Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 11 U 53/03 (Kart)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB c.i.c.
Zum Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz wegen Submissionsabsprachen.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Submissionsabsprachen.

Die Beklagte ist ein Straßenmarkierungsunternehmen. Bei der Vergabe von Straßenmarkierungsaufträgen kam es in der Vergangenheit zu umfangreichen Preisabsprachen, an denen die Beklagte beteiligt war.

Mit rechtskräftigem Bußgeldbeschluss des Bundeskartellamtes vom 21.03.1996 wurde gegen die Beklagte (dort Betroffene zu 5.) ein Bußgeld wegen einer wettbewerbswidrigen Absprache anlässlich einer Ausschreibung des Autobahnamtes O1 über 16 Lose im Jahr 1991 verhängt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid (Anl. K 1 zur Klageschrift) Bezug genommen.

Zu Los 8 (O2) hatte die Beklagte ein Angebot über rund 188.000 DM abgegeben und hierauf den Zuschlag erhalten (Anl. K 4 ). Auf die Leistungsbeschreibung vom Dezember 1990 und das Angebot der Beklagten vom 21.01.1991 wird verwiesen (Anl. K 2 und K 3 zur Klageschrift).

Die Leistungen wurden erbracht und der Klägerin mit insgesamt 131.356,44 DM in Rechnung gestellt.

Bestandteil des Rahmenvertrages waren die zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, Ausgabe 1988 (ZVB-StB 88), deren Ziffer 31. lautet:

Wettbewerbsbeschränkungen (zu § 8 Nr. 4)

31.1 Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 3 v.H. der Auftragssumme an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ZVB -StB 88 ( Anl. K 5) Bezug genommen.

Auf Anforderung der Klägerin hat die Beklagte nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides eine Schadenspauschale von 3% bezogen auf den Auftrag zu Los 8 in Höhe von 6.027,52 DM gezahlt.

Mit der am 24.04.2002 eingereichten und am 06.05.2002 zugestellten Teil-Klage verlangt die Klägerin Ersatz eines ihr darüber hinaus entstandenen Schadens. Zu dessen Nachweis hat sie sich zunächst auf eine Nachkalkulation bezogen, mit der sie für einzelne Positionen des Auftrags zu Los 8 in Höhe von ca. 82 % der abgerechneten Auftragssumme die vermeintlich bei einer ordnungsgemäßen Kalkulation im Rahmen eines vorhandenen freien Wettbewerbs entstandenen Kosten zu ermitteln versucht hat ( Anl. K 6 zur Klageschrift). Für die Richtigkeit der Nachkalkulation hat sie sich auf Sachverständigengutachten berufen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Schadensberechnung als unschlüssig gerügt. Sie hat ihrerseits auf eine Strukturkostenanalyse im Bereich Fahrbahnmarkierungsarbeiten vom 07.01.2000 der A-GmbH verwiesen ( Anl. B 1 ) und gemeint, diese sei die einzige wissenschaftliche Bezugsgröße, die einer "Nach-Kalkulation" zugrunde gelegt werden könne.

Im Verhandlungstermin vom 15.01.2003 vor dem Landgericht haben die Parteien sich damit einverstanden erklärt, dass die A - Studie zur Grundlage eines hypothetischen Wettbewerbspreises genommen wird ( Bl. 170 d.A.).

Die Klägerin hat vorgetragen, aus der Gegenüberstellung der Preise der Beklagten und der Preise, die schätzungsweise bei freiem Wettbewerb zustande gekommen wären, errechne sich - unter Abzug von 3 % der bereits geleisteten Schadenspauschale - ein Schadensersatzbetrag von 11.380,96 €.

Die Beklagte hat vorgetragen, unter Zugrundelegung des Berichts von A ergebe sich, dass sie, die Beklagte, bei dem Auftrag einen Verlust erwirtschaftet habe. Bei der Berechnung des Marktpreises nach A müsse ein Unternehmergewinn hinzugerechnet werden.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23.07.2003 zur Zahlung von 4.913,71 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung.

