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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.02.2006
Aktenzeichen: 11 Verg 15/05
Rechtsgebiete: GWB, VOF


Vorschriften:

GWB § 98
GWB § 107 II
VOF § 8
VOF § 16 III
1. Zur Frage, wann das Angebot eines Bieters unter dem Gesichtspunkt der Mischkalkulation oder der fehlenden Preisangabe zu beanstanden ist

2. Eine Änderung oder Erweiterung von Zuschlagskriterien ist jedenfalls nicht mehr zulässig, wenn bereits Angebote abgegeben und gewertet wurden, aber das Vergabeverfahren - wegen sonstiger Verfahrensverstöße - ab der zweiten Stufe wiederholt werden muss.

3. Zur Frage, wann eine vollständige Wiederholung der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens erforderlich ist.


11 Verg 15/05 11 Verg 16/05

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin ( Vergabestelle ) hat im Mai 2005 die Vergabe von generalplanerischen Leistungen für den Neubau einer Werkstatt für elektrisch betriebene Triebwagen im beschleunigten Verhandlungsverfahren europaweit ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterien wurden in der Vergabebekanntmachung genannt:

"Das wirtschaftlich günstigste Angebot.

Bezüglich der nachstehenden Kriterien:

1. Preis

2. Qualität

3. Technische Unterstützung.

In der Reihenfolge ihrer Priorität: Nein."

Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens haben die Antragstellerin und die Beigeladene neben weiteren Bietern Angebote abgegeben. Mit Schreiben vom 01.07.2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ihr den Zuschlag nicht erteilen könne, weil ein wirtschaftlicheres Angebot vorliege. Unter dem 05.07.2005 rügte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin diese Entscheidung vor allem wegen mangelnder Berücksichtigung des öffentlichen Preisrechts. Mit Schreiben vom 7. Juli 2005 teilte die Antragsgegnerin darauf hin den Bietern mit, sie habe sich zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und eventueller formaler Fehler entschlossen, das Ausschreibungsverfahren im zweiten Teil zu wiederholen.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2005 forderte die Antragsgegnerin erneut zur Angebotsabgabe bis zum 29. Juli 2005 auf. In dem Schreiben wies sie u.a. darauf hin, dass für sie als Sektorenauftraggeberin die VOF nicht gültig sei. Sie habe dennoch eine Ausschreibung durchgeführt, um einen fairen und gerechten Wettbewerb zu erreichen. Als Zuschlagskriterien wurden in dem Schreiben genannt:

"Das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich

Preis

Qualität

Technische Unterstützung

Terminsicherheit".

Weiter heißt es in dem Schreiben: "Im Rahmen unserer Angebotsauswertung der Qualität werden wir insbesondere auf folgende Aspekte achten:

"...

... zu erwartende Qualität aufgrund Erfahrungen und Kenntnisse beim Werkstättenbau bei nicht bundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen)."

Das Schreiben endet mit dem Hinweis, die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass die HOAI-Mindestsätze nicht unterschritten werden.

In der Leistungsbeschreibung hat die Antragsgegnerin vor Pos. 1.3 "Objektplanung Verkehrsanlagen, Gleis und Strasse" vermerkt :

"Die Vorgaben der Gleisplanung erfolgt durch den Bauherren".

Mit Schreiben vom 20.07.2005 rügte die Antragstellerin u.a., dass über die in Ziffer 4.2 der Veröffentlichung genannten Zuschlagskriterien hinaus zusätzliche Zuschlagskriterien genannt würden. Mit Schreiben vom 25. Juli 2005 erwiderte die Antragsgegnerin, aus § 16 VOF ergebe sich, dass die Benennung von Zuschlagskriterien in der europaweiten Bekanntmachung nicht abschließend sei.

Das Angebot der Antragstellerin vom 28.07.2005 enthielt zu Position 1.13 ( Brandschutz) und 1.16 (SIGE Planung und Koordination) die Angabe "psch." und dahinter einen Pauschalpreis, bei den Positionen 1.13.1 und 1.13. 2 sowie 1.16. 1 und 1.16. 2 jeweils die Angabe "psch/enth. in Grundleist. Plg < bzw. BÜ>".

In ihrem Angebotsschreiben führte die Antragstellerin u. a. aus : " Grundlage unserer Angebotskalkulation im Bereich Verkehrsanlagen ist die Erstellung und Übergabe der Planung Gleisanlagen L.Ph. 1+2 durch den AG... In Ermangelung einer durch den AG vorgegebenen Kostensplittung für den genannten Bereich haben wir dies durch Reduzierung der Leistungsprozente bewertet. Eine Bewertung gemäß gültiger Rechtslage zur Vergütung - HOAI Fass. 01/2002 - hinsichtlich der Vermeidung einer Mindestsatzunterschreitung bedarf aber grundsätzlich einer vorgenannten Quotelung von AG -Seite. Rein vorsorglich rügen wir die vorliegende Gesamtkostennennung VKA ohne die erforderliche Transparenz bezüglich der Splittung für alle Bieter hinsichtlich der nicht zu erbringenden Teilleistungen. Dieser Punkt sollte u.E. im Rahmen des Vergabegesprächs erörtert und geklärt werden. ..."

In ihrem Angebot hat die Antragstellerin die Leistungsphasen Pos. 1.3 1 + 2 mit 1% bzw. 4% ( statt wie in der Leistungsbeschreibung/ Honorarermittlungstabelle vorgesehen 2% bzw. 15% ) berücksichtigt.

