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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 11 U 51/06
Rechtsgebiete: BGB, KUG


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 1004
KUG § 22
1. Der Einwand der missbräuchlichen Mehrfachverfolgung greift gegenüber Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild (§ 22 KUG) grundsätzlich nicht ein.

2. Das Persönlichkeitsrecht eines Straftäters genießt mehr als 15 Jahre nach der Tat auch dann Vorrang vor dem öffentlichen Informationsinteresse und der Pressefreiheit, wenn es sich bei der Straftat um einen aufsehenerregenden Mord an einem bekannten Schauspieler gehandelt hat.

3. Eine identifizierende Bildberichterstattung über seine bevorstehende Haftentlassung ist deshalb in aller Regel unzulässig.


Gründe:

I.

Der Verfügungskläger (künftig: Kläger) wurde ... wegen Mordes an dem Schauspieler ... zu lebenslanger Haft verurteilt. Er verbüßt derzeit seine Haftstrafe in der JVA O1.

Der Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) ist Chefredakteur des A.

Der A berichtete in seiner Ausgabe vom 11.05.2006 über eine mögliche vorzeitige Haftentlassung des Klägers mit einer nicht anonymisierten Portraitaufnahme und unter voller Namensnennung des Klägers (Bl. 8 d. A.).

Mit Beschlussverfügung vom 23.05.2006 hat das Landgericht auf Antrag des Klägers dem B, der den A verlegt, die vorgenannte Bildberichterstattung untersagt.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2006 hat der Kläger den Erlass einer gleichlautenden Unterlassungsverfügung gegen den Beklagten beantragt, die das Landgericht zunächst mit Beschluss vom 26.05.2006 erlassen, aber auf den Widerspruch des Beklagten mit dem angefochtenen Urteil vom 05.10.2006 unter Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wieder aufgehoben hat.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die sukzessive Mehrfachverfolgung gleichgerichteter Unterlassungsansprüche gegen Verlag und Chefredakteur rechtsmissbräuchlich mit der Folge sei, dass im vorliegenden Verfahren der Missbrauchseinwand durchgreife.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er vorträgt:

Das Urteil verkenne, dass der Verlag, bei dem der Beklagte als Chefredakteur angestellt sei, eine Vielzahl von Veröffentlichungen vorgelegt habe, aus denen eine kampagnenhafte Ausrichtung der Berichterstattung objektiv hervorgehe. Er, der Kläger, müsse annehmen, dass seine Identifizierung im A einem gezielten redaktionellen Willen entspreche, für den der Beklagte als Chefredakteur verantwortlich zeichne. Die (zusätzliche) Inanspruchnahme des Beklagten, der Störer sei, beruhe daher auf sachlichen Erwägungen. Es stehe ihm, dem Kläger frei, welche und wie viele Unterlassungsschuldner er in Anspruch nehme. Regelungen aus dem Bereich des Rechts des unlauteren Wettbewerbs (§ 8 Abs. 4 UWG) könnten nicht ohne Weiteres auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts übertragen werden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2006 (Az.: 2-03 O 320/06 wird aufgehoben;

2. dem Verfügungsbeklagten und Berufungsbeklagten wird bei Vermeidung eines in jedem Falle der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zum Betrag von € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,

a) Bildnisse des Verfügungsklägers und Berufungsklägers (wie aus Anlage AS 1 ersichtlich) ohne dessen Zustimmung in der von dem Verfügungsbeklagten und Berufungsbeklagten als Chefredakteur verantworteten Zeitung A im Zusammenhang mit dem Mord an ... zu veröffentlichen;

b) über der den Verfügungskläger und Berufungskläger im Zusammenhang mit dem Mord an ... in identifizierender Weise, insbesondere bei voller Namensnennung, zu berichten, wie aus Anlage AS 1 ersichtlich.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, von einer kampagnenhaften Berichterstattung über den Kläger im A könne keine Rede sein. Der Kläger habe in der Vergangenheit nicht nur identifizierende Berichterstattung über seine Person hingenommen, sondern sogar die Öffentlichkeit von sich aus gesucht.

