Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.07.2007
Aktenzeichen: 11 U 54/06
Rechtsgebiete: VOL/A


Vorschriften:

VOL/A § 21 Abs. 1 (4)
1. Ist die Leistungsbeschreibung entgegen § 8 Nr. 1 (1) VOL/A nicht eindeutig, kann die Vergabestelle die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 d) VOL/A aufheben oder eine Klarstellung gegenüber den Bewerbern veranlassen (§17 Nr. 6 (2) VOL/A).

2. Die Weiterführung des Vergabeverfahrens ist dann möglich, wenn die mehrdeutige Klausel von allen Bietern im selben Sinne verstanden wird.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, weil er in einem Ausschreibungsverfahren den Zuschlag nicht erhalten hat.

Die Beklagte schrieb im Jahre 2004 Leistungen zur Einführung von getrennten Abwassergebühren in O1 in einer beschränkten Ausschreibung aus. Durch Schreiben vom 09.01.2004 forderte die Beklagte u. a. den Kläger zur Abgabe eines Angebots auf. In dem beigefügten Formblatt EVM (L) A wurde unter Nr. 4 darauf hingewiesen, dass die Erteilung des Auftrages vom Nachweis der fachlichen Kompetenz und Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit des Angebotes, Bewertung der Angebotspräsentation abhängig gemacht werden kann. In der Anlage EVM (L) BwB erklärte die Beklagte, dass das Vergabeverfahren nach der Verdingungsordnung für Leistungen Teil A erfolge (Bl. 11 - 13 d.A.). Ferner war dem Schreiben der Beklagten das von der Streithelferin erstellte Leistungsverzeichnis beigefügt. Dieses enthielt unter 1.1.2 die Durchführung eines Bildfluges, unter 1.1.7 eine "Orthophotogenerierung" sowie unter 1.2.1 die Versiegelungskartierung. Unter dieser Position heißt es u. a.:

"Die Auswertung hat dreidimensional im stereoskopischen Auswertesystem zu erfolgen. Die kleinste zu messende Fläche beträgt 2 qm."

Unter 1.5.1 wurde ein 3-D Gebäudemodell verlangt, wobei zur Herstellung des Gebäudemodells die in Titel 1.2 gemessenen Gebäudepolygone zu übernehmen waren.

Der Kläger wandte sich mit E-Mail vom 15.11.2004 an die Beklagte und meldete mehrere Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung an. Dabei bemängelte er u.a., dass das vorgesehene Gebäudemodell die Dachflächen lediglich über dem aufgehenden Mauerwerk digitalisiere, was aus seiner Sicht angesichts der vor allem bei historischen Gebäuden sehr vielfältigen Dachformen, Dachgauben und anderen prägenden Details zu wenig und die falsche Vorgehensweise sei; gemäß dem Text des Leistungsverzeichnisses sei lediglich ein "Würfelmodell" zu erwarten, das nicht sinnvoll weiterverwendbar sei. Die Beklagte antwortete dem Kläger aufgrund einer von der Streithelferin eingeholten Stellungnahme vom 16.11.2004 mit Schreiben vom 18.11.2004 und teilte unter anderem mit, das beschriebene Verfahren der Gebäudemodellbildung bilde die Basis für ein dreidimensionales Stadtmodell in Form von Quadern; ein solches Modell sei ausreichend für die wesentlichen städteplanerischen Aspekte. Aus ihrer Sicht bestehe kein Anlass für eine grundlegende Änderung der Ausschreibung, mit Ausnahme einer Textänderung in Position 1.2.6. Darauf antwortete der Kläger wiederum mit E-Mail vom 19.11.2004 (Anlagen B 3 - B 5 sowie Bl. 67/68 d.A.).

