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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 11 Verg 2/09
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 21 Abs. 2 Nr. 1
VOB/A § 25 Abs. 1 b Nr. 1
1. Verlangt die Vergabestelle im Leistungsverzeichnis Hersteller- und Typenangaben zu den angebotenen Produkten, so stehen unklare und unbrauchbare Angaben fehlenden Angaben gleich, wenn die Vergabestelle das angebotene Produkt nicht identifizieren kann.

2. Ein Bieter muss, wenn er meint, er brauche den jeweiligen Typ nicht anzugeben, weil es vom Hersteller keine Typenbezeichnung gibt oder er eine Sonderfertigung anbieten will, die Vergabestelle darauf hinweisen oder die entsprechende Position des Leistungsverzeichnisses unverzüglich rügen.

3. Es ist nicht Aufgabe der Vergabestelle, den angebotenen Produkttyp durch Suchen in Prospekten oder Nachfrage beim Hersteller aufzuklären. Ein Anspruch des Bieters auf Aufklärung des Angebotes gemäß § 24 VOB/A besteht grundsätzlich nicht.


Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin hat im Juli 2008 im Rahmen der Weiterentwicklung Klinikum A GmbH das Gewerk 6: Schreinerarbeiten - Holzinnentürblätter europaweit ausgeschrieben. Bei Ende der Angebotsfrist am 10.09.2008 hatten die Antragstellerin und 12 weitere Bieter Angebote eingereicht. Nach einer ersten Wertung beabsichtigte die Antragsgegnerin, den Auftrag dem preisgünstigsten Bieter, der Tischlerei B, zu erteilen (Vergabevermerk v. 13.11.2008). Hiergegen leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer ein, die der Antragsgegnerin daraufhin mit Beschluss vom 15.12.2008 aufgab, alle Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, das Angebot des ursprünglich favorisierten Bieters sei wegen Änderung der Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b i. V. m. § 21 Abs. 3 VOB/A auszuschließen.

In Position 2.8 des Leistungsverzeichnisses war gefordert:

"Objekt-Türdrückergarnituren mit Kurzschild gem. nachfolgenden Skizzen, Ausführung in Edelstahl rostfrei, matt gebürstet, vorgerichtet für Profilzylinder. Drücker an der Schildunterkonstruktion mittels Ausgleichslager (AGL) festdrehbar gelagert, um axiale und vertikale Kräfte abzufangen (...)."

Position 2.16 des Leistungsverzeichnisses lautet:

"Objekt-Türdrückergarnitur genau wie in Position 2.8 beschrieben, jedoch Ausführung als Brandschutzgarnitur für T30-RS-Türen, Türdicke ca. 50 mm." ...

Nach der nicht angegriffenen Feststellung der Vergabekammer ist Pos. 2.16 so zu verstehen, dass damit eine Drückergarnitur als Brandschutzgarnitur mit Ausgleichslager (AGL) gefordert wird.

Unter den jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses waren vom Bieter das angebotene Fabrikat und der angebotene Garniturtyp anzugeben. Die Antragstellerin gab in den Positionen 2.8 und 2.16 unter Fabrikat jeweils den Hersteller "C" an. Unter Garniturtyp gab sie in Position 2.8 "AGL 7270 04 Edelstahl" und in Position 2.16 "AGL 7670 04 Edelstahl" an.

In dem aktuellen Produktkatalog der Firma C (C-Handbuch 2008/2009) findet sich unter der Produktfamilie "Modell 1070" eine Drückergarnitur mit der Bezeichnung 7270 04, bei der es sich um eine Drückergarnitur mit Objektbeschlag und Ausgleichslager (AGL) handelt. Bei der Typenbezeichnung 7670 04 handelt es sich nach dem Produktkatalog um eine Drückergarnitur mit einem Feuerschutzbeschlag oder einem Feuerschutzbeschlag/EN 179, jedoch ohne Ausgleichslager (AGL).

Nach erneuter Wertung im Anschluss an das erste Nachprüfungsverfahren kam die Antragsgegnerin entsprechend dem Vergabevermerk des von ihr beauftragten Projektsteuerers zu dem Ergebnis, dass kein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot eingegangen sei (Vergabevermerk vom 19.01.2009). Hinsichtlich der Antragstellerin wird darin aufgeführt, ein Garniturtyp AGL 7670 04, wie von der Firma D angeboten, könne im C-Handbuch 2008 nicht ausfindig gemacht werden. Zur weiteren Aufklärung habe das Architekturbüro im Dezember 2008 eine telefonische Anfrage bei der technischen Abteilung der Firma C vorgenommen, ob es die Garnitur C 7670 04 Brandschutzgarnitur mit AGL-Technik gebe. Nach Aussage der technischen Abteilung seien solche Drückergarnituren mit AGL-Technik zur Zeit in der Prüfung, aber noch nicht auf dem Markt erhältlich.