Die Beigeladene gab in ihrem Angebotsanschreiben an, sie sei bei Ermittlung der Vergütung davon ausgegangen, dass die Vorgaben der Gleisplanung durch die Antragsgegnerin erfolgen. Diese Tatsache werde mit einer Reduzierung der Prozentsätze der Objektplanung in den Leistungsphasen 1, 2 +3 ( jeweils 0% ) berücksichtigt.

Mit Fax vom 09.08.2005 bat die Antragsgegnerin die Beigeladene um Aufklärung des Angebots, u.a. seien bei der Leistungsphase 3 die anfallenden Grundleistungen unterschritten.

Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 09.08.2005 u.a. mit, bei der laufenden Nr. 1.3 sei ein Schreibfehler übertragen worden, hier seien für die Leistungsphase 30 Prozentpunkte anzusetzen.

Mit Schreiben vom 12.08.2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, sie beabsichtige, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen unzulässiger Mischkalkulation vom Wettbewerb auszuschließen, da Preisangaben fehlten. Außerdem habe das Angebot preisliche Nachteile und lasse Qualitätsnachteile aufgrund fehlender Bearbeitung von Projekten für NE-Bahnen erwarten. Dies betreffe auch die Terminssicherheit, da zum angegebenen Endtermin am 30.10.2006 nur ein Probebetrieb zur Verfügung stehe.

Mit Schreiben vom 17.08.2005 rügte die Antragstellerin die Entscheidung und reichte am 19.08.2005 einen Nachprüfungsantrag ein.

Die Vergabekammer hat die Vergabestelle angewiesen, das Vergabeverfahren beginnend mit der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu wiederholen. Auf die Ausführungen der Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsstellerin und der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor:

Da das Angebot der Beigeladenen preisgünstiger sei als dasjenige der Antragstellerin, müsse die Beigeladene in jedem Fall den Zuschlag erhalten, ohne dass es auf die gerügten Vergabefehler noch ankäme. Selbst wenn die angeblichen Wertungsfehler vorlägen, bestehe ein Preisvorteil von knapp 9.000,- € zugunsten der Beigeladenen, so dass die Antragstellerin durch die angeblichen Vergabefehler nicht in ihren Rechten verletzt sein könne. Ihr drohe kein Schaden, weshalb ihr Nachprüfungsantrag erfolglos bleiben müsse. Die Vergabekammer habe den Ausschluss der Antragstellerin wegen der fehlenden Preisangaben zu Unrecht als fehlerhaft angesehen. Die VOF sei hier gem. § 5 Satz 3 VgV nicht anwendbar. Einschlägig seien allein die allgemeinen Vergabegrundsätze gem. § 97 ff. GWB. Die jüngere Rechtsprechung zum Angebotsausschluss wegen fehlender Bieterangaben und zur Unzulässigkeit einer Mischkalkulation beruhe auf dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot ungeachtet der konkreten Ausgestaltung in der VOB/A. Folglich habe auch die Antragstellerin die Positionen 1.13. 1, 1.13 2, 1.16. 2 und 1.16. 3 des Leistungsverzeichnisses bepreisen müssen. Aus der Angabe der Antragstellerin "psch/enth. in Grundleist. Plg. bzw. BÜ" folge eine Mischkalkulation der Antragstellerin hinsichtlich der Planungs- und Bauüberwachungsleistungen. Die Antragstellerin habe ihre Preise in unbekannter Höhe in unbekannten Leistungspositionen für Grundleistungen "versteckt". Dies widerspreche den Anforderungen, die die Antragsgegnerin gegenüber allen Bietern aufgestellt habe.

Eine Aufklärung durch die Antragsgegnerin sei weder möglich noch erforderlich gewesen, weil dies nichts an der fehlenden Preisangabe geändert hätte. Bei nicht HOAI-mindestsatzgebundenen Leistungen stelle jede formale Änderung von Angebotspreisen zugleich eine tatsächliche Preisänderung und damit eine Abänderung des Vertragsinhalts dar. Bietergespräche über die Vergütung für nicht HOAI-mindestsatzgebundene Leistungen seien somit aktive Nachverhandlungen und keine bloße Angebotsaufklärung mehr. Bei den fehlenden Preisangaben der Antragstellerin zu den nicht HOAI-mindestsatzgebundenen, besonderen Leistungen habe es sich damit um unheilbare Angebotsfehler gehandelt.

Im Gegensatz dazu sei die Aufklärung von HOAI-Mindestsatzunterschreitungen bei der Beigeladenen unter dem Aspekt der Bieterzuverlässigkeit sogar geboten gewesen. Eine gezielte Mindestsatzunterschreitung begründe Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Bieters. Deshalb müsse bei einem Angebot, das eine HOAI-Mindestsatzunterschreitung enthalte, aufgeklärt werden, ob es sich um einen gewollten Verstoß gegen die HOAI handele.

Zu Unrecht habe die Vergabekammer einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darin gesehen, dass die Antragsgegnerin mit der Angebotsaufforderung vom 14.07.2005 weitere Zuschlagskriterien eingeführt habe. Es sei nichts daran auszusetzen, dass die Antragsgegnerin die endgültigen Zuschlagskriterien erst mit der Angebotsaufforderung bekannt gegeben habe. Ohnehin handele es sich nicht um ein eigenes, ausdrücklich als solches bekannt zu gebendes Zuschlagskriterium, sondern diene lediglich der Konkretisierung des bereits bekannt gemachten Zuschlagskriteriums "Qualität".