Mit Anschreiben vom 30.11.2004 legte der Kläger sein Angebot vor, wegen dessen Inhalts auf die Anlage B 1 Bezug genommen wird. In dem Anschreiben verwies er darauf, dass er "das Ergebnis der Position 3 D-Gebäudemodell ... abweichend vom Leistungsverzeichnis in einer wesentlich höheren Qualität als gefordert liefern werde" (Bl. 274 d.A.). Von den insgesamt sieben eingegangenen Angeboten war dasjenige des Klägers mit 186.575,63 € das niedrigste für Los 1 (Los 2 betraf einen Bildflug über die Gemeinde O2, das jedoch nicht beauftragt wurde). Die Beklagte führte mit den drei nach der Angebotssumme erstplatzierten Bietern, nämlich dem Kläger, der Firma A AG, ..., sowie der B GmbH, ..., Bietergespräche durch. Das Bietergespräch mit dem Kläger fand am 05.01.2005 statt. Aufgrund der Bietergespräche erstellte die Beklagte in Zusammenarbeit mit der Streithelferin eine Bewertungsmatrix, in der die fachliche Qualifikation, die personelle Besetzung, die technische Ausstattung, die Zuverlässigkeit und die Termintreue sowie das Preisangebot gewertet wurden. Danach war der Kläger Drittplatzierter. Den Auftrag erteilte die Beklagte der erstplatzierten Bieterin, A AG. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vergabeprotokoll (Anlage B 6) verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Auftrag ihm als dem günstigsten Bieter hätte erteilt werden müssen. Ferner ist er der Auffassung, dass seine Qualifikation im Zuge der Angebotsauswahl nicht neuerlich hätte berücksichtigt werden dürfen. Außerdem hätten die bei der Vergabe berücksichtigten Kriterien nicht denen der Angebotsaufforderung entsprochen und es sei keine Gewichtung der Kriterien angegeben worden.

Sein Angebot sei nicht wegen einer Änderung des Leistungsverzeichnisses auszuschließen gewesen. Die Ausschreibung sei bzgl. Pos. 1.2.1 unklar gewesen. Das Ergebnis der stereoskopischen Auswertung sei eine Versiegelungskartierung mit Darstellung der Dachflächen und nicht nur ein Klötzchenmodell. Soweit er in seinem Anschreiben ein Gebäudemodell abweichend vom Leistungsverzeichnis in wesentlich höherer Qualität angekündigt habe, habe er damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er eine stereoskopische Auswertung entsprechend den Ziffern 1.2.1, 1.3.1 und 1.4.1 des Leistungsverzeichnisses vornehmen werde. Das Leistungsverzeichnis habe in Nr. 1.2.1 eine dreidimensionale Auswertung im stereoskopischen Auswertesystem enthalten. Nicht sein Angebot enthalte eine abändernde Leistung, sondern die Forderung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 18.11.2004, mit der die Beklagte eine Auswertung am Orthophoto und damit ein Minus zu dem in Position 1.5.1 verlangten 3-D-Gebäudemodell gefordert habe (Bl. 258 f. d. A.). Eine abändernde Leistung hätten allenfalls die weiteren Bieter angeboten, die eine Digitalisierung lediglich am Orthofoto hätten vornehmen wollen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass er eine abändernde Leistung angeboten habe, weil sie sich selbst nicht im Klaren gewesen sei, welche Leistungen im Leistungsverzeichnis hinsichtlich der ausgeschriebenen stereoskopischen Auswertung zu erbringen gewesen seien.

Im Übrigen ist er der Auffassung, dass das Übersendungsschreiben nicht zu den Verdingungsunterlagen gehöre und es sich um ein Nebenangebot gehandelt habe.

Als Schadensersatz verlangt der Kläger Erstattung seiner ungedeckten Geschäftskosten für Mitarbeiter und Geschäftsausstattung, die er nicht anderweitig habe einsetzen können, sowie Ersatz des kalkulierten Gewinns, insgesamt 160.662,- €.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 160.662,13 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 09.03.2005 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.130,- € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Kläger sei mit seinem Angebot gemäß §§ 25, 21 VOL/A zwingend auszuschließen gewesen. Gemäß seinem Anschreiben vom 30.11.2004 habe er unzweifelhaft zu verstehen gegeben, dass die ausgeschriebenen Leistungen abweichend vom Leistungsverzeichnis angeboten werden sollten. Mangels entsprechender Kennzeichnung liege auch kein Nebenangebot vor.

