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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 11 U 2/06
Rechtsgebiete: VOB/A, BGB, VgV


Vorschriften:

VOB/A § 21
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2
VOB/A § 24
VOB/A § 25
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 b
VOB/A § 25 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 247
BGB § 278
BGB §§ 280 f.
BGB § 311
BGB § 311 Abs. 2
VgV § 13
VgV § 13 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Beklagte schrieb im April 2004 eine Baumaßnahme: "Neubau einer Zweifeld-Sporthalle mit Nebenräumen und Hausmeisterwohnung" gemäß der VOB/A öffentlich aus (vgl. Bl. 14 d. A.). Diese Baumaßnahme wurde von der Stadt O1 mit einem Betrag von ca. 700.000,-- EUR und von dem Land L1 mit einem Betrag in Höhe von ca. 50.000,-- EUR gefördert.

Die Klägerin beteiligte sich an dieser Ausschreibung und legte mit Schreiben vom 14.05.2004 (Bl. 15, 16 d. A.) ihr Angebot vor. Unter dem 27.05.2004 teilte der Beklagte durch den von ihm beauftragten Architekten mit, dass der Termin der Zuschlags- und Bindefrist auf den 01.08.2004 verlängert werde. Zugleich forderte der Architekt die Bieter auf, einen vorläufigen Bauzeitenplan vorzulegen. In der Ausschreibung war als Ausführungsfrist Juni 2004 bis August 2005 vorgesehen. In einem Bietergespräch am 24.06.2004 übergab die Klägerin ihren Bauzeitenplan, der eine Ausführung der Baumaßnahme bis zum 31. Oktober 2005 vorsah. Zuvor hatte die Klägerin - unstreitig - keinen Bauzeitenplan vorgelegt; dieser war von den Bietern auch nicht gefordert worden.

Nach Auswertung der Angebote befand sich das Angebot der Klägerin ausweislich der Auflistung Blatt 17 d. A. an erster Stelle.

Der Beklagte teilte unter dem 08.07.2004 der Klägerin mit, er habe sich nach eingehender Wertung aller für den Zuschlag in Frage kommenden Bieter und Angebote für ein Konkurrenzangebot entschieden. Gründe für die Nichtberücksichtigung der Klägerin und die Benennung des Bieters, der den Zuschlag erhalten sollte, sind darin nicht enthalten. Der Zuschlag wurde noch an diesem Tag an die A1 AG vergeben.

Daraufhin wandte sich die Klägerin an die Vergabeprüfstelle bei dem Regierungspräsidium in O2, die ihr unter dem 20.07.2004 mitteilte, eine weitergehende Tätigkeit der "VOB-Stelle" sei nicht möglich, weil der Zuschlag am 08.07.2004 bereits erteilt worden sei.

Der Auftragnehmer, die A1 AG, hat die Sporthalle bis Ende August 2005 fertig gestellt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung von Schadenersatz, gerichtet auf das positive Interesse (vgl. zur Schadensberechnung Bl. 8 - 13 d. A.). In erster Instanz hat sie einen Betrag in Höhe von 172.029,40 EUR geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, das Angebot der Klägerin sei bereits nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A auszuschließen gewesen, weil es im Hinblick auf die Ausführungszeit in unzulässiger Weise abgeändert worden sei und damit eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen (§ 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A) vorliege. Wegen der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Blatt 150 - 156 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 25.11.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin unter dem 12.12.2005 Berufung eingelegt und diese am 18.01.2006 begründet.

Sie macht zunächst geltend, es liege bereits eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil das Landgericht den letzten Schriftsatz der Beklagten, der nicht nachgelassen gewesen sei, einbezogen und im Übrigen keinen rechtlichen Hinweis auf die beabsichtigte Abweisung der Klage gegeben habe.

