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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: 11 U 12/09 (Kart)
Rechtsgebiete: EnWG


Vorschriften:

EnWG § 42
1. Versorgungsunternehmen müssen die gemäß § 42 EnWG vorgeschriebene Stromkennzeichnung für das letzte oder vorletzte Jahr auch dann nicht vor dem 15. Dezember eines Jahres in ihren Rechnungen an Letztverbraucher und in an diese gerichtetem Werbematerial angeben, wenn sie schon vor dem Stichtag über die aktuellen Strommix-Daten verfügen.

2. Zu den Anforderungen an eine Irreführungsgefahr durch zusätzliche, über die gemäß § 42 EnWG vorgeschriebenen Angaben hinausgehende Angaben zu einem voraussichtlichen künftigen Strommix.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden - 3. Kammer für Handelssachen - vom 26. Januar 2009 (Az.: 11 O 56/08) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Beide Parteien bieten als Wettbewerber Haushaltskunden die Versorgung mit Strom an. Die Klägerin wendet sich gegen Werbeaussagen der Beklagten im Zusammenhang mit der Stromkennzeichnung gemäß § 42 EnWG in einer Zeitungsanzeige vom 4.6.2008, auf der Internetseite der Beklagten sowie in einer aus dem Internet abrufbaren und ausdruckbaren Broschüre "X-Strom für Haushalte" mit Stand vom 1.4.2008 (Anlagen K3 bis K5 = GA 18, 23, 26).

Die Beklagte bietet seit 1.5.2007 auch einen Tarif "X Naturstrom" an, dessen Produktenergiemix vom Gesamtenergieträgermix der Beklagten dadurch abweicht, dass der bezogene Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energieträgern stammt.

In ihrer von der Klägerin beanstandeten "Stromkennzeichnung" gab die Beklagte unter der Überschrift "Informationen über die Stromherkunft der X-Versorgungs AG" in der Rubrik "Voraussichtlicher Mix für 2008" einen "Energieträgermix für X Naturstrom" und einen "Energieträgermix für die Stromabgabe X allgemein" an. Unterhalb dieser Angaben gab sie in einer Fußnote 1) den X-Unternehmensmix 2006 an und teilte unter Fußnote 2) mit, der Residualmix entspreche dem Unternehmensmix. Wegen der näheren Ausgestaltung der Stromkennzeichnung wird auf die Anlagen K3 - K5 (GA 18, 23, 26) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, es sei der Beklagten im Zeitpunkt der Herausgabe der beanstandeten Werbematerialien möglich gewesen, für den Tarif X Naturstrom den tatsächlichen Produktenergiemix für das Jahr 2007 anzugeben. Der von der Beklagten angegebene voraussichtliche Produktenergiemix unterlaufe die Zielsetzung und den Wortlaut des § 42 EnWG. Die Angabe in der Fußnote 2), der Residualmix entspreche dem Unternehmensmix, sei zudem falsch.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Vorstand, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,

a) für den Verkauf von Elektrizität, insbesondere ihres Tarifs X Naturstrom, gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem Energiemix des beworbenen Produkts anzugeben, den die Beklagte im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, wenn die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt;

b) für den Verkauf von Elektrizität, insbesondere ihres Tarifes X Naturstrom, gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem nach Herausrechnung des Produktmixes aus dem Gesamtenergieträgermix der Stromlieferungen der Beklagten verbleibenden Energiemix (sog. "Residualmix") gem. § 42 Abs. 3 EnWG anzugeben, den die Beklagten im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, sofern die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt.

c) für den Verkauf von Elektrizität, insbesondere ihres Tarifes X Naturstrom, gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen und dabei unter der Überschrift "Stromkennzeichnung" den voraussichtlichen Strommix für ein Stromprodukt der Beklagten und/oder für den Gesamtenergieträgermix der Beklagten anzugeben, wenn dies wie in Anlage K3, K4 oder K5 geschieht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.1.2009 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung (GA 143 bis 150) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der beanstandeten Zeitungsanzeige nicht um Werbematerial im Sinne von § 42 EnWG handele.

Die im Rahmen des Klageantrags beanstandeten Stromkennzeichnungsangaben der Beklagten seien unzureichend und falsch. Soweit die Beklagte unter der Überschrift "Stromkennzeichnung" Angaben zu einem voraussichtlichen Energieträgermix für das noch laufende Jahr 2008 gemacht habe, widerspreche dies eindeutig den Vorgaben des § 42 Abs. 1 EnWG. Es liege ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 1 EnWG sowie eine Irreführung nach §§ 3, 5 UWG vor. Die Beklagte mache unter der Überschrift "Stromkennzeichnung" Angaben, die gemäß § 42 EnWG überhaupt nicht Inhalt der Stromkennzeichnung seien. Sinn und Zweck des § 42 EnWG sei es, den Verbrauchern verlässliche Angaben zu liefern, was durch die Angabe "voraussichtlicher" Werte nicht gewährleistet sei.