Ferner beruft sich die Beklagte darauf, dass der Kläger für den Bildflug einen Nachunternehmer beauftragen wollte, den er aber in dem Bietergespräch trotz Aufforderung nicht benannt habe.

Weiterhin hat die Beklagte behauptet, bei Überprüfung der Eignung des Klägers seien telefonische Anfragen bei zwei Referenzstellen, nämlich bei den Stadtwerken O3 sowie bei der Stadt O4 durchgeführt worden. Diese Nachfragen hätten erbracht, dass der Kläger die vertraglichen Leistungen nicht termingerecht erbracht habe und nachträglich dritte Ingenieurbüros beauftragt worden seien, um die Leistungen des Klägers zu ergänzen und zu überarbeiten. Dem Kläger habe es deshalb an der erforderlichen Zuverlässigkeit und Fachkunde für die Durchführung des Auftrags gefehlt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Angebot des Klägers sei gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A zwingend auszuschließen gewesen, da es eine nach § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen beinhalte. Mit seinem Anschreiben vom 30.11.2004 habe der Kläger unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er seinem Angebot eine andere Herstellung der Gebäudemodelle zugrunde lege als unter Position 1.5.1 der Verdingungsunterlagen gefordert, den darin geforderten Inhalt mithin nicht zum Bestandteil seines Angebots mache. Soweit der Kläger meine, dass das bloße Äußern von Abweichungen zu den Verdingungsunterlagen allein im Begleitschreiben nicht als Änderung der Verdingungsunterlagen zu verstehen sei, gehe seine Auffassung fehl, da eine solche rein formale Betrachtungsweise die Bestimmung des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A weitgehend leerlaufen lasse. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Unklarheit oder logische Inkonsistenz der Verdingungsunterlagen berufen. Aus seiner e-Mail vom 15.11.2004 folge, dass Position 1.5.1 der Verdingungsunterlagen einen objektiv nachvollziehbaren, wenn auch aus Sicht des Klägers wenig sinnvollen Inhalt habe. Soweit er dieses "Würfelmodell" für nicht sinnvoll erachtet habe, habe ihm zudem auch selbst vor Augen gestanden, dass das geforderte Modell der - aus seiner Sicht nicht empfehlenswerten - Festlegung der Beklagten entsprochen habe. Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 282 - 289 d.A.).

Gegen das ihm am 19.10.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.10.2006 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.01.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Zur Begründung beruft er sich darauf, dass das Landgericht eine unbedachte Äußerung in seinem Begleitschreiben bei Übersendung des Angebots, wonach er das 3-D-Gebäudemodell in einer wesentlich höheren Qualität als gefordert liefern werde, isoliert betrachtet habe, ohne auf den Zusammenhang des Leistungsverzeichnisses einzugehen. Bei objektiver Auslegung des Begleitschreibens ergebe sich demgegenüber nichts anderes, als dass er als einziger Bieter die nach dem Leistungsverzeichnis geforderte dreidimensionale (stereoskopische) Auswertung der Bildflugergebnisse habe vornehmen wollen. Sein Angebot enthalte somit keine Abweichung zum Leistungsverzeichnis, sondern entspreche objektiv gerade diesem.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 160.662,13 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.03.2005 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.100,30 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

A.

Der Kläger verlangt Ersatz des Schadens, der ihm entstanden sei, weil er nicht mit den ausgeschriebenen Leistungen beauftragt wurde. Ein solcher Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses ist nur gegeben, wenn feststeht, dass dem Kläger bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (BGH ZfBR 2002, 612, 613; 2004, 404, 405; OLG Dresden ZfBR 2006, 381; OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 27.06.2006 - 11 U 4/06 und vom 05.06.2007 - 11 U 74/06). Demgegenüber besteht ein Anspruch auf das positive Interesse nicht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters von der Vergabe zwingend auszuschließen war (BGH NZBau 2005, 709, 710; Brandenburgisches OLG VergabeR 2007, 408, 411; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.06.2007).