Sie - die Klägerin - habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und die Halle ebenfalls bis August 2005 fertig stellen können. Dabei habe sie aber im Hinblick auf die Verschiebung des Baubeginntermins durch Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist ebenso wie alle anderen Bieter Anspruch auf eine Anpassung der Bauzeit gehabt. Außerdem habe der Architekt des Beklagten lediglich um einen vorläufigen Bauzeitenplan gebeten, der noch keinen rechtsverbindlichen Charakter gehabt habe. Nach Verlängerung der Zuschlagsfrist bis zum 01.08.2004 habe sie - die Klägerin - davon ausgehen können, dass der Auftrag erst zum und ab dem 01.08.2004 erteilt werde. Wenn sie jedoch gewusst hätte, dass eine Beauftragung schon im Juli vorgesehen gewesen sei, hätte sie ebenfalls einen anderen Fertigstellungstermin genannt. Eine Abweichung von ihrem Angebot liege nicht vor, weil ein Bauzeitenplan von Anfang an nicht gefordert und auch nicht vorgelegt worden sei. Darüber hinaus habe sie sämtliche geforderten Unterlagen ordnungsgemäß eingereicht und sie sei auch ohne weiteres in der Lage gewesen, die entsprechende Sporthalle zu errichten. Ihre Eignung habe der Beklagte ohnehin bereits endgültig festgestellt, weil er schon in die vierte Wertungsstufe vorgedrungen gewesen sei. Sie - die Klägerin - habe, wie im Einzelnen dargelegt, zahlreiche sogar anspruchsvollere Baumaßnahmen durchgeführt, die noch weitreichender gewesen seien, als die Errichtung einer Sporthalle. Auch im Bietergespräch vom 24.06.2004 sei über die Eignung nicht gesprochen und diese auch nicht angezweifelt worden. Wie ebenfalls detailliert dargestellt, sei ihr Angebot ohne weiteres auskömmlich gewesen. Die Klägerin hat mit ihrem weiteren Schriftsatz vom 11. April 2006 die Klage auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 333.156,20 EUR erweitert, wobei es sich bei dem nunmehr zusätzlich geltend gemachten Betrag um die vollständig abgerechneten Geschäftskosten in Höhe von 268.678,-- EUR handeln soll.

Der Beklagte habe damit das positive Interesse zu ersetzen, weil der Auftrag vergaberechtswidrig an einen Dritten vergeben worden sei. Eine mögliche Überschreitung des Fertigstellungstermins habe erkennbar im Raum gestanden und die Verzögerung der Zuschlagserteilung sei geradezu ein Musterbeispiel für die Verlängerung der Ausführungszeit. Auch eine nochmalige Verlängerung der Zuschlagsfrist sei nicht ausgeschlossen gewesen und die "Beibehaltung" des Fertigstellungstermins habe nicht vereinbart werden dürfen, weil es sich dabei anderenfalls um eine unzulässige nachträgliche Vereinbarung gehandelt habe. Im Übrigen sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Entscheidung der "Beschwerdestelle" abzuwarten. Da ihr Angebot eine termingerechte Ausführung zunächst vorgesehen habe, der Bauzeitenplan nicht rechtsverbindlich gewesen sei und sie trotz verzögerten Baubeginns "vielleicht" auch früher die Halle habe erstellen können, der Bauvertrag entsprechend hinsichtlich der Bauzeit anzupassen gewesen wäre, und ein Zugriff auf Eignungsfragen in der vierten Wertungsstufe nicht mehr möglich gewesen sei, habe ihr zwingend der Zuschlag erteilt werden müssen. Das Angebot der A1 AG sei nicht ohne weiteres vergleichbar gewesen, jedenfalls habe der Beklagte die Auskömmlichkeit ihres - der Klägerin - Angebot nicht weiter hinterfragt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass auch die A1 AG durchaus hätte später fertig stellen können und im Übrigen nicht ersichtlich sei, dass dieses Unternehmen andere Kriterien besser erfüllt habe als sie. Danach habe der Beklagte entsprechend der vorgelegten Schadensberechnung mit der ins Einzelne gehenden Kalkulation den Gesamtbetrag als Schadensersatz zu leisten, wobei auch entgangene Deckungsbeiträge mitumfasst seien.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2005, Az.: 2/31 0 17/05, zu verurteilen, an die Klägerin 333.156,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des § 247 BGB aus 172.029,40 EUR ab Klagezustellung sowie aus weiteren 161.127,-- EUR ab Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den erweiterten Klageantrag abzuweisen.

