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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: 11 U 33/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 110 Abs. 1
ZPO § 110 Abs. 3
ZPO § 112
ZPO § 113
Im Eilverfahren kann eine Ausländersicherheit nicht verlangt werden. Zu den Voraussetzungen des TRIPS-Abkommens und der des RBU-Abkommens.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 33/00

3/03 111/00 LG Frankfurt /M.

Verkündet am 14.11.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 14.11.2000 durch die Richter ...

für Recht erkannt :

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Zwischen-Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.05.2000 wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten der Berufung.

Entscheidungsgründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

1.) Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig.

Ein Zwischenurteil, das Sicherheitsleistung anordnet, ist zwar nach zumindest überwiegender Auffassung nicht selbstständig anfechtbar (Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl. § 110 Rn. 5). Wird die Einrede der mangelnden Prozeßkostensicherheit verworfen, so handelt es sich jedoch um ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage, das wie ein Endurteil anfechtbar ist (§ 280 Abs. 2 ZPO); Zöller/Vollkommer a.a.O. § 303 Rn. 11; BGHZ 102, 234 = NJW 1988, 1733).

2.) Die Berufung ist jedoch unbegründet.

a) Ob § 110 Abs. 1 ZPO in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwenden ist, ist im Schrifttum umstritten. Eine Anwendung des § 110 Abs. 1 ZPO nach Widerspruch und Anberaumung einer mündlichen Verhandlung befürworten Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. Rn. 2; MünchKommZPO - Beltz, Rn. 112; Musielak / Foerste, ZPO, Rn. 3 jeweils zu § 110; Schütze IPRAX 86, 350, m.w.N. Dagegen ist nach Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. Rn. 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. Rn. 3 jeweils zu § 110; Rosenberg/Schwab/Gottwald, 15. Aufl. § 89 I 2. a; Nagel/Gottwald, IZPR, 4. Auflage, Melullis, Hdb. d. Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rn. 190 § 110 Abs. 3 ZPO in Eilverfahren nicht anwendbar , weil die Bestimmung mit dem besonderen Beschleunigungsbedürfnis in Eilverfahren unvereinbar sei. Auch wenn die Prozeßkostensicherheitsanforderung nicht zwangsläufig zu einer Verzögerung von Eilverfahren führen muss, wenn sich der Antragsteller darauf einstellt und die Sicherheit unverzüglich erbringt ( Schütze aaO. ), werden gewisse Verzögerungen meist nicht zu vermeiden sein. Wird Widerspruch gegen eine erlassene einstweilige Verfügung eingelegt und mündliche Verhandlung anberaumt, so kann die Einrede der Prozesskostensicherheit grds. bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben werden. Die notwendige Verhandlung und Entscheidung über den Antrag steht dann einer Einlassung und Entscheidung in der Sache im Weg und kann ­ wie der vorliegende Fall zeigt ­ sogar zu erheblichen Verzögerungen der Sachentscheidung führen, wenn das Gericht die Einrede in einer rechtsmittelfähigen Entscheidung verwirft.

Selbst geringe zeitliche Verzögerungen ­ wie sie durch das gem. §§ 112, 113 ZPO vorgeschriebene Verfahren praktisch unvermeidbar sind ­ können die Durchsetzung eines Anspruchs in besonders dringlichen Angelegenheiten gefährden oder vereiteln. Angesichts der Bedeutung, die einer raschen Entscheidung insb. in Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes zukommt, neigt auch der Senat der Auffassung zu, daß § 110 Abs. 1 ZPO in Eilverfahren nicht paßt und deshalb grds. nicht anzuwenden ist. Das gilt um so mehr, als die nachteiligen Folgen der unterbleibenden Sicherheitsleistung in Eilverfahren ausgeglichen werden können, weil es im Ermessen des Gerichts steht, die Anordnung oder Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ( §§ 921 Abs. 2, 936 ZPO ). Deshalb muss nicht schon die Zulässigkeit des Verfahrens von einer vorhergehenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (so auch Nagel/Gottwald a.a.O.).

b) Jedenfalls stehen der Einrede der Prozesskostensicherheit die Bestimmungen des TRIPS ­ Übereinkommens entgegen. Dies folgt allerdings weder aus Art. 4 noch aus Art. 9 des TRIPS ­ Übereinkommens, der die Grundsätze des Art. 5 der Revidierten Berner Übereinkunft ( RBÜ ) in das TRIPS - Übereinkommen inkorporiert.

Der Anwendung des Art. 4 TRIPS steht entgegen, daß die Europäische Union ( EU ) und ihre Mitgliedsstaaten dem Rat des TRIPS-Abkommens gem. Art. 4 S. 2 d ) mitgeteilt haben, daß sowohl der EU-Vertrag als auch der Vertrag über die Errichtung des Europäischen Wirtschaftsraums internationale Abkommen sind, aus denen keine Rechte aufgrund der Meistbegünstigungsklausel abgeleitet werden können. Von der Notifikation erfaßt sind nicht nur die beiden Verträge, sondern auch das gegenwärtige und künftige sekundäre Recht, welches von der EU und den Mitgliedsstaaten erlassen wird (GRUR Int. 1996, 270). Der EG-Vertrag ist eine ältere internationale Ü- bereinkunft betreffend den Schutz des geistigen Eigentums im Sinne von Art. 4 S. 2 Buchst. d TRIPS (so auch Katzenberger GRUR Int. 1995, 447, 462). Somit kann aus Art. 4 keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Klägerin mit den Bürgern der EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Sicherheitsleistung hergeleitet werden.

