Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.05.2008
Aktenzeichen: 11 U 51/07 (Kart)
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 20
GWB § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Belieferung der Klägerin mit analoger Funktechnik.

Die Klägerin vertreibt u. a. analoge Funktechnik sowohl als Großhändlerin wie an Endkunden. Dabei erzielt sie den wesentlichen Teil ihres Umsatzes im Bereich des sogenannten "BOS-Geschäftes", d. h. mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr). Die Klägerin arbeitete seit 1994 auf der Grundlage eines sogenannten "Allgemeinen Distributorenvertrages" mit der Beklagten zusammen, die zum A-Konzern gehört und sich mit der Herstellung von Kommunikationseinheiten, u. a. mobilen Sprechfunkeinheiten für den professionellen Gebrauch in Analog- und Digitaltechnik, befasst. Gegenstand des Distributorenvertrages war u. a. eine Anlage A, in der jährlich neu die den Distributoren eingeräumten Rabatte festgelegt wurden (K 2).

Mit Schreiben vom Dezember 2004 (Info-Brief Nr. 20) legte die Beklagte eine Jahresvereinbarung 2005 vor, die als "Interims-Vereinbarung" für das erste Quartal 2005 gelten sollte, und kündigte "Neuerungen" an (GA 32 f.). Mit Schreiben vom 05.04.2005 teilte die Beklagte mit, dass der "Interims-Zeitraum" bis 30.04.2005 ausgedehnt und ab Mai das "neue Partnerkonzept live gehen" werde (GA 37). Dieses Konzept stellte eine Neustrukturierung des Rabatt-Systems der Beklagten dar, wegen dessen Einzelheiten auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen wird. Mit Schreiben vom Juni 2005 (K 13 = GA 67) übersandte die Beklagte einen "Partnervertrag" als "Basis für die künftige Zusammenarbeit" und bat die Klägerin, beide Ausfertigungen zu unterschreiben und anschließend die gesamten Unterlagen zurück zu senden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben in Anlage K 13, GA. 67 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 05.07.2005 (K 14 = GA 68) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie bedaure, keinen unterschriebenen Überleitungs- bzw. Partnervertrag innerhalb der Frist zum 30.06.2005 erhalten zu haben. Somit fehle leider die Voraussetzung für die Gewährung des Produkt- und Funktionsrabattes "plus X".

Die Beklagte bot der Klägerin an, unter dem fortlaufenden Distributorenvertrag weiterhin Bestellungen zu tätigen, nach Ablauf der geltenden befristeten Interims-Jahresvereinbarung könne sie der Klägerin jedoch keinen Rabatt mehr einräumen. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Wir bedauern Ihre in einem Gespräch mit unserem Mitarbeiter B geäußerte Ablehnung des Abschlusses des neuen Partnervertrags."

Mit E-Mail vom 07.07.2005 (K 15 = GA 69) antwortete die Klägerin, sie habe die Beklagte über die Gründe, aus denen sie den vorgelegten Überleitungsvertrag bisher noch nicht unterschrieben habe, "nicht im Unklaren gelassen". Das neue Gesamtwerk, das alle bisherigen umfangreichen Verträge und Anlagen aus der Vergangenheit ablösen solle, könne nicht innerhalb von zwei bis drei Wochen geprüft werden. Das für diese Abwicklung angedachte Zeitfenster sei aus Sicht der Klägerin eindeutig zu eng. In der Vergangenheit sei keiner der nun abzulösenden Verträge innerhalb einer so kurzen Zeitspanne abgeschlossen worden. Der Vertrag liege zur Prüfung und Kommentierung bei einem Rechtsanwalt. Der in Auftrag gegebene Bericht zum Vertrag sei frühestens in der KW 28/05 zu erwarten. Mit Schreiben vom 13.07.2005 übersandte die Klägerin den unterzeichneten "Partnervertrag" an die Beklagte (K 16, K 17 = GA 71 ff.).

Mit Schreiben vom 27.07.2005 (K 18 = GA 101) bestätigte die Beklagte den Eingang und wiederholte ihre Auffassung, dass die Frist zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages bereits mit dem 30.06.2005 abgelaufen sei. Gleichzeitig bestätigte sie den Fortbestand des bisherigen Distributorenvertrages, wonach die Klägerin mit einem Rabatt von 20 % auf den Listenpreis Bestellungen tätigen könne.