Hinsichtlich der Anträge zu a) und b) habe das Landgericht rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, dass die Beklagte erst ab 15.12.2008 den Produktmix für 2007 habe angeben müssen. Der Beklagten sei der Produktmix für das bereits im Jahr 2007 angebotene und beworbene Produkt für das Jahr 2007 im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung aber unzweifelhaft bekannt gewesen. Bevor sie deshalb - wie hier - voraussichtliche Werte für 2008 angebe, habe sie nach Sinn und Zweck des § 42 EnWG die verlässlicheren Werte aus dem Jahr 2007 angeben müssen. Dies gelte entsprechend auch für den Residualmix. Die Angabe "der Residualmix entspreche dem Unternehmensmix" sei nur auf den voraussichtlichen Mix für 2008, nicht jedoch auf den verlässlichen Energieträgermix aus 2007 bezogen gewesen. Insoweit habe die Beklagte den Satz zumindest auf das Jahr 2007 beziehen müssen. Durch die streitgegenständliche Stromkennzeichnung erfahre der Verbraucher mithin nur, wie sich Produkt- und Residualmix für 2008 voraussichtlich zusammensetzten, nicht aber, wie sie sich im Jahre 2007 tatsächlich zusammengesetzt haben.

Auf Hinweis des Senats hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu den mit der Berufung weiterverfolgten Hauptanträge zu a) und b) Hilfsanträge gestellt und beantragt nunmehr,

die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Vorstand, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,

a) für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem Energiemix des beworbenen Produkts anzugeben, den die Beklagte im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, wenn die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt, wenn dies wie in Anlage K3, K4 oder K5 geschieht;

b) für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile oder sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem nach Herausrechnung des Produktmixes aus dem Gesamtenergieträgermix der Stromlieferungen der Beklagten verbleibenden Energieträgermix (sog. "Residualmix") gemäß § 42 Abs. 3 EnWG anzugeben, den die Beklagte im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, sofern die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgern vornimmt, wenn dies wie in Anlage K3, K4 oder K5 geschieht;

c) für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen und dabei unter der Überschrift "Stromkennzeichnung" den voraussichtlichen Strommix für ein Stromprodukt der Beklagten und/oder für den Gesamtenergieträgermix der Beklagten anzugeben, wenn dies wie in Anlage K3, K4 oder K5 geschieht.

Hilfsweise zu a)für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile oder sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem Energiemix des beworbenen Produkts anzugeben, den die Beklagte im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, wenn die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt, und zwar auch schon vor dem 15.12. eines jeden Jahres für das letzte oder vorletzte Jahr, soweit der Beklagten die jeweiligen Werte schon vor dem Stichtag 15.12. bekannt sind und sie in der Werbung Angaben über einen voraussichtlichen Energiemix im laufenden Jahr macht;

zu b) für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern in an diese gerichtetem Werbematerial zu werben oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile oder sonstige Energieträger, erneuerbare Energien) an dem nach Herausrechnung des Produktmixes aus dem Gesamtenergieträgermix der Stromlieferungen der Beklagten verbleibenden Energieträgermix (sog. "Residualmix") gemäß § 42 Abs. 3 EnWG anzugeben, den die Beklagte im letzten und/oder vorletzten Jahr verwendet hat, sofern die Beklagte im Rahmen des Verkaufs von Elektrizität an Letztverbraucher eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt, und zwar auch schon vor dem 15.12. eines jeden Jahres für das letzte oder vorletzte Jahr, soweit der Beklagten die jeweiligen Werte schon vor dem Stichtag 15.12. bekannt sind und sie in der Werbung Angaben über einen voraussichtlichen Energieträgermix im laufenden Jahr macht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, ihr sei die Stromzusammensetzung ihrer verschiedenen Tarife sowie ihres Unternehmensmixes für das Jahr 2007 in exakter Form erst durch ein entsprechendes Schreiben der Firma A GmbH am 6. November 2008 bekannt geworden. Im Übrigen tritt sie der Berufung entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, der der Senat folgt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen weitgehend verwiesen werden kann, abgewiesen. Der Berufungsvortrag rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1. Über die vom Landgericht gegebene Begründung hinaus waren die Hauptanträge zu a) und b) - ungeachtet der Bedenken gegen die Bestimmtheit, die Anträge beschränken sich auf eine weitgehende Wiederholung des Gesetzestextes - bereits deshalb abzuweisen, weil die Klägerin damit zu einer Kennzeichnung nicht nur unabhängig von dem in § 42 EnWG genannten Stichtag , sondern auch unabhängig davon verurteilt worden wäre, ob sie überhaupt schon vor dem Stichtag in der Lage ist, die geforderten Angaben zu machen.

