerin aus den §§ 812, 818 II BGB prüft und schließlich auch bejaht. Diese Auffassung steht aber in Widerspruch zu den Erklärungen, die die Klägerin im Zuge der damaligen Verhandlungen abgegeben hat. So hat sie im Schreiben vom 7.8.2000, mit dem sie der Beklagten ein Angebot für eine Interimslösung unterbreitet hat, geäußert, ihrer Auffassung nach bestehe zwischen den Parteien ein "gültiger Gaslieferungsvertrag mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2009"; dieser habe "nach wie vor Bestand". Lediglich mit Blick auf das seinerzeit beim OLG Düsseldorf anhängige Parallelverfahren schlage sie vor, "unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsauffassungen" eine Interimsregelung für das GWJ 2000/2001 zu treffen. Auch im Schreiben der Klägerin vom 6.11.2000 ist davon die Rede, dass die Klägerin "unbeschadet der wechselseitigen Auffassungen betreffend die Wirksamkeit des Gaslieferungsvertrags und seiner seit dem 1.10.1998 praktizierten Neufassung" zur Belieferung der Beklagten bereit sei. Ferner heißt es dort, dass der Gaslieferungsvertrag vom 6.4.1993 mit den im Jahr 1998 von den Parteien vereinbarten Änderungen "seit dem 1.10.1998 von den Parteien praktiziert" werde. Dies zeigt deutlich, dass die Klägerin während der Verhandlungen über eine Interimsregelung für 2000/2001 vom Fortbestehen dieses Vertrags (mit den im Jahr 1998 vereinbarten Modifikationen) ausging und nur für den Fall eines Zustandekommens der Interimsregelung bereit war, (vorübergehend) hiervon abzurücken. Sogar das Schreiben der Beklagten vom 14.9.2000 spiegelt diese Sicht wider ("Wir meinen, wir befänden uns im vertragslosen Zustand, Sie halten den Vertrag grundsätzlich für wirksam").

dd) Nachdem die in Aussicht genommene Interimsregelung nicht zustande gekommen ist, muss der Senat daher grundsätzlich prüfen, ob sich der Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Vertrag von 1993 (u.U. mit den im Jahr 1998 von den Parteien vereinbarten Änderungen) rechtfertigt. Dasselbe muss er grundsätzlich auch im Rahmen des hilfsweise erhobenen Anspruchs aus den §§ 812 I 1, 818 II BGB prüfen; die Stromlieferung der Klägerin ist dann "ohne rechtlichen Grund" erfolgt, wenn der Vertrag (insgesamt) unwirksam ist.

ee) Möglicherweise ist der Senat allerdings von dieser Prüfung dadurch entbunden, dass die Beklagte nun ­ anders als noch in ihrer Klageerwiderung ­ vorgetragen hat, ihre Belieferung mit Gas sei im GWJ 2000/2001 durch die Klägerin nicht auf der Basis des Vertrag von 1993 erfolgt. In weitgehender Übereinstimmung hiermit hatte die Klägerin bereits in erster Instanz vorgetragen, der Vertrag von 1993 komme als Grundlage ihrer Vergütungsansprüche nicht in Betracht. Kann dies als eine "authentische Interpretation" des Willens der Parteien bei den Verhandlungen über die Interimsregelung gedeutet werden, den Vertrag von 1993 ohne Rücksicht auf das spätere Zustandekommen einer Interimsregelung für das GWJ 2000/2001 zu suspendieren, so hat deren Scheitern zu einem vertraglosen Zustand für dieses GWJ geführt, der die erhobenen Bereicherungsansprüche rechtfertigen kann, und zwar ohne dass es auf die Wirksamkeit oder Nichtigkeit des Vertrags von 1993 ankäme. Dasselbe Ergebnis lässt sich vielleicht auch dadurch erzielen, dass die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien im vorliegenden Verfahren als nachträgliche und rückwirkende Suspendierung des Vertrags von 1993 für das GWJ 2000/2001 ausgelegt werden.