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit allen von ihr angebotenen analogen Funksprechgeräten zu denjenigen Preisen, Konditionen und Rabatten zu beliefern, die sie allen anderen vergleichbaren Händlern bei vergleichbaren Mengen und Umsätzen gewährt.

Nachdem die Kammer in der mündlichen Verhandlung auf Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Antrags hingewiesen hat, hat die Klägerin hilfsweise beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin den Partnervertrag gemäß Anlage K 17 zur Klageschrift mit allen Anlagen in der jeweils geltenden Fassung mit Wirkung zum 01.07.2005 abzuschließen und die Klägerin auf der Grundlage dieses Vertrages zu beliefern.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hilfsantrag verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Hauptantrag der Klägerin auf Feststellung sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Die Beklagte sei zum Abschluss des Partnervertrages gemäß Anlage K 70 aus §§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB verpflichtet. Die Beklagte sei marktbeherrschendes Unternehmen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt des Handels mit analogen Funksprechgeräten in Deutschland. Es handele sich um einen eigenständigen Markt, da analoge Funksprechgeräte nicht kompatibel mit der digitalen Infrastruktur und Systemtechnik seien. Die marktbeherrschende Stellung der Beklagten sei zu vermuten, weil sie einen Marktanteil von mindestens 1/3 habe. Insofern hätten auch die PR-Äußerungen der Beklagten indizielle Bedeutung. Im Verhältnis zu den Unternehmen, bei denen die Beklagte auf das neue Partnerkonzept umgestellt habe, werde die Klägerin unterschiedlich behandelt. Diese Unternehmen könnten nach dem Rabattsystem "plus X" deutlich günstigere Konditionen in Anspruch nehmen. Daraus ergäben sich wesentliche Wettbewerbsnachteile für die Klägerin. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin eine Annahmefrist bis 30.06.2005 nicht eingehalten habe, weil eine solche Frist nicht gesetzt worden sei. Selbst wenn die Beklagte eine solche Frist gesetzt hätte, sei sie nicht berechtigt, sich auf die Überschreitung der Frist zu berufen und die Gegenzeichnung des Partnervertrags abzulehnen.

Auf dem Hintergrund der langjährigen Geschäftsbeziehung sei von der Beklagten zu verlangen, dass sie die Klägerin auf die Folgen einer etwaigen Fristversäumnis hingewiesen und auf die möglichst kurzfristige Rücksendung der unterzeichneten Verträge hingewirkt hätte. Der Gesichtspunkt eines einheitlichen "roll-out" für alle neuen Partnerverträge müsse hinter diesem Gesichtspunkt zurücktreten. Selbst wenn der Geschäftsführer der Klägerin Anfang Juni 2005 geäußert haben sollte, dass ein Partnervertrag für ihn nicht in Frage käme, könne die Beklagte dieses Argument auf dem Hintergrund der langjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit nicht gegen die Klägerin verwenden, wenn sie sich dies letztlich anders überlege. Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten stünden der Klägerin nicht offen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.

Sie rügt, das Landgericht habe die sachliche Marktabgrenzung fehlerhaft getroffen. Es sei vorschnell und fehlerhaft zu einer unzutreffenden Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes gelangt, weil es Alternativprodukte - digitale Funkprodukte oder gänzlich andere Telekommunikationsprodukte - nicht in seine Erwägungen einbezogen habe.

Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils gehe überdies zu weit, weil der gewährte Anspruch auf Vertragsabschluss über den angenommenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Bereich der analogen Funktechnik weit hinausgehe. Gegenstand des Partnervertrages seien jedoch neben Endgeräten auch Zubehörprodukte, wie Stecker, Kabel, Batterien, Mikrofone, Ladegeräte, Basisstationen, die keine Funkendgeräte seien, darüber hinaus seien von den in Bezug genommenen Anlagen auch digitale Bündelfunkgeräte umfasst.