Er tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen und trägt vor, das Landgericht habe sich nicht auf seinen letzten Schriftsatz gestützt, so dass ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht vorliegen könne. Im Übrigen habe die Klägerin in der Sache nicht ausreichend dargelegt, dass der Auftrag ihr hätte erteilt werden müssen. Sie habe vielmehr ein Angebot mit einer Abänderung des Bauzeitenplanes vorgelegt und auch keinen Anspruch auf Verlängerung der Beendigungsfrist. Diesen habe die Klägerin aber ohnehin nicht geltend gemacht und der vorgelegte vorläufige Bauzeitenplan habe lediglich innerhalb der vorgegebenen Frist klarmachen sollen, wie sich die einzelnen Bieter die Abwicklung vorstellten. Denn das Bietergespräch vom Juni 2004 habe nur der Aufklärung, nicht aber einer Abänderung der Bauzeit gedient. So habe auch die Firma A1 einen Plan für eine Bauzeit bis Ende August 2005 vorgelegt. Darüber hinaus sei die Klägerin nicht wegen Fehlens eines Zeitplanes, sondern wegen dessen Nichteinhaltung ausgeschlossen worden. Außerdem verfüge sie nicht über Erfahrungen im Sporthallenbau, wie etwa die Firma A1. Eine Vergleichbarkeit der von der Klägerin genannten Objekte mit Sporthallen sei nicht ersichtlich. Die Nichteinhaltung der Bauzeit habe sich erst in dem Bietergespräch herausgestellt, als auch bereits alle Planänderungen übergeben worden waren. Danach aber habe die Firma A1 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, so dass ihr zu Recht der Zuschlag erteilt worden sei.

Im Übrigen fehle auch das Verschulden im Sinne des § 311 BGB, weil die Vorstandsmitglieder des Beklagten Laien seien, das Architekturbüro "C1" eingeschaltet worden sei und die Fehlerhaftigkeit der Vergabe, soweit sie überhaupt vorliege, nicht habe erkannt werden können. Letztlich sei die Auskömmlichkeit des Angebots der Klägerin nicht belegt und im Gespräch vom 24.06.2004 sei lediglich der Angebotsinhalt aufgeklärt worden. Es sei von Anfang an und auch im Bietergespräch klargemacht worden, dass die Ausführungsfrist bis Ende August 2005 habe eingehalten werden müssen. Dies habe die Klägerin jedoch nicht beachtet und damit die Verdingungsunterlagen unzulässigerweise abgeändert. Die Frage der Eignung sei auf der zweiten Wertungsstufe gerade noch nicht bejaht worden, vielmehr sei eine (Gesamt-)Wertung erst nach der Aufklärung im Bietergespräch vorgenommen worden. Insgesamt habe sich aber die Klägerin die von ihr dargestellte Verlängerung der Ausführungsfrist auch als Wertungs- und Wirtschaftlichkeitskriterium entgegen halten zu lassen, zumal sie zusätzlich einen zu niedrig kalkulierten Preis im Vergleich zur Firma A1 angeboten habe.

Letztlich sei die Berechnung der Klägerin nicht ausreichend nachvollziehbar. Sie habe vielmehr die komplette Kalkulation aller Positionen vorzunehmen und die Originalkalkulation vorzulegen, zumal die Kostenansätze der Klägerin jetzt deutlich übersetzt seien. Außerdem habe die Firma A1 die Einhaltung der Ausführungsfrist ausdrücklich zugesagt und eine Vergabe an die Klägerin habe insgesamt nicht erfolgen können, weil es im Hinblick auf die Kriterien der Auskömmlichkeit, der Wirtschaftlichkeit und auch auf der Grundlage der Anlage K 21 erhebliche Zweifel an ihrem Angebot gegeben habe und zudem die Gefahr einer "Nachbesserung" nicht auszuschließen gewesen sei. Auch die erweiterte Klage könne keinen Erfolg haben, weil die Unterlagen der Klägerin und ihr Vortrag nicht ausreichend nachvollziehbar seien und deswegen nicht überprüfbar seien, so dass auch in der geltend gemachten Höhe ein derartiger Anspruch nicht bestehen könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster und zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie, auch mit dem erweiterten Klageantrag, keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, §§ 280 f. BGB. Zwar verweist auch das Landgericht mit Recht darauf, dass durch die öffentliche Ausschreibung unter Berücksichtigung der Regeln der VOB/A und das Angebot eines Bieters zwischen ihm und der ausschreibenden Partei, hier dem Beklagten, ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, das auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, entsteht. Zu diesen Pflichten gehört insbesondere die Einhaltung der maßgeblichen Vergabevorschriften des GWB, der Vergabeverordnung und der Verdingungsverordnungen, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann (vgl. BGH NZBau 2002, 107). Dieser Schadenersatzanspruch ist in der Regel allerdings auf den Ersatz des negativen Interesses zu richten. Will ein Bieter, wie hier die Klägerin, den Erfüllungsschaden und damit das positive Interesse geltend machen, ist weitere Voraussetzung, dass der ausgeschriebene Auftrag einerseits tatsächlich erteilt worden ist, und dass andererseits der auf Schadenersatz klagende Bieter den Zuschlag bei rechtmäßigem Abschluss des Vergabeverfahrens zwingend hätte erhalten müssen (vgl. z. B. BGH BauR 1998, 1232; NJW 1998, 3640; NZBau 2002, 84; 107, 108; 509; OLG Dresden ZfBR 2006, 381). Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Zuschlag nicht auf das "preislich günstigste" oder "augenscheinlich wirtschaftlichste" Angebot erteilt werden soll, vielmehr geht es bei der Auswahl des Zuschlagsangebotes nach § 25 Nr. 3 VOB/A um eine Gesamtschau zahlreicher die Entscheidung beeinflussender Einzelumstände und somit um eine Wertung, die einen angemessenen Beurteilungsspielraum des Auftraggebers voraussetzt und ihm auch einräumt (vgl. BGH NJW 1985, 1466; OLG Düsseldorf BauR 1990, 596).