b) Doch bedürfen diese Auslegungsfragen keiner abschließenden Entscheidung. Denn unabhängig von dem bisher Gesagten besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen noch aus einem anderen Grund. Die Beklagte verteidigt sich gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin aus den §§ 812 I 1, 818 II BGB auch mit dem Einwand, die Klägerin habe entgegen den §§ 19 I, IV Nr.2 GWB eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt, indem sie für ihre Stromlieferungen im GWJ 2000/2001 Entgelte verlangt habe, die erheblich über denjenigen gelegen hätten, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätten. Dieser Einwand ist ­ wie das Landgericht zu Recht angenommen hat ­ auch gegenüber dem Anspruch aus den §§ 812, 818 II BGB grundsätzlich beachtlich, mag auch die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 19 IV Nr.2 GWB ­ auch insoweit stimmt der Senat dem angefochtenen Urteil zu ­ die Beklagte treffen. Denn § 19 IV Nr.2 GWB will verhindern, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen für seine Waren oder Leistungen höhere Entgelte als solche bekommt, die sich bei wirksamem Wettbewerb wahrscheinlich ergäben; aus diesem Grund sind auch Abreden, die gegen diese Bestimmung verstoßen, seit der GWB-Reform als nach § 134 BGB nichtig anzusehen. Diese Wertung darf nun aber nicht dadurch überspielt werden, dass die Klägerin im Wege des Bereicherungsausgleichs Wertersatz für ihre Leistungen in einem Umfang erhält, der unter den Bedingungen des (noch monopolisierten) Marktes als üblich anzusehen ist, aber das Entgelt, das sich bei funktionierendem Wettbewerb ergeben hätte, (erheblich) überschreitet. Insoweit setzt daher § 19 IV Nr.2 GWB auch einem Bereicherungsausgleich normative Grenzen. Kommt dagegen der Klägerin entgegen der Behauptung der Beklagten keine marktbeherrschende Stellung zu oder hat sie diese ­ wie die Klägerin meint ­ nicht missbraucht, so bestehen gegen eine Orientierung des Bereicherungsausgleichs an dem Standard des auf dem deutschen Gasmarkt derzeit Üblichen keine Bedenken. Der Senat wird darum im Rahmen des Umfangs des erhobenen Bereicherungsanspruchs die Voraussetzungen des § 19 IV Nr.2 GWB (marktbeherrschende Stellung der Klägerin und deren missbräuchliche Ausnutzung) zu prüfen haben.

Eben dies muss möglicherweise auch das Landgericht im Rahmen der Feststellungswiderklage der Beklagten nachprüfen. Wenn das Landgericht etwa ­ in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG Stuttgart (Urt. v. 21.3.2002 - 2 U 136/01, Umdruck Bl. 1113 ff d.A.) ­ zu der Einschätzung gelangt, der Vertrag von 1993 sei nicht schon wegen der darin enthaltenen Gebietsschutzvereinbarung zugunsten der Klägerin, der Bedarfsdeckungsverpflichtung zu Lasten der Beklagten und der Vereinbarung über die Laufzeit insgesamt unwirksam, muss es prüfen, ob sich diese Nichtigkeit jedenfalls für den Zeitraum ab dem 30.9.1999 aus einem Verstoß der dort getroffenen Entgeltregelung gegen die §§ 19 I, IV Nr.2 GWB i.V.m. § 134 BGB ergibt. Als Vorfrage hierbei muss es prüfen, ob der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung zukam und ob die Klägerin diese missbraucht hat, indem sie von der Beklagten für ihre Stromlieferungen überhöhte Entgelte gefordert hat. Da die von der Klägerin geforderten Entgelte in den GWJ 1999/2000 einerseits und 2000/2001 andererseits identisch sind und es sich mithin hierbei um dieselben Fragen handelt, denen der Senat im Rahmen des Anspruchs nach den §§ 812, 818 II BGB nachzugehen hat, besteht insoweit die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen.

II) Ein ­ prozessual mögliches ­ "Heraufziehen" des auf Feststellung gerichteten Widerklageantrags der Beklagten zwecks Vermeidung der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, das dem Senat eine abschließende Entscheidung zur Sache ermöglichen würde (s. dazu BGH NJW 1960, 339, 340; WM 1994, 865, 868; NJW 2001, 78, 79), erscheint nicht sachdienlich. Denn zum einen könnte auch hierdurch der Rechtsstreit nicht in vollem Umfang erledigt werden, da das Landgericht auch einen Teil des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs (sog. DKomplex) noch nicht beschieden hat. Im übrigen würde hierdurch ein zentraler Teil des vorliegenden Rechtsstreits (Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags von 1993 ab dem 30.9.1999) erst in zweiter Instanz erstmalig entschieden (s. zu diesem Aspekt BGH WM 1994, 865, 868); den Parteien ginge so eine Instanz verloren. Gerade angesichts der Tatsache, dass die Berufungsinstanz nach der ZPO-Novelle von 2002 stärker als bisher auf eine Nachprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt ist, erscheint dies dem Senat nicht sinnvoll.

Ende der Entscheidung

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