Die Fassung des Tenors würde diese Anlagen zum Gegenstand der Verurteilung machen, obwohl sich die Klägerin nur auf eine Marktbeherrschung im Bereich der analogen Endgeräte berufen habe. Auch habe das Landgericht die Marktanteile fehlerhaft bemessen. Darüber hinaus fehle es an der Voraussetzung eines gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs. Soweit das Landgericht auf die Unternehmen ... und ... abstelle, übersehe es, dass sich diese Unternehmen dem neuen Konzept der Beklagten geöffnet hätten und unbeschränkt ausschließlich bzw. zu wesentlichen Teilen von der Beklagten neben den ohnehin zurückgehenden analogen Funkendgeräten vor allem digitale Funktechnikprodukte mit Zubehör und Ausrüstung etc. bezögen. Demgegenüber begehre die Klägerin lediglich die Lieferung analoger Funkendgeräte und habe sich im Übrigen von der Beklagten abgewandt. Die Umsatz- und Akquiseleistung eines "Vollsortimentes" habe aber unmittelbare Auswirkungen auf die Rabattleistungen, die von einem Lieferanten erwartet werden könnten. Schließlich habe das Landgericht den angebotenen Beweis zu der Behauptung übergangen, der Geschäftsführer der Klägerin habe den neuen Vertragspartnervertrag abgelehnt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.Mai 2007, Az. 3 - 12 O 103/07, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Darüber hinaus bestreitet sie, dass sich der Vertragspartner-Vertrag (Anlage K 17) nebst Anlagen auch auf den Vertrieb von digitalen Funkgeräten beziehe. Im Übrigen handele es sich insoweit um neues Vorbringen, mit dem die Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 ZPO auszuschließen sei.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Abschluss eines Partnervertrages gemäß Anlage K 17 und auf Belieferung auf der Grundlage eines solchen Vertrages weder unter kartellrechtlichen noch sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten zu.

a) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich im Fall einer unberechtigten, gegen § 20 Abs. 1 GWB verstoßenden Lieferverweigerung aus § 33 GWB im Wege der Naturalrestitution ein auf Abschluss eines Belieferungsvertrags gerichteter Schadensersatzanspruch ergeben kann (Bechtold, GWB, 4. Aufl. § 20 Rn. 63 m.w.N.). Vorliegend macht die Klägerin indes keine Lieferverweigerung geltend. Nach den tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil hat die Beklagte der Klägerin grundsätzlich angeboten, sie mit einem Rabatt von 20% weiterhin zu beliefern. Die Klägerin hat diese Feststellung weder angegriffen, noch vorgetragen, dass sich an der Lieferbereitschaft der Beklagten etwas geändert hätte. Vielmehr hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung - unwidersprochen - vorgetragen, die Klägerin habe ebenso wie mindestens 270 weitere Händler Zugang zu den Produkten der Beklagten, lediglich 30 von rund 300 bis 320 Funkfachhändlern seien im Rahmen des Vertragspartnerkonzepts unmittelbar mit der Beklagten vertraglich verbunden (Berufungsbegr. v. 04.10.2007, S. 6 = Bl. 282 d.A.). Die Klägerin macht mithin keine kartellrechtswidrige Lieferverweigerung geltend, sondern beansprucht die Belieferung zu denselben Konditionen, wie sie die Vertragspartner der Beklagten im Rahmen der bestehenden Partnerverträge eingeräumt erhalten.

b) Ein derartiger Anspruch, insbesondere ein Anspruch auf Abschluss eines Partnervertrags, steht der Klägerin nicht zu. Zwar folgt im Rahmen bestehender Lieferverhältnisse aus dem Diskriminierungsverbot die Verpflichtung von Unternehmen, die Normadressaten des § 20 GWB sind, an Unternehmen zu gleichen Preisen zu verkaufen. Unterschiedliche Preise oder Bedingungen stellen jedoch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB dar, soweit sie nicht willkürlich oder durch unternehmerisch nicht nachvollziehbare Gründe bedingt sind (Bechtold, a.a.O. § 20, Rn. 58). So liegt der Fall auch hier.

aa) Zu Recht hat das Landgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte Normadressatin des § 20 GWB ist, weil sie auf dem sachlich relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt.

