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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 11 U 19/05
Rechtsgebiete: UrhG
Vorschriften:
UrhG § 17 |
Gründe:
A.
Bei der Verfügungsklägerin (i.F.: Klägerin) handelt es sich um ein Unternehmen, das Möbelklassiker aus der Bauhaus-Zeit, darunter auch von dem Designer Le Corbusier gestaltete Möbel herstellt und vertreibt, die Verfügungsbeklagte (i.F.: Beklagte) ist die "X" (X).
Am 29.1.2005 erschien in der X eine Werbeanzeige des italienischen Unternehmens "Y", in der unter anderem das zweisitzige Sofa LC 2 und die Liege LC 4 von Le Corbusier abgebildet waren. In der Annonce wird ferner darauf hingewiesen, dass die Möbel bei Abholung in Italien oder bei Anlieferung durch eine Spedition, die von "Y" auch vermittelt werden könne, zu bezahlen sei; das Eigentum an den Möbeln werde aber von den Käufern bereits in Italien erworben.
Wegen dieser Werbung hat die Klägerin beim Landgericht Frankfurt um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat beantragt,
es der Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, Werbeanzeigen von "Y". Postfach ... zu veröffentlichen, die Nachbildungen (Plagiate) der Le Corbusier Möbelmodelle LC 1 (kleiner Sessel), LC 2 (Sessel und Sofas), LC 3 (Sessel und Sofas), LC 4 (Liege), LC 6 (Tisch mit Sockel), LC 7 (Drehstuhl) und/oder LC 8 (Drehhocker) zum Gegentand haben, insbesondere die in der Y vom 29.1.2005 auf Seite 3 abgedruckte "Y"-Werbeanzeige erneut zu veröffentlichen.
Durch Beschluss vom 7.2.2005 hat das Landgericht eine diesem Antrag entsprechende einstweilige Verfügung erlassen. Nachdem die Beklagte am 1.2.2005 hiergegen Widerspruch erhoben hatte, hat das Landgericht durch Urteil vom 9.3.2005 die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Entscheidung ist im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Verfügungsantrag sei zulässig, insbesondere nicht zu weit gefasst; zwar seien in der Annonce nur die Modelle LC 2 und LC 4 beworben gewesen, doch bestehe hinsichtlich der übrigen Modelle Erstbegehungsgefahr. Der Antrag sei auch begründet. Die Klägerin habe durch Vorlage des Lizenzvertrags vom 20.11.2002 glaubhaft gemacht, dass sie die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitbefangenen Möbeln von der Fondation Le Corbusier erworben habe. Dass diese die Rechte von Le Corbusier durch Erbschaft erworben habe, sei der Kammer au mehreren Verfahren bekannt. In der Werbeanzeige der Beklagten sei ein nach § 17 1 UrhG unzulässiges Anbieten der Möbel zu sehen, weil es auf ein Inverkehrbringen in Deutschland gerichtet sei. Dass der Erwerb des Eigentums an den Möbeln bereits in Italien stattfinden solle, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Das Anbieten sei als eigenständige Nutzungshandlung zu werten, die nicht nur in Zusammenhang mit dem nachfolgenden Vertrieb gesehen werden dürfe. Art. 28 EGV stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte sei auch als Störerin anzusehen. Ihr sei eine genauere Prüfung schon darum zuzumuten gewesen, weil sie von ihrer bisher geübten Praxis, derartige Annoncen abzulehnen, abgewichen sei. Zudem sei, sie mit Schreiben vom 25.11.2004 von der Klägerin auf deren urheberrechtliche Nutzungsrechte hingewiesen worden. Die Klägerin habe sie auch auf die Entscheidung des Senats in der Sache 11 U 241/2001 hingewiesen; es sei für die Beklagte ein Leichtes gewesen, diese Entscheidung anzufordern. Angesichts der Praxis im Gerichtsbezirk Frankfurt sei es der Beklagten ungeachtet der abweichenden Rechtsprechung des OLG Hamburg (GRUR-RR 2005, 41 ff) zuzumuten gewesen, eine rechtskräftige Entscheidung des BGH abzuwarten.
Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: Die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht, insbesondere nicht die von ihr - der Beklagten - bestrittenen Tatsachen, dass Le Corbusier der alleinige Urheber der streitbefangenen Möbel sei und dass sein Urheberrecht auf die Fondation Le Corbusier übergegangen sei. In der angegriffenen Werbeanzeige der Firma "Y" werde nur für ein Inverkehrbringen der Möbel in ltalien geworben und dies sei nach italienischem Urheberrecht zulässig; dass im Fall eine Verbrauchsgüterverkaufs die Gefahr eines Untergangs der Möbel erst mit der Anlieferung in Deutschland auf den Käufer übergehe, sei unerheblich. Schließlich habe das Landgericht die Anforderungen an die Prüfungspflicht der Presse überspannt. Gerade mit Blick auf die abweichende Rechtsprechung des OLG Hamburg sei ein möglicher Urheberrechtsverstoß keinesfalls unschwer zu erkennen gewesen. Anfragen bei Gerichten mit dem Ziel einer Übersendung yon Entscheidungen seien ebenfalls mit dem schnellen Anzeigegeschäft der Presse nicht zu vereinbaren. Schließlich sei die Spruchformel des angefochtenen Urteils zu weit gefasst, da nur die Möbel LC 2 und LC 4 Gegenstand der angegriffenen Anzeige gewesen seien und keine Erstbegehungsgefahr gegeben sei.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügng des Landgerichts unter Abänderung des sie bestätigenden Urteils aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die Möbelmodelle LC 2 und LC 4 seien als Kunstwerke iSv § 2 I Nr.4 UrhG anzusehen; dies gelte auch für das im Wege unselbständiger Umgestaltung aus dem Sessel LC 2 abgeleitete 2-sitzge Sofa. Der Urheber Le Corbusier habe die Fondation Le Corbusier durch Testament vom 16.6.1995 zu seiner Universalerbin berufen. Die Miturheberin und die Erbin eines weiteren Miturhebers hätten dem Lizenzvertrag zwischen der Fondation und der Klägerin zugestimimt. Das Vertriebskonzept der Firma "Y", wonach die Käufer der Nachbildungen das Eigentum hieran bereits in Italien erwürben, könne an der Tatsache, dass das Anbieten dieser Möbel in Deutschland mit § 17 1 UrhG: nicht in Einklang stehe, nichts ändern. Die Beklagte sei auch als Störerin anzusehen. Sie habe wegen eines vergleichbaren Sachverhalts bereits im Jahr 1993 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und in der Folgezeit keine derartigen Annoncen mehr veröffentlicht. In Anbetracht der Rechtsprechung des Senats könne sich die Beklagte nicht auf die gegenteilige Auffassung des OLG Hamburg berufen, zumal dieses Urteil nicht rechtskräftig, sondern mit der Revision angefochten worden sei. Die geringeren Prüfungspflichten von Presseunternehmen bezögen sich nur auf die Ermittlung des Sachverhalts, nicht dagegen auf die rechtliche Beurteilung. Die Fassung der Spruchformel des Landgerichts entspreche der Üblichkeit.
