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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 11 U 18/07 (Kart)
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 816
InsO § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der A ... AG.

Der Beklagte ist mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 01.07.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH bestellt worden. Die B-GmbH war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.07.2003 Vertragshändler für Fahrzeuge der Marke A.

Wegen wechselseitiger Ansprüche aus der laufenden Geschäftsbeziehung hatte die A-AG 1993 mit der Insolvenzschuldnerin eine Kontokorrentabrede getroffen. Danach wurden die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten verrechnet. Die Verrechnungen wurden von der A-AG vorgenommen.

Den Erwerb von Fahrzeugen der A-AG finanzierte die Insolvenzschuldnerin durch Einzeldarlehen, welche ihr die Klägerin gewährte. Die Modalitäten dieser Darlehen sind in dem zwischen der A ... AG und der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Rahmenvertrag vom 10.02./31.08.1995 geregelt, wegen dessen näherer Einzelheiten auf die Anlage K 2 verwiesen wird. Nach Ziff. 4 Abs. 1 lit. c) des Rahmenvertrags trat die Insolvenzschuldnerin ihre sämtlichen Ansprüche gegen die A-AG an die A ... AG sicherheitshalber ab. Durch eine Zusatzvereinbarung vom 11.01.2000 hoben die A ... AG und die Insolvenzschuldnerin zum einen die Regelungen gemäß Ziff. 4 Abs. 1 lit. c) des Rahmenvertrags auf (Ziffer I.). Ferner bestimmten sie in Ziffern II. und III., dass die Insolvenzschuldnerin zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der A ... AG aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung der Parteien einschließlich der Veräußerung von Fahrzeugen ihre derzeitigen und künftigen Forderungen gegen die A-AG verpfändet - unter Einschluss etwaiger Forderungen, die aus Anlass der Beendigung der Vertragsbeziehungen der Insolvenzschuldnerin zu der A-AG entstehen. Gemäß Ziffer IV. sollten Auszahlungen auf die verpfändeten Forderungen von der A-AG weiterhin an die Insolvenzschuldnerin erfolgen, bis die A-AG von der Klägerin eine anderslautende Weisung erhalte. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus Anlage K 3. Die Verpfändung wurde der A-AG mit Schreiben vom 11.01.2000 angezeigt.

Die Insolvenzschuldnerin beantragte am 24.04.2003 beim Amtsgericht Wiesbaden die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 29.04.2003 die zwischen ihr und der Insolvenzschuldnerin bestehende Geschäftsverbindung. Die Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin bezifferte die Klägerin in dem Kündigungsschreiben auf 2.479.205,28 € (Anlage K 6). Zu diesem Zeitpunkt war das Guthaben der Insolvenzschuldnerin bei der A-AG noch nicht ermittelt. Am 30.06.2003 erteilte die A-AG der Insolvenzschuldnerin eine Kontokorrentabrechnung mit einem Saldo von 178.074,87 € zugunsten der Insolvenzschuldnerin (Anlage B 23 = Bl. 263 - 269 d. A.). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.07.2003 teilte die A-AG den Kontokorrentsaldo zum 01.07.2003 mit 192.528,75 € mit. Weder die Insolvenzschuldnerin noch der Beklagte widersprachen diesen Abrechnungen. Am 07.12.2003 überwies die A-AG den Guthabensbetrag in Höhe von 192.528,75 € an den Beklagten.

Die Klägerin hat mit der Klage die Auskehrung dieses Betrags aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verlangt. Sie hat gemeint, da die Verpfändung der Insolvenzschuldnerin sämtliche Ansprüche gegen die A-AG umfasst habe und die streitgegenständlichen 192.528,75 € auf die verpfändeten Forderungen gezahlt worden seien, sei der Beklagte in Ermangelung einer substantiierten und nachvollziehbaren Abrechnung zur Zahlung des vorbezeichneten Betrages in voller Höhe an sie (Klägerin) verpflichtet.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 192.528,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es an einer rechtswirksamen Pfandrechtsbestellung zugunsten der Klägerin fehle, da sowohl der Rahmenvertrag als auch die Zusatzvereinbarung wegen Übersicherung gemäß § 138 BGB und Verstoßes gegen §§ 19, 20 GWB in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam seien. Die Klausel unter IV. der Zusatzvereinbarung, wonach Auszahlungen auf die verpfändeten Forderungen von der A-AG weiterhin an den Händler erfolgen sollen, enthalte einen Verzicht der Klägerin auf ein etwaiges Pfandrecht.