Sie rügt, der Anspruch sei zu Unrecht auf culpa in contrahendo gestützt worden. Das Landgericht habe keinen weiteren Schadensersatz über die bereits gezahlte Pauschale hinaus zusprechen dürfen. Zu Unrecht habe es Verjährung verneint und ein ganz erhebliches Mitverschulden der Klägerin im Rahmen der Auftragsausschreibung unberücksichtigt gelassen. Die vom Landgericht vorgenommene Umrechnung sei falsch. Die Daten der A-Studie hätten unter Einbeziehung eines Firmengewinns auf die tatsächlichen Verhältnisse umgerechnet werden müssen. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei breiterer Strichbreite nur die Materialkosten stiegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Sie meint, das Landgericht habe die in der A-Studie ermittelten Kosten zutreffend für die beauftragten und ausgeführten Strichbreiten umgerechnet. Es treffe nicht zu, dass die Applikation eines 0,15 m breiten Striches wesentlich länger brauche als die eines 0,12 m breiten Striches. Auch die übrigen Darstellungen der Arbeitsabläufe der Beklagten seien unzutreffend. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass durch die größere Strichbreite nur der Materialverbrauch, nicht jedoch die Lohnkosten anstiegen.

Zusätzlich stützt die Klägerin den Klageanspruch auf den Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Die auf der Kartellabrede beruhende Preisabsprache mit der Klägerin sei nichtig. Dies habe zur Folge, dass die Preisvereinbarung nicht maßgeblich sei, sondern der Vertrag mit dem zulässigen Preis aufrechterhalten bleibe. Dafür, welcher Preis zulässig sei, sei die Beklagte beweispflichtig. Der Fall sei so zu behandeln, wie die Leistung von Abschlagszahlungen auf den Werklohn des Unternehmers. Auch dann müsse der Unternehmer die Berechtigung seiner Werklohnforderung am Ende beweisen, wenn der Auftraggeber nach Abschluss der Arbeiten einen Teil der Abschlagszahlungen zurückverlangt, weil er dem Unternehmer zu hohe Abschlagszahlungen geleistet hat. Vorliegend habe die Klägerin in Unkenntnis der Kartellabrede und im Vertrauen darauf, dass die Preisabrede wirksam sei, Zahlungen geleistet, die sie ganz zurückverlangen könne, wenn die Beklagte nicht Anspruch auf Werklohn hätte, dessen Bemessung die zulässigen Preise zugrunde gelegt würden. Die pauschalierte Schadensersatzregelung in Ziffer 31.1 der ZVB-StB 88 sei insoweit nicht einschlägig.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten zum Parteivortrag wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.05.2004 (Bl. 432 ff d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten des Sachverständigen B vom 18.02.2006 (Bl. 569 ff d.A.) sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 22.09.2006 (Bl. 666 d.A.) wird verwiesen

II.

Die Berufung ist zulässig und hat Erfolg.

Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung insgesamt, weil die Klägerin einen über die 3 %-ige Schadenspauschale hinausgehenden Schaden nicht schlüssig dargelegt hat.

1.

a) Zutreffend hat das Landgericht den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach auf culpa in contrahendo gestützt (OLG Celle WuW/E OLGE 559; Schmidt ZIP 1983, 652; Diehl ZfBR 1994, 106). Bereits vor Vertragsschluss besteht zwischen den Vertragspartnern ein pflichtbegründendes Schuldverhältnis, das insbesondere dazu verpflichtet, dem anderen Vertragspartner keinen Schaden zuzufügen und ihn über die für den Vertragsschluss und die Abwicklung des Vertrages wesentlichen Umstände zu unterrichten.

Mit Beginn des VOB-Ausschreibungsverfahrens entsteht ein Geflecht von korrespondierenden Auftraggeber- und Bieterpflichten, die in Aufklärungs-, Mitteilungs- und Erhaltungspflichten unterteilt werden können. Der Bewerber im Vergabeverfahren hat zu erklären, dass er im Vorfeld des Vertragsschlusses keine Absprachen über Preise oder die Herausstellung eines bestimmten Unternehmens oder einer Arbeitsgemeinschaft als niedrigsten Bieter getroffen und auch nicht ein anderes Unternehmen über die Aufforderung oder die Absicht der Teilnahme an einer Ausschreibung oder über die Erteilung eines Auftrages unterrichtet hat oder unterrichten wird. Die wahrheitswidrige negative Bietererklärung kann zum einen ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung und zum anderen eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss begründen. Sie wird - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - weder durch vertragliche noch deliktische Ansprüche ausgeschlossen. Ansprüche aus culpa in contrahendo können nicht nur bei fehlgeschlagenen Vertragsabschlüssen, sondern auch bei wirksamen, aber inhaltlich nachteiligen Verträgen bestehen, wenn der Vertrag durch eine pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensbildung zustande gekommen ist. Dies ist beim Verschweigen von für die Preisbildung relevanten Umständen der Fall .

