Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 11 U 24/07 (Kart)
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, GWB


Vorschriften:

AGBG § 9
BGB § 280
BGB § 281
BGB § 282
BGB § 307
GWB § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der A AG von den Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Bierbezugsverpflichtung.

Die Beklagten schlossen mit der Zedentin im Anschluss an frühere, bis mindestens 1953 zurückreichende Verträge unter Aufhebung einer Vereinbarung vom 21.12.1987 eine Vereinbarung, nach der die Zedentin den Beklagten für den Betrieb der Gaststätte B in O1 Leihimmobiliar zur Verfügung stellte und sich die Beklagten verpflichteten, vom 1.6.1996 bis zum 31.12.2003 den Bedarf an Bieren ausschließlich mit Produkten und Handelsware der Zedentin zu decken. In Nr. 4 der Vereinbarung war bestimmt: "

Brauerei und Kunde erwarten in der Absatzstätte einen Bierumsatz von 50 hl jährlich. Auf dieser Mindestabsatzerwartung beruhen die Kalkulationen und die ausgehandelte Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung dieses Vertrages".

Für den Fall, dass die Mindestabsatzerwartung um mehr als 10 % unter- oder überschritten würde, waren Ausgleichzahlungen bzw. Rückvergütungen von 35,-- DM für jeden von der Mindestabsatzerwartung abweichenden Hektoliter vorgesehen.

Nr. 7 regelt für den Fall des Nichtbezuges oder Fremdbezuges sowie für jeden sonstigen Fall, in dem die Brauerei Schadensersatz verlangen kann, dass der Kunde für jeden vertragswidrig nicht bezogenen hl Bier einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von 50 % des jeweiligen Einzelhandels-Listenpreis für einen hl Fassbier der Sorte ... der Brauerei zu bezahlen habe.

In den Jahren 2001 bis 2003 bezogen die Beklagten von der Zedentin kein Bier. Die Klägerin hat deshalb einen Schadensersatzanspruch für die Jahre 2002 und 2003 für 100 hl zu je 86,50 EUR geltend gemacht.

Die Beklagten haben die Vereinbarung u. a. für formunwirksam gemäß § 34 GWB a. F. und wegen Sittenwidrigkeit für nichtig gehalten und ferner gemeint, die Formularklausel der Nr. 7 verstoße gegen §§ 9 und 11 Nr. 5a AGBG, weil sie kein Verschulden voraussetze und die Schadensersatzpauschale zu hoch sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat in Nr. 7 der Vereinbarung eine gemäß § 9 AGBG unwirksame Vertragsstrafeklausel gesehen, da die Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden bei jedem Nicht- oder Fremdbezug von Bier verlangt werden könne. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Anspruch weiterverfolgt. Die Berufung stützt die Klägerin darauf, dass das Landgericht in Nr. 7 der Vereinbarung zu Unrecht eine Vertragsstraferegelung anstatt gemäß dem Wortlaut der Klausel eine Schadensersatzpauschalierung gesehen habe. Diese sei jedoch zulässig. § 9 AGBG a. F. sei nicht anwendbar, wie das Landgericht gemeint habe. Die Klausel verstoße auch nicht gegen § 309 Nr. 5 b BGB, da sie den Nachweis eines geringeren Schadens ausdrücklich zulasse. Ferner rügt die Klägerin, dass das Landgericht nicht zuvor auf die Unwirksamkeit der Klausel hingewiesen habe. In diesem Fall hätte sie ihren Schaden konkret berechnet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten unter Aufhebung des am 04.05.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Az.: 1 O 142/06, zu verurteilen, an sie 8.650,00 EUR nebst 8 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 10.09.207 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Allerdings kann der Klägerin insoweit gefolgt werden, als Nr. 7 der Vereinbarung nicht eine Vertragsstrafe, sondern eine Schadenspauschalierung regelt. Gleichwohl ist die Formularbestimmung unwirksam.

Das Landgericht hat die Klausel Nr. 7 der Vereinbarung zutreffend für unwirksam gehalten. Sie verstößt gegen § 9 ABGB a. F. und § 307 BGB. Die Klausel weicht von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der §§ 282 BGB a. F., 280, 281 BGB n. F. ab, indem sie die Schadersatzverpflichtung der Beklagten auch dann vorsieht, wenn die Beklagten am Nichtbezug kein Verschulden trifft (BGH NJW 1998, 602; BGH ZIP 2005,798; NJW 2006, 47; speziell für Bierbezugsverträge: OLG München OLG-Report 1995, 145; Paulusch/Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 10. Aufl., Rdn. 519). Die Klausel setzt ein Verschulden der Beklagten auch nicht etwa deshalb voraus, weil - wie die Klägerin meint - ein Nicht- oder Fremdbezug per se schuldhaft sei. Diese Auffassung der Klägerin trifft nicht zu. Jedenfalls für den Tatbestand des Nichtbezugs ist nicht absehbar, aus welchen Gründen die Beklagten kein Vertragsbier von der Brauerei beziehen. Es kann durchaus Fälle geben, in denen der Gastwirt nicht einmal aus Fahrlässigkeit kein Bier von der Brauerei bezieht. Dabei ist es auch nicht Sache des Vertragspartners des Verwenders, derartige Sachverhalte im Vorhinein theoretisch zu konstruieren. Entscheidend ist vielmehr, dass die angesprochene Bestimmung eine Prüfung des Verschuldens nicht voraussetzt. Ebenso ergibt sich aus der Tatbestandsalternative "oder in jedem sonstigen Fall, in dem die Brauerei Schadensersatz verlangen kann" nicht, dass dabei für jede Verwirklichung des Klauseltatbestandes ein Verschulden der Beklagten gefordert werde. Selbst wenn durch die "sonstigen Fälle" auf verschuldensabhängige Schadensersatzverpflichtungen nach anderen Anspruchsgrundlagen verwiesen wird, besagt dies zumindest nicht, dass der Tatbestand des Nichtbezuges die Rechtsfolge der Nr. 7 auch nur bei Verschulden der Beklagten auslöst.