Der von der A-AG ausgezahlte Betrag von 192.528,75 € betreffe die Erfüllung eines Anspruches, dessen Verpfändung die Klägerin in insolvenzrechtlich anfechtbarer Weise erwirkt habe. Die Insolvenzanfechtung eines etwaigen Pfandrechtserwerbs sei gemäß §§ 129, 130 Abs. 1 Nr. 2, 133 Inso gerechtfertigt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne von dem Beklagten Herausgabe des von der A-AG gezahlten Betrages aus § 816 Abs. 2 BGB verlangen. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Insolvenzanfechtung greife nicht durch. Der Beklagte habe die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Anfechtungstatbestände nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die in Ziff. II der Zusatzvereinbarung enthaltene Pfandrechtsbestellung zugunsten der Klägerin sei nicht wegen Übersicherung gemäß § 138 BGB und nicht wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2 GWB unwirksam. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil und den Berichtigungsbeschluss vom 22.10.2007 verwiesen (Bl. 561 - 581i d. A.).

Gegen das am 25.04.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.05.2007 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 25.07.2007 verlängerten Frist begründet.

Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen zur insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Pfandrechtserwerbs an der Saldoforderung der Insolvenzschuldnerin gemäß der Abrechnung vom 30.06.2003 und der Schlusssaldoforderung per 01.07.2003.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.04.2007 - Az.: 2/3 O 74/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, sie habe die Einziehungsermächtigung der Insolvenzschuldnerin gegenüber der A-GmbH widerrufen. Dazu behauptet sie, in den Rahmenregelungen zwischen ihr und der A-AG sei vereinbart, dass die Information der A-AG über eine Kündigung der Geschäftsbeziehung mit einem A-Händler gleichzeitig einen Widerruf der Einziehungsermächtigung des A-Händlers bedeute. Dem zuständigen Mitarbeiter der Buchhaltungsabteilung der A-GmbH, Herrn C, habe sie eine Kopie der Kündigungserklärung vom 29.04.2003 übermittelt. Ferner habe sie gegenüber Herrn C telefonisch am 28.04.2003 die Einziehungsermächtigung widerrufen und nach Ausspruch der Kündigung die Überweisung des Guthabens auf dem Händlerkonto angefordert.

Der Beklagte erhebt bezüglich des von der Klägerin behaupteten Widerrufs der Einziehungsermächtigung die Einrede der Insolvenzanfechtung und meint, auch darin liege eine Rechtshandlung im Sinne von §§ 129 ff. InsO, die die Gläubiger benachteilige.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Ein Anspruch der Klägerin nach § 816 Abs. 2 BGB auf Herausgabe des an den Beklagten gezahlten Geldbetrages von 192.528,75 € scheitert daran, dass sie an der Saldoforderung, die sich nach der Abrechnung durch die A-AG zum 01.07.2003 auf den vorgenannten Betrag belief, kein Pfandrecht erworben hat und damit im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin bzw. zum Beklagten nicht berechtigter Zahlungsempfänger war.

Die verpfändete Schlusssaldoforderung entstand im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Die Insolvenzeröffnung führte zur Beendigung des Kontokorrents (BGHZ 70, 86, 93; 73, 253, 255; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 355 Rdn. 23). Der zu diesem Zeitpunkt bestehende Saldo zugunsten der Insolvenzschuldnerin führte zu einem kausalen - und nach Anerkennung durch den Beklagten zu einem abstrakten - Zahlungsanspruch. Die kausale Saldoforderung unterlag ab diesem Zeitpunkt dem vertraglichen Pfandrecht. Der Pfandrechtserwerb scheiterte zwar nicht an § 91 Abs. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden. Das Landgericht hat jedoch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 70, 86, 94) zutreffend ausgeführt, dass die kausale Saldoforderung nicht als künftiger Anspruch erst mit oder nach der Insolvenzeröffnung entsteht, sondern ihre Grundlage in den während der Verrechnungsperiode in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen findet. Diese Saldoforderung bestand deshalb dem Grunde nach schon vor der Beendigung des Kontokorrentverhältnisses. Zugleich war der Zahlungsanspruch mangels anderweitiger Absprachen zwischen den Kontokorrentparteien fällig (BGHZ a. a. O., Seite 93). Gemäß § 1282 BGB hat der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit an den Pfandgläubiger zu zahlen. Im Insolvenzverfahren erlangt der Pfandgläubiger ein Absonderungsrecht. Er bleibt nach § 50 in Verbindung mit § 173 InsO zur Einziehung der Forderung berechtigt, da die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO nur für zur Sicherheit abgetretene Forderungen gilt (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 166 Rdn. 13; Wegener in: Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 166 Rdn. 6), so dass die Schuldnerin - die A-AG - nunmehr an die Klägerin hätte leisten müssen.