b) Ansprüche wegen culpa in contrahendo verjährten nach früherem, im zu entscheidenden Fall zugrunde zu legenden Recht nach 30 Jahren (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 195, Rn. 10).

Begründet ein und derselbe Sachverhalt mehrere nebeneinander bestehende Ansprüche, was insbesondere für die Konkurrenz vertraglicher und deliktischer Schadensersatzansprüche gilt, so verjährt grundsätzlich jeder Anspruch selbständig in der für ihn maßgebenden Frist (Palandt/Heinrichs a.a.O., § 194 Rn. 8).

Da es für die Verjährungsfrist auf die Rechtslage zurzeit der Entstehung des Anspruchs ankommt, gilt im vorliegenden Fall die 30-jährige Regelverjährungsfrist gemäß § 195 a.F. BGB (Palandt/Heinrichs BGB, 63. Auflage, § 195, Rn. 14). Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB gilt die kürzere Verjährungsfrist des § 195 BGB ab dem 01.01.2002 (Palandt/Heinrichs BGB, 65. Auflage, § 195, Rn. 4). Damit wurde die Verjährung durch die Zustellung der Klage am 06.05.2002 rechtzeitig gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Der weitergehenden Schadensersatzforderung steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Hierfür fehlt es sowohl am Zeit- wie am Umstandsmoment. Ausweislich des Schreibens der Klägerin vom 01.10.1997 (Bl. 403 ff d.A.) hat diese sich weitergehende Forderungen ausdrücklich vorbehalten, wenn ein höherer Schaden nachgewiesen werden kann. Im Hinblick auf die zugrunde liegende 30-jährige Verjährungsfrist wäre darüber hinaus auch der Zeitablauf bis zur Klageerhebung nicht ausreichend, um das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment zu begründen.

2.

Die Klägerin hat jedoch einen ihr entstandenen weitergehenden Schaden nicht schlüssig darlegen und nachweisen können.

a) Sie trägt - entgegen ihrer Auffassung - die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Die in Ziffer 31 der ZVB-StB 88 vereinbarte Klausel stellt bei verständiger Würdigung eine Schadenspauschalierung i.V.m. einer Beweislastregelung dar. Danach bleibt der Beklagten als Auftragnehmerin der Nachweis eines niedrigeren als 3 % der Auftragssumme betragenden Schadens vorbehalten, während die Klägerin nicht gehindert ist, einen den Pauschalbetrag übersteigenden Schaden geltend zu machen, sofern der höhere Schaden nachgewiesen wird. Die Darlegungslast für einen höheren Schaden kann nach dieser Klausel nur die Klägerin treffen, zumal sie die Verwenderin der AGB ist. Das sieht, soweit es um einen Schadensersatzanspruch geht, auch die Klägerin nicht anders.

b) Eine andere Beweislastverteilung rechtfertigt sich auch nicht in Anlehnung an die Entscheidung des OLG München vom 19.02.2002 (VergabeR 2002, 546). Dafür ist nicht in erster Linie entscheidend, dass es dort um die Werklohnklage des - an der Submissionsabsprache beteiligten - Unternehmers gegen den Auftraggeber geht.

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass das OLG München in dem entschiedenen Fall von der Nichtigkeit der Preisvereinbarung ausgegangen ist, weil der beklagte Auftraggeber beim Abschluss des zugrunde liegenden Werkvertrags Opfer eines durch vorangegangene Korruption ermöglichten Submissionsbetruges der dortigen Klägerinnen geworden war. Daraus folgt, dass die in dem ursprünglichen Auftrag enthaltene Preisvereinbarung nach §§ 134 BGB, 263 StGB nichtig war, während der übrige Vertrag wirksam blieb.

