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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: 11 U 57/08 (Kart)
Rechtsgebiete: BGB, GWB


Vorschriften:

BGB § 826
GWB § 20 Abs. 6
1. Für den Landesverband einer Sportart bzw. den Landessportbund kommt grundsätzlich ein Aufnahmezwang in Betracht. Erforderlich ist aber, dass die Ablehnung der Aufnahme zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung führt.

2. Sachlich gerechtfertigt ist die Nichtaufnahme in der Regel, wenn der Bewerber in der Satzung festgelegte, sachlich berechtigte Voraussetzungen für die Aufnahme nicht erfüllt. Wenn ein Verband über die Satzung hinaus weitergehende generelle Aufnahmeforderungen tatsächlich praktiziert, sind diese wie satzungsmäßige Anforderungen zu beurteilen.

3. Die generell praktizierte Aufnahmeanforderung, wonach der Name des Sponsors nicht Bestandteil des Vereinsnamens sein darf, ist im Handballbereich auf Landesebene bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen sachlich gerechtfertigt.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Aufnahme des Klägers in den Landessportbund (LSB) zuzustimmen.

Nach § 11 der Satzung des LSB bedarf die Aufnahme eines Vereins in den LSB der Zustimmung des zuständigen Verbandes. Mit der Aufnahme in den LSB wird der Verein zugleich Mitglied des zuständigen Verbandes. Zuständiger Verband ist hier der Beklagte.

Der Beklagte hat die Zustimmung zur Aufnahme des Klägers abgelehnt, weil der Kläger entgegen der Regelung in Nr. 1.7. seiner Werberichtlinien (WRL) den Namen seines Sponsors (A AG) in den Vereinsnamen aufgenommen hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei zwar ein Verein mit überragender Machtstellung im sozialen Bereich, für den grundsätzlich ein Aufnahmezwang bestehe. Der Kläger erfülle jedoch die sachlich berechtigten Voraussetzungen der Nr. 1.7 WRL nicht, weshalb kein Aufnahmeanspruch bestehe. Die WRL seien als Regelung unterhalb der Satzung formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Nr. 1.7 WRL enthalte keine Regelung mit Satzungsqualität und halte auch der Inhaltskontrolle stand. Die Abwägung der Interessen beider Parteien führe zu dem Ergebnis, dass das Verbot, in dem Vereinsnamen einen Sponsornamen zu führen, den Kläger nicht sittenwidrig benachteilige. Das Ziel der Beklagten, einer stärkeren Kommerzialisierung des Handballsports entgegen zu wirken, habe Vorrang vor dem Interesse des Klägers auf freie Namenswahl. Im Hinblick auf dieses Ergebnis der Interessenabwägung bestehe zugleich ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Nichtaufnahme des Klägers.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers.

Er behauptet, das Urteil sei nicht öffentlich verkündet worden, weshalb ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 5 ZPO vorliege. Auch sei die Klageerwiderung verspätet erfolgt.

Er macht zudem geltend, das Landgericht habe im Rahmen der Interessenabwägung nicht ausreichend das Namensrecht des Klägers berücksichtigt. Auch könne dem Vortrag der Beklagten nicht entnommen werden, dass die WRL ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Im Übrigen beträfen die WRL nur den Spielbetrieb. Das Verbot verstoße zudem gegen Art. 81, 82 EGV bzw. § 1 GWB.

Der Kläger beantragt,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen;

2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichtes abändernd der Klage stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet, weil das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) beruht und die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung nicht rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Ob - wie der Kläger behauptet - das Urteil des Landgerichts nicht öffentlich verkündet wurde, kann dahinstehen. Selbst wenn insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel vorläge, was nicht schon aufgrund eines Verstoßes gegen § 547 Nr. 5 ZPO unwiderleglich zu vermuten wäre, da diese Vorschrift nicht die Verkündung der Entscheidung betrifft, lägen wegen Entscheidungsreife die Voraussetzung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO für eine Zurückverweisung ohnedies nicht vor.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn sie ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zu seiner Aufnahme in den Landesportbund.

Der Vortrag des Beklagten ist nicht präkludiert. Ob die Klageerwiderung verspätet erfolgte, ist unerheblich, denn das Rechtsmittelgericht hat den Tatsachenvortrag einer Partei auch dann zu berücksichtigen, wenn die Vorinstanz ihn nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet hätte zurückweisen müssen (BGH, XII ZR 210/04, NJW 2006, 1657 zitiert nach Juris Rn. 22). Die Klageerwiderungsfrist wurde im Übrigen durch den am 21.5.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 92 d.A.) gewahrt, denn die gerichtliche Verfügung wurde am 5.5.2008 zugestellt (Bl. 91R d.A.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine Aufnahmepflicht, wenn die Rechtsordnung mit Rücksicht auf schwerwiegende Interessen der betroffenen Kreise die Selbstbestimmung des Vereins über die Aufnahme von Mitgliedern nicht hinnehmen kann. Dies ist hier nicht der Fall.