Zunächst geht der Senat davon aus, dass für den vorliegend ausgeschriebenen und an die A1 AG vergebenen Auftrag die maßgeblichen Vergabevorschriften aus dem GWB, der Vergabeordnung und der VOB/A zu berücksichtigen sind, zumal der Beklagte bei Durchführung des Bauvorhabens von der Stadt O1 und auch vom Land L1 erhebliche Zuschüsse erhalten hat. Auch die Parteivertreter gehen übereinstimmend von der jedenfalls weitgehenden Geltung dieser Vorschriften aus, so dass der Senat dies zugrunde legt.

Danach aber hatte der Beklagte auch die maßgeblichen Prinzipien und Bestimmungen des Vergaberechts bei der Durchführung des von ihm ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zu berücksichtigen und insbesondere die Bieter gleichmäßig zu behandeln.

Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass die Klägerin die Verdingungsunterlagen entgegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 b in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A abgeändert habe, und damit zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden sei, kann dem allerdings nicht ohne weiteres gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der Beklagte ersichtlich sich selbst nicht darüber im Klaren war bzw. das von ihm eingeschaltete Architekturbüro, aus welchen Gründen die Klägerin nicht zum Zug kommen sollte, ist im Anschreiben an die Klägerin vom 08.07.2004 auch kein Grund für die Nichtberücksichtigung genannt. Im hier anhängigen Rechtsstreit hat der Beklagte dann darauf abgestellt, einerseits sei der Bauzeitenplan nicht eingehalten, andererseits sei die Klägerin auch nicht ausreichend geeignet für den Sporthallenbau und ihr Angebot sei darüber hinaus nicht auskömmlich gewesen. Die beiden letzten Gründe sind allerdings im Verfahren ersichtlich "nachgeschoben" worden, ein Vergabevermerk, dem Gründe zu entnehmen wären, ist zudem nicht vorhanden.

Dabei ist zunächst sehr zweifelhaft, ob die Klägerin allein wegen des von ihr überreichten Bauzeitenplanes, den sie auf Anforderung des Architekturbüros offen gelegt und ausdrücklich als vorläufig angesehen hat, im Sinne der genannten Vorschriften von der Wertung ausgeschlossen werden konnte. Denn die Klägerin hatte von Anfang an ihr Angebot auf die vorgegebene Ausführungsfrist bis August 2005 zugeschnitten. Sie hatte, jedenfalls nach ihrer Vorstellung, grundsätzlich die Absicht, diesen Endzeitpunkt auch einzuhalten. Hierzu will sie, wie sie vorträgt, auch in der Lage gewesen sein. Andererseits sind ihr Vorbringen und ihr Verständnis von der Ausführungsfrist und deren Verlängerung durch Hinausschieben der Binde- und Zuschlagsfrist nicht ohne weiteres nachvollziehbar und in dieser Form auch nicht zutreffend.

