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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 11 U 34/05 (Kart)
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89 b III 1
ZPO § 304
Hat ein Automobilhersteller das In-Kraft-Treten der EG-GVO Nr. 1400/2002 zum Anlass genommen, die Vertragshändlerverträge über den Neuwagenvertrieb zu kündigen und einem Teil der bisherigen Vertragshändler neue Verträge anzubieten, die nicht nur der Anpassung an die neue GVO, sondern auch der Umsetzung eines neuen Vertriebssystems, unter anderem mit neuen Vorschriften über Margen, Boni und Prämien, über die verbindliche Vorgabe neuer Standards und über neue Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten, dienen, so geht einem Vertragshändler, der das neue Vertragsangebot nicht annimmt, nicht in analoger Anwendung des § 89 b Absatz 3 Nr. 1 HGB der Ausgleichsanspruch verloren.
Gründe:

I.

Die Klägerin macht als ehemalige Vertragshändlerin der Beklagten Ausgleichsansprüche entsprechend § 89 b HGB geltend.

Die Klägerin war Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt auf der Basis eines Händlervertrages für Vertrieb und Service aus dem Jahre 1997 (Mustervertrag Anlage B 1). Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die A GmbH & Co. (nachfolgend A & Co KG), deren Geschäftsführer a A zugleich Geschäftsführer der Klägerin war.

Die Klägerin unterhielt mit Zustimmung der Beklagten vom 05.07.1999 (Bl. 19 - 21 d. A.) seit 01.07.1999 einen Zweigbetrieb in O1 und O2, dessen Rechtsträger die B GmbH & Co KG war. Ferner unterhielt die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten vom 19.09.2002 (Bl. 22 - 24 d. A.) seit 26.09.2002 einen Zweigbetrieb in O3 unter der Bezeichnung Xbetrieb O3. Geschäftszweig der Klägerin war außer dem Handel mit Neufahrzeugen ein Handel mit X-Ersatzteilen, die sie an andere Xhändler und Xwerkstätten verkaufte, für den kein gesonderter Vertrag mit der Beklagten bestand. Weiterhin bestand zwischen den Parteien seit 1991 ein Agenturvertrag für den Verkauf fabrikneuer Xfahrzeuge an Bundes- und Landesbehörden (Bl. 226 d. A.). Weiterhin betrieb die Klägerin einen Handel mit X-Nutzfahrzeugen.

Mit Schreiben vom 20.03.2002 kündigte die Beklagte den Händlervertrag ordentlich zum 30.09.2003, unter anderem unter Hinweis auf die voraussichtlichen Änderungen der Gruppenfreistellungsverordnung für die Automobilindustrie (GVO). In diesem Schreiben kündigte die Beklagte ferner an, dass sie ihr Vertriebsnetz neu strukturieren wolle, wobei sie auf eine Neuausrichtung des Margensystems, die Änderung der Grundlagen für das Geschäft mit Großkunden und Gewerbetreibenden sowie die Neudefinition künftiger Standards abziele. Weiterhin erklärte die Beklagte, sie möchte nach dem Ergebnis ihrer Neustrukturierung der Klägerin gerne die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses anbieten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen (Bl. 25 - 27 d. A.).

Zumindest etwa 4 Wochen vor Ablauf der Kündigungsfrist erschien ein Mitarbeiter der Beklagten bei der Klägerin mit der Ankündigung, der neue Vertrag könne jetzt unterschrieben werden. In der Zeit zuvor war zwischen der Beklagten und der Händlerorganisation der X-Händler über die Modalitäten des neuen Vertrages diskutiert worden. Seit Ende Juli/Anfang August 2003 standen Vertragstexte im sog. X-Partner-Net zur Einsicht für alle X-Händler.

Die A & Co. KG entschied jedoch, dass die Klägerin keinen neuen Händlervertrag abschließen solle.

Mit Schreiben vom 27.08.2003 (Anlage B 2) bewarb sich die C ... GmbH (nachfolgend: C GmbH) bei der Beklagten um den Abschluss eines X-Service-Vertrages. Zu dieser Zeit wurde diese GmbH - wie die Klägerin - zu 100 % von der A & Co KG gehalten. Mit getrennten notariellen Verträgen vom 10.09.2003 (Anlagen B 4 - B 6) wurde das Stammkapital der C GmbH verschmolzen und auf 153.387,56 € umgestellt. Die A & Co KG trat ihre Geschäftsanteile an der C GmbH an den Sohn ihres geschäftsführenden Gesellschafters, Herrn B A, zum Preis von 1 € ab. B A erhöhte das Stammkapital auf 400.000,- €. Ebenfalls am 10.09.2003 schlossen die A & Co. KG und B A einen notariell beurkundeten Treuhandvertrag über den Geschäftsanteil der Fa. C GmbH ab. In diesem Vertrag erklärte B A, mit der O. A & Co KG darüber einig zu sein, dass er beim Halten des Geschäftsanteils von 400.000,- € an der C GmbH nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber als Treuhänder der Fa. A & Co KG auf deren Gefahr und für deren Rechnung handele. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 386 bis 390 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10.09.2003 bewarb sich die C GmbH bei der Beklagten um den Abschluss eines Vertriebsvertrags für Neufahrzeuge sowie einen Vertrag als X-Service-Partner (Anlage B 8). Die Bewerbung vom 27.08.2003 nahm sie zurück. Am 15.10.2003 wurde zwischen der C GmbH und der Beklagten ein Vertrag für X-Partner-Service abgeschlossen. Den Abschluss eines Vertriebsvertrags für Neufahrzeuge lehnte die Beklagte ab. Die Fa. C GmbH betreibt ihre Geschäfte auf dem Nachbargrundstück zum Betriebsgrundstück der Klägerin. Die Klägerin ihrerseits führt einen freien Handel mit Kraftfahrzeugen, darunter Fahrzeuge der Marke X.