Selbst wenn die gerügten Vergaberechtsverstöße tatsächlich bestünden, sei eine Wiederholung des kompletten Angebotsverfahrens nicht erforderlich. Vielmehr reiche es aus, die vergleichbaren Angebote neu zu bewerten, falls der Senat dies für erforderlich halte. Jedenfalls aber müsse das Angebotsverfahren mit allen fünf Bietern wiederholt werden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1.

Ziff. 1. und 2. des Tenors des Beschlusses der VK Hessen vom 08.11.2005, Az.: 69 d VK - 67/2005, dahin gehend abzuändern, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 19.08.2005 zurückgewiesen wird und der Antragstellerin die Verfahrenskosten auferlegt werden,

2.

hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen vom 28.07.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu werten,

3.

äußerst hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, das Angebotsverfahren komplett mit allen 5 Teilnehmern zu wiederholen,

4.

die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin verteidigt insoweit den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer und beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Zu ihrer eigenen Beschwerde trägt sie vor, die Beigeladene sei aus dem weiteren Verfahren zwingend auszuschließen. Sie habe mehrfach deutlich unterhalb der HOAI-Mindestsätze liegende Honorare angeboten, um die anderen Mitbieter preisrechtlich auszustechen. Bei einer Wiederholung des Vergabeverfahrens würde das Verhalten der Beigeladenen nur noch dadurch belohnt, dass das Angebot der Beigeladenen aufgrund des erfolgreichen Nachprüfungsantrags der Antragstellerin noch einmal bewertet werden könnte.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss insoweit zu ändern, als in Ziff. 1 der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist, das Verhandlungsverfahren mit der Antragstellerin und der Beigeladenen zu wiederholen. Die Beigeladene ist auszuschließen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene ist im Wesentlichen dem Vortrag der Antragsgegnerin beigetreten. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags wird auf den Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20.02.2006 Bezug genommen.

II.

A.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 116, 117 GWB). In der Sache führt sie zu einer Abänderung des angefochtenen Beschlusses entsprechend dem ersten Hilfsantrag der Antragsgegnerin.

1.)

Der Nachprüfungsantrag ist statthaft.

a) Das Vergabenachprüfungsverfahren gem. § 98 ff. GWB ist eröffnet.

Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 4 GWB. Es handelt sich um eine hundertprozentige Tochter des Landes Hessen. Tochterunternehmen öffentlicher Auftraggeber unterfallen grundsätzlich ebenfalls dem Vergaberecht (Werner in Byok/Jäger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. § 98 Rn. 412).

Bei der Vergabe von Planungsleistungen für den Neubau einer Betriebswerkstatt der Antragsgegnerin handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB. Der Schwellenwert ( §§ 100 Abs. 1 GWB, 2 Nr. 1 VgV ) wird erreicht.

Das Nachprüfungsverfahren gem. §§ 98 ff. GWB wird nicht durch § 5 Satz 3 VgV ausgeschlossen. Es kommt allein darauf an, ob ein öffentlicher Auftrag gem. § 99 GWB vorliegt, der den Schwellenwert übersteigt und nicht von der Anwendung des Vergaberechtsnachprüfungsverfahrens ausgeschlossen ist ( § 100 GWB). § 5 VgV enthält keine Regelung zum Ausschluss des Nachprüfungsverfahrens, sondern bestimmt lediglich, dass öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 1-3 und 5 GWB bei der Vergabe bestimmter Dienstleistungen die VOF anzuwenden haben. Aus der Nichterwähnung der Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 4 GWB bzw. der Bestimmung in Satz 3, wonach Satz 1 auf Aufträge im Sektorenbereich keine Anwendung findet, folgt nicht, dass das gesamte Vergabenachprüfungsverfahren gem. §§ 98 ff. GWB auf Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 GWB nicht anzuwenden wäre, sondern dass für Auftraggeber nach § 98 Nr. 4 GWB insoweit die VOF nicht anzuwenden ist. Welche Bestimmungen Sektorenauftraggeber gem. § 98 Nr. 4 GWB im Übrigen anzuwenden haben, folgt aus § 7 Abs. 2 VgV. Dass sie vom Vergaberechtsregime insgesamt ausgenommen sind, wird an keiner Stelle geregelt. Die VgV trifft nur nähere Bestimmungen über das Verfahren, das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhalten ist, nicht ob ein Nachprüfungsverfahren stattfindet. Aus der Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts ( Beschluss v. 16.01.2002 - 6 Verg 7/01 ) folgt nichts anderes.

Ob, wovon die Vergabekammer ausgegangen ist, hier dennoch die VOF anzuwenden ist, weil sich die Antragsgegnerin freiwillig den Regelungen der VOF unterworfen hat (Schreiben vom 14.07.2005, GA 58), ist keine Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach §§ 97 ff. GWB.

b) Das Nachprüfungsverfahren ist jedenfalls überwiegend auch im Übrigen zulässig.

aa) Die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB liegt vor. Dem steht nicht entgegen, dass das Angebot der Beigeladenen preisgünstiger ist. Nach § 107 Abs. 2 S. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend macht. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen, und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist. Die Antragsbefugnis entfällt auch nicht deshalb, weil die Antragstellerin nur das zweitbilligste Angebot abgegeben hat, da der Preis nicht allein entscheidend für den Zuschlag ist, sondern sich die Reihenfolge des preislich günstigsten und zweitgünstigsten Angebots bei vollständiger und sachlich korrekter Wertung der Angebote noch verschieben kann. Erst recht gilt dies, wenn die Beschwerde der Antragstellerin Erfolg hätte und die Beigeladene auszuschließen wäre.

bb) Die Antragstellerin hat die im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Vergabeverfahrensverstöße - mit einer Ausnahme ( dazu unter 3.) - rechtzeitig gerügt (§ 107 Abs. 3 GWB).