Eine Bitte der Vergabestelle, einer Verlängerung der Zuschlagsfrist zuzustimmen, enthält auch in Fällen, in denen eine derartige Verlängerung die vorgesehene materielle Ausführungsfrist (vgl. §§ 11, 17, 1 Abs. 2 h VOB/A) berührt, keine Erklärung zu einer veränderten Ausführungszeit. Spiegelbildlich stellt dann allerdings auch das Einverständnis eines Bieters mit der Bindefristverlängerung keine sein ursprüngliches Angebot ändernde Erklärung der Ausführung dar. Maßgeblich für die Zuschlagserteilung und den Inhalt des zustande gekommenen Vertrages ist und bleibt zunächst deshalb grundsätzlich das Ursprungsangebot des Bieters mit den dort aufgeführten, freilich zeitlich überholten Ausführungsfristen (vgl. BayObLG Beschluss vom 15.07.2002, Az. 15/02 = IBR 02, 500). Dies bedeutet, dass bei Verlängerung der Zuschlagsfrist ohne Erklärung der Beteiligten zu einer etwaigen Neubestimmung damit kollidierender Ausführungsfristen im Falle des Zuschlages das ursprüngliche Angebot mit den darin enthaltenen Ausführungsfristen Vertragsinhalt wird. Über die Neubestimmung der Leistungszeit durch etwaige Anpassung des Vertrages im Übrigen kann, muss aber nicht nach den Regelungen der VOB/A auf der kalkulatorischen Grundlage des Ausgangsangebots eine Vereinbarung herbeigeführt werden.

Danach hätte das Angebot auch der Klägerin grundsätzlich als zuschlagsfähig angesehen werden können, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass der Zuschlag immer nur auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist und die Klägerin sich selbst sowohl in dem Bietergespräch als auch noch im Berufungsverfahren widersprüchlich verhalten hat.

Im Bietergespräch hat sie einen Bauzeitenplan vorgelegt, der eine veränderte Fertigstellung der Sporthalle vorsieht, zwar angepasst an die auch abgeänderte Zuschlagsfrist, jedoch unter Außerachtlassung offensichtlich der weiterhin bestehenden Absicht des Beklagten, die Ausführungsfrist in der bisherigen Form bestehen zu lassen. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass im Termin vom 24. Juni 2004 von dem Beklagten eine Verlängerung der Ausführungsfristen ohne weiteres in Aussicht gestellt worden ist. Vielmehr ging lediglich die Klägerin davon aus, einen Anspruch hierauf zu haben, sofern ihr der Zuschlag erteilt wird. Dies ist jedoch nicht ausschlaggebend, weil der Beklagte erkennbar die Ausführungsfrist Ende August 2005 als nach wie vor maßgeblich angesehen hat.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ist sogar zu entnehmen, dass sie dies ebenfalls so verstanden hat, wenn sie vorträgt, eine Überschreitung des Fertigstellungstermins habe durchaus im Raume gestanden. Woraus sie dies jedoch entnimmt, ist ihrem Vortrag ebenso wenig zu entnehmen, wie ihre Behauptung, eine nochmalige Verlängerung der Zuschlagsfrist sei ebenfalls nicht auszuschließen gewesen. Dies stellt eine reine Spekulation dar. Darüber hinaus ist nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen die Klägerin der Auffassung gewesen ist, bei der Erörterung im Juni 2004 sei es nicht zulässig gewesen, trotz Verzögerung des Baubeginns eine Beibehaltung des Fertigstellungstermins zu "vereinbaren". Denn eine Beibehaltung des Fertigstellungstermins war von dem Beklagten immer zu erkennen gegeben worden, so dass es keiner weitergehenden oder veränderten Vereinbarung bedurfte. Im Übrigen geht die Klägerin ersichtlich davon aus, dass eine Verschiebung des Baubeginns immer automatisch auch eine Verschiebung des Fertigstellungstermins mit sich bringt und hierzu eine gesonderte Vereinbarung nicht erforderlich ist. Dies ist jedoch nicht der Fall (vgl. Heyermann, Riedl, Ruhsam, VOB, 10. Aufl., 2003, § 19 Rn. 4 m. w. N.).

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin etwa hinsichtlich des Bauzeitenplanes, den sie vorgelegt hat, Erläuterungen dahingehend abgegeben hat, dass dieser flexibel sei und sie ebenfalls eine Fertigstellung bis Ende August 2005 gewährleisten könne.

Unter diesen Umständen mag es zwar zweifelhaft sein, ob das Angebot der Klägerin tatsächlich nach §§ 25, 21 VOB/A wegen einer Veränderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen gewesen ist, diese Frage bedarf jedoch letztlich keiner abschließenden Beurteilung.