2. Die Klage kann aber auch mit den im Hinblick auf diese Bedenken gestellten Hilfsanträgen ebenso wie mit dem Antrag zu c) keinen Erfolg haben.

a) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass einfache Zeitungsinserate nicht der Kennzeichnungspflicht gemäß § 42 EnWG unterliegen, wie der Senat zwischenzeitlich in seinem Urteil vom 31. März 2009 (Az.: 11 U 77/08 - Kart-) entschieden hat.

§ 42 Abs. 1 EnWG verpflichtet Elektrizitätsversorgungsunternehmen, in oder als Anlage zu ihren Rechnungen an Letztverbraucher und in an diese gerichtetem Werbematerial Angaben gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG zu machen. Mit der Formulierung "in an diese gerichtetem Werbematerial" ist eine Beschränkung der Kennzeichnungspflicht auf bestimmte Formen der Werbung beabsichtigt. Das ergibt sich zwar noch nicht zwingend aus dem deutschen Gesetzestext, wenngleich die Formulierung "in ihrer Werbung" ausreichend und naheliegend gewesen wäre, wenn die Stromkennzeichnungspflicht für jegliche Art von Werbung hätte eingeführt werden sollen.

§ 42 EnWG dient insbesondere der Transformation von Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. EG L 176, S. 37 v. 15.07.2003). Die entsprechende Formulierung des Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2003/54/EG lautet in der englischsprachigen Fassung "...in promotional materials made available to final customers" und in der französischen Fassung: " ...envoyés aux clients finals".

Aus beiden Fassungen ergibt sich deutlicher als aus der deutschsprachigen Fassung, dass nur solches Werbematerial der Kennzeichnungspflicht unterliegt, das an den Letztverbraucher übersandt wird bzw. greifbar ist (available = verfügbar, greifbar, erhältlich). Dieses Verständnis folgt nicht zuletzt aus der Verlautbarung der Generaldirektion Energie und Transport zu Art. 3 Abs. 6, in welcher der Begriff promotional materials definiert wird wie folgt: "Promotional materials are materials handed out or sent directly to consumers, but do not include newspaper, magazine, bill-board and television advertisements".

Auch wenn das Dokument die Kommission nicht bindet, handelt es sich um eine Verlautbarung, mit der die Absichten des Richtliniengebers in Verbindung mit Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie authentisch interpretiert werden.

Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Formulierung des § 42 EnWG "in an diese gerichtetem Werbematerial" eine weitergehende Kennzeichnungspflicht einführen wollte, als ihm durch die Richtlinie vorgegeben war, finden sich nicht. Die Gesetz gewordene Formulierung entspricht wörtlich Artikel 3 Abs. 6 der deutschen Fassung der Richtlinie. Auch die Gesetzesmaterialien zu § 42 EnWG enthalten keine Hinweise darauf, dass im Zuge der Umsetzung eine über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehende Kennzeichnungspflicht eingeführt werden sollte.

Mangels anderweiter Anhaltspunkte hält es der Senat daher für geboten, bei der Auslegung des § 42 EnWG auf die Verlautbarung der Generaldirektion abzustellen. Die in der Verlautbarung der Generaldirektion enthaltene Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht für Zeitungswerbung gilt danach jedenfalls für einfache Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften (vgl. Senat, Urt. v. 31.3.2009, 11 U 2/09 (Kart)).

b) Im Übrigen verstoßen die Angaben in der Internetwerbung sowohl auf der Web - Seite als auch in einem zum Download bereit gestellten Prospekt - nicht gegen die Kennzeichnungspflicht.

aa) Der Hilfsantrag zu a) zielt auf die Angabe des Energiemixes für ein bestimmtes Produkt (Produktmix, hier X Naturstrom) ab, soweit die Beklagte beim Verkauf von Elektrizität eine Produktdifferenzierung mit unterschiedlichen Energieträgermixen vornimmt. Er beruht auf § 42 Abs. 3 EnWG, wonach ein Energieversorgungsunternehmen, das eine solche Produktdifferenzierung mit unterschiedlichem Energieträgermix vornimmt, den Energieträgermix für dieses Produkt und für den verbleibenden Energieträgermix entsprechend § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG angeben muss. Da die Beklagte das Produkt X Naturstrom jedoch erst ab 1.5.2007 angeboten hat, war sie zu einer entsprechenden Angabe nicht vor dem 15.12.2008 verpflichtet. Unstreitig hat sie ab diesem Zeitpunkt die entsprechenden Angaben in ihrer Werbung gemacht.