Unter Bezugnahme auf die Ablehnung eines Vertriebsvertrages zwischen der Beklagten und der Fa. C GmbH vereinbarten die A & Co KG sowie B A in einer auf den 15.01.2004 datierten privatschriftlichen Vereinbarung u. a., dass der Treuhandvertrag "nicht in Gang gesetzt bzw. rückwirkend vom Beginn an aufgehoben werde". An seine Stelle trat eine "Rahmen-Darlehensvereinbarung", weil B A "die Mittel für die Kapitalerhöhung der C GmbH in Höhe von 246.612,44 €" von der A & Co KG erhalten hatte.

Die Klägerin macht nunmehr Ausgleichsansprüche für das Neuwagengeschäft sowie für das Ersatzteilgeschäft geltend (Schreiben vom 07.05.2004, Bl. 28 - 32 d. A.).

Sie hat sich darauf berufen, dass die Beklagte ihr keinen konkreten neuen Händlervertrag angeboten habe und überdies die Bedingungen des neuen Vertrages ungünstiger als diejenigen des gekündigten Vertrages gewesen seien.

Die Klägerin hat einen Ausgleichsanspruch für ihr Neuwagengeschäft in Höhe von 1.803.819,72 € oder von 3.160.945,48 € (Anlage A 12) berechnet. Dabei hat sie der Berechnung eine sog. Sogwirkung der Marke X von 15 % zugrunde gelegt. Für den Verlust des Teilegeschäfts errechnet sie einen Ausgleichsanspruch von 461.536,- €. Unter Berücksichtigung des Höchstbetrages gem. § 89 b Abs. 2 HGB kommt die Klägerin auf einen Ausgleichsanspruch von 2.026.341,20 €.

Sie hat die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen verklagt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Ausgleichsanspruch der Klägerin bestehe nicht. Aufgrund der umfangreichen Änderungen durch die bevorstehende GVO Nr. 1400/02 wären die Händlerverträge höchstwahrscheinlich nichtig geworden. In diesem Falle hätten keine Ausgleichsansprüche der Vertragshändler bestanden. Dass sie - Beklagte - zusätzlich zu diesem Umstand Kündigungen der Händlerverträge ausgesprochen habe, könne nicht zu Ausgleichsansprüchen führen.

Jedenfalls sei ein Ausgleichsanspruch der Klägerin analog § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen, da die Klägerin den Abschluss des ihr angebotenen neuen Händlervertrages ohne hinreichende Gründe abgelehnt habe. Der Klägerin sei es ersichtlich lediglich darum gegangen, einerseits einen Ausgleichsanspruch zu erlangen, während andererseits ihre Schwestergesellschaft Fa. C GmbH die Geschäfte der Klägerin habe fortsetzen sollen. Die Beklagte hat gemeint, die Annahme eines Folgevertrages sei der Klägerin zumutbar gewesen, da die Vertragsbedingungen auf einer weitgehenden Einigkeit mit dem Verband Deutscher X-Händler (VDXH) beruhe und - wie die Beklagte behauptet - ca. 95 % aller angesprochenen Händler das neue Vertragsangebot angenommen hätten. Per Saldo habe sich aus den Konditionen des Neuvertrages keine Verschlechterung gegenüber dem früheren Vertrag ergeben. Die Ablehnung durch die Klägerin sei vielmehr aus autonomen Gründen erfolgt.

Weiterhin hat die Beklagte die Höhe des geltend gemachten Ausgleichs im Neuwagengeschäft bestritten. Insbesondere hat sie die Auffassung vertreten, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, Ausgleichsansprüche für den Zweigbetrieb der B GmbH & Co KG geltend zu machen, und dass der von der Klägerin angesetzte Abschlag wegen der sog. Sogwirkung der Marke X anstatt mit 15 % mit 60 % bemessen sei.

Weiterhin ist die Beklagte der Auffassung gewesen, auch für den Handel mit Ersatzteilen könne kein Ausgleichsanspruch bestehen. Zum einen seien die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch für das Ersatzsteilgeschäft schon grundsätzlich nicht gegeben, weil die Vorschrift des § 89 b HGB im Kraftfahrzeugvertrieb nur auf Neufahrzeuge, nicht aber auf Ersatzteile abstelle. Abgesehen davon werde das ehemalige Servicegeschäft der Klägerin nunmehr von der Fa. C GmbH weiterbetrieben. Dies sei der Klägerin zuzurechnen.