Zu bestimmen ist der relevante Markt aus der Sicht des Abnehmers, hier also der Klägerin. Aus ihrer Sicht ist deshalb zu entscheiden, ob bestimmte Waren unter sich austauschbar sind. Zwar mag - wie die Beklagte behauptet -, insbesondere bei Ausschreibungen, an denen sich die Klägerin beteiligt, die analoge Technik "nicht mehr gefragt" sein. Andererseits tätigt die Klägerin unstreitig einen Teil ihrer Umsätze mit analoger Technik und ist deshalb auf die Belieferung mit dieser Technik angewiesen, um die Anforderungen und Wünsche derjenigen Kunden erfüllen zu können, die ihrerseits an der analogen Technik festhalten. Vor diesem Hintergrund kommt es letztlich auf die Behauptung der Beklagten, Analog- und Digitaltechnik seien weitgehend substituierbar, nicht an. Dass der Kreis der an der Analogtechnik festhaltenden Kunden (derzeit noch) nicht so unbedeutend sein kann, ergibt sich aus Äußerungen der Beklagten selbst, die sich als Marktführer bezeichnet und von einem klaren Bekenntnis zum "Segment analoger Funk" spricht (Infobrief Nr. 20 = GA 32). Die Versuche der Beklagten, diese Aussagen nachträglich als Äußerungen eines noch unerfahrenen Mitarbeiters herunterzuspielen, erscheinen wenig überzeugend, wogegen auch die Äußerung des Vertriebsdirektors der Beklagten im "Behördenspiegel" (Ausgabe Mai 2007, Anl. K 23 = GA 223) sprechen, wo er den Marktanteil der Beklagten bei Analoggeräten mit 72% - 74% eingeschätzt hat. Auch das spricht für einen eigenen Markt analoger Funktechnik.

bb) Auch bei der Gewichtung der Marktanteile hat das Landgericht zu Recht unter anderem auf diese Aussage abgestellt. Konkreten Vortrag, der diesen Marktanteil widerlegen und ernsthafte Anhaltspunkte für einen deutlich darunter liegenden Marktanteil bieten könnte, hat die Beklagte nicht gebracht. Dass sie einen Marktanteil von weniger als 1/3 hat, ist nach allem nicht ersichtlich. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil kann deshalb Bezug genommen werden.

Ob die vermeintliche Behinderung und Diskriminierung auch in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr stattfindet, was zwischen den Parteien streitig ist, weil die Beklagte nur ausgewählte Vertragspartner zu den Konditionen des Vertragspartnerkonzepts beliefert, kann dahinstehen.

Jedenfalls liegt weder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung noch eine unbillige Behinderung seitens der Beklagten vor.

c) Grundsätzlich ist das Streben nach günstigeren Konditionen sowohl auf Abnehmer - wie Anbieterseite wettbewerbskonform und stellt - auch wenn es im Einzelfall zu unterschiedlichen Preisen und Bedingungen führt - nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB dar.

Da die Verpflichtung zur Belieferung zu gleichen Preisen nur im Rahmen vergleichbarer Lieferverhältnisse besteht, kann sich die Beklagte darauf berufen, dass die Klägerin nicht Vertragspartner ist und die von ihr begehrten Rabattstaffeln nur unmittelbaren Vertragspartnern angeboten werden. Voraussetzung für den Abschluss eines Partnervertrags im Rahmen des neuen Vertriebskonzepts der Beklagten war das erfolgreiche Durchlaufen eines Audit -Prozesses. Gegen die Umstrukturierung des Vertriebssystems und die Einführung des neuen Vertragspartnerkonzepts im Wege eines solchen Ausleseverfahrens hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren keine Bedenken erhoben. Die Ausgestaltung ihres Vertriebssystems im Einzelnen unterfällt der unternehmerischen Freiheit der Beklagten und ist grundsätzlich hinzunehmen. Auch die Entscheidung, Partnerverträge mit solchen Händlern abzuschließen, die das Audit - Verfahren erfolgreich bestanden haben, und diesen Unternehmen andere Rabattkonditionen einzuräumen als sonstigen Abnehmern, erscheint nachvollziehbar und nicht willkürlich, zumal die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, für die Rabattauditierung sei Grundlage gewesen, in welchem Umfang die Händler ihren Bedarf bei ihr eindecken, also neben analogen Funkendgeräten auch digitale und sonstige Produkte wie Pager und Zubehör von ihr beziehen.

d) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe den Audit - Prozess ebenfalls erfolgreich bestanden und die Beklagte habe mit anderen vergleichbaren Unternehmen einen Partnervertrag abgeschlossen, scheidet eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung der Klägerin bereits deshalb aus, weil die Beklagte der Klägerin ebenfalls ein Angebot zum Vertragsabschluss unterbreitet hat, das die Klägerin indes nicht (rechtzeitig) angenommen hat.

