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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 11 U 10/05 (Kart)
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 19
GWB § 20
GWB § 33
1. Grundsätzlich ist ein Anbieter in einer marktbeherrschenden Stellung verpflichtet, unter den Nachfragern eine Auswahl unter angemessenen und fairen Bedingungen zu treffen, wenn er die nachgefragte Leistung nur gegenüber einem, jedenfalls nicht gegenüber allen Nachfragern erbringen kann. Insbesondere ist nach gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Vermieter von Räumen im Gebäude einer Kfz-Zulassungsstelle bzw. in deren unmittelbarer Nähe zu einer solchen Auswahl gehalten. Diese Auswahl ist durch eine Ausschreibung zu treffen.

2. Eine freihändige Vergabe ohne Ausschreibung kann aber unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sein, weil der potentielle Mieter Arbeitsplätze für schwer vermittelbare Personen, insbesondere für geistig, körperlich und seelisch Behinderte bereitstellte, und zugleich sichergestellt wurde, dass sich einerseits deutliche Hinweise auf außerhalb des Gebäudes tätige Schilderpräger finden und andererseits Behördenmitglieder Hinweise auf die Mieterin in jedem Falle unterlassen.


Gründe:

I. Die Klägerin wendet sich mit einem Schadensersatzbegehren und einem hilfsweise erhobenen Unterlassungsanspruch gegen ein Verhalten der Beklagten als Vermieterin von Gewerbeflächen.

Der Oberbürgermeister der beklagten Stadt hat die Kfz-Zulassungsstelle für die Stadt und für den Landkreis O1 in einem Gebäude der Beklagten im X a... in O1 eingerichtet. Die Klägerin, die im gesamten Bundesgebiet ein Netz von über 300 Filialen unterhält, handelt mit Kfz-Zeichen, Kurzzeit- und Ausfuhrversicherungen sowie Kennzeichenrahmen und Zubehör. Sie unterhält im X b gegenüber der Kfz-Zulassungsstelle in einer Entfernung von etwa 100 Metern vom Eingang der Behörde eine Niederlassung. Neben der Klägerin befinden sich weitere Schilderprägestellen in unmittelbarer Umgebung der Kfz-Zulassungsstelle. Im Jahre 2002 beabsichtigte die Beklagte, ohne vorherige Ausschreibung Räume in dem Gebäude X a zum Betrieb einer Schilderprägestelle an die B ... mbH zu vermieten. Bei dieser handelt es sich um eine Gesellschaft, die unter anderem die Einrichtung, Bereitstellung und Unterhaltung von Arbeitsplätzen für schwer vermittelbare Personen, insbesondere für geistig, körperlich oder seelisch Behinderte bezweckt. Die Klägerin meldete dagegen kartellrechtliche Bedenken an. Darauf äußerte die Beklagte gegenüber der Klägerin in einem Schreiben vom 15.08.2002 (Anlage K 10) die Auffassung, die Bevorzugung einer Schilderfirma gegenüber allen anderen Bewerbern sei trotz des dadurch gewährten deutlichen Wettbewerbsvorteils zulässig. Sie bezog sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Senatsurteil vom 09.09.1997 - 11 U (Kart) 67/96, Bl. 65 - 86 d.A., veröffentlicht in WuW/E DE-R 55), durch das die freihändige Vergabe von Räumen in einer KfZ-Zulassungsstelle im Jahre 1994 durch den Landkreis O1 an die B ... mbH als sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB a. F. angesehen worden war. Die Revision gegen dieses Urteil war vom Bundesgerichtshof seinerzeit nicht angenommen worden (Beschluss vom 14.07.1998 - KZR 40/97). Mit Vertrag vom 27.09.2002 vermietete die Beklagte die vorgenannten Räume in dem Gebäude der Zulassungsstelle an die B ... mbH, die später in A ... GmbH umbenannt worden ist. Die Laufzeit des Mietverhältnisses begann am 01.10.2002 und endet am 31.12.2007 (Bl. 138 - 141 d. A.).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe kartellrechtswidrig gehandelt, indem sie die Räume an die A ... GmbH ohne vorherige förmliche Ausschreibung vermietet habe.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, eine im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle O1, X a, O1 gelegene Fläche ohne vorherige Ausschreibung zum Zwecke der Herstellung und des Vertriebes von Kfz-Kennzeichen entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte, insbesondere an die B ... mbH, ..., O2 weiterhin zu überlassen;

hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass die Beklagte eine im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle O1, X a, O1 gelegene Fläche bis zum 31.12.2007 an die A ... GmbH vermietet hat;

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, die im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle O1, X a, O1 gelegene Fläche ohne vorherige Ausschreibung zum Zwecke der Herstellung und des Vertriebes von Kfz-Kennzeichen entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte, insbesondere an die A ... GmbH, ..., O2 über den 31.12.2007 hinaus zu überlassen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie durch die Vermietung der Räume an die A ... GmbH nicht in den Wettbewerb eingegriffen habe. Für die Vermietung der Räume an diese Gesellschaft liege ein sachlicher Grund vor, da durch die Vermietung Dauerarbeitsplätze für behinderte Menschen gewährleistet werden sollten.

Das Landgericht hat dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht durch das angefochtene Urteil stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 166 - 174 d. A. verwiesen.

Gegen dieses am 30.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.01.2005 Berufung erhoben und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 24.03.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe zu Unrecht den Tatbestand der Behinderung als auch denjenigen der Ungleichbehandlung bejaht. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Bei der A ... GmbH handle es sich um eine regional tätige, gemeinnützige Einrichtung der Behindertenfürsorge, welche mit der Klägerin als bundesweit tätiges Unternehmen keinesfalls gleichartig sei. Zwar komme eine Behinderung der Klägerin dadurch in Betracht, dass die Gewerbefläche im Gebäude der Zulassungsstelle nicht an diese, sondern an einen Dritten vermietet worden sei. Die Behinderung als solche indiziere jedoch keinesfalls die Unbilligkeit. Soweit sich das Landgericht darauf stütze, es ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die A ... GmbH ihre anerkennenswerte sozialpolitische Zielsetzung nicht auch mit anderen Tätigkeiten oder mit der Schilderprägung an anderer Stelle erreichen könne, hätte das Landgericht rechtliche Hinweise mit dem Ziel weiterer Sachverhaltsaufklärung hierzu geben müssen. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung der gesetzlichen Vorschriften habe das Landgericht folgendes unberücksichtigt gelassen:

Sie (Beklagte) hätte zunächst die Möglichkeit gehabt, die Flächen selbst für sich zu nutzen und dort den Eigenverkauf von Kennzeichenschildern zu betreiben. Auch sei es ihr grundsätzlich gestattet, Gewerbeflächen außerhalb des Gebäudes der Kfz-Zulassungsstelle an einen Schilderpräger zu vermieten. Um im Rahmen der Interessenabwägung auch Wettbewerbern des Mieters und deren Interesse an einem Marktzutritt gerecht zu werden, halte die Rechtsprechung zwar regelmäßig eine Feststellung des Bedarfs durch Ausschreibung sowie eine zeitliche Beschränkung des abgeschlossenen Mietvertrages auf 5 Jahre sowie die Möglichkeit für Mitbewerber, in der Zulassungsstelle auf ihre Angebote werblich hinzuweisen, für erforderlich. Sie (Beklage) habe jedoch der Klägerin grundsätzlich gestattet und angeboten, im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle auf ihre Angebote hinzuweisen.