Ein Grund für seine zusätzliche Inanspruchnahme als Chefredakteur des A bestehe nicht. Die Position eines Chefredakteurs sei nicht mit der Position eines Geschäftsführers oder Vorstands einer AG vergleichbar. Der Chefredakteur vertrete nicht den Verlag und kenne und billige auch nicht jeden einzelnen Artikel. Er könne den einzelnen Redakteuren keine Weisungen erteilen, soweit diese im Rahmen ihrer eigenständigen Berichterstattung die Tendenz des Verlages nicht verlassen. Konkret sei er, der Beklagte, mit der streitgegenständlichen Berichterstattung nicht befasst.

Es liege ein unheilbarer Zustellungsmangel vor, weil die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt vom 26.05.2006 ohne die Anlage AS 1 zugestellt worden sei, auf die der Verfügungsbeschluss ausdrücklich verweise.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Erlass der einstweiligen Verfügung steht nicht entgegen, dass die Beschlussverfügung vom 23.05.2006 möglicherweise nicht wirksam zugestellt worden ist.

Es kann dahinstehen, ob die Zustellung und damit die Vollziehung der Beschlussverfügung ( §§ 922 Abs. 2, 929 ,936 ZPO) unwirksam war, weil die Anlage AS 1 nicht gemeinsam mit der Beschlussverfügung zugestellt worden sein soll. Denn die Beschlussverfügung verliert nach ihrer Aufhebung durch das erstinstanzliche Urteil auf den Widerspruch des Beklagten ihre Wirksamkeit ohnehin endgültig. Das Berufungsgericht stellt im Falle einer erfolgreichen Berufung des Klägers die Wirksamkeit der Beschlussverfügung deshalb nicht rückwirkend wieder her, sondern erlässt gegebenenfalls die einstweilige Verfügung neu. Das gilt unabhängig davon, ob die einstweilige Verfügung im Tenor bestätigt oder vollständig neu ausgesprochen wird (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 138; 2000, 68; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. § 925 Rn. 12 m. w. N.). Der Senat folgt dieser der herrschenden Meinung entsprechenden Auffassung, so dass es auf eine möglicherweise unterlassene Vollziehung der Beschlussverfügung im vorliegenden Zusammenhang nicht ankommt.

Dem Unterlassungsanspruch steht auch nicht der Einwand der missbräuchlichen Mehrfachverfolgung entgegen.

Zu Unrecht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen rechtsmissbräuchlicher Mehrfachverfolgung zurückgewiesen. Dieser Einwand ist von der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang nur im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen anerkannt worden (BGH WRP 02, 320 - missbräuchliche Mehrfachabmahnung; WRP 06, 354 -MEGA SALE).

Er ist auf Ansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes oder gemäß § 22 KUG weder unmittelbar noch entsprechend heranzuziehen (OLG München ZUM-RD 05, 369 = OLGR München 05, 589; KG AfP 06, 254). Der Grund für die Bejahung des Missbrauchstatbestandes in bestimmten Fällen (auch) der subjektiven Klagehäufung auf Passivseite liegt in wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass klagende Gläubiger neben ihrem Interesse an einer Untersagung eines Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgen, den Schuldner durch eine der Sache nach unnötige Belastung mit Kosten und Gebühren der Rechtsverfolgung zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern. Maßgeblich war für die im UWG angelegte einschneidende Begrenzung der Gläubigerbefugnisse nicht allein der Schutz des Schuldners, sondern vor allem auch die Erwägung, dass die extensive Mehrfachverfolgung das System des deutschen Wettbewerbsrechts zu sprengen droht, wonach die auch im allgemeinen Interesse liegende Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Normen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten anvertraut ist. Im Bereich des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten vergleichbare Überlegungen grundsätzlich nicht.