Ein Aufnahmezwang kommt - in Anlehnung vor allem an § 826 BGB und § 20 Abs. 6 GWB - dann in Betracht, wenn der Verein im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein wesentliches oder grundlegendes Interesse an dem Erwerb der Mitgliedschaft besteht (BGH, Urt. v. 10.12.1984, II ZR 91/84, NJW 1985, 1216; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - Aikido-Verband; BGH, Urt. v. 9. Juni 1997 - II ZR 303/95, ZIP 1997, 1591, 1593).

Der Beklagte ist als Sportverband des Landes ... ein Verein mit überragender Machtstellung im sozialen Bereich, für den grundsätzlich in bestimmtem Umfang ein Aufnahmezwang besteht (vgl. BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985, KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - Aikido-Verband; BGH, Urt. v. 23.11.1998, II ZR 54/98, NJW 1999, 1326 m.w.N.; Traub/Dorß in: Loewenheim/Meessen/Riesen-kampff, Kartellrecht, 2006, Band 2, § 20 Rn. 165).

Im Interesse des Vereins an seinem Bestand und an seiner Funktionsfähigkeit setzt der Aufnahmezwang aber voraus, dass die Ablehnung der Aufnahme zu einer - im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern - sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führt. Danach spielen nicht nur die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen Rechte und Vorteile eine Rolle. Es kommt vielmehr auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung der Interessen des Vereins oder des Verbandes an, die im Einzelfall dahin gehen können, den Bewerber von der Mitgliedschaft fernzuhalten. Nur wenn nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen die Zurückweisung des Bewerbers unbillig erscheint, besteht in der Regel ein Anspruch auf Aufnahme (BGH, Urt. v. 10.12.1984, II ZR 91/84, NJW 1985, 1216; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - Aikido-Verband).

Im Rahmen der durch Art. 9 Abs. 1 GG gewährleisteten Verbandsautonomie sind die Verbände berechtigt, die generellen Aufnahmevoraussetzungen eigenverantwortlich festzulegen (BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - Aikido-Verband; OLG München, Urt. v. 28.04.2005, U (K) 5018/04, WuW/E DE-R 1527 m.w.N.; Markert in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Auflage 2007, § 20, Rn. 345 m.w.N; Bechtold, Kartellgesetz, 5. Aufl. 2008, § 20 Rn. 95).

Erfüllt ein Bewerber die satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Aufnahme in einen Verein nicht, so stellt dies in aller Regel einen sachlich gerechtfertigten Grund für die Nichtaufnahme dar. Etwas anderes gilt dann, wenn die satzungsgemäßen Einschränkungen ihrerseits sachlich nicht gerechtfertigt sind; sie sind dann unbeachtlich (vgl. etwa OLG München, Urt. v. 28.04.2005, U (K) 5018/04, WuW/E DE-R 1527 m.w.N.; Markert, a.a.O., § 20, Rdnr. 344 m.w.N; Palandt/Ellenberger, 68. Aufl., § 25 BGB Rn. 10; Bechtold, a.a.O, § 20 Rn. 95).

Im vorliegenden Fall erscheint es zweifelhaft, ob der Kläger, weil er entgegen Nr. 1.7. WRL den Sponsornamen in den Vereinsnamen aufgenommen hat, die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Aufnahme als neues Mitglied des LSB bzw. des Beklagten nicht erfüllt. Die WRL sind nämlich nicht Bestandteil der Satzung des Beklagten, sondern eine Vereinsordnung im Rang unterhalb der Satzung.

Die Beachtung dieser Vereinsordnung könnte zwar insoweit als satzungsmäßige Voraussetzung für die Aufnahme angesehen werden, als ein Verein gemäß § 5 Abs. 2 der Aufnahmeordnung des LSB rechtsverbindlich zu erklären hat, dass er die Satzung des für ihn zuständigen Verbandes - hier des Beklagten - anerkennt. Die Satzung des Beklagten erklärt in § 10 die Vereinsordnungen für alle Vereine verbindlich und bestimmt in § 7 Satz 3, dass der Verein mit der Anmeldung zum Spielbetrieb die Ordnungen anerkennt.