Ebenfalls sei der Mietvertrag mit der A ... GmbH lediglich auf die Dauer von 5 Jahren befristet abgeschlossen worden. Einer Ausschreibung habe es im vorliegenden Einzelfall nicht bedurft, da diese nur regelmäßig zur Feststellung des Bedarfs durch Ausschreibung erforderlich sei. Die Klägerin sei der Beklagten jedoch schon hinlänglich bekannt gewesen, so dass es nach Sinn und Zweck der Ausschreibung nicht bedurft habe. Unabhängig hiervon sei die Ausschreibung zwar "regelmäßig" erforderlich, jedoch könne im Einzelfall auch ohne Ausschreibung die Interessenabwägung zugunsten des Vermieters erfolgen. Das Landgericht habe sich rechtsfehlerhaft über eine konkrete Abwägung der hier relevanten Tatsachen hinweggesetzt. Sie (Beklagte) habe mit der Vermietung an die A ... GmbH dieser die Möglichkeit eröffnen wollen, behinderte Menschen zu integrieren und in diesem Zusammenhang in O1 wohnhafte Behinderte einzugliedern. Die VOL/A finde gemäß ihres § 3 Ziffer 4 o keine Anwendung, da es sich bei der A ... GmbH um eine "ähnliche Einrichtung" im Sinne dieser Vorschrift handele. Die Beklagte ist der Ansicht, dass selbst bei einer durchgeführten Ausschreibung kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Das Instrument der Ausschreibung diene hier nur allgemein dazu, potentiellen Mitbewerbern den Zutritt zum relevanten Markt zu eröffnen, während es keine konkretisierende Vorschrift gebe, dass auch der günstigste Mitbewerber zu berücksichtigen sei. Daher hätte sie ohnehin aufgrund der aufgezeigten sachlichen Kriterien selbst im Falle der Ausschreibung die Flächen an die A ... GmbH vermieten dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17.12.2004 - 12 O 4165/03 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verweist darauf, dass bei der nach § 20 Abs. 1 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung ausschließlich Individualinteressen der Beteiligten einzubeziehen seien, während es bei der Förderung von Behinderten um ein Gemeinwohlinteresse gehe.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache nur hinsichtlich des zweiten Hilfsantrages Erfolg.

1.) Das angefochtene Urteil ist nicht bereits gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben. Zwar hat das Landgericht den Hauptantrag, die Beklagte zu verurteilen, eine im Gebäude der Kfz-Zulassungsstelle gelegene Fläche ohne vorherige Ausschreibung zum Zwecke der Herstellung und des Vertriebes von Kfz-Kennzeichen an Dritte, insbesondere an die A ... GmbH weiterhin zu überlassen, nicht beschieden. Insofern hat das Landgericht ein möglicherweise unzulässiges Teilurteil erlassen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist dieser frühere Unterlassungsantrag jedoch nicht mehr rechtshängig. Gem. § 321 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO hätte bezüglich dieses übergangenen Antrags binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils begann, die Ergänzung des Urteils beantragt werden müssen. Die Voraussetzungen des § 321 Abs. 1 ZPO lagen vor, da der in erster Linie gestellte Unterlassungsantrag durch Verweis auf die gewechselten Schriftsätze sowie durch seine Erwähnung im letzten Absatz vor der Darstellung der Klageanträge Teil des Tatbestandes geworden ist. Die Versäumung der Berichtigungsfrist hat jedoch zur Folge, dass die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs erlischt (BGH NJW 1991, 1683, 1684; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 321 Rn. 8). Nach dem Prozessstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht handelt es sich somit bei dem angefochtenen Urteil nicht mehr um ein Teilurteil.

2.) Die Berufung der Beklagten hat jedoch hinsichtlich des ersten Hilfsantrages (Feststellung der Schadensersatzpflicht) Erfolg. Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB zu Unrecht bejaht.

Ein Schadensersatzanspruch scheitert jedenfalls daran, dass die Beklagte nicht - wie es § 33 Satz 1 2. Halbsatz GWB für die Schadensersatzhaftung voraussetzt - schuldhaft handelte, als sie die Räume im Gebäude der Zulassungsstelle ohne vorherige Ausschreibung an die B ... mbH vermietete.