Die Insolvenzschuldnerin und damit der Beklagte waren jedoch durch Ziff. IV der Zusatzvereinbarung zur Entgegennahme der Zahlung befugt. In dieser Ermächtigung ist ein Verzicht auf das vertragliche Pfandrecht zu sehen (vgl. BGH NJW 2004, 1660, 1661). Denn durch die von der Klägerin gestattete Auszahlung des Saldoguthabens an die B-GmbH erlischt die jeweilige Forderung und fällt der mögliche Gegenstand des Pfandrechts weg (BGH NJW-RR 2006, 1134, 1135; Ganter in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., Rdn. 173a vor §§ 49-52; vgl. auch Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 816 Rdn. 20; Lieb in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 816 Rdn. 54, die die Nichtberechtigung im Tatbestand des § 816 Abs. 2 BGB verneinen). Eine Anschlusssicherheit hat die Klägerin mit der B-GmbH nicht vereinbart. Die Ermächtigung ist nicht so auszulegen, dass das Pfandrecht an dem Surrogat, z. B. einer Gutschrift auf einem Bankkonto der Insolvenzschuldnerin, entstehen oder sich an diesem fortsetzen sollte. Die B-GmbH sollte vielmehr selbst über den Zahlungseingang im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs frei verfügen können. Es wäre aus praktischen Gründen auch schwerlich möglich, das weitere Schicksal des Pfandrechts nach Erhalt der Zahlung zu verfolgen, da die Zahlungsempfängerin die Überweisungen der A-AG ersichtlich alsbald für Betriebsausgaben (wie Löhne und Gehälter, Abgaben, Mietzahlungen u. ä.) verwenden würde.

Ohne Erfolg stützt sich die Klägerin mit der Berufungserwiderung darauf, sie habe die Einziehungsermächtigung der Insolvenzschuldnerin gegenüber der A-AG widerrufen. Der Beklagte wendet sich gegen den behaupteten Widerruf gleichfalls mit der Einrede der Anfechtbarkeit. Der angebliche Widerruf der Ermächtigung ist gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung gewährt, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kennt.

Der Widerruf stellt eine Rechtshandlung im anfechtungsrechtlichen Sinne dar. Unter "Rechtshandlung" ist jede Willensbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst, gleichgültig ob diese selbst gewollt ist oder nicht. Der Begriff ist weit gefasst, damit grundsätzlich alle Arten gläubigerbenachteiligender Maßnahmen Gegenstand einer Anfechtung sein können (BGH NJW 2004, 1660 f.). Der Widerruf der Ermächtigung als (einseitiges) Rechtsgeschäft fällt darunter, weil er Rechtswirkungen auslöst, nämlich die Berechtigung der A-AG zur Zahlung an die B-GmbH und der B-GmbH zum Empfang der Zahlung aufhebt, so dass sich deren Berechtigung wieder nach den §§ 1281, 1282 BGB richtet. Zugleich bewirkt der Widerruf, dass an der Saldoforderung ein Pfandrecht entsteht (vgl. Kirchhof in: Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rdn. 19 zur Aufhebung eines zuvor vereinbarten Rangrücktritts). Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der A-AG bestand offenbar Einvernehmen, dass der Abrechnungssaldo nicht wieder in die folgende Verrechnung übernommen wird und damit selbst kontokorrentgebunden ist, was einem Pfandrechtserwerb entgegengestanden hätte (siehe unten). Wie sich aus der Anlage B 33 (Bl. 427 - 466 d. A.) ergibt, die die Kontokorrentabrechnungen der A-AG aus den Jahren 1993 bis 2000 enthält, wurde der Guthabensaldo nach jeder Abrechnungsperiode an die Insolvenzschuldnerin überwiesen und nicht in die Abrechnung der folgenden Periode eingestellt. Die Abrechnungen begannen also jeweils mit "0". Auch die Abrechnung zum 30.06.2003 beginnt nicht mit einem Vortrag eines Guthabens der vorangegangenen Abrechnung.