aa) Das Schreiben der Beklagten aus dem Juni 2005 - welches der Klägerin ausweislich des Eingangsstempels am 6. Juni 2005 zugegangen ist - stellt eine verbindliche Vertragsofferte der Beklagten dar (GA 67). Die Beklagte weist darauf hin, dass die Klägerin den Audit-Prozess erfolgreich durchgeführt hat, und sie, die Beklagte, sich freue, ihr heute den Partnervertrag in zweifacher Ausfertigung vorzulegen. Weiter wird die Klägerin aufgefordert, die beiden Ausfertigungen zu unterschreiben und anschließend die gesamten Unterlagen an die Beklagte zurück zu senden. Gleichzeitig wird bestätigt, dass die bisherige Kundennummer unverändert weitergeführt wird und die Teilnahme am Abbuchungsverfahren von der Vertragsumstellung unberührt bleibe. Damit hat die Beklagte ihren Willen zu einer rechtlichen Bindung bekundet und nur noch von der Unterschriftsleistung der Klägerin abhängig gemacht. Das Angebot war durch die Beifügung des vollständigen Vertrags auch hinreichend bestimmt, so dass nach dem objektiven Erklärungswert nicht von einer bloßen invitatio auszugehen ist. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Beklagte nach Rücklauf der von den Distributoren unterzeichneten Vertragsunterlagen die Vertragsannahme noch vorbehalten wollte. Die von ihr noch zu leistende Unterschrift hatte danach lediglich deklaratorische Bedeutung.

Mit Zugang des Schreibens bei der Klägerin nebst den Vertragsunterlagen lag der Klägerin mithin ein verbindliches Angebot vor, das sie innerhalb einer bestimmten oder jedenfalls innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen musste.

In dem Anschreiben der Beklagten vom Juni 2005 war eine bestimmte Annahmefrist - insbesondere zum 30.06.2005 - allerdings nicht bestimmt. Soweit das Landgericht (LGU 11 oben) ausführt, dass auch sonstige Umstände nicht für eine hinreichend erkennbare Fristbestimmung ersichtlich seien, greift die Berufung dies nicht an. Somit fehlt es in beiden Instanzen an konkretem Vortrag, woraus sich eine verbindlich gesetzte Annahmefrist zum 30.06.2005 ergeben soll.

bb) Vielmehr konnte die Klägerin den Vertrag innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen. Die Annahme des der Klägerin am 06.06.2005 zugegangenen Angebots mit Schreiben vom 13.07.2005 war indes nicht mehr rechtzeitig. Zwischen Zugang des Angebots bei der Klägerin und Zugang der Annahmeerklärung bei der Beklagten lag eine Zeitspanne von nahezu sechs Wochen.

Bei der Bestimmung der Frist, innerhalb derer unter regelmäßigen Umständen der Eingang der Antwort erwartet werden darf, sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. So ist der Klägerin einerseits eine ausreichende Überlegungsfrist einschließlich einer etwaigen anwaltlichen Überprüfung des neuen Partnervertrags zuzubilligen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass generell im kaufmännischen Verkehr mit einer schnelleren Reaktion gerechnet werden kann. Soweit das Landgericht im Zusammenhang mit dem Zugang des unterschriebenen Vertrags von einer "zeitnahen Übersendung" spricht, kann der Senat dem nicht folgen. Im geschäftlichen Verkehr sind Annahmefristen von mehr als einem Monat nicht üblich, besondere Umstände, die hier eine längere Frist rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Geht man davon aus, dass die Frage des neuen Partnervertrags zwischen der Beklagten und den Händlern schon seit längerem im Raum stand, erscheint eine Frist von etwa einem Monat zur Annahme des Vertragsangebots deshalb angemessen und ausreichend. Zwar hat die Beklagte die Klägerin - zu Unrecht - bereits mit Schreiben vom 05.07.2005 auf eine Fristüberschreitung hingewiesen, worauf die Klägerin ihrerseits mitgeteilt hatte, sie lasse den Partnervertrag überprüfen und erwarte einen entsprechenden Bericht frühestens Mitte Juli 2005. Dadurch konnte sie die angemessene Frist aber nicht einseitig bis zum 15. Juli 2005 verlängern, zumal ihr Geschäftsführer der Klägerin nach Behauptung der Beklagten schon Anfang Juni 2005 gegenüber Mitarbeitern der Beklagten geäußert haben soll, dass die Unterzeichnung eines Partnervertrages für ihn nicht in Betracht komme. Eine solche mehr oder weniger deutliche Festlegung gegen einen Vertrag muss zwar noch nicht als endgültige Absage gewertet werden, lässt aber andererseits eine eher kürzere Frist für die Annahme angemessen erscheinen. Die Klägerin hat die Behauptung, ihr Geschäftsführer habe gegenüber dem zuständigen Vertriebsmitarbeiter der Beklagten den neuen Vertragspartnervertrag abgelehnt (GA 293), jedenfalls nicht substantiiert bestritten (GA 342).