Zu Unrecht meint das Landgericht, der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main habe den Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Mehrfachverfolgung auf den Fall einer gestuften Inanspruchnahme eines Vereins und seines Vorstandes übertragen. In den Entscheidungsgründen jenes Urteils heißt es lediglich, der Senat sei "nicht abgeneigt", die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes auf den ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall zu übertragen. Im Ergebnis hat der 16. Zivilsenat die Frage aber offen gelassen, weil der ihm zur Entscheidung vorliegende Antrag ohnehin in der Sache unbegründet war.

Stehen einem Gläubiger mehrere Unterlassungsansprüche gegen mehrere Schuldner wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu, so kann er deshalb grundsätzlich frei entscheiden, ob er gegen alle oder nur einzelne Schuldner vorgehen und die Ansprüche in einem oder in getrennten Verfahren geltend machen will. Selbst wenn die Geltendmachung verschiedener Ansprüche in getrennten Verfahren ganz ausnahmsweise einmal missbräuchlich erscheinen könnte, bestehen dafür im vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte. Ungeachtet dessen wäre der Anspruch aber selbst vom Standpunkt des Landgerichts aus nicht unbegründet, sondern allenfalls die Klage unzulässig.

In der Sache steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten als verantwortlichen Chefredakteur des A zu.

Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 1004, 823 Abs. 1 und 2, 22 KUG. Auch bei verurteilten Mördern bietet das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich Schutz vor einer zeitlich unbeschränkten Berichterstattung durch die Medien in identifizierender Art und Weise. Dabei steht insbesondere der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund, der hier durch den angegriffenen Artikel unmittelbar betroffen ist. Der Artikel beschäftigt sich mit einer möglichen vorzeitigen Haftentlassung des Klägers auf Bewährung. Es ist danach nicht auszuschließen, dass der Kläger in absehbarer Zeit aus der Haft entlassen werden könnte, so dass die beanstandete Berichterstattung unmittelbar den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichtes (Lebach I, BVerfGE 35, 202; Lebach II,NJW 2000, 1859) widerspricht, wonach ein rechtskräftig verurteilter Mörder im Hinblick auf die angestrebte Resozialisierung und gerade in der letzten Phase der Verbüßung seiner Haftstrafe nicht (mehr) mit vollem Namen genannt werden darf.

Dem dagegen abzuwägenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist auch ohne Namensnennung des Täters Genüge getan. Die streitgegenständliche Berichterstattung befasst sich mit dem Versuch des Klägers, sich durch eine vorzeitige Haftentlassung in absehbarer Zukunft wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Der Artikel ist, auch wenn er letztlich nur sachliche Informationen enthält, durch die Nennung des Namens des Klägers geeignet, dessen Resozialisierung zu gefährden und zu einer Stigmatisierung zu führen. Eine überwiegende Freiheit der Berichterstattung und des Informationsinteresses kann auch nicht damit begründet werden, dass wegen des hohen Bekanntheitsgrades des Verbrechens an dem Schauspieler ... und des daran anschließenden Strafverfahrens ohnehin allgemein bekannt sei, dass der Kläger als Mörder von ... verurteilt wurde. Nachdem die Tat bereits 16 Jahre zurückliegt, ist anzunehmen, dass es durchaus Leserkreise gibt, denen der Name des für die Tat verurteilten Straftäters nicht oder nicht mehr gegenwärtig ist. Allein der Umstand, dass die Tat und der Prozess seinerzeit spektakulär waren, reicht für einen Vorrang des Informationsinteresses der Öffentlichkeit nach einem Zeitablauf, wie dem vorliegenden, nicht aus. Andernfalls würde bei spektakulären Verbrechen das Persönlichkeitsrecht stets hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückstehen müssen, wodurch der Täter im Ergebnis einer absoluten Person der Zeitgeschichte gleichgesetzt würde (OLGR Frankfurt 01, 309).