Zu Unrecht meint die Klägerin, wenn die Beklagte in der Lage gewesen sei, für das Jahr 2008 einen voraussichtlichen Produktmix anzugeben, hätte sie ebenso gut den Energieträgermix für das Jahr 2007 angeben können, zumal sie bereits damit geworben habe, dass ihr Produktmix 100 % erneuerbare Energien betrage, was zeige, dass ihr der Produktmix für das Jahr 2007 im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung unzweifelhaft bekannt gewesen sei.

Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz EnWG die Versorgungsunternehmen nicht vor dem 15. Dezember eines Jahres verpflichtet sind, jeweils die Werte des vorangegangenen Kalenderjahres anzugeben. Wörtlich heißt es dort spätestens ab 15. Dezember. Der Formulierung "spätestens" kann nicht entnommen werden, dass ein Energieversorgungsunternehmen auch schon vor dem 15. Dezember eines Jahres rechtlich zu den entsprechenden Angaben verpflichtet ist, sobald es über die erforderlichen Informationen verfügt.

Weil nach deutscher Gesetzeslage gemäß § 14 Abs. 3 EEG erst nach Durchführung des Belastungsausgleichs feststeht, welcher Stromlieferant welchen Anteil an erneuerbarer Energie (EE) zu beziehen hat, hat der Gesetzgeber den Elektrizitätsversorgungsunternehmen gestattet, die aktuelleren Vorjahresinformationen erst ab dem 15.12. eines jeden Jahres zur Verfügung zu stellen (Salje, Energiewirtschaftsgesetz § 42 Rdnr. 16). Es handelt sich demnach um eine einheitliche Stichtagsregelung und nicht um eine bloße Mindest-Vorschrift, mit der bereits rechtlich verpflichtend Angaben vor dem Stichtag gefordert werden. Dafür spricht nicht nur die Praktikabilität und die Gleichbehandlung der Versorgungsunternehmen, sondern auch die Vergleichbarkeit der jeweiligen Angaben der konkurrierenden Unternehmen.

Mithin hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass im Zeitpunkt der Veröffentlichung der beanstandeten Werbung Mitte 2008 für die Beklagte noch keine Verpflichtung zur Angabe eines Energieträgermixes für ihr Produkt X Naturstrom im Jahre 2007 bestand.

bb) Der Hilfsantrag b) zielt auf derselben Rechtsgrundlage auf die Angabe des sogenannten Residualmixes ab. Darunter versteht man den nach Herausrechnung des Produktmixes für ein besonderes Produkt verbleibenden Energieträgermix. Bietet ein Lieferant unterschiedliche Stromprodukte an, so hat die Stromkennzeichnung getrennt nach diesen Produkten zu erfolgen. Auf diese Weise müssen - rein rechnerisch - jedem Produkt bestimmte Primärenergieträger mit dem Ziel zugeordnet werden, die Erfüllung des Lieferversprechens des Versorgungsunternehmens nachprüfen zu können. Bietet ein Lieferant also verstärkt Strom aus erneuerbaren Energien (EE) an, muss unter Berücksichtigung der darauf bezogenen Stromprodukte der auf diese Weise speziell verbrauchte Erzeugungsanteil bei den anderen Stromprodukten herausgerechnet werden. Erfassen die angebotenen Stromprodukte nicht den Gesamtverbrauch, so ist auch der verbleibende Energieträgermix den Kennzeichnungspflichten nach Abs. 1 und 2 zu unterwerfen. Ggf. ist die Stromkennzeichnung dann nach verschiedenen Stromprodukten mit unterschiedlichem Produktmix und der verbleibenden (unbezeichneten) Liefermenge aufzugliedern ( Salje a.a.O. Rn.19 f.).

Auch hierzu bestand eine Verpflichtung im Zeitpunkt der angegriffenen Werbung für das Jahr 2007 noch nicht, weil die Werbung vor dem Stichtag 15.12.2008 veröffentlicht worden ist. Unstreitig hat die Beklagte die geforderten Angaben in ihrer Werbung ab dem 15.12.2008 gemacht.

cc) Auch der Antrag zu c) kann keinen Erfolg haben.