B.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Dabei kann dahin stehen, ob die Klägerin ihre Aktivlegitimation hinreichend glaubhaft gemacht hat. Es kann ferner offen bleiben, ob - wie das OLG Hamburg (GRUR-RR 2005, 41 ff) im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Senats jüngst angenommen hat - das Anbieten von Verletzungsstücken eines in Deutschland urheberrechtlich geschützten Werkes gegenüber Endverbrauchern nur dann nach § 17 1 UrhG unzulässig ist, wenn sich diese Handlung auf ein Inverkehrbringen im Inland bezieht, nicht dagegen wenn der Erwerbsvorgang rechtskonform im Italien abgeschlossen wird. Denn jedenfalls liegen unter Berülcksichtigung der Entscheidung des OLG Hamburg nunmehr die Voraussetzungen nicht mehr vor, unter denen der BGH eine - hier allein in Rede stehende - Störerhaftung eines Presseunternehmens bejaht.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1999, 1960,1961 - Möbelklassiker, s. auch GRUR 2004, 860, 864 - Versteigerung im Internet) ist eine urheber- oder wettbewerbsrechtliche Störerhaftung des Zeitungs- und Zeitschriftengewerbes im Anzeigengeschäft zwar grundsätzlich möglich. Um die tägliche Arbeit von Presseuntemehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, obliegt diesen jedoch keine umfassende Prüfungspflicht. Vielmehr haftet ein Presseuntemehmen für die Veröffentlichung urheber- oder wettbewerbsrechtlich unzulässiger Anzeigen nur dann, wenn es sich um einen groben, unschwer zu erkennenden Verstoß handelt (BGH aaO 1961 - Möbelklassiker).
Danach kann die Beklagte nicht als Störerin angesehen werden. Zwar war die Rechtslage durch die verschiedenen Entscheidungen des Senats, vor allem das Urteil in der Sache 11 U 24/01, zunächst geklärt. Dies hat sich aber mit dem nunmehr vorliegenden Urteil des OLG Hamburg (GRUR-RR 2005, 41 ff), das - ebenso wie das LG Hamburg als Vorinstanz -. zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt, wieder geändert. Es kann auch keine Rede davon sein, dass diese Entscheidung so abwegig wäre, dass ihre Unrichtigkeit für die Beklagte unschwer zu erkennen war. Das OLG Hamburg setzt sich dort vielmehr eingehend sowohl mit der Lage nach nationalem Recht (§ 17 UrhG) als auch unter Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen des EuGH mit Art. 28 EGV auseinander. In einer solchen Situation, in der fundiert begründete, abweichende Entscheidungen von Fachsenaten verschiedener Oberlandesgerichte vorliegen, kann von einem "groben, unschwer erkennbaren" Unheberrechtsverstoß nicht mehr die Rede sein. Dies gilt umso mehr, als auch der BGH in einer Wettbewerbssache jedenfalls im Ergebnis einen ähnlichen Standpunkt vertreten hat wie das OLG Hamburg (BGH GRUR 2004, 1035 ff- Rotpreis-Revolution). Danach ist die Werbung in einem deutschen Printmedium für eine im Ausland stattfindende und dort legale Sonderveranstaltung; die im Inland als Verstoß gegen § 7 UWGF a:F: anzusehen gewesen wäre; wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin trifft es auch nicht zu, dass sich die vorgenannte Rechtsprechung des BGH nur auf Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Sachverhalts, nicht aber auf solche Probleme bezieht, die bei der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts auftreten. Das Gegenteil ist der Fall. Der BGH weist explizit darauf hin, dass vom Zeitungsverleger "besondere Kenntnisse im Urheberrecht sowie Kenntnisse der gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse" nicht gefordert werden dürften (BGH aaO 1961 - Möbelklassiker).
Schließlich steht dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch dazu, dass sich im Fall einer kontroversen Rechtslage der (potenzielle) Verletzer nicht auf die für ihn günstigere Rechtsauffassung verlassen darf. Dieser Grundsatz kann angesichts der Möbelklassiker-Entscheidung für die Störerhaftung der Presse keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Der Zeitungsverleger soll danach von einer Prüflung schwieriger Rechtsfragen aus dem Bereich des Urheberrechts generell dispensiert sein. In diese Prüfling aber müsste er doch wieder eintreten, wenn er gehalten wäre, das Vorliegen einer Kontroverse unter verschiedenen Gerichten festzustellen und dann zu prüfen, welche Rechtsansicht die für ihn ungünstigere ist, und sich bis zur Klärung der Rechtsfrage an dieser Auffassung auszurichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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