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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.07.2005
Aktenzeichen: 11 U 31/03
Rechtsgebiete: BGB, KUG


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 1004
KUG § 22

Entscheidung wurde am 27.10.2005 korrigiert: die Metaangabe Schlagworte wurde durch Stichworte ersetzt
Auch wer bewusst an die Öffentlichkeit tritt, muss nicht hinnehmen, dass eine im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten (im Anschluss an BGH NJW 2005, 594).
Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Berichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift X Nr. .../2002. Die Klägerin unterhielt in den Jahren 2001 / 2002 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der B - A. In der Ausgabe Nr. .../2002 von X erschien unter der Überschrift "..." ein Bericht, der ein Foto enthielt, das die Klägerin beim ... mit Herrn A am ... zeigt. Wegen des streitgegenständlichen Fotos wird auf die Ablichtung Bl. 5 d. A. verwiesen.

Am ...2003 nahm die Klägerin in Begleitung von Herrn A an der Verleihung des ... im ... in O1 teil. Bei dieser Gelegenheit ließ sich die Klägerin zusammen mit Herrn A von Pressejournalisten fotografieren. Insoweit wird auf die Abbildungen Bl. 215 - 221 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin, die die Berichterstattung und die Veröffentlichung des Fotos für einen rechtswidrigen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrechts hält, hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,--, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, das in X Nr. .../02 im Rahmen des Artikels "..." mit der Bildunterschrift "A ... Durch dieses Foto flog die Affäre auf" abgedruckte Foto erneut zu veröffentlichen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, durch ihren öffentlichen Auftritt zusammen mit Herrn A am ...2003 habe die Klägerin sich selbst identifizierend an die Öffentlichkeit begeben. Damit habe sie nicht nur ihr Interesse aufgegeben, in dem zeitgeschichtlichen Ereignis ungenannt zu bleiben, sondern auch stillschweigend darin eingewilligt, namentlich und im Bild öffentlich als diejenige Frau genannt zu werden, die mit dem früheren Ehemann der B eine außereheliche Beziehung unterhält. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil vom 03.04.2003 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt weiter vor, für die Beurteilung, ob die streitgegenständliche Bildveröffentlichung sie in ihrem Recht am eigenen Bild verletze, sei ausschließlich auf den damaligen Verbreitungszeitpunkt (... 200...) abzustellen. Die damalige Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos sei unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt rechtswidrig gewesen. Daran ändere sich auch durch die Verbreitung der ...-Fotos im ... 200... nichts.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen:

1. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.04.2003 - 2/3 O 356/02 - wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,-- EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, das in X Nr. .../02 im Rahmen des Artikels "..." mit der Bildunterschrift "A...." abgedruckte Foto erneut zu veröffentlichen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil sowie auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos verlangen.

Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 (analog) BGB; 22 KUG. Gemäß § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung dürfen unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) verbreitet und zur Schau gestellt werden.

Die Klägerin hat in die Verbreitung des streitgegenständlichen Fotos weder ausdrücklich noch konkludent eingewilligt. Davon ist der Senat auch in den bislang entschiedenen Parallelverfahren ausgegangen (Senatsurteil vom 02.09.2003, Az.: 11 U 6/2003). Die Beklagte zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnten (vgl. auch die Entscheidung des Senats 11 U 12 / 03 vom heutigen Tag).

Die Klägerin ist - wie der Senat ebenfalls bereits in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt hat - auch keine Person der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Selbst wenn der frühere Ehemann der B eine relative Person der Zeitgeschichte ( gewesen ) wäre, lässt sich daraus nicht herleiten, dass eine dritte Person, die intime Beziehungen zu ihm unterhält, dadurch ebenfalls zu einer relativen Person der Zeitgeschichte würde.

Die Klägerin hat schließlich weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos dadurch eingewilligt, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich anlässlich eines öffentlichen Auftrittes bei der Verleihung des ... im ... 200... in O1 an die Öffentlichkeit gewandt und ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von A gegenüber der Boulevardpresse offen gelegt hat. Zu Unrecht hat das Landgericht gemeint, damit habe die Klägerin ihr Interesse aufgegeben, in dem zeitgeschichtlichen Ereignis ungenannt zu bleiben und stillschweigend darin eingewilligt, namentlich und im Bild öffentlich als diejenige Frau genannt zu werden, die mit dem früheren Ehemann der B eine außereheliche Beziehung unterhält, so dass die streitgegenständliche Fotoaufnahme in den Bereich der Berichterstattung gehöre, die nach dem öffentlichen Auftritt der Klägerin mit A zulässig sei. Der Auffassung, dieses Foto dürfe nunmehr veröffentlicht werden, weil es nach dem ausdrücklichen Bekenntnis der Klägerin zu dieser Beziehung und den in ihrem Einverständnis gefertigten, die Beziehungspartner abbildenden Fotografien keinen weitergehenden Gehalt aufweise, folgt der Senat nicht. Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation, sondern es stammt auch aus einer Zeit, zu der die Klägerin ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte und zu der seine Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war.

Eine Veränderung der Umstände kann die Veröffentlichung derartiger Fotos nur unter besonderen Voraussetzungen rechtfertigen, für die hier nichts vorgetragen ist. Dass ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der abgebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht dazu nicht aus. Wer - möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung - an die Öffentlichkeit tritt, muss nicht hinnehmen, dass die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden. Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuer Zeit verwendet wird (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 = NJW 05, 594).

Unter keinen Umständen muss die Klägerin die Veröffentlichung des Fotos in der Zukunft hinnehmen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 2.9.2003 (Az: 11 U 6 / 2003) unter II. 3.2 ausgesprochen hat, gilt die Annahme eines überwiegenden Interesses an der Publikation von Bildern der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht schrankenlos. Zeitlich sind solche Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, wie das Scheitern der Ehe B/A noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden kann, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse hat. Diese Zeitspanne ist zwischenzeitlich - nachdem die Ehe B/A schon seit nahezu 2 Jahren rechtskräftig geschieden ist -, überschritten.

Da die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos damit der Berichterstattung über die Klägerin auch in Zukunft entzogen ist, war der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben.

Der Beklagten war der beantragte Schriftsatznachlass nicht mehr zu gewähren, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 19.07.2005 keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachenvortrag enthält (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. § 283 Rn. 2 a).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor, da die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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