2.)

Der Nachprüfungsantrag ist weitgehend begründet.

a) Zu Recht hat die Vergabekammer angenommen, dass das Angebot der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden durfte. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Ausschluss nach den Bestimmungen der VOF richtet oder nur die allgemeinen Vergabegrundsätze gem. §§ 97 ff. GWB gelten, weil die VOF auf die Vergabe freiberuflicher Leistungen im Sektorenbereich keine Anwendung findet.

Aus der VOF ergibt sich kein mit den §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A vergleichbarer Ausschlusstatbestand. Vielmehr regelt § 11 VOF abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bewerber von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen sind. Ein darüber hinausgehender zwingender Ausschluss formal unvollständiger Angebote würde dem Grundsatz der weitgehend freien Verhandelbarkeit von Angeboten freiberuflicher Leistungen widersprechen.

Ein zwingender Ausschluss ergibt sich - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - aber auch nicht aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 97 ff GWB, insbesondere dem Gebot der Gleichbehandlung und Transparenz. Zwar hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden ( BGH VergR 04, 473 - Mischkalkulationen m.w.N; VergR 03,558 -Erdbaumaßnahmen), dass Angebote, die den § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen, weil ihnen geforderte Erklärungen fehlen, zwingend von der Vergabe auszuschließen sind (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A). Diese Rechtsprechung beruht aber auf den besonderen Regelungen in § § 21, 25 VOB/A und kann in dieser Konsequenz nicht schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Vergaberechts hergeleitet werden.

Ungeachtet dessen passen die tragenden Erwägungen der Rechtsprechung des BGH nicht auf den vorliegenden Fall. Entscheidend ist, dass bei einer sog. "Mischkalkulation" - von der in der Entscheidung des BGH ( BGH VergR 04, 473 ) auszugehen war - durch Abpreisen bestimmter ausgeschriebener Leistungen und Aufpreisen der Einheitspreise anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise, sondern versteckt die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots. Ein solches Angebot widerspricht dem in § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A niedergelegten Grundsatz, weil es grundsätzlich ungeeignet ist, einer transparenten und alle Bieter gleich behandelnden Vergabeentscheidung ohne weiteres zugrundegelegt zu werden.

Hier hat die Antragstellerin jedoch keine Einheitspreise von bestimmten Leistungspositionen in andere Leistungspositionen verschoben und den dortigen Einheitspreisen zugeschlagen, sondern zwei Positionen (1.13.3 Flucht- und Rettungswegeplan und 1.16.1 SIGE-Plan und Unterlage) pauschal berechnet und weitere Positionen (1.13.1 vorbeugender Brandschutz, 1.13.2 organisatorischer Brandschutz 1.16.2 SIGE-Begleitung AP und Ausschreibung 1.16.3. SIGE-Koordination) pauschal in der Grundleistung Planung bzw. Bauüberwachung berücksichtigt.

Eine solche Angabe ist weder unter dem Gesichtspunkt der Mischkalkulation noch der fehlenden Preisangabe zu beanstanden. Auch der Bundesgerichtshof hält es nicht generell für unzulässig, dass ein Bieter in seinem Angebot Positionen des Leistungsverzeichnisses in andere Positionen einrechnet, wenn aus dem Angebot der tatsächlich geforderte Preis für die Leistung - etwa infolge erläuternder Zusätze - ersichtlich wird ( BGH a.a.O. S. 477 unter 4. b). Aus den im Leistungsverzeichnis der Antragstellerin enthaltenen Zusätzen ist eindeutig und klar ersichtlich, dass die entsprechenden Positionen pauschal mit anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses abgegolten sind, d.h. nicht gesondert berechnet werden. Gegen eine solche Preisangabe ist - jedenfalls im Bereich einer Ausschreibung außerhalb der VOB/A - unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und Gleichbehandlung nichts einzuwenden. Anders als bei der Verschiebung von Einheitspreisen in andere (Einheitspreis-)Positionen des Leistungsverzeichnisses besteht nicht die Gefahr, dass es durch Mengenerhöhungen und Mengenreduzierungen bei einzelnen Positionen zu Verschiebungen des Gesamtpreises kommen kann. Da es sich bei den Preispositionen, mit denen die Leistung abgegolten sein soll, um Festpreise handelt, ist die Angabe, dass eine bestimmte Position des Leistungsverzeichnisses bereits mit einer anderen Position pauschal abgegolten sein soll, eindeutig und im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Angebote ausreichend transparent. Ein Fall von Mischkalkulation liegt nicht vor. Die Angabe "in Pos. enthalten" ist zulässig, wenn die Leistung tatsächlich kostenlos erfolgt bzw. nicht besonders berechnet wird. Sie ist als Preisangabe "null" zu verstehen (OLG München, IBR 2005, 510 = VergR 2005, 794 ).

Zu Unrecht hat die Antragsgegnerin auch eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI beanstandet. Wie die Antragsgegnerin zwischenzeitlich selbst einräumt, unterfallen die in Rede stehenden Positionen im Angebot der Antragstellerin nicht den von der HOAI vorgegebenen Mindestsätzen. Handelt es sich, wie die Antragsgegnerin nunmehr einräumt, um nicht mindestsatzgebundene Leistungen, so entfällt auch der Vorwurf einer Mindestsatzunterschreitung schon im Ansatz.