1.) Es kann jedoch nicht zugunsten des Klägers festgestellt werden, dass ihm der Zuschlag bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens hätte erteilt werden müssen.

Pos. 1.2. und Pos. 1.5.1 des Leistungsverzeichnisses entsprachen allerdings nicht dem Gebot des § 8 Nr. 1 (1) VOL/A, wonach die Leistung eindeutig zu beschreiben ist. Eindeutigkeit bedeutet, dass nicht unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen (Müller-Wrede/Noch, Verdingungsordnung für Leistungen, 2. Aufl., § 8 Rdn. 27). Hier war jedoch eine Auslegung des Leistungsumfangs erforderlich, da in Pos. 1.2 sich widersprechende Anforderungen an die Leistung gestellt wurden. Das aufgetretene Problem hängt mit der Unterscheidung von Orthoaufnahmen und einer stereoskopischen Auswertung zusammen. Die stereoskopische Auswertung ist höherwertig, weil sie einen dreidimensionalen Eindruck entstehen läßt und Bereiche erfasst, die bei Orthoaufnahmen durch Schattenbildung verdeckt bleiben. In Pos. 1.1.7 des Leistungsverzeichnisses (auch Pos. 1.1.6) wird eindeutig als Ergebnis der Befliegung die Erzeugung ("Generierung") von Orthofotos verlangt. In Pos. 1.2.1 heißt es dagegen, dass die Auswertung "dreidimensional im stereoskopischen Auswertesystem" zu erfolgen habe. Dies passt nicht zu den geforderten Orthofotos und bringt einen Widerspruch in die Leistungsbeschreibung. Andererseits besagt diese Position im Weiteren unter "Lieferumfang:

"...

- Kontrollplot, bestehend aus dem Orthophoto und der Versiegelungskartierung ...".

Auch die Pos. 1.2.17 führt als zu übergebende Daten u.a. auf:

"...

- Einzelorthophotos in RGB...".

Bei den Pos. 1.3. Grünflächenkataster und 1.4 Straßenkataster tritt diese Widersprüchlichkeit ebenfalls auf, da jeweils einerseits die Erfassung der Daten stereoskopisch erfolgen soll, andererseits aber zum Lieferumfang der "Kontrollplot, bestehend aus dem Orthophoto" verlangt wird. Da Pos. 1.5.1 auf die in Titel 1.2 gemessenen Gebäudepolygone verweist, kommt es auch insoweit darauf an, ob damit Gebäudepolygone gemeint sind, die aufgrund von Orthofotos (ohne Dachflächen, sog. Würfel- oder Klötzchenmodell) konstruiert, oder solche, die aufgrund einer stereoskopischen Aufnahme erstellt werden. Daraus folgt, dass die Leistungsbeschreibung nicht den Anforderungen des § 8 Nr. 1 (1) VOL/A entsprach. Die Beklagte hätte daher die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 d) VOL/A aufheben können (siehe zur Aufhebung wegen Vergabeverstößen des Auftraggebers Müller-Wrede, § 26 VOL/A Rdn. 84; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Aufl., § 21 VOB/A Rdn. 23; Franke/Kemper/Zanner/ Grünhagen, VOB, 2. Aufl., § 9 VOB/A Rdn. 231) oder eine Klarstellung nach § 17 Nr. 6 (2) VOL/A gegenüber allen Bewerbern abgeben müssen. In beiden Fällen lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Zuschlag dem Kläger zwingend zu erteilen gewesen wäre.