Die Pressefreiheit überwiegt auch nicht deshalb, weil sich der Name des Klägers im Zusammenhang mit dem Mord an ... ohne Weiteres auch im Rahmen von ergänzenden Recherchen, etwa im Internet, auffinden lässt. Abzustellen ist auf den gewöhnlichen Zeitungsleser, der die Zeitungslektüre üblicherweise nicht mit einer Internet-Recherche verbindet. Der Persönlichkeitsschutz des verurteilten Straftäters würde praktisch in keinem bedeutsameren Strafverfahren mehr zum Zuge kommen, wenn eine Namensnennung in der Presse immer dann zulässig wäre, wenn sich der Name im Rahmen einer Internet-Recherche herausfinden ließe.

Das Persönlichkeitsrecht des Klägers muss hier auch nicht deshalb zurücktreten, weil über ihn in den letzten 13 Jahren wiederholt in der Presse berichtet wurde.

Dem steht bereits entgegen, dass ansonsten der Persönlichkeitsschutz des Klägers, bezogen auf Presseveröffentlichungen, die, wie die vorliegende, durch keinerlei konkreten Anlass gerechtfertigt sind, faktisch leer liefe. Insbesondere führt der Umstand, dass sich der Kläger nicht - zumindest nicht teilweise - gegen eine nicht von ihm initiierte Berichterstattung gewehrt haben sollte, nicht dazu, dass er nunmehr Eingriffe in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht uneingeschränkt hinnehmen müsse. Das gilt ohnehin, soweit es sich um Presseberichte in einem völlig anderen Kontext, so insbesondere im Zusammenhang mit dem Bemühen um ein Wiederaufnahmeverfahren, handelt, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass diese Berichterstattung teilweise jahrelang zurückliegt. Die auf den Kläger selbst zurückgehende Berichterstattung war damit darauf gerichtet, der durch die Verurteilung eingetretenen Stigmatisierung entgegenzuwirken. Sie hat daher unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung eine andere Qualität als die streitgegenständliche Berichterstattung, in der der Kläger und sein Halbbruder speziell unter dem Gesichtspunkt einer in die Zukunft gerichteten Prognose als unter Umständen gefährliche Straftäter dargestellt werden. Schließlich ist von Bedeutung, dass der Kläger selbst, wie er im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht hat, den Verlag des A und andere schon im Oktober 2004 zur Unterlassung von identifizierender Berichterstattung aufgefordert hat. Soweit an anderer Stelle über den Kläger unter Namensnennung berichtet worden sein soll, kann eine möglicherweise rechtswidrige Berichterstattung nicht zu Lasten des Klägers gehen, da dies nur das Gewicht der Rechtsverletzungen vergrößern würde.

Erst recht durfte der Beklagte über den Kläger nicht unter Veröffentlichung eines - nicht anonymisierten - Lichtbildes berichten (§ 22 KUG). Danach dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Unstreitig fehlt eine Einwilligung des Klägers, der Beklagte kann sich aber auch nicht auf eine der in § 23 KUG aufgeführten Ausnahmen berufen. Insbesondere ist der Kläger nicht absolute oder relative Person der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Zwar können Straftäter und Angeklagte zu den relativen Personen der Zeitgeschichte zählen, wenn die Tat über das täglich Wiederkehrende hinausgeht und einiges Aufsehen erregt hat, was vorliegend hinsichtlich des Mordes an dem Schauspieler ... zweifelsohne der Fall war. Straftäter sind jedoch nur vorübergehend Personen der Zeitgeschichte, weshalb nur in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis, durch das sie zu Personen der Zeitgeschichte geworden sind, über sie berichtet bzw. ihr Bildnis veröffentlicht werden darf (Dreier/Schulze, UrhG § 23 KUG Rn. 8 f.). Straftäter sind aber selbst dann keine absolute Person der Zeitgeschichte, wenn es sich um Schwerverbrecher handelt, deren Taten zur Kriminalgeschichte gehören. Nachdem der Mord an dem Schauspieler ... bereits 16 Jahre zurückliegt, ist die Dauer, während derer eine Berichterstattung unter möglicherweise identifizierender Veröffentlichung eines Bildnisses des Klägers zulässig gewesen sein mag, längst überschritten. Mithin erfolgte auch die Veröffentlichung eines Bildnisses des Klägers in dem angegriffenen Artikel rechtswidrig.