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt gleichfalls vor. Dafür reicht es aus, wenn ein Gläubiger sich wegen einer an sich berechtigten Insolvenzforderung eine Sicherung verschafft, während den übrigen Gläubigern lediglich eine entsprechend geringere Quote bleibt (Kirchhof a. a. O. Rdn. 104). Darum handelt es sich vorliegend, weil die Insolvenzschuldnerin im Falle des Widerrufs der Einziehungsermächtigung ihre Guthabensforderung nicht mehr einziehen könnte und somit die Beträge nicht zur Befriedigung ihrer Gläubiger zur Verfügung stünden (vgl. auch BGH NJW 2004, 1660, 1661).

Ferner war am 24.04.2003 und damit mindestens vier Tage vor dem angeblichen Widerruf Insolvenzantrag gestellt worden. Da die Klägerin unstreitig seit 26.04.2003 Kenntnis von dem Insolvenzantrag hatte, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegeben.

Abgesehen davon besteht ein Pfandrecht der Klägerin auch deshalb nicht, weil auch der Pfandrechtserwerb an der kausalen Schlusssaldoforderung selbst als Rechtshandlung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.

Für die Anfechtbarkeit kommt es nach § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen ist deshalb das Wirksamwerden der Vorausverpfändung (BGH NJW 1998, 2592, 2597; NJW-RR 2000, 1154, 1156; Hirte in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 140 Rdn. 6). Das wäre an sich die Beendigung des Kontokorrents durch Insolvenzeröffnung bzgl. eines Betrages von 192.528, 75 € bzw. die Erteilung der Abrechnung vom 30.06.2003 bzgl. eines Betrages von 178.074,87 €, da bei Vorausverpfändungen das Pfandrecht erst mit dem Entstehen der verpfändeten zukünftigen Forderung erworben wird (BGH ZIP 2004, 1819, 1821; NJW 2007, 1588, 1590).

Zu Unrecht stellt das Landgericht deshalb auf die Entstehung der Einzelposten ab, die in dem Schlusssaldo enthalten sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich der Bundesgerichtshof in seiner vorzitierten Entscheidung (BGHZ 70, 86) nicht zu diesem Problem geäußert. Im Schrifttum ist umstritten, welcher Zeitpunkt für die Frage maßgeblich ist, ob die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit vorliegen. Nach einer Ansicht kommt es darauf an, wann die in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen begründet wurden (Jaeger/Henckel, Großkommentar zur Konkursordnung, 9. Aufl., 1997, § 29 Rdn. 163; § 30 Rdn. 92; Canaris in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.), Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 355 Rdn. 248; Dauernheim in: Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 140 Rdn. 6). Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Jaeger/Henckel führen zu ihrer Begründung lediglich an, es bestehe kein Grund, die Konkursgläubiger deshalb besser zu stellen als bei der Vorausabtretung nicht kontokorrentgebundener Forderungen, weil im Interesse des Kontokorrentpartners die Abtretung (bzw. die Verpfändung) nur den Schlusssaldo erfassen könne. Diese Auffassung will somit den Sicherungsnehmer (Vorauszessionar bzw. Vorauspfandrechtsgläubiger) hinsichtlich der Anfechtung so stellen, als seien die Forderungen, an denen das Sicherungsrecht bestellt worden ist, nicht kontokorrentgebunden. Dafür gibt es jedoch keinen zwingenden Grund. Diesem Standpunkt ist zudem entgegen zu halten, dass auch der Sicherungsnehmer im Vergleich zu den übrigen Insolvenzgläubigern nicht deshalb schutzwürdiger ist, weil er sich eine Sicherung an einer zukünftigen Kontokorrentsaldoforderung hat bestellen lassen. Denn wenn die Vertragparteien anstelle einer Vorausverpfändung die Verpfändung des Schlusssaldos erst bei seiner Entstehung vereinbart hätten, wäre diese Rechtshandlung nur unter Berücksichtigung der Umstände zum Zeitpunkt der Verpfändung anfechtbar gewesen. Dass der Anfechtungstatbestand zum Zeitpunkt der Begründung der kontokorrentgebundenen Einzelforderungen nicht erfüllt gewesen wäre, wäre in diesem Falle als der Rechtshandlung vorausgehendes Geschehen nicht zu berücksichtigen. Dauernheim argumentiert mit einem Zirkelschluss, wenn er ausführt, bei der Vorausabtretung der Schlusssaldoforderung sei der Zeitpunkt der Begründung der kontokorrentgebundenen Einzelforderungen maßgeblich, da die Abtretung nur hinsichtlich dieser Posten, soweit sie im Schlusssaldo noch enthalten sind, und nicht hinsichtlich der Saldoforderung als solcher angefochten werden könne. Was er als Begründung anführt, ist aber gerade die zu beantwortende Frage. Im Übrigen entsteht das Sicherungsrecht (Abtretung oder Pfandrecht) allein an der Saldoforderung und gerade nicht an den kontokorrentgebundenen Einzelforderungen, denn die in das Kontokorrent gestellten Einzelforderungen können nicht Gegenstand des Pfandrechts sein (vgl. BGHZ 79, 259, 263).