Von einer (Teil-)Nichtigkeit des Vertrages bzw. der Preisvereinbarung kann indes im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Nichtigkeit der Preisabsprache ergibt sich - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - nicht aus der nichtigen Kartellabrede. Zwar hat sich die Beklagte vorsätzlich über die Unwirksamkeit der Kartellabrede hinweggesetzt. Hiervon bleiben die aufgrund der Kartellabrede mit Dritten abgeschlossenen Verträge (sog. Folgeverträge) jedoch unberührt (Palandt/Heinrichs, a.a.O.; § 134 Rn. 19; Bechtold, GWB, 4. Aufl. § 1 Rn. 73 jeweils m.w.N.). Der Folgevertrag muss seinerseits von der Rechtsordnung derart missbilligt sein, dass auch ihm die Wirksamkeit zu versagen ist. Das gilt gleichermaßen bei Verstößen gegen ein gesetzliches Verbot ( § 134 BGB) wie bei Verstößen gegen die guten Sitten ( § 138 BGB; BGH BauR 1999, 1047).

Die Nichtigkeit der Preisvereinbarung ergibt sich aus dem § 263 StGB zugrunde liegenden Schutzzweck, die Vermögensschädigung des Betrugsopfers zu sanktionieren, wobei nur der durch den Submissionsbetrug beeinflusste Vertragsinhalt, die Preisabsprache, teilnichtig ist (OLG München a.a.O.). Das setzt indes voraus, dass der Abschluss des zugrunde liegenden Werkvertrages zugleich den Tatbestand eines Eingehungs- oder Erfüllungsbetruges (§ 263 StGB) erfüllt.

Diese Voraussetzung kann der Senat hier indes nicht feststellen, zumal jeglicher Vortrag der Klägerin dazu fehlt. Denn erforderlich ist, dass - neben den weiteren Tatbestandsmerkmalen des Betrugstatbestandes - ein Schaden der Klägerin festgestellt werden könnte. Ein Schaden kann nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.01.1992 ( BGH St 38,186 ) eintreten, wenn Anbieter durch Preisabsprachen und Vorspiegelung von Wettbewerb die Bildung des Wettbewerbspreises verhindern und dadurch der mit einem Anbieter vereinbarte Preis höher als der erzielbare Wettbewerbspreis ist.

Hierzu fehlt es im vorliegenden Fall indes an konkreten Feststellungen. Ob der geforderte Preis dem hypothetischen Wettbewerbspreis entsprach, ist zwischen den Parteien gerade streitig. Anders als in dem vom OLG München entschiedenen Fall ist der Schadensersatzklage kein Strafverfahren vorausgegangen, in dem die Verantwortlichen der Beklagten wegen der ihnen vorgeworfenen Submissionsabsprachen - und insbesondere der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Auftragserteilung - strafrechtlich belangt worden wären. Die im Bußgeldbescheid getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende strafrechtliche Würdigung des Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten nicht aus, zumal insoweit wiederum die Schwierigkeiten der Schadensfeststellung bestehen. Einzelheiten zu den Submissionsabsprachen im Kartell sind nicht vorgetragen, so dass nicht auf eine Differenz zwischen Angebots- und Nullpreis abgestellt werden kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsbetruges. Nach der im Zeitpunkt der Auftragserteilung noch geltenden Verordnung PR-Nr. 1/72 über die Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen vom 06.03.1972 (BGBl. I S. 293) hatte eine unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs durch Preisabsprachen auf der Anbieterseite gemäß §§ 5 Abs. 3, 7, 9 VO PR-Nr. 1/72 zur Folge, dass der vereinbarte Preis automatisch auf den Selbstkostenfestpreis reduziert wird (BGHZ 51, 174, 181; BGHSt. 8, 221, 226 m.w.N.). Insoweit kann ein Schaden des Getäuschten auch darin liegen, dass er mehr leistet, als er nach der vertraglichen Vereinbarung - hier aufgrund der preisrechtlichen Beschränkung auf den Selbstkostenpreis - zu leisten verpflichtet war (Diehl a.a.O., S. 8).