Weiterhin verstößt die Klausel Nr. 7 gegen das Transparenzgebot der §§ 9 AGBG, 307 Abs. Satz 2 BGB, weil sie nicht klar erkennen lässt, in welchem Verhältnis die Schadensersatzverpflichtung zur der Zahlungspflicht wegen Minderbezugs in Nr. 4 steht. Das Transparenzgebot verlangt, dass der Verwender die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darstellt (BGH NJW 2001, 2014, 2016). Nach ihrem Wortlaut könnten beide Klauseln kumulativ anwendbar sein, wenn die Beklagten keine Bier von der Zedentin beziehen. Die Beklagten müssten dann sowohl den Minderbezug von 50 hl/Jahr mit (50 x 35,-- DM =) 1.750,-- DM bzw. 894,76 EUR ausgleichen als auch den pauschalierten Schadensersatz entrichten. Ob dies gewollt war, ist jedoch unklar. Die Klägerin selbst ist jedenfalls in den Jahren 2001 bis 2003 jeweils nur aus einer Anspruchsgrundlage gegen die Beklagten vorgegangen.

Danach kann dahinstehen. ob die Formularbestimmung zusätzlich gegen § 9 ABGB a. F. und § 307 BGB verstößt, weil die Schadenspauschale überhöht ist. Bei den genannten Gesetzesbestimmungen als allgemeinen Normen der Inhaltskontrolle ist auch die Regelung der §§ 11 Abs. 1 Nr. 5a AGBG bzw. 309 Nr. 5 a BGB zu berücksichtigen (BGH NJW 1994, 1068; Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 309 Rdn. 32). Es sprich Einiges dafür, dass eine Schadensersatzpauschale von 50 % den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (vgl. OLG München MDR 2002, 445, das bereits eine Pauschale von 30 % des Tagespreises der von dritter Seite bezogenen Getränke für überhöht gehalten hat; Kieninger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 309 Nr. 5 Rdn. 19; a. A. für eine 30 %-Pauschale OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 917). Die Klägerin legt auch nicht konkret dar, welcher Schaden ihr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsteht. Die Nennung des Betrages von 100,-- EUR pro hl im erstinstanzlichen Vortrag (Bl. 76 d. A.) dürfte dazu jedenfalls nicht ausreichen. Dies braucht jedoch nicht entschieden zu werden.

Der Klägerin steht aber auch kein Anspruch auf Schadensersatz unabhängig von Nr. 7 der Vereinbarung aus §§ 280, 281 BGB zu. Die Klägerin hat ihren konkreten Schaden nicht dargelegt. Zu Unrecht beanstandet sie, das Landgericht hätte sie darauf hinweisen müssen, wenn es die Klausel für unwirksam hält. Einen solchen Hinweis hat das Landgericht nämlich erteilt. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält den Hinweis, dass unter Umständen eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten vorliegen könnte, da die Vertragsstrafenklausel gegen § 9 AGBG verstoßen könnte. Das Gericht gab den Parteivertretern zudem Gelegenheit zur Stellungnahme. Der konkrete Schaden der Klägerin lässt sich auch nicht aus ihrem bisherigen Vortrag entnehmen. Dies scheitert schon daran, dass die von den Beklagten zu beziehenden Jahresmenge an Bier nicht feststeht. Die in Nr. 4 der Vereinbarung genannte Menge von 50 hl gab nicht eine verpflichtende Mindestabnahmemenge wieder. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Klausel hatten die Vertragsparteien nur eine Mindestabsatzerwartung in dieser Höhe. Dementsprechend sollte ein Minderbezug von weniger als 10 %, d. h. von 45 hl jährlich, völlig folgenlos bleiben und erst bei geringeren Abnahmemengen ein pauschalierter Ausgleich geschuldet sein. Der Schaden der Klägerin kann sich deshalb allenfalls - worauf sich die Beklagten zutreffend berufen haben - aus der Menge errechnen, die die Beklagten bei gehöriger Vertragserfüllung hätten abnehmen müssen. Dazu hat die Klägerin jedoch schon in der ersten Instanz nichts vorgetragen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

Zurück