Die Beklagte durfte ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen, dass diese Vorgehensweise nicht gegen § 20 Abs. 1 GWB verstieß. Der Senat hat in seinem Urteil vom 09.09.1997 in einem gleichgelagerten Fall die freihändige Verpachtung von Räumen durch den Landkreis O1 an die B ... mbH im Gebäude einer KfZ-Zulassungsstelle als sachlich gerechtfertigt angesehen. Er hat dazu ausgeführt, der Landkreis habe diese Gesellschaft im Hinblick auf ihre Zielsetzung auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die damalige Klägerin bereit sei, ebenfalls Schwerbehinderte einzustellen, gleichwohl unter sachlichen Gesichtspunkten ausgewählt (Urteil Seite 16). Die Beklagte durfte, wie sie dies in dem Schreiben vom 15.08.2002 gegenüber der Klägerin vertreten hat, annehmen, dass auch diesmal die freihändige Vergabe der Räume an die B ... mbH nicht kartellrechtswidrig sei. Soweit der Senat in dem genannten Urteil erwogen hatte, der Wettbewerb verschiedener Schilderanbieter sei nach wie vor für den Fall möglich, dass die außerhalb des Zulassungsgebäudes gelegenen Betriebe ihren Standortnachteil etwa durch günstigere Preise ausgleichen könnten (Urteil Seite 19), schloss dies die Anwendung der Entscheidung nicht aus. Zwar behauptet die Klägerin nunmehr, sie habe erhebliche Umsatzeinbrüche hinnehmen und zwei Beschäftigte entlassen müssen, andere Wettbewerber hätten ihren Betrieb eingestellt oder arbeiteten nur noch mit Verlusten, ein wirksamer Preiswettbewerb sei nicht möglich. Diese Auswirkungen der Vermietung an die A ... GmbH musste die Beklagte aber nicht vorhersehen, sie konnte vielmehr annehmen, dass ein Preiswettbewerb zwischen ihrer Mieterin und deren Konkurrenten möglich bleiben würde.

Wenn die Beklagte sich an die Entscheidung des Senats vom 09.09.1997 hielt, kann ihr kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. An die Bejahung eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind zwar besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1994, 2754, 2755). Dies gilt auch dann, wenn es nicht um die Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften, sondern um deren Auslegung geht, wie hier im Hinblick auf die Merkmale der Unbilligkeit und des fehlenden sachlich gerechtfertigten Grundes gemäß § 20 Abs. 1 GWB. Ein Rechtsirrtum ist aber als unvermeidbar anzusehen, wenn sich der Täter zuvor über die höchstrichterliche Rechtsprechung informiert hat. Liegt ein Urteil eines Fachsenats eines Oberlandesgerichts vor, bei dem der Bundesgerichtshof die Revision auch nicht wegen Erfolgsaussicht angenommen hat, so reicht das zur Absicherung des Täters über die Rechtslage aus. Die Beklagte konnte sich deshalb darauf verlassen, dass ihre Verfahrensweise im Einklang mit der Auslegung des § 20 Abs. 1 GWB durch die gleichen Gerichte wie in dem vorangegangenen Fall steht.

3.) Damit muss über den Hilfsantrag entschieden werden, durch den es der Beklagten verboten werden soll, die streitgegenständliche Fläche ohne vorherige Ausschreibung an Dritte, insbesondere die A ... GmbH über den 31.12.2007 hinaus zu überlassen.

Dieser Antrag ist zulässig. Dem Antrag steht nicht § 259 ZPO entgegen, wonach Klage auf künftige Leistung nur erhoben werden kann, wenn nach den Umständen die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Diese Vorschrift ist auf gesetzliche Unterlassungsansprüche nicht anzuwenden (Lüke in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 259 Rn. 6).

Der Hilfsantrag ist auch begründet. Die Beklagte verstößt mit der beanstandeten zukünftigen Vermietung der im Gebäude der Zulassungsstelle gelegenen Flächen an Dritte ohne vorherige Ausschreibung gegen § 20 Abs. 1 GWB, der es marktbeherrschenden Unternehmen verbietet, ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln.