Zusätzlich hat die Beklagte die Höhe des geltend gemachten Ausgleichsanspruchs für das Ersatzteilgeschäft bestritten.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Den Ausgleichsansprüchen der Klägerin stehe als ständiges Leistungsverweigerungsrecht entgegen, dass sie sich die formale Rechtsposition rechtsmissbräuchlich verschafft habe (§ 242 BGB). Die A & Co KG als 100-prozentige Gesellschafterin sowohl der Klägerin als auch der C GmbH habe diese beiden Tochtergesellschaften in verdeckter Weise gegenüber der Beklagten instrumentalisiert, um einerseits für die Klägerin einen erheblichen Ausgleichsbetrag zu erlangen und andererseits durch die Fa. C GmbH weiter Geschäfte im gewohnten Umfang mit der Beklagten betreiben zu können. Dieses objektiv auf die Schädigung der Beklagten zielende Verhalten sei in höchstem Maße missbilligenswert und sittenwidrig. Dass die Klägerin, die O. A & Co KG sowie die C GmbH eigenständige juristische Personen seien, könne vernachlässigt werden, weil das Ausnutzen dieser Eigenständigkeit im juristischen Sinn Teil des gegen die Beklagte geschmiedeten Komplotts sei. Die C GmbH sei aus dem Einfluss der O. A & Co KG durch Abtretung der Kapitalanteile an B A ausgegliedert worden. Die Mittel für die Kapitalerhöhung der C GmbH auf 400.000,- € stammten nicht von B A, sondern seien von der A & Co. KG zur Verfügung gestellt worden, die nur wenige Augenblicke zuvor die Anteile für 1,-- Euro verkauft hatten. Die A & Co. KG habe sich das "Sagen" in der C GmbH behalten, indem sie mit deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer B A einen Treuhandvertrag geschlossen habe, wonach dieser nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber als ihr Treuhänder auf ihre Gefahr und für ihre Rechnung handeln würde. Sie habe sich die volle Weisungsgebundenheit über B A in allen Geschäftsführungs- und Gesellschaftsangelegenheiten gesichert. Damit sei der Zustand pro ante der Kapitalanteilsübertragung an B A für die A & Co KG wiederhergestellt worden. Die Klägerin habe dann den Neuabschluss des ihr jedenfalls allgemein und zumindest konkludent über das X-Partner-Net auch ausformuliert angebotenen Händlervertrags unter Hinweis auf die Unzumutbarkeit wegen verschlechterter Konditionen verweigert. Damit sei es rein äußerlich bei der Beendigung des Händlervertrags aufgrund Kündigung seitens der Beklagten verblieben, woran § 89 b HGB in entsprechender Anwendung einen Anspruch auf Ausgleich der verlorenen Provisionen knüpfe, den die Klägerin mit über 2 Millionen Euro berechne. Die Vorteile aus diesem Betrag kämen einerseits der A & Co KG aufgrund ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Klägerin zugute. Andererseits könne sie auch die Vorteile aus der beabsichtigten Fortführung der identischen Geschäfte zwischen der C GmbH und der Beklagten ziehen, die - ausgewiesen durch den Treuhandvertrag - als ihre "Marionette" tätig werden sollte. Da es auf subjektive Elemente wie Absicht oder Verschulden nicht ankomme, sei es völlig unerheblich, welche Motive die Gesellschafter der A & Co KG mit diesem "Manöver" eventuell verbunden haben sollten. Das Landgericht hat ferner ausgeführt, dass die Klage auch aus anderen Gründen ohne Erfolg geblieben wäre. Die Verweigerung des Neuabschlusses des Händlervertrags durch die Klägerin stehe einer Eigenkündigung gleich. Die Kündigung der Beklagten, wenn sie auch noch auf andere Gründe gestützt gewesen sei, habe ihren zwingenden Anlass in der bevorstehenden Änderung der GVO gehabt. Die Konditionen des allen X-Händlern und damit auch der Klägerin bekannten neuen Vertrags seien per Saldo nicht unzumutbar im Verhältnis zum früheren Vertragsstatus gewesen. Ein Ausgleichsanspruch sei für das Ersatzteilhandelsgeschäft auch grundsätzlich ausgeschlossen gewesen, weil die Voraussetzungen des § 89 b HGB nicht erfüllt gewesen seien. Wegen der weiteren Feststellungen des angefochtenen Urteils und seiner Begründung wird auf Bl. 631 - 639 d. A. Bezug genommen.

Gegen das am 26.05.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.06.2005 Berufung eingelegt und diese mit am 26.07.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe sich nicht mit den Gründen auseinandergesetzt, weshalb sie sich nicht um einen neuen Händlervertrag beworben habe. Ferner behauptet die Klägerin nunmehr, die Beklagte habe die Verknüpfung zwischen ihr (Klägerin) und der C GmbH gekannt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.05.2005, Aktenzeichen 3/13 O 138/04, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.026.341,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei 01.10.2003 zu zahlen,

hilfsweise: das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt erstinstanzlichen Vortrag und bestreitet, die nach dem 10.09.2003 tatsächlich noch bestehenden Verflechtungen der C GmbH und der Klägerin gekannt, insbesondere Kenntnis von dem Treuhandvertrag gehabt zu haben.

Die Beklagte meint, der Erlass eines Grundurteils sei unzulässig, zumal die Klägerin bisher keinen Beweis für die behaupteten Mehrfachkundenerträge angeboten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als zugunsten der Klägerin über den Grund des Anspruchs entschieden werden kann. Der Klägerin steht jedenfalls ein Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich analog § 89 b HGB zu, soweit es um einen Ausgleichsanspruch für das Neuwagengeschäft geht. Darüber kann durch Grundurteil unter gleichzeitiger Zurückverweisung wegen des Betrags des Anspruchs nach §§ 304, 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO entschieden werden.