Denn der Beklagte war im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens bei der Wertung der jeweiligen Angebote gerade im Hinblick auf die maßgebliche Beurteilung der Wirtschaftlichkeit durchaus berechtigt, trotz des preislich günstigsten Angebotes der Klägerin die A1 AG, die ausdrücklich keine Verschiebung des Endtermins ins Auge gefasst hatte und vor allem aufgrund der von ihr vorgelegten Referenzen eher die Gewähr dafür bot, dass die beabsichtigte Sporthalle im Sinne des Beklagten erstellt werde, zu beauftragen. Dieses Unternehmen hatte im Gegensatz zur Klägerin Referenzen vorlegen können, die bereits einen Sporthallenbau in vergleichbarer Weise belegten. Zwar mag die Klägerin, wie sie ausführt, bereits Bauvorhaben durchgeführt haben, die auch noch schwierigere Aufgaben mit sich gebracht haben. Dem Beklagten kam es jedoch maßgeblich auf Erfahrungen gerade im Sporthallenbau an und die hierzu angestellten Erwägungen waren auch ohne weiteres zulässig. Dies betraf vor allem die Ausgestaltung des Hallenbodens und der sonstigen für eine Mehrzwecksporthalle erforderlichen Gesichtspunkte. Da die A1 AG ähnliche Hallen bereits erstellt hatte, konnte der Beklagte sich im Rahmen der Wertung der Angebote und seines bestehenden Wertungsspielraumes hierfür und musste sich nicht zwangsläufig für die Klägerin entscheiden.

Dabei kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte schon vor dem Aufklärungsgespräch am 24.06.2004 die zweite Wertungsstufe abgeschlossen und damit die Eignung aller Bieter einschließlich der Klägerin bereits abschließend beurteilt hatte. Vielmehr war es nach seinem unwiderlegbaren und von der Klägerin auch nicht hinreichend in Abrede gestellten Vortrag so, dass erst nach den Bietergesprächen auch die zweite Stufe der Wertung angegangen worden ist und die Eignung der Bieter auf der Grundlage eingereichter Referenzen bewertet worden ist. Dabei ist auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Voraussetzungen des § 24 VOB/A im Hinblick auf zusätzliche Aufklärungsgespräche ausreichend beachtet worden sind. Zwar ist der Klägerin insoweit zu folgen, dass bei abgeschlossener zweiter Wertungsstufe im Rahmen der Wertung auf der vierten Stufe (Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots) grundsätzlich nicht mehr auf die Eignung zurückgegriffen und diese anderweit beurteilt werden kann, soweit nicht neue Gesichtspunkte vorliegen. Der Beklagte hatte aber ersichtlich vor dem aus seiner Sicht erforderlichen Aufklärungsgespräch noch keine abschließende Wertung auf der zweiten Stufe vorgenommen, so dass die ausreichende Eignung der Klägerin für das hier maßgebliche Bauobjekt noch nicht abschließend feststand. Die Bewertung erfolgte erst im Anschluss an das Bietergespräch, wobei der Beklagte letztlich nach seinen eigenen Angaben alle Stufen im Nachhinein gemeinsam untersucht hat und dabei dann letztlich bei der Eignung der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bereits aufgrund der vorliegenden Referenzen Vorteile zugunsten der Eignung der A1 AG bestanden.

Sodann kam der Beklagte letztlich insgesamt zu dem Ergebnis, dass dieses Unternehmen das wirtschaftlichste Angebot (vgl. § 25 Nr. 3 Abs. 3, Satz 2 und 3 VOB/A in Verbindung mit § 97 Abs. 5 GWB) abgegeben hatte. Dabei sind alle Gesichtspunkte, wie z. B. der Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischer Wert u. ä. zu berücksichtigen. In dieser vierten und letzten Wertungsstufe kommt es deshalb darauf an, mit einer vergleichenden Betrachtung und Abwägung hinsichtlich des Inhalts und der Preise das für den Auftraggeber günstigste Angebot zu ermitteln. Hierbei ist alles zu beachten, was für die Beurteilung der Leistung von Bedeutung ist. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A räumt dabei dem Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum ein und macht vor allem deutlich, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Im Streitfall kann danach davon ausgegangen werden, dass der Beklagte sich im Rahmen dieses ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes gehalten hat, wenn er einem Unternehmen den Zuschlag erteilt hat, das zwar nicht das niedrigste Preisangebot abgegeben hatte, gleichwohl aber auf der Grundlage der vorgelegten Referenzen eine aus seiner Sicht bessere Gewähr für die den Vorstellungen des Beklagten entsprechende technische und sonstige bestmögliche Ausführung des Bauvorhabens bot. Dies war aber die A1 AG. Bei dieser Sachlage kann deshalb nicht angenommen werden, die Klägerin habe bei Hinwegdenken aller - allerdings durchaus vorhandener - vergaberechtlichen Fehler des Beklagten bzw. des von ihm eingeschalteten Architekturbüros, dessen Verhalten er sich über § 278 BGB zurechnen lassen muss, zwingend den Zuschlag erhalten müssen. Im Hinblick auf die Wertungen auf der zweiten Stufe und die Notwendigkeit des Zuschlages auf das wirtschaftlichste Angebot, war der Beklagte vielmehr berechtigt, sich unter den vorliegenden Angeboten das für ihn "Sicherste" auszuwählen.

Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass ein Vergabevermerk ersichtlich nicht gefertigt worden ist und die Vorschrift des § 13 VgV vollständig unbeachtet gelassen worden ist. Denn das Anschreiben an die Klägerin vom 08.07.2004 enthält nicht die notwendigen Informationen, nicht einmal die A1 AG als ausgewählter Auftragnehmer ist genannt. Darüber hinaus hat der Beklagte die Frist von 14 Tagen nicht eingehalten, sondern den Zuschlag noch am gleichen Tag erteilt. Damit wäre - die Anwendbarkeit des § 13 Satz 6 VgV unterstellt - der Vertrag mit der Firma A1 sogar nichtig gewesen. Diese mögliche Nichtigkeit des Vertrages kann allerdings ebenfalls nicht dazu führen, dass die Klägerin anstelle der A1 AG den Zuschlag hätte erhalten müssen. Denn Folge wäre auch in einem sonst angestrengten Vergabenachprüfungsverfahren voraussichtlich lediglich eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens mit einer abermaligen Wertung und Einhaltung des § 13 VgV gewesen. Weder die Vergabekammer noch der Vergabesenat hätten die Vergabestelle angewiesen, nunmehr der Klägerin den Zuschlag zu erteilen.

Letztlich ist deshalb festzustellen, dass - so fehlerhaft die Vorgehensweise des Beklagten gewesen sein mag - er im Ergebnis mit Recht dazu gekommen ist, die Referenzen der Klägerin, die bislang noch keine Sporthalle in dem hier ausgeschriebenen Sinne gebaut hatte, im Vergleich zur Firma A1 nicht als ausreichend und weniger werthaltig anzusehen und im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens den Bieter auszuwählen, der aus seiner Sicht auf der Grundlage bisheriger Referenzen am ehesten zuverlässig die Bauausführung durchführen wird.

Unter diesen Umständen war es nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung, ob, wie der Beklagte vorgetragen hat, das Angebot der Klägerin auch nicht auskömmlich gewesen ist.

Letztlich ist aber auch die von der Klägerin geltend gemachte Höhe des von ihr beanspruchten Schadensersatzes nicht ausreichend nachzuvollziehen. Die Berechnung ist, wie der Beklagte bereits in erster Instanz deutlich gemacht hat, nicht so transparent, dass daraus der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in der jetzigen Höhe von 333.156,20 EUR nachvollziehbar berechnet werden könnte. Dabei ist insbesondere unklar, wie die Kalkulation der Klägerin im Einzelnen zustande gekommen ist und inwieweit diese mit ihrer Urkalkulation und dem Angebot tatsächlich übereinstimmt. Hierzu hat der Beklagte in seinem letzten Schriftsatz z. B. nochmals deutlich gemacht, dass bei verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses kein Lohnanteil in Ansatz gebracht worden ist und auch dadurch die Frage der Auskömmlichkeit nicht befriedigend beantwortet werden könne. Gerade im Hinblick auf den letzten Schriftsatz des Beklagten hätte die Klägerin hierzu nochmals im Einzelnen vortragen müssen.

Soweit die Klägerin letztlich davon ausgeht, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehöres verstoßen, weil es einen nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten berücksichtigt habe, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Ausweislich der Entscheidungsgründe sind die Erwägungen in diesem Schriftsatz, soweit sie neu waren, nicht mit in die Überlegungen des Landgerichts eingeflossen.

Nach Sachlage war deshalb die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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