Die Beklagte ist Normadressat des § 20 GWB. Sie verfügt auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung. Der hier räumlich relevante Markt umfasst die Vermietung derjenigen Gewerbeflächen, die sich für einen Schilderpräger zur Anmietung oder sonstigen Nutzung eignen, um den bei den Besuchern der Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an Kfz-Schildern zu decken.

Auch wenn sich für diese Nutzung Gewerbeflächen außerhalb des Gebäudes der Zulassungsstelle eignen, besteht eine überragende Marktposition der Beklagten deshalb, weil eine Verkaufsstelle innerhalb des Gebäudes der Zulassungsstelle potentiellen Kunden den Weg erspart, den sie zurücklegen müssten, um Schilderpräger außerhalb dieses Gebäudes zu erreichen (BGH NJW 1998, 3778, 3779 - Schilderpräger im Landratsamt; NJW 2003, 752, 753 - Schilderprägebetrieb).

Wenn die Beklagte bei der Vermietung der hier in Rede stehenden Räumlichkeiten die Klägerin nicht berücksichtigt, behindert sie diese objektiv und behandelt sie zugleich unterschiedlich (BGH a.a.O.).

Der hier maßgebliche Geschäftsverkehr, nämlich die Anmietung von Räumen im Gebäude der Zulassungsstelle, ist gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich (BGH a.a.O.).

Die Behinderung der Klägerin ist unbillig und die Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt. Ob eine Maßnahme unbillig oder eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, ist durch eine umfassende Abwägung der Interessen aller Beteiligter unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu ermitteln (Langen/Bunte/Schultz, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Auflage, § 20 Rn. 130; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn. 38 m. w. N.).

Grundsätzlich ist ein Anbieter in einer marktbeherrschenden Stellung verpflichtet, unter den Nachfragern eine Auswahl unter angemessenen und fairen Bedingungen zu treffen, wenn er die nachgefragte Leistung nur gegenüber einem, jedenfalls nicht gegenüber allen Nachfragern erbringen kann. Insbesondere ist nach gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Vermieter von Räumen im Gebäude einer Kfz-Zulassungsstelle bzw. in deren unmittelbarer Nähe zu einer solchen Auswahl gehalten. Diese Auswahl ist durch eine Ausschreibung zu treffen (BGH NJW 2003, 2684 - Konkurrenzschutz für Schilderpräger; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1003; Immenga, NJW 1995, 1921, 1926; Bechtold, § 20 Rn. 40; Langen/Bunte/Schultz, § 20 Rn. 71; vgl. auch BGH NJW 1998, 3778, 3780 - Schilderpräger im Landratsamt).

Allerdings hat der Senat in seinem oben erwähnten Urteil vom 09.09.1997 entschieden, dass eine freihändige Vergabe ohne Ausschreibung unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zulässig war, weil der potentielle Mieter Arbeitsplätze für schwer vermittelbare Personen, insbesondere für geistig, körperlich und seelisch Behinderte bereitstellte (vgl. Seiten 4 und 16 f. des Urteils), und zugleich sichergestellt wurde, dass sich einerseits deutliche Hinweise auf außerhalb des Gebäudes tätige Schilderpräger finden und andererseits Behördenmitglieder Hinweise auf die Mieterin in jedem Falle unterlassen. Mit dieser Entscheidung hat der Senat es der Vermieterin gestattet, ohne Berücksichtigung anderer Nachfrager dasjenige Unternehmen zu bevorzugen, das eine wichtige sozialpolitische Aufgabe erfüllen will.