Soweit die Klägerin die beanstandete Anzeige unter dem Gesichtspunkt der unlauteren und irreführenden Werbung gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG angreift, hat sie in der Berufungsbegründung lediglich gerügt, die Beklagte mache unter der Überschrift "Stromkennzeichnung" Angaben, die nicht Inhalt der Stromkennzeichnung seien und sein könnten. Durch die Angabe voraussichtlicher Werte würden dem Verbraucher keine verlässlichen Angaben zur verwendeten Stromzusammensetzung geliefert.

§ 42 EnWG schreibt eine bestimmte Stromkennzeichnung und bestimmte Angaben vor, sagt aber nichts dazu, ob und inwieweit darüber hinausgehende Angaben, insbesondere Angaben zu einem voraussichtlichen künftigen Strommix zulässig oder unzulässig sind. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die beanstandeten Werbematerialien unter der Überschrift Stromkennzeichnung jedenfalls auch die geforderten Angaben, nämlich den Strommix der Beklagten im Jahr 2006 enthalten.

Sofern die Klägerin die konkrete Gestaltung der Angaben angreifen und insbesondere rügen wollte, dass die Angaben zum voraussichtlichen Strommix 2008 wesentlich prominenter und blickfangmäßig abgedruckt sind, während die nach § 42 EnWG vorgeschriebenen ungünstigeren Werte lediglich in einer Fußnote wiedergegeben werden, kommt eine solche konkrete Verletzungsform im Unterlassungsantrag nicht zum Ausdruck.

Die Klägerin legt auch nicht dar, inwiefern die Angaben unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung zu beanstanden sein könnten. Insbesondere hat die Klägerin ihrer Darlegungslast mit dem Hinweis, dass die voraussichtlichen Werte keine verlässlichen Angaben lieferten, nicht genügt.

Zwar kann - worauf die Klägerin möglicherweise abzielt - der Gebrauch gesetzlich vorgeschriebener Bezeichnungen durch zusätzliche Angaben irreführend werden (BGH GRUR 1984, 455 - Französischer Brandy). Die Klägerin hat indes nicht dargelegt, inwieweit die Angabe eines voraussichtlichen Energiemixes für das laufende Kalenderjahr (neben der Angabe eines Unternehmensmixes für das vorletzte Kalenderjahr) wettbewerblich relevant sein könnte und ob im konkreten Fall nach den maßgeblichen Umständen überhaupt eine erhebliche Irreführungsquote besteht. Das ist aus sich heraus keineswegs ersichtlich. Die Angaben zum voraussichtlichen Mix für 2008 sind ausdrücklich und fett als solche gekennzeichnet. Ein Irrtum darüber, dass es sich dabei nicht um die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben für das Jahr 2006, sondern um voraussichtliche Werte für das laufende Jahr handelt, ist angesichts der Überschrift kaum vorstellbar. Er würde überdies voraussetzen, dass der Verbraucher über die Einzelheiten der nach § 42 EnWG vorgeschriebenen Angaben informiert wäre, so dass irrtümlich die für 2008 angeführten voraussichtlichen Werte mit den gesetzlich vorgeschriebenen Werte für 2006 verwechselt würden. Eine solche Detailkenntnis des Inhalts des § 42 EnWG ist nach Überzeugung des Senats weitgehend auszuschließen. Ungeachtet dessen fehlt es schon an Angaben zu einer erheblichen Irreführungsquote, deren Erreichen im Hinblick auf Art und Ausmaß der beanstandeten Werbung und die Gefahr einer Irreführung alles andere als selbstverständlich erscheint. Auch zu der Frage, inwieweit eine relevante Irreführung stattfinden soll, fehlt es an Ausführungen. Die Relevanzfrage bedarf umso eher gesonderter Feststellung, je geringer die Irreführungsquote ist. Das gilt erst recht, wenn die Täuschung des Verkehrs auf dem unrichtigen Verständnis einer objektiv richtigen Angabe beruht (Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. § 5 Rn. 222). Selbst wenn eine Fehlvorstellung der Verbraucher in Betracht käme, hat die Klägerin aber nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich, dass hierdurch schützenswerte Interessen der Verbraucher oder Mitbewerber betroffen sind (BGH GRUR 1992, 526 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II).

Wer Ansprüche aus einer irreführenden Werbung herleiten will, muss indes als Verletzter die rechtsbegründenden Tatsachen schlüssig darlegen und behaupten (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. § 5 Rn. 3.19). Daran fehlt es in der Berufungsbegründung.

3. Nach allem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die sonstigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Sache über den entschiedenen Einzelfall hinaus keine allgemeine oder grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert ( § 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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