Nach allem erweist sich der Ausschluss der Antragstellerin unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt als gerechtfertigt.

b) Zu Recht hat die Vergabekammer die Einführung zusätzlicher Wertungskriterien anlässlich der Wiederholung der zweiten Verhandlungsstufe als vergaberechtswidrig angesehen.

aa) Zunächst kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Antragsgegnerin sich insoweit an den Vorgaben der VOF messen lassen muss. Sie hat in ihrer Angebotsanforderung vom 14. 07.2005 sowie in ihrer Stellungnahme gegenüber der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie die VOF "freiwillig" anwende und sich für ihre Rechtsposition auf § 16 Abs. 3 VOF bezogen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der sich selbst in dieser Form bindet, sich an seiner Erklärung festhalten lassen muss. Aus der Tatsache, dass die VOF von der Antragsgegnerin freiwillig angewandt werden soll, folgt nicht, dass die Anwendung je nach Einzelfall im Belieben der Antragsgegnerin steht. Es mutet entsprechend sonderbar an, wenn die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vortragen lässt, die VOF sei nicht anwendbar.

Gem. § 16 Abs. 3 VOF haben Auftraggeber in der Aufgabenbeschreibung oder der Vergabebekanntmachung alle Auftragskriterien anzugeben, deren Anwendung vorgesehen ist, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung.

Bezüglich des Zeitpunkts der Bekanntgabe der Auftragskriterien (Vergabebekanntmachung oder Aufgabenbeschreibung) steht dem Auftraggeber zwar ein entsprechendes Wahlrecht zu (Müller-Wrede, VOF, § 16 Rn. 136 m.w.N.). Ob eine Mitteilung von Auftragskriterien - entgegen dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 VOF - auch noch im Einladungsschreiben zu den Verhandlungsgesprächen zulässig ist (vgl. Weyand, Praxishandbuch Vergaberecht, VOF § 16 Rn. 2772) kann dahin stehen, weil es keine Einladung zu Verhandlungsgesprächen gegeben hat.

bb) Gibt der Auftraggeber die Vergabekriterien in der Bekanntmachung an, so bindet er sich für das weitere Vergabeverfahren selbst (Müller-Wrede a.a.O. Rn. 138). Eine Abweichung von den Vorgaben ist dann - jedenfalls in erheblichem Umfang - nicht mehr möglich.

Hier hat sich die Antragsgegnerin dafür entschieden, die Zuschlagskriterien bereits in der Vergabebekanntmachung zu veröffentlichen. Damit war eine Selbstbindung auch hinsichtlich der zu berücksichtigenden Zuschlagskriterien erfolgt, so dass die spätere Ergänzung der Zuschlagskriterien durch das Kriterium der Terminsicherheit nicht lediglich als eine geringe Korrektur aufgefasst werden kann. Entsprechendes gilt erst recht von dem unter dem Gesichtspunkt der Qualität ergänzend eingeführten Kriterium der Erfahrungen und Kenntnisse beim Werkstättenbau von NE-Bahnen. Selbst wenn man zugunsten des Auftraggebers bei VOF -Vergaben ein Nachschieben von Zuschlagskriterien über die Bekanntmachung hinaus zulassen würde, könnte sich die Antragsgegnerin hierauf nicht berufen, weil sie die zusätzlichen Kriterien nicht schon in der (ersten) Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 30.05.2005 bekannt gegeben hat, sondern erst, nachdem sie sich aufgrund einer Rüge der Antragstellerin zu einer Wiederholung des Vergabeverfahrens ab der 2. Stufe entschlossen hatte.

Eine Änderung oder Erweiterung von Zuschlagskriterien ist jedenfalls nicht mehr zulässig, wenn bereits Angebote abgegeben und gewertet wurden, aber das Vergabeverfahren - wegen sonstiger Verfahrensverstöße - ab der zweiten Stufe wiederholt werden muss. Die frühzeitige Festlegung aller Auftragskriterien dient der Information der Interessenten, ob die Teilnahme am Wettbewerb für sie überhaupt lohnend und die kostenträchtige Ausarbeitung eines Angebots erfolgversprechend erscheint. Durch die Bekanntgabe können sie erkennen, in welchem Maße sie der Aufgabe gerecht werden können, wo deren Schwerpunkte liegen und wo sie Schwerpunkte setzen müssen und zu setzen vermögen ( OLG Stuttgart, VergR 2003, 226, 229 ). Ferner dient sie dem Schutz der Bieter vor willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers.

Würde man eine Erweiterung oder Änderung der Vergabekriterien auch noch nach einem ersten Wertungsdurchgang zulassen, so wäre nicht auszuschließen, dass Bieter ihr ( erstes ) Angebot auf Kriterien ausgerichtet haben, die im zweiten Verfahrensdurchgang keine oder nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, während der Auftraggeber Kriterien in den Vordergrund rückt, auf die sich die Bieter bislang nicht einstellen konnten. Eine Änderung von Wertungskriterien ist jedenfalls nicht mehr zulässig, wenn sie, wären sie im Zeitpunkt der Angebotsvorbereitung bekannt gewesen, diese Vorbereitung hätten beeinflussen können ( vgl. auch EuGH, ZfBR 2006, 184 für die nachträgliche Aufteilung von Punkten zur Gewichtung von Unterkriterien ) . Das wird bei der Wiederholung einer Angebotseinholung unter geänderten Kriterien regelmäßig der Fall sein, weil die Bieter ihr früheres Angebot bereits nach anderen Kriterien ausgerichtet haben oder nunmehr erkennen müssen, dass sie nach den neu eingeführten Kriterien nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg teilnehmen können.