Der Senat hält indes an seiner früheren Entscheidung, die in der Literatur als "problematisch" bezeichnet wird (Langen/Bunte/Schultz, § 20, Rn. 125), nicht länger fest. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass nur eigene Interessen des Normadressaten Berücksichtigung finden können (Langen/Bunte/Schultz a.a.O. Rn. 127). Dabei steht auf Seiten der Schilderpräger das Anliegen, dass sie durch ein Ausschreibungsverfahren mit von allen Bewerbern erfüllbaren Kriterien eine Chance bekommen, den nur begrenzt vorhandenen Raum im Gebäude der Zulassungsstelle anzumieten, um ihre Absatz- und Gewinnchancen zu erhöhen. Zugunsten der Beklagten kann dagegen das Interesse, die Flächen im Kfz-Zulassungsgebäude an ein Unternehmen mit der genannten sozialpolitischen Zwecksetzung zu vergeben, um dadurch stabile Arbeitsplätze für schwer vermittelbare Personen zu schaffen, als allgemeinpolitisches Anliegen nicht berücksichtigt werden (siehe Immenga a.a.O., der strukturpolitische Argumente einer regionalen Wirtschaftförderung bei der Abwägung der Interessen zugunsten der öffentlichen Hand nicht vorrangig berücksichtigen will. Auch das Urteil des LG Gera vom 15.08.2005 - 3 HK O 91/05 weist das sozialpolitische Argument zurück).

Der Unterlassungsanspruch setzt ferner Wiederholungsgefahr voraus. Diese ist vorliegend zu bejahen, da die Verfahrensweise der Beklagten bei der Vergabe der Flächen im Jahre 2002 objektiv kartellrechtswidrig war.

Dieser Verstoß begründet die Vermutung einer Wiederholung in der Zukunft, insbesondere für die Zeit nach dem 31.12.2007. Die Wiederholungsgefahr fehlt nicht deshalb, weil sich die Beklagte bei der Vergabe der Flächen an die vormalige B ... mbH in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befand. Zwar hat der Bundesgerichtshof (GRUR 1994, 443, 445 - Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst erwogen) erwogen, dass bei einer noch nicht höchstrichterlich geklärten Rechtslage die Vermutung der Wiederholungsgefahr ausnahmsweise entfallen kann. Er hat darüber aber nicht abschließend entschieden. Weiterhin ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Verhalten, dessen Wettbewerbswidrigkeit zur fraglichen Zeit umstritten war, nicht die Vermutung begründet, der Betreffende werde sein Verhalten auch dann fortsetzen, wenn später durch gesetzliche Regelung ein eindeutiges Verbot erlassen wird (BGH GRUR 2002, 717, 719 - Vertretung der Anwalts-GmbH; OLG Frankfurt am Main GRUR 2003, 805). Die Literatur bezeichnet diese Stellungnahmen zu Recht als nicht verallgemeinerungsfähig und lehnt die Berücksichtigung des entschuldbaren Rechtsirrtums ab, stattdessen wird betont, dass es auf ein Verschulden an dem Verstoß nicht ankommt (Bornkamm in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rn. 1.42; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 7 Rn. 4; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Rn. 2 und 4 vor § 13; Beckedorf in: Harte-Bavendamm/Hennig-Bodewig, UWG, § 8 Rn. 8; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rn. 578).

Zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr bedarf es daher auch im Kartellrecht grundsätzlich einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Langen/Bunte/Bornkamm, § 33 Rn. 41), die von der Beklagten jedoch nicht abgegeben worden ist.

3.) Die Revision ist für die Klägerin nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache, soweit der Senat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint, keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Es ist höchstrichterlich geklärt, welche Anforderungen an die Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums zu stellen sind. Demgegenüber ist die Revision für die Beklagte gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da der Bundesgerichtshof die Revision gegen das Urteil des Senats vom 09.09.1997 nicht angenommen hat und die vorliegende Entscheidung von der früheren Rechtsprechung abweicht.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

5.) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich für die Klägerin aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bezüglich der Beklagten folgt die Entscheidung aus § 708 Nr. 10 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis für die Klägerin ist nach § 713 ZPO nicht anzuordnen, weil für sie die Revision nicht zugelassen wird und ihre Beschwer unterhalb des Betrages liegt, den die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erfordert (§ 26 Nr. 8 EGZPO).

Ende der Entscheidung

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