Auch die anwaltliche Überprüfung muss in solchen Fällen zeitnah abgeschlossen werden und rechtfertigt keine Verlängerung der Annahmefrist um mehrere Wochen.

cc) Vor diesem Hintergrund erfolgte der Zugang der Annahmeerklärung bei der Beklagten nicht mehr rechtzeitig innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB, ohne dass die Beklagte - entgegen der Annahme des Landgerichts - verpflichtet gewesen wäre, auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen ( BGH DB, 1971, 232).

e) Ein anderer Gesichtspunkt, der die Beklagte hindern könnte, sich auf die verspätete Annahme des Angebots zu berufen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die langjährigen Geschäftsbeziehungen. Die Dauer der Geschäftsbeziehungen steht in keinem Verhältnis zur Dauer der angemessenen Annahmefrist. Auch die geschäftlichen Gepflogenheiten kann die Klägerin nicht zu ihren Gunsten anführen. Der Distributorenvertrag vom November 1994 wurde innerhalb von 6 Tagen angenommen ( GA 24 ).

f) Dass die Klägerin nicht Vertragspartner der Beklagten geworden ist und nicht die mit dieser Stellung verbundenen Rabattkonditionen eingeräumt erhält, beruht infolge dessen nicht auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung durch die Beklagte, sondern auf dem von der Klägerin zu vertretenden Umstand der verspäteten Vertragsannahme.

2.) Die verspätete Annahme gilt zwar als neuer Antrag ( § 150 Abs. 1 BGB). Die Beklagte, die die Annahme unverzüglich mit Schreiben vom 27.07.2007 abgelehnt hat, ist aber zur Annahme des Vertrags auch nicht gem. § 20 Abs. 1, 33 GWB verpflichtet.

a) Die Beklagte macht Umstände geltend, die zumindest jetzt eine unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber solchen Unternehmen, mit denen ein Partnervertrag besteht, sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.

Die Beklagte hat - unbestritten - vorgetragen, die durchgeführten Audits seien nur solchen Distributoren angeboten worden, die bis dahin als "Vollsortimenter" für die Beklagte tätig gewesen seien, also ihren gesamten Bedarf an analogen und digitalen Produkten bei ihr bezogen hätten. Die Klägerin beziehe seit 2005 ihren Bedarf an digitalen Produkten von der Firma C, einer der Hauptkonkurrenten der Beklagten. Die Beklagte habe damit ihre Stellung von einem Großdistributor zu einem Nischenanbieter verändert. Die durchgeführten Audits seien aber nur solchen Distributoren angeboten worden, die bis dahin als "Vollsortimenter" für die Beklagte tätig gewesen seien ( Berufungserw. S. 17 = Bl. 293 d.A.). Die Umsatz- und Akquiseleistung eines Vollsortimenters habe unmittelbaren Einfluss auf die Rabattleistungen.

Während die Vertragspartner zu wesentlichen Teilen ihren Bedarf von der Beklagten bezögen, begehre die Klägerin nur noch Belieferung auf einem stark eingeschränkten Geschäftsfeld, auf dem sie im Jahr 2005 gerade noch 5,3 % ihres Umsatzes getätigt habe.

b) Dieser Vortrag rechtfertigt die behauptete Konditionendifferenzierung. Die Abnahme größerer Mengen ist allgemein als ein den Preis verbilligender Faktor anzusehen (Bechtold a.a.O. m.w.N.). Hat die Beklagte - wie sie unbestritten vorgetragen hat - Partnerverträge nur mit sog. "Vollsortimentern" abgeschlossen, während die Klägerin Produkte nur noch zu einem geringen Teil aus dem Gesamtsortiment der Beklagten bezieht, so kann ihr die Beklagte aus sachlichen Gründen die Konditionen verweigern, die sie ausschließlich ihren Vertragspartnern einräumt.

Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Abschluss eines Partnervertrags.

Ob sie im Einzelfall eine Belieferung zu den (günstigeren) Konditionen der Vertragspartner verlangen könnte, kann dahin stehen, weil der darauf gerichtete Feststellungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist.

3.) Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Heranziehung anerkannter Rechtsgrundsätze.

Ende der Entscheidung

Zurück