Auch der Beklagte haftet für die begangene Rechtsverletzung und ist damit Schuldner eines Unterlassungsanspruches. Ein verantwortlicher Redakteur haftet für zivilrechtliche Ansprüche nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen mithin nur, wenn er zugleich Autor eines Beitrages mit rechtsverletzendem Inhalt ist, oder an dessen Zustandekommen auf sonstige Weise aktiv mitgewirkt hat. Voraussetzung eines Unterlassungsanspruches gegen den Chefredakteur ist deshalb nach im Schrifttum überwiegend vertretener Auffassung, dass dieser mit dem angegriffenen Beitrag sachlich befasst war, wobei er an dem Artikel nicht persönlich mitgewirkt haben muss, sondern ausreicht, wenn er eine gebotene Überwachung pflichtwidrig unterlassen hat (Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 313; Soehring, Presserecht, Rn. 28.12; BGH AfP 79, 307 - Direktor; OLG Celle, AfP 92, 295). Anspruchsverpflichtet ist der Chefredakteur jedenfalls dann, wenn er mit dem Artikel tatsächlich sachlich befasst war oder - aufgrund der besonderen Bedeutung der Sache - eine unerlässliche Überwachung pflichtwidrig nicht vorgenommen hat. Weitergehend ist die Verantwortlichkeit des Chefredakteurs in der Rechtsprechung bei deliktischer Verantwortung für den gesamten Redaktionsbereich angenommen worden, weil allein die Bestellung des Chefredakteurs als solche ausreiche. Unerheblich sei, ob der Chefredakteur im Einzelfall die veröffentlichten Manuskripte zur Kenntnis genommen habe oder auf deren Durchsicht verzichte (OLG Düsseldorf, AfP 88, 158).

Der Beklagte hat in der Berufungserwiderung zwar vorgetragen, er sei mit der streitgegenständlichen Berichterstattung nicht "befasst gewesen". Die Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung hat jedoch ergeben, dass der Beklagte jedenfalls die Möglichkeit hatte, im Rahmen der Redaktionskonferenz auf die Gestaltung des Artikels Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls dessen Veröffentlichung sogar insgesamt zu verhindern. Im Hinblick darauf, dass der Verlag durch den Kläger abgemahnt worden und zur Unterlassung identifizierender Berichterstattung aufgefordert worden war, so wie angesichts des herausragenden Interesses, das die Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Mord an dem Schauspieler ... insbesondere in ... fand, hätte der Beklagte aber zumindest Anlass gehabt, sich über die Aufmachung und inhaltliche Ausgestaltung der Berichterstattung im Hinblick auf mögliche Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers zu kümmern. Er haftet deshalb im konkreten Fall auch neben dem Verlag auf Unterlassung gemäß §§ 1004, 823 BGB, 22 KUG.

Die vom Landgericht ursprünglich zu Recht erlassene einstweilige Verfügung war deshalb auf die Berufung des Klägers wieder zu erlassen. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Umstand der Erstbegehung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Änderung des Antrags im Berufungsverfahren handelt es sich nicht um eine teilweise Klagerücknahme, sondern lediglich um eine Klarstellung, da der Zusatz "in identifizierender Weise, insbesondere" zu unbestimmt war und daher keinen vollstreckungsfähigen Inhalt gehabt hätte. Kostenmäßig wirkt sich diese Klarstellung nicht aus.

Ende der Entscheidung

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