Das Nachschieben neuer oder Verändern bisheriger Wertungskriterien zu diesem Zeitpunkt birgt zudem die Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrungen in sich, indem Kriterien herausgestellt werden, die auf bereits vorliegende Angebote bestimmter Bieter zugeschnitten sind. Unter Berücksichtigung der ersten und zweiten Angebotswertung vermag der Senat diese Gefahr auch im zu entscheidenden Fall nicht auszuschließen, weil die Antragsgegnerin der Beigeladenen schon bei der Eignungsprüfung für das Kriterium "Erfahrung bei NE -Bahnen" die höchstmögliche Punktzahl zugeordnet hat.

Die Berücksichtigung des Kriteriums " Erfahrungen und Kenntnisse beim Werkstättenbau bei nicht bundeseigenen Eisenbahnen (NE - Bahnen )" ist auch nicht deshalb zulässig, weil es sich um ein bloßes Unterkriterium des Vergabekriteriums "Qualität" handelt und Unterkriterien - nach Auffassung der Antragsgegnerin - nicht bekannt gegeben werden müssen. Dieser Auffassung ist schon im Ansatz nicht zu folgen. Gleichbehandlung und Transparenz gebieten es vielmehr, im Voraus aufgestellte Unterkriterien auch in der Vergabebekanntmachung bzw. den Verdingungsunterlagen bekannt zu machen ( OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.11.2005, Verg 59/05 ). Auch wenn es sich bei dem Kriterium "Erfahrung mit NE -Bahnen" um ein Unterkriterium des Kriteriums "Qualität" handeln würde, hätte die Antragsgegnerin spätestens im Schreiben vom 30.05.2005 zusammen mit der (ersten ) Aufforderung zur Angebotsabgabe dieses Unterkriterium, das offensichtlich schon zuvor festgelegt und bereits bei der ersten Wertung berücksichtigt wurde, bekannt geben müssen.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich aber schon nicht um ein Unterkriterium des Kriteriums "Qualität". Das Kriterium "Erfahrung" betrifft die technische Leistungsfähigkeit eines Bewerbers und ist daher grundsätzlich im Rahmen der Eignungsprüfung von Bedeutung. Als Zuschlagskriterium ist es von vornherein wenig geeignet, weil es sich nicht auf den Auftrag, sondern den Auftragnehmer bezieht (Müller -Wrede a.a.O. § 16 Rn. 96 ).

Auch im Rahmen der VOF sind die Eignungsprüfung und die Zuschlagsentscheidung zu trennen. Die Eignungskriterien Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit sind nach Durchschreiten der Eignungsprüfung gem. §§ 10, 12 und 13 VOF für das abschließende Auswahlverfahren nach § 16 VOF verbraucht ( VK Schleswig -Holstein, Beschluss v. 11.01.2006, VK -SH 28/05 ). Es ist schon zweifelhaft, ob als Auftragskriterien im Sinne von § 16 Abs. 3 VOF Kriterien angegeben werden dürfen, die für die grundsätzliche fachliche Eignung bestimmend sind ( so VK Bund, VK 2 24/01). Jedenfalls dürfen solche Kriterien grundsätzlich nicht nochmals im Rahmen der Zuschlagswertung herangezogen werden.

So ist es grundsätzlich unzulässig, wenn der Auftraggeber die Zahl der Referenzen über die von den Bietern anderen Kunden angebotenen Produkte nicht als Kriterium für die Prüfung der fachlichen Eignung, sondern als Zuschlagskriterium berücksichtigt ( EuGH, IBR 2003, 439). So liegt der Fall auch hier. Die von der Antragsgegnerin berücksichtigte Erfahrung mit NE -Bahnen entspricht vom Bieter geforderten Referenzen. Als Qualitätskriterium hätte sie deshalb allenfalls berücksichtigt werden dürfen, soweit ein konkreter Bezug der Erfahrungen zur Erbringung der streitgegenständlichen Leistung herzustellen ist. Denn die Erfahrung mit vergleichbaren Projekten kann unter diesen Umständen in die Prognose der wirtschaftlichsten Leistungserbringung einfließen, soweit ihr kein überwiegendes Gewicht zukommt. Ein solcher konkreter Bezug erscheint allerdings nicht ohne weiteres ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat in einem Bieterrundschreiben vom 25.07.2005 mitgeteilt, Erfahrungen und Kenntnisse beim Werkstättenbau bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen seien ein zweckmäßiger Wertungsaspekt, weil sie sich auf die zu erwartende Qualität auswirken könnten. Als Begründung wird angeführt, bei NE - Bahnen gälten teilweise andere Vorschriften als bei bundeseigenen Eisenbahnen, es sei eine andere Berufsgenossenschaft zuständig, bei NE -Bahnen sei das jeweilige Land Genehmigungsbehörde. Es ist nicht unmittelbar einsichtig, in welcher Weise diese Aspekte sich konkret auf die Qualität der ausgeschriebenen Planungsleistungen auswirken können.

Dass im Bereich der bundeseigenen Bahn eine "extreme Reglementierung" durch Konzernrichtlinien besteht, die höhere aufwändigere Sicherheiten beinhalten, während im NE - Bereich kostengünstiger und einfacher geplant werden kann, besagt nicht, dass weniger Erfahrung im NE -Bereich eine ungünstigere Prognose hinsichtlich der Qualität der Leistungserbringung rechtfertigt. Der Senat braucht die Frage aber nicht abschließend zu entscheiden, weil die Berücksichtigung des Kriteriums zumindest überraschend ist und die vollständige Doppelberücksichtigung des Kriteriums sowohl bei der Eignungs- wie der Zuschlagswertung jedenfalls ohne vorherige Bekanntgabe erheblich gegen das Transparenzgebot verstößt.