Zutreffend erscheint deshalb die Meinung, für die entscheidend ist, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung im Hinblick auf den Erwerb der Schlusssaldoforderung vorliegen (Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 30 Rdn. 42 l; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band V, 1982, § 67 V 7). Für sie spricht in erster Linie seit der Einführung der InsO die Bestimmung des § 140 Abs. 1 InsO, die die Konkursordnung nicht kannte (Begründung zum RegE zu § 140, abgedruckt bei Kübler/Prütting (Hrsg.), Das neue Insolvenzrecht, Band I). Danach gilt gerade im Hinblick auf die Insolvenzanfechtung eine Rechtshandlung erst als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Das ist die Entstehung des Pfandrechts an der Saldoforderung und nicht der vorausgehende Zeitpunkt, in dem die Forderungen der späteren Insolvenzschuldnerin entstanden und in das Kontokorrent eingestellt wurden.

Ohne Erfolg hält die Klägerin dem das Argument entgegen, die Vorausverpfändung würde praktisch leer laufen, wenn man auf den Zeitpunkt der Erstellung des Abschlusssaldos abstellen würde, da sie dann stets ein anfechtbares Pfandrecht an den Forderungen der Insolvenzschuldnerin gegen die A-AG erwerben würde, so lange diese wechselseitige Forderungen im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses abrechnet. Dies überzeugt nicht. Hätte die Klägerin sich die Schlusssaldoforderung nicht im Voraus, sondern erst bei oder nach deren Entstehung verpfänden lassen, wäre die Verpfändung - wie bereits oben dargelegt - ebenso anfechtbar gewesen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin aufgrund der Vorausverpfändung besser stehen sollte. Das Problem ergibt sich deshalb nicht aus dem Umstand, dass die Verpfändung sich auf künftig entstehende Ansprüche bezieht, sondern daraus, dass zwischen der Insolvenzschuldnerin und der A-AG ein Kontokorrentverhältnis bestand. Dies war der Klägerin aber bekannt. Überdies kann der Sicherungsnehmer sein Recht ausüben, solange die Voraussetzungen der Anfechtung nicht gegeben sind.

Da die Klägerin seit 26.04.2003 Kenntnis von dem Insolvenzantrag hatte, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO hinsichtlich eines Pfandrechtserwerbs sowohl am Schlusssaldo vom 01.07.2003 als auch an dem Abrechnungssaldo vom 30.06.2003 gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Da der Erwerb des Pfandrechts aus zwei von einander unabhängigen Gründen scheitert, beruht das Urteil nicht allein auf der Entscheidung darüber, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Anfechtung des Pfandrechts an der Saldoforderung maßgeblich ist.

Ende der Entscheidung

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