Die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil über den Grund liegen vor. Sämtliche Anspruchsmerkmale für eine entsprechende Anwendung des § 89b Abs. 1 Nrn. 1 - 3 HGB sind gegeben. Insbesondere hat die Beklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den von der Klägerin geworbenen Neukunden, des weiteren entstehen der Klägerin durch die Vertragsbeendigung Provisionsverluste und schließlich entspricht der Ausgleichsanspruch der Billigkeit (zu diesen Voraussetzungen des Grundurteils BGH NJW 1996, 848, 849 f.).

Die grundsätzlichen Voraussetzungen einer Analogie zu § 89b Abs. 1 HGB, nämlich dass die Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert und zur Übertragung ihres in der Vertragszeit gewonnenen Kundenstamms durch laufende Übermittlung der Kundendaten bei Neuwagengeschäften verpflichtet war, sind zwischen den Parteien nicht streitig. Die Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten ergibt sich daraus, dass die Klägerin vertraglich zur aktiven und wirksamen Verkaufsförderungs- und Vertriebstätigkeit für X-Fahrzeuge und - Ersatzteile (Nr. 2.2 (b) des Händlervertrages) in einem vereinbarten Marktverantwortungsgebiet (Nr. 4.1) verpflichtet war, dass sie sich verpflichtet hatte, den X-Kunden Service zu leisten (Nr. 2.2 c) und dabei nur original X-Ersatzteile oder diesen gleichwertige Ersatzteile zu verwenden (Nr. 2.4).

Die Beklagte hatte aus der Geschäftsverbindung mit den von der Klägerin geworbenen neuen Stammkunden auch nach Beendigung des Vertragshändlervertrages erhebliche Vorteile. Die Klägerin war nach Nr. 2.8.3.2. der Zusatzbestimmungen zum Händlervertrag verpflichtet, der Beklagten die Stammdaten der geworbenen Kunden mitzuteilen. Unabhängig vom Zweck der Datenübermittlung kann die Beklagte diese Kundendaten für ihre Absatzbemühungen nutzen.

Der Klägerin entstehen Provisionsverlusten entsprechende Nachteile, weil sie nicht mehr in den Genuss der Händlermargen kommt, die sie aufgrund des Händlervertrages beanspruchen konnte.

Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist hinsichtlich des Neuwagengeschäfts durch die Kündigung der Klägerin vom 20.03.2002 zum 30.09.2003 beendet worden.

Der Ansicht der Beklagten, ihre Kündigung begründe keinen derartigen Ausgleichsanspruch, weil der Händlervertrag ohnehin nach dem 30.09.2003 wegen Verstoßes gegen Art. 82 EGV nichtig gewesen wäre, ist nicht zu folgen.

Dies gilt im zu entscheidenden Fall nach Ansicht des Senats schon deshalb, weil die Neufassung der GVO bei der am 20.03.2002 ausgesprochenen Kündigung nicht der eigentliche Grund, jedenfalls nicht das vorrangige Motiv für die Beendigung des Vertragshändlervertrags war. Dass die Beklagten den Händlervertrag mit der Klägerin einzig und allein deshalb gekündigt hat, um mit dem Abschluss neuer Verträge den Anforderungen der GVO Nr. 1400/2002 gerecht werden zu können, ist nicht erkennbar. Zur Begründung der Kündigung führt sie in dem Schreiben vom 20.03.2002 vielmehr die Restrukturierung des Vertriebsnetzes an, da die Beklagte in Zukunft den deutschen Automarkt mit ca. 470 Händlerbetrieben betreuen wollte, mit den weiteren Zielen der Neuausrichtung des Margensystems, der Änderung der Grundlagen für das Geschäft mit Großkunden und Gewerbetreibenden sowie der Neudefinition künftiger Standards. Dass der Entwurf der neuen Gruppenfreistellungsverordnung weitere erhebliche Umstrukturierungen (möglicherweise) erforderlich machen könnte, wird in dem Schreiben nur ganz nebenbei erwähnt, zumal die endgültige Neufassung der GVO im Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch gar nicht vorlag und schon deshalb nicht Anlass für die Kündigung sein konnte.

Unabhängig davon überzeugt die Auffassung, die auf eine ohnehin durch die Änderung der GVO eintretende Nichtigkeit abstellt (so auch Schönbohm WRP 2004, 695, 699), nicht. Abgesehen von den Fällen, in denen der Handelsvertreter oder Vertragshändler die Beendigung des Vertrages selbst herbeigeführt oder schuldhaft veranlasst hat, spielt der Grund für die Beendigung für den Ausgleichsanspruch keine Rolle (von Hoyningen-Huene in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl., § 89b Rn. 28). Insbesondere ist nicht Voraussetzung, dass der Anlass für die Beendigung des Vertrages dem Hersteller zuzurechnen ist (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 89 b Rn. 7). Insofern liegt der Streitfall anders als bei einem von Anfang an nichtigen Vertrag, für den der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 12.03.2003 (VIII ZR 221/02 = NJW-RR 2003, 894) einen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ausgeschlossen hat (abweichend von BGH NJW 1995, 1958, wo er einen Ausgleichanspruch bei einem nichtigen, aber durchgeführten Handelsvertretervertrag bejahte).