3.) Die Antragsgegnerin hält aber zu Recht eine vollständige Wiederholung der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens für entbehrlich. Die Vergabekammer hat einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 VOF angenommen und gemeint, die Antragsgegnerin müsse die Leistungsbeschreibung hinsichtlich des Anteils ihrer planerischen Eigenleistungen neu fassen und den beteiligten Bietern auf der Grundlage der Neufassung Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote geben. Dem ist nicht zu folgen.

Ob ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 VOF vorliegt, weil der Anteil der von der Antragsgegnerin zu erbringenden Planungsleistung in der Leistungsbeschreibung / Honorarermittlungstabelle nicht konkret angegeben war, so dass die Bieter über den Umfang der von ihnen zu erbringenden Planungsleistungen im Unklaren gelassen wurden, bedarf keiner Entscheidung. Die Antragstellerin kann sich im Nachprüfungsverfahren jedenfalls nicht mehr auf diesen Mangel berufen, weil sie ihn - entgegen der Feststellung der Vergabekammer - nicht rechtzeitig gerügt hat ( § 107 Abs. 3 GWB).

Bei Unklarheiten im Leistungsverzeichnis ist ein Bieter gehalten, unverzüglich bei der Vergabestelle nachzufragen und Klarstellung zu verlangen. Die Vergabestelle ist gehalten, unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebots klarstellende Auskünfte zu erteilen. Die Antragstellerin hat statt dessen erst in ihrem Angebotsschreiben vom 28.07.2005 "rein vorsorglich" gerügt, dass die Gesamtkostennennung bezüglich der Splittung der vom Bieter nicht zu erbringenden Teilleistungen nicht transparent sei und eine Aufklärung im Rahmen eines Bietergesprächs "angeregt".

Es bestehen schon erhebliche Bedenken, ob diese Formulierung den inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge gerecht wird. Keine Zweifel bestehen hinsichtlich der ausreichend genauen Bezeichnung des behaupteten Rechtsverstoßes. Zum Ausdruck kommen muss jedenfalls, dass der Bieter dem Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit zur Selbstkorrektur geben möchte (Senatsbeschluss v. 24.06.2004, 11 Verg 15 /04 ). Ob dies in einer bloßen Anregung eines Verhandlungsgesprächs deutlich genug zum Ausdruck kommt, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls war die Rüge im Angebotsschreiben vom 28.07.2005 aber nicht mehr unverzüglich. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 14.07.2005 zur Angebotsabgabe aufgefordert. Selbst bei Berücksichtigung einer Postlaufzeit waren bis zur Abgabe des Angebots unter dem 28.07.2005 annähernd 2 Wochen verstrichen. Da der Mangel aus der Leistungsbeschreibung heraus ersichtlich war und die Antragstellerin ihn - wie sich aus der Rüge im Schreiben vom 28.07.2005 ergibt - schon bei der Erstellung ihres Angebots erkannt hat, hätte sie - ggfs. nach entsprechender Aufforderung der Antragsgegnerin zur Klarstellung der Leistungsbeschreibung - unverzüglich rügen müssen ( § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB). Zwar kann im Einzelfall eine Rüge noch unverzüglich sein, wenn sie innerhalb von 2 Wochen ab Kenntniserlangung erhoben wird. Dabei handelt es sich jedoch um eine Maximalfrist, deren Ausschöpfung nur bei extrem schwieriger Sach- und Rechtslage gerechtfertigt erscheinen kann ( Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, GWB § 107 Rn. 1147 m.w.N.). Davon ist hier nicht auszugehen. Die - überdies anwaltlich vertretene - Antragstellerin hätte die beanstandete Ungenauigkeit des Leistungsverzeichnisses binnen weniger Tage nach Erhalt der Aufforderung zur Leistungsabgabe gegenüber der Vergabestelle ansprechen, um Klarstellung bitten und für den Fall einer Weigerung rügen müssen, statt die Frist bis zur Angebotsabgabe abzuwarten und zugleich mit ihrem Angebot eine "vorsorgliche Rüge" auszusprechen, zumal sie eine Reihe anderer Rügen bereits mit Schreiben vom 20.07.2005 erhoben hatte.

Da die Antragstellerin mit ihrer Rüge nach § 8 Abs. 1 VOF ausgeschlossen ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Konkretisierung der bisherigen Leistungsbeschreibung in Position 1.3. Da auch - wie unter B. darzulegen ist - das Angebot der Beigeladenen in der Wertung zu belassen ist, sind die Angebote - unter Berücksichtigung der Ausführungen unter C. - so zu werten, wie sie abgegeben worden sind.

B.

1.)

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist mangels Beschwer unzulässig. Die Antragstellerin hat den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen erstmals in der Beschwerdeinstanz beantragt. Dem in der Vorinstanz gestellten Antrag, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu erteilen, hat die Vergabekammer - sinngemäß - in vollem Umfang stattgegeben, was auch in der Kostenentscheidung zum Ausdruck kommt. Deckt sich die Entscheidung mit dem gestellten Antrag, so ist dem betreffenden Beteiligten die Beschwerde mangels Beschwer verwehrt, selbst wenn der gestellte Antrag die ihm materiell zustehenden Rechte nur unzureichend verfolgt hat ( Byok/ Jaeger a.a.O. § 116 Rn. 1136).