Indes lässt sich im zu entscheidenden Fall auch nicht ohne weiteres feststellen, ob die geforderten Preise auf der Grundlage des Angebots über den noch zulässigen Selbstkostenfestpreisen liegen, was Voraussetzung eines für die Annahme des Erfüllungsbetruges ausreichenden Schadens wäre.

Für die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eines betrügerischen Verhaltens der Beklagten hat die Klägerin nichts vorgetragen. Eine einschlägige strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern der Beklagten ist offenbar nicht erfolgt, jedenfalls hat sich die Klägerin hierauf nicht bezogen. Nach allem kann der Senat aufgrund des ihm unterbreiteten Sachverhalts nicht feststellen, ob die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter sich durch den Vertragsabschluss des Betruges schuldig gemacht haben und hierdurch eine Nichtigkeit der Preisvereinbarung gemäß §§ 134 BGB, 263 StGB eingetreten sein könnte, weil hierzu zunächst festgestellt werden müsste, dass die vereinbarten Preise über dem hypothetischen Wettbewerbspreis bzw. dem sich aus der Preisverordnung ergebenden Wettbewerbspreis lagen, was streitig ist. Nach der von der Beklagten vorgelegten Nachkalkulation ( Anl. B 10) wäre dieser sogar ein Verlust entstanden.

Liegen Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Preisvereinbarung und damit für einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich einer möglichen

"Überzahlung" der Klägerin nicht vor, so braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob in einem solchen Fall der auf Rückgängigmachung des rechtsgrundlos erbrachten Teils der Zahlungen klagende Auftraggeber oder der Unternehmer die Darlegungslast für den Umfang der Bereicherung hätte.

Jedenfalls im Rahmen der hier nach allem allein in Betracht kommenden Ansprüche aus culpa in contrahendo ergibt sich die Darlegungslast der Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen und insbesondere der Klausel 31 der ZVB-StB 88.

b) Ausreichende Anhaltspunkte für einen 3 % der Auftragssumme übersteigenden Schaden hat die Klägerin nicht dargelegt.

aa) Mit der von ihr selbst erstellten und in erster Instanz in das Verfahren eingeführten Nachtrags-Kalkulation kann sie den behaupteten Schaden nicht nachvollziehbar darstellen, weil es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt, die erst eine sachverständige Nachprüfung des Rechenwerks der Klägerin erlaubt hätten. Insbesondere hat die Klägerin keine konkrete Berechnung der Forderung an Hand vergleichbarer Aufträge vorgenommen, keine konkreten Marktpreise benannt oder sonstige Anhaltspunkte vorgelegt, die eine sachverständige Überprüfung ermöglicht hätten.

bb) Auch der vom Landgericht beschrittene Weg, auf der Grundlage der "Vereinbarung" der Parteien den Schaden auf der Basis der A-Studie zu ermitteln und zu diesem Zweck die dort enthaltenen Werte rechnerisch von einer Strichbreite von 12 cm auf die ausgeführte Strichbreite von 15 bzw. 30 cm umzurechnen, ist nicht gangbar.

Wie sich insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen B entnehmen lässt, steigen die in der A-Studie wiedergegebenen Kosten bei zunehmender Strichbreite nicht linear - insbesondere hat der Sachverständige dargelegt, dass auch die Fahrzeug-, Personal- und Gerätekosten und nicht nur die vom Landgericht ausschließlich berücksichtigten Materialkosten steigen.

cc) Die vor dem Landgericht getroffene "Vereinbarung" der Parteien, den Schaden "auf der Grundlage" der A-Studie zu ermitteln, bindet den Senat nicht. Zwar können Parteien grundsätzlich Übereinstimmung darüber herstellen, dass gewisse Tatsachengrundlagen bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde zu legen sind, soweit die freie Beweiswürdigung durch das Gericht nicht betroffen ist.