Ebenso wenig ist der Auffassung der Beklagten und des Landgerichts zu folgen, dass die Ablehnung eines neuen Händlervertrages durch die Klägerin einer Eigenkündigung im Sinne von § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB gleichstehe. Dies könnte sich dogmatisch nur aus einer Analogie zu der genannten Vorschrift ergeben (befürwortend Schönbohm a. a. O. Seite 699; Stumpf/Ströbel MDR 2004, 1209, 1210 f; beiläufig und ohne nähere Begründung auch OLG Zweibrücken OLGR 2005, 873, 876; ferner LG Frankfurt am Main WRP 2004, 1506, 1507). Die Voraussetzungen dafür liegen jedoch nicht vor.

Eine analoge Anwendung des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ist schon deshalb abzulehnen, weil es im Gesetz an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (so allerdings Landgericht Köln, Urteil vom 24.06.2005, Az. 90 O 208/04). Dass der Unternehmer durch eine Novellierung der GVO zur Umstrukturierung seines Händlernetzes und deshalb zur Kündigung aller Händlerverträge veranlasst wird, erfordert keine entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Eigenkündigung des Handelsvertreters. Diese Konstellation mag sich zugunsten der Beklagten dadurch auszeichnen, dass weder sie noch die Klägerin die wirtschaftlichen Gründe für die Kündigung herbeigeführt haben. Das Gesetz gibt aber durch § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB zu erkennen, dass bei einer Kündigung durch den Unternehmer der Ausgleich geschuldet ist, solange nicht der Handelsvertreter die Kündigung durch eigenes schuldhaftes Verhalten veranlasst hat. Liegt ein solches Verhalten des Handelsvertreters - wie hier - nicht vor, hat er Anspruch auf die Ausgleichszahlungen, ohne dass es noch darauf ankäme, was den Unternehmer zu der Kündigung bewogen hat.

Abgesehen davon ist eine entsprechende Geltung der Regelung über die Eigenkündigung des Handelsvertreters auch nicht gerechtfertigt. Die Bestimmungen des § 89b Abs. 3 HGB sind eng auszulegen (BGH NJW 2000, 1866 = BB 2000, 736, 738). Eine analoge Anwendung der Nr. 1 ist deshalb nur möglich, wenn eine Konstellation vorliegt, die einer Kündigung durch den Handelsvertreter gleichkommt. Der Bundesgerichtshof hat die Analogie zur Eigenkündigung des Handelsvertreters gezogen, wenn der Handelsvertreter die Fortsetzung eines Kettenvertrages ablehnt (NJW 1996, 848, 849; 1999, 2668). Die Konstellation einer Aneinanderreihung jeweils auf ein Jahr abgeschlossener Handelsvertreterverträge ist aber mit dem vorliegenden Fall nicht gleichzusetzen, weil durch diese Kettenverträge ein einheitliches, auf unbestimmte Zeit geschlossenes Vertragsverhältnis entstanden war. Dieses endete erst dadurch, dass der Handelsvertreter sich weigerte, einen neuen Jahresvertrag abzuschließen. Im Streitfall endete das Händlerverhältnis demgegenüber schon durch die Kündigungserklärung der Beklagten. Diese Vertragslage ist vielmehr einer Änderungskündigung des Unternehmers gleichzustellen. In diesem Fall verliert der Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch nicht, wenn er einen neuen Vertrag mit geändertem Inhalt ablehnt (BGHZ 142, 358, 368 f. = NJW 2000, 515, 517; Niebling, Vertragshändlerrecht, 2. Aufl., Rn. 273).

Als Grund für eine entsprechende Anwendung von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB wird ferner angeführt, dass die Kündigung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vertrag ohnehin wegen Verstoßes gegen Art. 81 EGV nichtig geworden wäre, "ins Leere" gehe (so Schönbohm a.a.O), so dass eine zusätzlich ausgesprochene Kündigung nicht anspruchsbegründend wirken könne. Dieses Argument ist nicht tragfähig, weil bereits, wie soeben ausgeführt, auch die ab einem bestimmten Zeitpunkt eintretende Nichtigkeit des Händlervertrages einem Ausgleichsanspruch nicht entgegensteht. Ferner wird angeführt, dass der Hersteller durch sein Angebot, einen neuen Vertrag abzuschließen, letztlich lediglich eine Anpassung des bisherigen Vertrages an die rechtlichen Rahmenbedingungen bezwecke, so dass es auf einer eigenen Entscheidung des Händlers beruhe, wenn er eine Fortsetzung des Vertrages ablehne (so Schönbohm a. a. O. und Stumpf/Ströbel a. a. O.). Diese Auffassung überzeugt gleichfalls nicht. Nachdem die Beklagte den Händlervertrag gekündigt hatte, stand der Klägerin die Entscheidung frei, ob sie einen neuen Vertrag abschließt. Jedenfalls dann, wenn der Neuvertrag geänderte Bedingungen enthalten soll (wie hier zum Beispiel bezüglich der Händlermargen), muss der Händler in seiner Entscheidung frei sein, ob er auf das neue Angebot eingeht. Eine solche Freiheit hat er nicht mehr, wenn er bei der Ablehnung der geänderten Bedingungen seinen Ausgleichsanspruch verlieren würde (wie hier auch Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2, 7. Auflage, Rn. 285; Vogels/Köhnen in: Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht Rn. 526; Emde in: Giesler, Praxishandbuch, Rn. 739; ebenso wohl auch OLG Köln Betriebsberater 1997, 61, 62; von Hoyningen-Huene Rn. 159; Koller/Roth/Morck, HGB, 5. Aufl. § 89 b Rn. 16).