Die - unzulässige - Beschwerde ist jedoch als Anschlussbeschwerde anzusehen, die auch im Vergabenachprüfungsverfahren zulässig ist ( Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl. § 117 Rn. 8a; Byok / Jaeger a.a.O. § 120 Rn. 1208; jew. m.w.N.) und keine Beschwer voraussetzt ( BGH NJW 1980, 702).

2.)

Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

a) Ist ein Auftrag - wie hier - nach einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung zu vergüten und ist darin ein zwingender Rahmen vorgesehen, darf der Preis nur innerhalb dieses Rahmens Berücksichtigung finden (§ 16 Abs. 2 S. 2 VOF). Ein Angebot, dessen Preis sich nicht im durch die Gebühren- oder Honorarordnung vorgegebenen Rahmen hält, insbesondere unterhalb der vorgeschriebenen Mindestsätze liegt, darf nicht zum Zuge kommen, auch wenn es im übrigen die Zuschlagskriterien erfüllt.

Dabei werden in der Literatur unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, wie mit einem solchen Angebot zu verfahren ist, insbesondere, ob es allein wegen dieses Verstoßes ohne weiteres auszuschließen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass in dieser Situation es grundsätzlich keiner Aufklärung bedürfe, weil ein solches Angebot außerhalb des zwingenden Gebühren- oder Honorarrahmens allein wegen dieses Verstoßes ausscheide. Nach anderer Auffassung hat ein Ausschluss des Angebots erst nach dem Scheitern von Nachverhandlungen darüber zu erfolgen. Für diese Auffassung hat sich auch das OLG Stuttgart (VergR 2003, 235, 238) entschieden. Der Senat folgt der Ansicht, dass ein Ausschluss in der Regel nur nach Scheitern von Nachverhandlungen über verordnungswidrige Angebotsteile zu geschehen hat. § 16 Abs. 2 S. 2 VOF gibt vor, dass der Preis nur im Rahmen einer zu berücksichtigenden gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung zu berücksichtigen ist. Der Wortlaut enthält gerade keinen Hinweis darauf, dass derartige Angebote von vornherein auszuschließen sind. Das gilt umso mehr, als die Vergabeart nach VOF grundsätzlich Nachverhandlungen auch über den Preis eröffnet.

b) Offen gelassen hat das OLG Stuttgart allerdings, ob ein Bieter ohne weiteres auszuschließen ist, wenn sein Angebot etwa angesichts der Fülle von Verstößen gegen die Honorarordnung einen systematischen Verletzungswillen und damit zugleich eine mangelnde fachliche oder persönliche Eignung erkennen lässt. Darauf zielt die Beschwerde der Antragstellerin ab.

Der Senat hält die Voraussetzungen für einen unverzüglichen Ausschluss ohne weitere Angebotsaufklärung jedenfalls hier für nicht gegeben. Die erste Ausschreibung ist nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens, dementsprechend ist der Vortrag nicht ausreichend, um die Einräumung eines pauschalen Nachlasses von 35 % und etwaige weitere preisrechtliche Verstöße ausreichend zu würdigen. Auch der Umfang der Mindestsatzunterschreitung im streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahren ist betragsmäßig nicht allzu gravierend. Vor allem lassen die möglichen Unterschreitungen nicht ohne weiteres den Rückschluss auf gezielte Verstöße gegen die Mindestsätze der HOAI zu, weil die Angaben zu Pos. 1.3 der Leistungsbeschreibung mehrdeutig waren.

C.

Bei der erforderlichen neuen Wertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen muss die Antragsgegnerin sicherstellen, dass die Mindestsätze der HOAI nicht unterschritten werden. Eine Unterschreitung der Mindestsätze ist bei beiden Angeboten nicht sicher auszuschließen. Beide Bieter haben möglichen Eigenleistungen der Antragsgegnerin durch Reduzierungen der Prozentsätze bei der "Objektplanung Verkehrsanlage" in Pos. 1.3 Leistungsphasen 1 und 2 Rechnung getragen. Die Antragsgegnerin muss sicherstellen, dass insoweit die Angebote nicht die Mindestsätze unterschreiten, weil der Umfang ihrer Eigenleistungen nicht angemessen berücksichtigt worden ist. Das Verbot, den Auftrag unter den Mindestsätzen der HOAI zu vergeben, gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin Unklarheiten der Leistungsbeschreibung rechtzeitig gerügt hat. Als öffentlicher Auftraggeber ist die Antragsgegnerin an die zwingenden Bestimmungen der HOAI gebunden. Ggfs. sind die Angebote deshalb vor einer erneuten Wertung auf den gesetzlichen Honorarrahmen anzuheben.

Ferner sind - wie dargelegt - die Kriterien "Terminsicherheit" und "Erfahrungen und Kenntnisse bei nicht bundeseigenen Eisenbahnen" nicht als Qualitätskriterien heranzuziehen.

D.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten anteilig entsprechend ihrem Unterliegen zu tragen. Der Senat wertet das Unterliegen der Antragstellerin mit 50%, da sie im Falle des Ausschlusses der Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren ohne weiteres den Zuschlag hätte erhalten können. Demgegenüber bleibt das Ergebnis einer lediglich erneuten Wertung deutlich zurück.

Von einer Kostenbelastung wie von einer Kostenerstattung zugunsten der Beigeladenen war abzusehen, weil sie keine eigenen Anträgen gestellt hat.

Der Streitwert war gem. § 50 Abs. 2 GKG auf 5% der Bruttoauftragssumme festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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