2.) Die Beklagte hat indes von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat, sondern das Verfahren bis zum Zuschlag durchgeführt. Die Weiterführung des Vergabeverfahrens ist möglich, wenn die Rechte der Bieter trotz des Verstoßes gegen den Grundsatz der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung nicht tangiert werden, weil alle Bieter die mehrdeutigen Klauseln im selben Sinne verstanden haben (Müller-Wrede/Noch, § 8 Rdn. 86). Dies war vorliegend der Fall. Die Auslegung der Pos. 1.2 und 1.5.1 ergibt nämlich einen bestimmten Inhalt, den die am Vergabeverfahren Beteiligten auch so erfasst haben.

a) Das Leistungsverzeichnis ist aus der Sicht eines verständigen und mit Leistungen der ausgeschriebenen Art vertrauten Bieters auszulegen (Müller-Wrede/Gnittke/Hattig, § 9 Rdn. 8). Dies führt hier dazu, dass Pos. 1.2 und 1.5.1 die Verwendung von Orthofotos und nicht eine stereoskopische Auswertung forderten. Wenn auch Letztere im Text der Leistungsbeschreibung angeführt wird (Pos. 1.2.1: "Die Auswertung hat dreidimensional im stereoskopischen Auswertesystem zu erfolgen"), ergibt sich umgekehrt aus der eindeutigen Fassung der Pos. 1.1.7 und der Erwähnung von Orthofotos als Teil des im Lieferumfang genannten Kontrollplots und der Einzelorthofotos (in Pos. 1.2.17), dass zur Herstellung des 3 D-Gebäudemodells die auf der Grundlage von Orthofotos gemessenen Gebäudepolygone zu übernehmen waren.

b) Diese Auslegung stimmte auch mit dem Verständnis des Klägers überein, der selbst in seinem Schreiben vom 15.11.2004 monierte, dass unter Pos. 1.5 ein "Würfelmodell" zu erwarten sei. Auch die Streithelferin in der Stellungnahme vom 16.11.2004 und Beklagte in ihrer Antwort vom 18.11.2004 sahen als geforderte Leistung ein "dreidimensionales Stadtmodell in Form von Quadern" an. Diese Auslegung der Pos. 1.2, die Pos. 1.5.1 in Bezug nimmt, liegt ferner dem Schreiben des Klägers vom 30.11.2004 zugrunde, weil er dort das angebotene 3 D-Gebäudemodell als abweichend vom Leistungsverzeichnis qualifiziert. Auch die übrigen Bieter haben das Leistungsverzeichnis in dieser Weise ausgelegt, da der Kläger vorträgt, die beiden Mitbieter hätten eine Digitalisierung lediglich am Orthofoto anstelle einer steroskopischen Auswertung vornehmen wollen. Bestätigt wird dies letztlich auch dadurch, dass die Streithelferin - erstmals - im Vergabevorschlag zu einem Nebenangebot der B GmbH bemerkte, dass auf Basis der digitalen Orthofotos keine 3-D-Auswertung durchgeführt werden kann (Anl. B 2 Punkt 5.3.2). Ferner wurde der A AG der Zuschlag erteilt, so dass das angebotene Gebäudemodell den im Schreiben an den Kläger vom 18.11.2004 geäußerten Vorstellungen der Beklagten entsprochen haben muss. Letztlich entsprach diese Auslegung auch dem Prozessvortrag des Klägers (Schriftsätze vom 27.07.2005, Seiten 10/11 = Bl. 55/56 d. A. und vom 04.11.2005, Seiten 3 bis 7 = Bl. 111 - 115 d. A.), obwohl er den Widerspruch in der Leistungsbeschreibung erkannt hatte (Bl. 56 d. A.). Erstmals nach Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2006, dass es von einer Änderung des Angebots ausgehe, hat der Kläger sein bisheriges Verständnis der LV-Positionen 1.2 und 1.5.1 aufgegeben und mit dem Schriftsatz vom 19.09.2006 vorgetragen, er habe - anders als er es in dem Schreiben vom 30.11.2004 dargestellt hat - die Position 1.5.1 entsprechend dem Leistungsverzeichnis angeboten, da sich aus der Bezugnahme dieser Position auf Position 1.2.1 ergebe, dass die stereoskopisch erzeugten Gebäudepolygone in das Gebäudemodell zu übernehmen waren. Das trägt er auch mit der Berufungsbegründung vor. Dies kann indes nichts daran ändern, dass alle Beteiligten im Vergabeverfahren die Positionen 1.2 und 1.5.1 in gleicher Weise und im oben genannten Sinne verstanden haben.