Angesichts dessen braucht nicht entschieden zu werden, ob eine der Eigenkündigung des Händlers entsprechende Situation gegeben wäre, wenn die Beklagte lediglich Änderungen des Vertragsinhalts angeboten hätte, die allein durch die Novellierung der GVO veranlasst gewesen wären. Denn das war, wie schon die Änderungen der Händlermargen zeigen, hier nicht der Fall.

Da die Analogie zu § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB bereits aus diesen Gründen scheitert, ist es im Folgenden ebenso unerheblich, ob die von der Beklagten angebotenen neuen Vertragsbedingungen der Klägerin zumutbar sind, worauf aber das Landgericht Köln abstellen will (a.a.O.). Gleichfalls kann es nicht mehr darauf ankommen, ob die Klägerin die Ablehnung eines geänderten Folgevertrages gerade mit der Änderung der Bedingungen begründet oder zu welchem Zeitpunkt sie sich auf einen solchen Grund berufen hat.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Das Landgericht hat seine Auffassung darauf gestützt, dass die Schwestergesellschaft der Klägerin, Fa. C GmbH, sich um einen Händlervertrag beworben habe, so dass im Ergebnis der Muttergesellschaft A & Co KG wirtschaftlich der Ausgleichsanspruch zufalle, während sie durch die von ihr beherrschte C GmbH die Vorteile eines Händlerverhältnisses weiterhin hätte genießen wollen. Die Klägerin macht dagegen zu Recht geltend, dass ein Händlervertrag zwischen der C GmbH und der Beklagten letztlich nicht geschlossen wurde. Damit ist es zu der doppelten Bevorteilung der A & Co KG nicht gekommen. Der etwaige Versuch, beide Vorteile durch die Instrumentalisierung der Klägerin und der C GmbH zu erlangen, blieb erfolglos und kann deshalb keinen Rechtsmissbrauch begründen. Abgesehen davon würde die Verletzung eigener Pflichten - hier: der eventuellen nachvertraglichen Pflicht, der Beklagten den zwischen der A & Co KG und B A geschlossenen Treuhandvertrag sogleich mitzuteilen - die Klägerin nicht an der Geltendmachung ihres Anspruchs hindern, sondern allenfalls Gegenansprüche der Beklagten entstehen lassen (vgl. BGH NJW 2000, 505, 506; NJW-RR 2005, 743, 745 f.).

Der Senat macht auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Klägerin von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO liegen vor. Der Anspruch ist nach Grund und Betrag streitig. Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil lediglich über den Grund entschieden und die Klage abgewiesen. Der Streit über den Betrag des Anspruchs ist auch nicht entscheidungsreif, sondern erfordert eine Beweisaufnahme, insbesondere zu der Frage, welche der von der Klägerin angegebenen Kunden von ihr neu geworben wurden sowie zur Mehrfachkundenquote.

Die Voraussetzungen eines Grundurteils sind gegeben. Der Streit über den Grund ist vollständig und im stattgebenden Sinne entscheidungsreif (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 304 Rn.6). Insbesondere kommt eine Klageabweisung derzeit nicht in Betracht. Den Parteien ist vielmehr Gelegenheit zu geben, ihre Beweisantritte zu ergänzen, wobei die Klägerin noch nicht unter Beweis gestellt hat, dass es sich bei den Neuwagenverkäufen um Geschäfte mit von ihr neu angeworbenen Kunden handelt sowie dass die angesetzten Roherträge zutreffen, während seitens der Beklagten bislang kein Beweis dafür angetreten worden ist, dass der Höchstbetrag nach § 89b Abs. 2 HGB niedriger liegt als von der Klägerin behauptet.

Die zum Anspruchsgrund zählenden Rechtsfragen kann der Senat abschließend entscheiden. Insbesondere besteht danach der Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe (BGHZ 110, 201; Zöller/Vollkommer a.a.O. m. w. N.). Die den Anspruch entgegengehaltenen Einwendungen führen - wie sogleich noch darzulegen ist - auch im Gesamtergebnis nicht zu einer Reduzierung des Anspruchs auf Null.

Der Ausgleichsanspruch der Klägerin entspricht unter Berücksichtigung aller Umstände mit einem Abschlag von höchstens 50% der Billigkeit (§ 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB entsprechend).