Aus Art. 5 RBÜ ergibt sich zumindest keine eindeutige Rechtslage. Zwar verweist Art. 5 Abs. 2 RBÜ auch auf die Ausübung" der in Abs. 1 genannten Rechte und die Rechtsbehelfe des Schutzlandes. Ungeachtet dessen wird das Erfordernis einer Sicherheitsleistung für Prozeßkosten als mit Art. 5 RBÜ vereinbar angesehen, weil dabei nur an die prozessuale Stellung als Kläger und nicht an die Urheberschaft angeknüpft werde (Nordemann/Vinck/Hertin, Internationales Urheberrecht, Art. 5 RBÜ Rn. 7; Bappert, Internationales Urheberrecht, W III 35 zum WUA; Nachweise zur gegenteiligen Auffassung bei Katzenberger a.a.O. S. 460 unter Fn. 199 und ÖOGH GRUR Int. 2000, 447 ).

Ein weitergehender Anspruch auf Inländerbehandlung bezüglich verfahrensrechtlicher Bestimmungen folgt jedoch aus Art. 3 TRIPS .Teil I (Art. 1 ­ 8) des TRIPS- Übereinkommens enthält allgemeine Bestimmungen und Grundsätze, in deren Mittelpunkt die Verpflichtungen über die Inländerbehandlung (Art. 3) und die Meistbegünstigung (Art. 4) stehen. Teil II enthält materiell-rechtliche Vorschriften zu insgesamt sieben Rechtsgebieten, während Teil III Vorschriften zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" enthält. Anlass zu dieser Regelung war der Umstand, daß die bestehenden internationalen Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums die Durchsetzung von Schutzrechten weitgehend den Mitgliedsländern überlassen und insoweit nur ansatzweise Mindestverpflichtungen enthalten (vgl. Denkschrift BT ­ Drucks.12 / 765 S. 346). Neben der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, wirksame Maßnahmen gegen die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzusehen und Verfahren nach den Grundsätzen der Fairneß und Gerechtigkeit auszugestalten, enthält Art. 50 auch Regelungen über einstweilige Maßnahmen. Ob die Bestimmung der TRIPS-Inländerbehandlung auf die Regeln über das Verfahren zur Rechtsdurchsetzung anzuwenden sind, wird im Schrifttum zwar bezweifelt (Katzenberger a.a.O. S. 460). Wortlaut, Aufbau und Zielsetzung der Vereinbarung sprechen jedoch dafür, daß der Grundsatz der Inländerbehandlung in Art. 3 des TRIPS - Übereinkommens auch deshalb wiederholt worden ist, um sicherzustellen, daß die Inländerbehandlung für die umfangreichen Regeln der Rechtsdurchsetzung sowie für alle materiellen Rechte des geistigen Eigentums gilt, die in TRIPS, nicht aber in den bestehenden Konventionen aufgeführt sind ( Reinbothe GRUR Int. 92, 712).

Denn in Bezug auf das Urheberrecht im eigentlichen Sinn ergibt sich die Inländerbehandlung bereits aus der Inkorporation des Art. 5 RBÜ durch Art. 9 TRIPS. Da hieraus die Anwendung der RBÜ-Regel für alle TRIPS-Mitglieder folgt, hätte es der Regelung des Art. 3 TRIPS insoweit nicht bedurft. Daß mit Art. 3 TRIPS eine aufgrund der bisherigen Konventionen noch bestehende Schutzrechtslücke hinsichtlich der Bestimmungen zur Durchsetzbarkeit der Rechte des geistigen Eigentums geschlossen werden sollte, ergibt sich schon aus dem Aufbau des Übereinkommens, das die Bestimmungen über die Inländerbehandlung in einem allgemeinen Teil als Grundprinzip" vorwegnimmt und damit auf sämtliche nachfolgenden Bestimmungen bezieht. Darüber hinaus verweist der Text des Übereinkommens (Fußnote 3 zu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 TRIPS) ausdrücklich darauf, daß die Gewährung von Schutz des geistigen Eigentums die Verfügbarkeit, den Erwerb, den Umfang und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums betrifft. Auch Art. 7 ( Ziele") stellt auf den Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ab. Gebietet das Übereinkommen somit eine völlige Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Parteien auch in verfahrensrechtlicher Sicht, so ist die in der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit liegende Schlechterstellung einer einem Mitgliedsstaat angehörigen ausländischen Partei unzulässig.

Die Beklagten können demgegenüber nicht einwenden, sie könnten einen Kostentitel nicht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bzw. im Bundesstaat Washington vollstrecken. Die Anwendung des TRIPS ­ Übereinkommens hängt nicht davon ab, daß kostenrechtlich Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Andernfalls wäre nicht sicher- gestellt, daß inländische Urheber ihre Rechte in einem anderen Vertragsstaat ohne prozessuale Hindernisse durchsetzen könnten, denen Staatsbürger dieses Vertragsstaates nicht unterliegen ( ÖOGH aaO ).

Das von den Beklagten beantragte Sachverständigengutachten zur Auslegung des Übereinkommens war nicht einzuholen, zumal das angefochtene Zwischenurteil im Rahmen eines Eilverfahrens ergangen ist.

Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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