c) Bei diesem Inhalt der LV-Position 1.5.1 hat der Kläger durch die Erklärung in dem Begleitschreiben vom 30.11.2004 die Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Abs. 1 (4) VOL/A geändert. Der Begriff der Änderung ist weit auszulegen (Dippel in: Heiermann/Zeiss/ Kullack/Blaufuß, juris PraxisKommentar Vergaberecht, § 21 VOB/A Rdn. 17). Position 1.5.1 des Leistungsverzeichnisses sah die Herstellung eines 3 D - Gebäudemodells vor, zu dessen Herstellung die in Titel 1.2 gemessenen Gebäudepolygone übernommen werden sollten. Der Kläger hat zwar diese Position des Leistungsverzeichnisses ausgefüllt, er hat jedoch mit seinem Anschreiben vom 30.11.2004 mitgeteilt, dass er das Ergebnis der Position 3 D - Gebäudemodell abweichend vom Leistungsverzeichnis in einer wesentlich höheren Qualität als gefordert liefern werde. Mit dieser Erklärung kündigte er an, dass er gerade nicht die geforderte Leistung, sondern eine abweichende Leistung erbringen werde und sich an die Leistungsbeschreibung nicht halten wolle. Es kommt insofern nicht mehr darauf an, welche Leistung er anstelle der ausgeschriebenen zu erbringen gedachte. Abgesehen davon hatte die Beklagte bereits im vorangegangenen Schriftverkehr klargestellt, dass sie auf die sehr kostenintensive, detailgenaue Nachbildung der Dachformen verzichte (Schreiben vom 18.11.2004). Aus dem Anschreiben des Klägers war jedoch zu entnehmen, dass er gleichwohl diese, von der Beklagten nicht geforderte Leistung erbringen wolle. Dass dies laut seinem Schreiben vom 30.11.2004 mit keinem höheren Kostenaufwand verbunden sein sollte, ist nicht entscheidend. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass alle Bieter die gleiche Leistung anbieten, weil nur auf diese Weise die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet ist.

d) Die Erklärung des Klägers in seinem Begleitschreiben stellt kein Nebenangebot dar, weil sie sich auf die Ausführung des (Haupt-)Angebots bezog.

e) Die Ansicht des Klägers, seine Äußerung in dem Anschreiben vom 30.11.2004 sei ohne Bedeutung, trifft nicht zu. Es mag zwar sein, dass das Übersendungsschreiben nicht zu den Verdingungsunterlagen gehört (Weyandt, Praxiskommentar Vergaberecht, § 25 VOL/A Rn. 5941 m. w. N.); damit ist indes das Anschreiben der Vergabestelle gemeint, mit dem sie die Ausschreibungsunterlagen übermittelt. Für das Begleitschreiben, mit dem der Bieter sein Angebot übersendet, gilt etwas anderes. Das Begleitschreiben des Bieters ist vielmehr grundsätzlich Teil des Angebots (BayObLG VergabeR 2002, 644, 646). Äußerungen des Bieters im Übersendungsschreiben stellen nur dann keine Änderung der Verdingungsunterlagen dar, wenn sie sich auf Klarstellungen, Kalkulationsannahmen oder alternative Einheitspreise beschränken, weil diese dann als Nebenangebote zu behandeln sind (Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10 Aufl., § 21 VOB/A Rdn. 11). Entscheidend ist, dass sie die Angaben des Angebots unberührt lassen und allenfalls ergänzen, was vorliegend gerade nicht der Fall war.