Bei der Frage der Billigkeit ist zum einen die Sogwirkung der Marke X zu berücksichtigen (z. B. BGH NJW 1996, 2302). Diese führt jedoch nicht zum Ausschluss des Anspruchs (diese Möglichkeit bejahend etwa Emde in: Giesler, Praxishandbuch, Rn 732). Die Rechtsprechung hat unter diesem Gesichtspunkt Abzüge bis zu 25 % vorgenommen (BGH NJW 1996, 2302, 2304). Die Argumente der Beklagten, wonach dieser Abschlag erheblich höher sein müsse (Bl. 375 - 381 d. A.), sind nicht überzeugend. Die Beklagte behauptet, die meisten Kunden favorisierten beim Kauf eines Neufahrzeugs das Design, die Innenausstattung, die technischen Daten, das Image und nicht zuletzt den Preis des Fahrzeugs. Erst wenn der Kunde ein Fabrikat und einen Modelltyp favorisiert habe, suche er einen Händler auf. Der Kaufentschluss, ein bestimmtes Fahrzeug zu kaufen, stehe zu diesem Zeitpunkt in den meisten Fällen bereits fest (Bl. 378 d. A.). Die Klägerin meint, dass deshalb die Sogwirkung der Marke X bei mindestens 60 % anzusiedeln sei (Bl. 379 d. A.). Die von der Beklagten vorgebrachten Umstände sind jedoch nicht in einer Weise empirisch fassbar, dass sie einen höheren als den seit langer Zeit praktizierten und akzeptierten Höchstwert von 25 % rechtfertigen würden. Ferner bezieht sich die Beklagte auf eine Umfrage nach dem Käuferverhalten, wenn der bisherige Vertragshändler eine neue Automarke vertreten würde. Danach würden nur 11,7 % der befragten Personen bei ihrem alten Händler bleiben, während 38,3 % dies auf keinen Fall tun würden (Bl. 178 ff. d. A. und Anlage B 27). Für die Marke X würden nur 10,8 % aller befragten Interessenten ihrem Händler treu bleiben, während 32,1 % der X-Interessenten den Händler wechseln wollten. Auch dadurch würde allenfalls eine Sogwirkung der Marke X von 32,1 % belegt. Die Abweichung um etwa 7 Prozentpunkte (zu 25 %) gibt keinen Anlass, von der in der Rechtsprechung angenommenen Höchstmarke von 25 % abzuweichen. Andererseits erscheint aber auch eine geringere Prozentzahl nicht gerechtfertigt. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie seit 80 Jahren als X-Händler tätig sei und das Image der Marke X in den letzten Jahren verringert gewesen sei (Bl. 275 d. A.). Die Beklagte weist aber mit Recht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19.12.2003, Az. 5 U 227/02 hin, wonach die lange Vertragsdauer (im Streitfall: 80 Jahre) für die Sogwirkung der Marke unbeachtlich sei, weil sich diese bereits zu einem erheblichen Teil in der Mehrfachkundenquote niederschlage (Bl. 377 d. A.). Die angebliche Verringerung des Markenimages in den vergangenen Jahren reicht gleichfalls nicht zu einer Reduzierung des Abschlages aus, da es sich bei der Marke X nach wie vor um eine der führenden Automarken handelt.

Die Beklagte will ferner anspruchsmindernd im Wege der Billigkeit berücksichtigt wissen, dass die Schwestergesellschaft der Klägerin, nämlich die C GmbH, den X-Service-Betrieb weiterführe. Dem ist zu folgen. Grundsätzlich ist es im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen, wenn ein Vertragshändler im Vertriebsnetz des Herstellers verbleibt und lediglich zur Werkstatt herabgestuft wird. Denn in diesem Fall bleiben ihm weiterhin Vorteile aus seinem Kundenstamm erhalten (Niebling, Rn. 277 ff.). Erfahrungsgemäß wird jedenfalls ein Teil der vom Händler geworbenen Neukunden auch nach Aufgabe des Händlerbetriebs ihre Fahrzeuge durch den ihnen bekannten und günstig gelegenen Betrieb warten und reparieren lassen. Soweit diese fortbestehende Kundenbindung im Streitfall auf der günstigen Lage des Betriebsgeländes beruht, kommt dies der C GmbH zugute. Diesen Vorteil eines an sich von der Klägerin rechtlich verschiedenen Unternehmensinhabers muss sich die Klägerin jedoch wie einen eigenen zurechnen lassen. Die Auffassung des Landgerichts, dass hier eine bloße Verschiebung des Geschäfts innerhalb des Konzerns der A & Co KG objektiv stattgefunden hat, ist beizutreten. Die Klägerin ist deshalb so zu behandeln, als ob sie selbst das Servicegeschäft weiterführen würde. In einem solchen Fall ist unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Abschlag vom Ausgleichsanspruch angebracht (insofern zutreffend Stumpf/Ströbel MDR 2004, 1209, 1212; Niebling, Rn. 281). Allerdings kann dies nicht in Höhe von 50 % gerechtfertigt sein, wie die Beklagte meint. Die Beklagte beruft sich insofern auf den Leitfaden zur GVO, wonach die Kosten für die Bereiche Reparatur und Wartung sowie Vertrieb von Ersatzteilen während der Lebensdauer eines Kfz mit jeweils 40 % der Gesamtkosten fast so hoch seien wie die Kosten der Anschaffung des Fahrzeugs. Im Streitfall kann jedoch nicht ein Durchschnittswert der gesamten Branche im EU-Raum maßgeblich sein. Zu beachten ist stattdessen, dass hier der Vorteil der C GmbH nicht auf dem Good will beruht, den sich die Klägerin über Jahre hinweg geschaffen hat, sondern lediglich auf dem Umstand, dass der Service-Betriebs auf dem Nachbargelände des ehemaligen Autohauses der Klägerin eröffnet wurde. Dies rechtfertigt innerhalb des regelmäßig in Frage kommenden Bereichs von 10 - 25 % (Niebling, Rn. 281) nur einen Abzug an der untersten Grenze, somit von 10 %.