Es ist jedoch fraglich, ob die WRL durch das zuständige Vereinsorgan erlassen wurden. Gemäß § 7 Satz 4 seiner Satzung erlässt der Beklagte zur Durchführung seiner Aufgaben als Ordnung u.a. Werberichtlinien. Die Werberichtlinien hat nach deren Inhalt das Präsidium der Beklagten in Ergänzung von § 56 Ziffer 3 der vom DHB übernommenen Spielordnung erlassen, nicht der Verbandshandballtag als Mitgliederversammlung. Gemäß § 30 c) der Satzung der Beklagten ist aber selbst das erweiterte Präsidium nur zuständig für notwendige Änderungen von Ordnungen zwischen den Verbandshandballtagen. Für die formelle Wirksamkeit der Werberichtlinien dürfte es nicht genügen, dass deren Geltung durch später stattfindende Verbandshandballtage nicht beanstandet wurde.

Es kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Regelung in Nr. 1.7. WRL eine formell ordnungsgemäße satzungsmäßige Aufnahmevoraussetzung darstellt. Soweit ein Verband nämlich über die Satzung hinaus weitergehende generelle Aufnahmeanforderungen tatsächlich praktiziert, sind diese wie satzungsmäßige Anforderungen zu beurteilen (Markert, a.a.O., § 20 Rn 351; Traub/Dorß, a.a.O., § 20 Rn. 186). Dies gilt hier für die von den Mitgliedsvereinen des Beklagten nicht in Frage gestellten in Nr. 1.7. WRL niedergelegten Anforderungen, mit denen der Beklagte - unabhängig von der formellen Wirksamkeit als Vereinsordnung - durch Veröffentlichung im Internet nach außen kundgetan hat, dass er für seine Mitgliedsvereine die Aufnahme des Sponsornamens in den Vereinsnamen nicht akzeptiert.

Es ist im Übrigen anerkannt, dass ein Zwang zur Aufnahme auch dann nicht besteht, wenn außerhalb der Satzung sachliche Rechtfertigungsgründe vorliegen (Bechtold, a.a.O, § 20 Rn. 96). Es kann zwar geboten sein, derartige Ablehnungsgründe in die Satzung aufzunehmen, um eine diskriminierungsfreie Aufnahmepraxis zu gewährleisten (vgl. BGH, Urt. v. 10. Dezember 1985 - KZR 2/85, GRUR 1986, 332, 333 - Aikido-Verband; Bechtold, a.a.O, § 20 Rn. 96). Hier ist jedoch - unbeschadet ihrer formellen Wirksamkeit - durch die in Nr. 1.7. WRL niedergelegten Anforderungen, die den Aufnahmeaspiranten bekannt sind, eine diskriminierungsfreie Aufnahmepraxis sichergestellt.

Die von dem Beklagten generell praktizierte Aufnahmeanforderung ist bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen auch sachlich gerechtfertigt.

Es ist ein berechtigtes Anliegen des Beklagten, seinen Mitgliedsvereinen zu untersagen, den Namen ihres Hauptgeldgebers im Vereinsnamen zu führen. Denn die Zulassung einer solchen Praxis hätte zur Folge, dass der Handballverein mit dem Geldgeber gleichgesetzt würde und so die Sportfinanzierung gegenüber der Sportausübung in besonders starkem Maße in dem Vordergrund gerückt würde. Zwar nimmt auch die Kommerzialisierung des Handballsports zu. Dies gilt insbesondere im Bereich der Handballbundesliga, die künftig den Namen "... Handball Bundesliga" tragen soll. Auch ist den Mitgliedsvereinen des Beklagten ausweislich der WRL in weitem Umfang Werbung, insbesondere Trikotwerbung gestattet. Anders als etwa in der Basketball-Bundesliga hat sich aber das sog. Name-Sponsoring im Hinblick auf den Vereinsnamen im Handballbereich bislang noch nicht allgemein durchgesetzt. Einzelne in erster Linie historisch bedingte Gegenbeispiele aus dem Bereich anderer Landesverbände wirken dem Gesamtbild nicht entscheidend entgegen. Mit Blick darauf ist es sachlich gerechtfertigt, dass der Beklagte - solange seine Mitgliedsvereine auf einem Verbandshandballtag keine Änderung dieser Handhabung beschlossen haben - im Rahmen seiner Verbandsautonomie daran festhält, dass der Name des Sponsors nicht Bestandteil des Vereinsnamens sein darf.

Der Kläger wird dadurch auch nicht unbillig benachteiligt, da ihm ausreichende Möglichkeiten verbleiben, auf andere Weise Werbeeinnahmen zu erzielen. Die anderen Handballvereine, die Mitglied des Beklagten sind, haben ebenfalls nicht die Möglichkeit, den Namen ihres Sponsors in den Vereinsnamen aufzunehmen. Auch das Recht des Klägers aus § 12 BGB wird nicht beeinträchtigt, denn es bleibt ihm unbenommen, den Namen beizubehalten. Er hat dann allerdings keinen Anspruch, von dem Beklagten aufgenommen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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