f) Das Landgericht hat daher zutreffend entschieden, dass der Kläger wegen der unzulässigen Änderung der Verdingungsunterlagen gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 d) i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von dem Vergabeverfahren hat ausgeschlossen werden müssen. In einem solchen Fall ist der Ausschluss des Anbieters zwingend, da ansonsten die Vergleichbarkeit der Angebote nicht mehr gewährleistet wäre (BayObLG VergabeR 2002, 644, 646; Müller-Wrede/Noch, § 21 Rdn. 24). Das gilt selbst dann, wenn es sich um geringfügige, unbedeutende Änderungen handelt (OLG Düsseldorf NZBau 2005, 169; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.02.2005 - 11 Verg. 24/04; Müller-Wrede/Noch, § 25 Rdn. 71, 72).

g) Die angeführten Mängel des Angebots des Klägers sind ferner nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil die Beklagte den Kläger nicht aus diesen Gründen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen hat. Hätte ein Bieter mit seinem Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen werden müssen, besteht ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch selbst dann nicht, wenn der beklagte Auftraggeber die Nichtberücksichtigung des Angebots nicht auf diesen Ausschlusstatbestand gestützt hat (BGH ZfBR 2002, 612; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.06.2007; für das Nachprüfungsverfahren z. B. BGH NZBau 2003, 293, 296; Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 05.07.2006 - 1 Verg 1/06, S. 8).

h) Die Schadensersatzklage kann schließlich nicht deshalb Erfolg haben, weil, wie der Kläger geltend macht, die Mitbieter A AG und B GmbH zu Position 1.2.1 des Leistungsverzeichnisses eine geringwertigere Leistung (Auswertung am Orthophoto anstelle stereoskopischer Auswertung) angeboten haben sollen. Selbst wenn diese Bieter deswegen hätten ausgeschlossen werden müssen, hätte dies nicht zur Folge gehabt, dass nunmehr dem Kläger der Zuschlag zu erteilen war.

Zum einen haftet der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich dann nicht auf Ersatz des positiven Interesses, wenn der ausgeschlossene Bieter selbst ein fehlerhaftes Angebot vorgelegt hat. Die Haftung auf Schadensersatz beruht auf dem Schutz des Vertrauens, das der Bieter in die Einhaltung der Vergabebestimmungen setzt (BGH ZfBR 2002, 612, 614). Die Haftung entfällt demgemäß, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen nicht gebildet werden kann (BGH NJW 1998, 3640, 3641; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.06.2007). Das ist dann der Fall, wenn der Bieter - wie hier der Kläger - die Leistung mit einer Änderung gegenüber dem Leistungsverzeichnis anbietet.

Zum anderen hat dies lediglich zur Folge, dass möglicherweise nicht nur das Angebot des Klägers, sondern auch die Angebote der Mitbieter aus der Wertung zu nehmen gewesen wären. Liegen nämlich die Voraussetzungen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vor, so hat der öffentliche Auftraggeber keine Befugnis zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabung, sondern ist gezwungen, das betreffende unvollständige Angebot aus der Wertung zu nehmen (BGH NZBau 2003, 293, 295; OLG Hamburg ZfBR 2004, 502; OLG Frankfurt am Main a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.09.2006 (ZfBR 2007, 86, 90 f.). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung in einem Nachprüfungsverfahren ausgesprochen, dass die Unvollständigkeit der Angebote mehrerer Bieter dazu führt, dass alle diese Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen seien. Ein Bieter, der ein unvollständiges Angebot vorlegt, könne nicht unter Hinweis auf ein gleichfalls fehlerhaftes, aber nicht ausgeschlossenes Angebot eines anderen Bewerbers verlangen, dass bei dem eigenen Angebot der Ausschlusstatbestand ebenfalls unberücksichtigt bleibe ("Keine Gleichheit im Unrecht"). Dagegen könne er mit dieser Begründung eine Aufhebung der Ausschreibung erreichen. Hätte aber bei vergaberechtskonformem Vorgehen das Vergabeverfahren aufgehoben werden müssen, steht nicht fest, dass dem Kläger der Zuschlag zu erteilen war.

B.

1.) Der Kläger hat gemäß §§ 97, 101 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

2.) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.) Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

Zurück