Als weiteren Grund für eine Minderung des Ausgleichsanspruchs führt die Beklagte an, dass die Klägerin einen unautorisierten Betrieb von X-Neufahrzeugen führe (Bl. 183 ff. d. A.). Die Klägerin bestreitet den Sachverhalt nicht (Bl. 280 ff. d. A.). Sie meint jedoch, dass dies keinen Billigkeitsabzug rechtfertige. Grundsätzlich ist die Auffassung der Beklagten zutreffend, dass die Fortsetzung des Handels mit Neufahrzeugen dem Händler seinen Kundenstamm jedenfalls teilweise erhält (OLG Köln VersR 2002, 437, 438). Dies rechtfertigt einen Abzug, der ebenfalls im Bereich von 10 bis 25 % liegt, sich jedoch danach richtet, inwieweit die Klägerin mit X-Neufahrzeugen die gleichen Verkaufszahlen erzielt wie vor der Kündigung. Dazu müssten die Parteien noch vortragen.

Dem Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe nachvertraglich den Handel mit Fahrzeugen der Konkurrenzmarken Y und Z aufgenommen (Bl. 187 d. A.), hat die Klägerin widersprochen und darauf hingewiesen, dass diese Marken von Schwestergesellschaften vertrieben werden (Bl. 220 d. A.). Die Beklagte ist deshalb auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr zurückgekommen.

Die Beklagte führt weiterhin an, sie hätte das Vertragsverhältnis wegen der bewussten Schädigungsabsicht der Klägerin gemäß § 89a HGB außerordentlich kündigen können (Bl. 299 d.A.), weil die Klägerin ihr den Treuhandvertrag zwischen der A & Co KG und B A vom 10.09.2003 zunächst nicht vorgelegt hat und sie erst im Berufungsverfahren bezüglich der Klage der Klägerin auf Rücknahme von Ersatzteilen (OLG Frankfurt am Main, Az.: 21 U 74/04) davon Kenntnis erlangte. Aus diesem Vertrag ergebe sich, dass B A mit "seiner" Firma C GmbH vollständig den Weisungen der A & Co KG unterworfen sei. In unauflösbarem Widerspruch dazu habe die Klägerin jedoch von Anfang an herausgestellt, dass die C GmbH und ihr Geschäftsführer eigenständig und von der Klägerin und A A unabhängig seien; es habe eine vollständige gesellschaftsrechtliche Entflechtung stattgefunden. Nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB würde sie (Beklagte) deshalb keinen Ausgleich schulden. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob der Händler während oder erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses versuche, den Prinzipal zu schädigen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Grundsätzlich kann zwar ein Verhalten des Vertragshändlers, das den Hersteller zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte, im Rahmen der Billigkeitserwägungen berücksichtigt werden (BGH NJW 1995, 1958). Im Streitfall lag das Verhalten der Klägerin aber zeitlich nach der Kündigung der Beklagten und wurde erst durch die Kündigung veranlasst. Das Verschweigen des Treuhandvertrages hat zudem den Ausgleichsanspruch für das Neuwagengeschäft auch in keiner Weise beeinflusst, die verschwiegene Tatsache blieb, da die C GmbH selbst keinen Neuwagen-Händler-Vertrag abgeschlossen hat, ohne Bedeutung. Daher kann daraus keine Minderung des Ausgleichsanspruch hergeleitet werden.

Als Grund für einen Billigkeitsabschlag gemäß § 89 b Abs. 1 Satz 3 HGB kommt ferner nicht in Betracht, dass die Klägerin den Abschluss eines neuen Händlervertrages trotz der von der Beklagten behaupteten Zumutbarkeit abgelehnt habe (zu einem solchen Abschlag Stumpf/Ströbl MDR 2004, 1209, 1210). Ein Abschlag ist unter diesem Gesichtspunkt allenfalls in eklatanten Ausnahmenfällen möglich. Er mag dann zu bejahen sein, wenn der angebotene Vertrag mit dem beendeten praktisch inhaltsgleich ist, denn nur unter dieser Voraussetzung kann von einer Zumutbarkeit für den Händler ausgegangen werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der neue Händlervertrag sah jedenfalls eine grundlegende Umgestaltung der Margen vor. Dabei ist ohne Belang, dass die Klägerin unter günstigsten Voraussetzungen sogar noch höhere Margen erzielen konnte als unter dem Altvertrag. Denn es muss der unternehmerischen Entscheidung des Händlers überlassen bleiben, ob er das mit der Fortsetzung des Geschäfts verbundene geänderte Risiko eingehen will. Daneben hatten sich noch Änderungen hinsichtlich des Servicegeschäfts ergeben, das nunmehr zusätzlich zu den Händlern von Servicepartnern der Beklagten betrieben wird. Da der Service ein maßgeblicher Faktor der Kundenbindung ist und hier erhebliche Teile des Umsatzes erzielt wurden, stellt sich auch insofern die Risikolage neu dar. Wenn ein Händler dann den Neuabschluss eines derart geänderten Vertrages ablehnt, kann ihm das auch nicht im Wege einer Minderung seines Ausgleichsanspruchs zum Nachteil gereichen (wie hier auch Küstner/Thume Rn. 1510 f. mit Hinweis auf OLG Nürnberg, Urteil vom 03.11.1982, Versicherungswirtschaft 1983, 549).

Insgesamt kann sich der Abschlag aus Gründen der Billigkeit aufgrund der nach dem Vorstehenden zu berücksichtigenden Gesichtspunkte auf 30 bis 50 % belaufen. Damit verbleibt der Klägerin ein Ausgleichsanspruch in noch festzustellender Höhe.

Die Revision ist für die Beklagte gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1. ZPO zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung, weil einer Vielzahl von Händlern Angebote auf Neuabschluss von Händlerverträgen abgelehnt haben und Ausgleichsansprüche erheben.

Ende der Entscheidung

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