Indes haben die Parteien letztlich keine Übereinstimmung erzielt, sondern sind sich über den Inhalt und die Reichweite ihrer Absprache ganz offensichtlich uneins, so etwa bei der Frage,ob bei der Ermittlung des Marktpreises auf der Grundlage einer Umrechnung der A-Studie ein unternehmerischer Gewinn einkalkuliert werden soll oder nicht. Haben die Parteien aber nur scheinbar Einigkeit über die Umrechnung und Verwendung der A-Studie zur Ermittlung eines hypothetischen Marktpreises erzielt, so fehlt es an einer "Beweislastvereinbarung", an die der Senat gebunden sein könnte. Er müsste andernfalls zunächst selbst den Inhalt einer angeblich getroffenen Vereinbarung festlegen, um sich danach an die so ermittelte Vereinbarung zu halten.

Eine soweit gehende Bindung des Gerichts an letztlich die Vorstellung einer Partei erscheint indes nicht zulässig.

dd) Die A-Studie ist auch keine geeignete Grundlage für eine - an sich mögliche - Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO.

Zum einen lassen sich die Ergebnisse der Studie, die auf einer Befragung von Unternehmen im Jahre 1998 beruht, nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der hier streitigen Auftragsverteilung 1991/1992 übertragen. Noch deutlicher gegen die Heranziehung der Studie spricht, dass sie teilweise Idealbedingungen zugrunde legt und wesentliche, für die Preisbildung wichtige Faktoren ausklammert. So werden krankheits- und wetterbedingte Ausfälle unberücksichtigt gelassen und ein Unternehmergewinn nicht mit kalkuliert. Dementsprechend heißt es in der Studie selbst, dass die Preise in der Praxis höher liegen müssten. Zweck der Studie war es überdies, nicht marktgerechte Wettbewerbspreise, sondern den untersten auskömmlichen Preis zu ermitteln. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Landgerichts Hannover an, das in dem vorgelegten Urteil vom 18.07.2006 (Bl. 675 ff d.A.) ebenfalls in der A-Studie keine geeignete Grundlage für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO gesehen hat.

ee) Wollte man dies anders sehen, so ist festzustellen, dass die Klägerin den Nachweis für einen höheren, mit der Klage geltend gemachten Schaden nicht erbracht hat, weil feststeht, dass bei der Umrechnung der der A-Studie zugrunde liegenden Zahlen (Strichbreiten) neben den steigenden Material- auch steigende Lohn- und Vorhaltekosten berücksichtigt werden müssen und im Übrigen zumindest zweifelhaft ist, ob die dort zugrunde liegenden Preise ohne Hinzurechnung eines Unternehmerlohns auskömmlich sind. Unter Zugrundelegung der von dem Sachverständigen B ermittelten Kostenkennwerte liegen die von der Klägerin gezahlten Preise nicht über den von dem Sachverständigen ermittelten Beträgen, selbst wenn ein Unternehmergewinn nicht hinzugerechnet würde.

ee) Soweit sich die Klägerin - erstmals in zweiter Instanz - auf den sich aus § 9 VO -PR Nr. 1 /72 ergebenden Selbstkostenpreis berufen und gemeint hat, ihr Schaden bestehe jedenfalls in der Differenz zwischen dem von ihr gezahlten und dem sich aus §§ 7 und 9 der VO ergebenden Selbstkostenpreis, kann sie damit ebenfalls keinen Erfolg haben.

Gem. § 9 sind Selbstkostenpreise aufgrund einer Vorkalkulation zu ermitteln, die dem Angebot beizufügen ist. Die Klägerin hätte ihre - in der Berufungsinstanz neue - Schadensberechnung deshalb unter Vorlage der Vorkalkulation der Beklagten darlegen müssen, soweit eine solche besteht. Fehlt dagegen eine Vorkalkulation, wofür spricht, dass die Klägerin sie nicht einmal erwähnt, sondern gemeint hat, die Beklagte müsse ihre Selbstkosten darlegen, so ist diese Form der Schadensberechnung nicht möglich ( vgl. auch Diehl, BauR 94, 105 ).

Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die erstmalige Berufung auf die VO PR 1/72 im Zuge der Berufungsinstanz andernfalls verspätet ( § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) und daher zwingend auszuschließen war.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

3.

Die Klägerin trägt die Kosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da der Senat weder von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweicht, noch der Rechtsstreit Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, die über den Einzelfall hinaus von Interesse sind.

Ende der Entscheidung

Zurück