Auch nach Auskunft des Großhändlers E im Dezember 2008 sei ein solcher Garniturtyp nicht lieferbar. Die aufklärenden Maßnahmen hätten somit zu dem Ergebnis geführt, dass eine Drückergarnitur 7670 04 mit AGL-Technik der Firma C nicht erhältlich sei. Das vom Bieter D angebotene Fabrikat sei daher zum Zeitpunkt der Angebotslegung nicht existent. Das Angebot müsse deshalb ebenfalls wegen unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen zwingend ausgeschlossen werden.

Mit Schreiben vom 26.01.2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Vergabeverfahren gemäß § 26 Nr. 1 a VOB/A aufgehoben worden sei, weil kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Es sei beabsichtigt, ein offenes Verfahren durchzuführen.

Mit Schreiben vom 28.01.2009 widersprach die Antragstellerin der Aufhebung des Vergabeverfahrens und erbat eine Begründung. Nachdem eine solche mit Schreiben des Projektsteuerers vom 02.02.2009 abgelehnt wurde, rügte die Antragstellerin die Aufhebung mit anwaltlichem Schreiben vom 03.02.2009 und wies darauf hin, dass zumindest ihr Angebot sämtliche Ausschreibungsbedingungen erfülle.

Nachdem sich die Antragsgegnerin nachfolgend weigerte, die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens rückgängig zu machen, reichte die Antragstellerin unter dem 12.02.2009 einen Nachprüfungsantrag ein, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ausgeführt hat:

Die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens sei rechtswidrig, weil jedenfalls ihr, der Antragstellerin, Angebot wertbar sei. Ein zwingender Ausschlussgrund wegen unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen in Bezug auf Position 2.16 des Leistungsverzeichnisses liege nicht vor. Der Hersteller C biete neben den im aktuellen Produktkatalog ausgewiesenen Serientypen eine Vielzahl von Sonderanfertigungen und Sondermodellen an, die, soweit dies technisch möglich sei und vom Kunden gewünscht werde, lieferbar seien. Hierzu zählten auch Drückergarnituren mit Feuerschutzbeschlägen und Ausgleichslagertechnik, worüber sie, die Antragstellerin, sich bei Erstellung des Angebotes erkundigt habe. Durch die Bezeichnung AGL 7670 04 habe sie eindeutig klargestellt, dass ein Produkt angeboten werde, welches über die spezielle Ausgleichslagertechnik verfüge. Die Bezifferung 7670 04 mache deutlich, dass es sich in Anlehnung an den im Hauptsortiment enthaltenen Serientyp 7670 04 um einen Brandschutzbeschlag handele. Es ergäben sich insoweit keine Abweichungen zu den Anforderungen in den Verdingungsunterlagen.

Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss aufgegeben, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht das Verfahren fortzusetzen und das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen angeführt:

Das Angebot der Antragstellerin sei zuschlagsfähig, da kein zwingender Ausschlussgrund bestehe. Das Leistungsverzeichnis sei so zu verstehen, dass unter Position 2.16 eine Drückergarnitur als Brandschutzgarnitur mit Ausgleichslager gefordert gewesen sei. Die Firma C habe in einem Schreiben vom 25.02.2009 gegenüber der Antragstellerin eindeutig erklärt, dass die Garnitur in Sonderanfertigung auf Einzelentscheidung hergestellt werden könne. Auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 26.02.2009 sei dies der Vergabekammer von der Firma C ebenfalls versichert worden. Damit sei hinreichend dargetan, dass das Produkt rechtzeitig herstellbar sei und von der Antragstellerin eingebaut werden könne. Der Rückschluss der Antragsgegnerin, dass etwas, was im Katalog nicht enthalten sei, nicht existent sei und nicht angeboten werden könne, sei in dieser verkürzten Form nicht haltbar. Sofern die Antragsgegnerin Zweifel gehabt habe, hätte sie diesbezüglich eine Aufklärung anfordern können. Nichts spreche dagegen, wenn sich ein Auftraggeber bei Unklarheiten über ein Angebot beim Bieter über nähere Einzelheiten informiere. Wenn die Antragsgegnerin es stattdessen vorgezogen habe, anderweitige Informationen beim Hersteller einzufordern, so trage sie das Risiko der fehlerhaften Auskunft.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, zu deren Begründung die Antragsgegnerin wie folgt vorträgt:

Der Nachprüfungsantrag sei schon wegen mangelnder Zulässigkeit zurückzuweisen. Der Antragstellerin fehle die notwendige Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB, weil ihr Angebot zwingend auszuschließen sei. Die von der Antragstellerin angebotene Drückergarnitur werde von der Firma C nicht hergestellt, sondern sei auf dem Markt nicht erhältlich. Zu Unrecht habe die Vergabekammer die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe hinreichend dargelegt, dass es sich bei der von ihr angebotenen Drückergarnitur um eine Sonderanfertigung handele. Sie, die Antragsgegnerin, habe von dem Hersteller die Auskunft erhalten, dass eine derartige Drückergarnitur zur Zeit noch nicht auf dem Markt erhältlich sei. Diese Erkenntnisse habe die Vergabekammer nur unzureichend gewürdigt. Sie, die Antragsgegnerin, dürfe davon ausgehen, dass sie unmittelbar von der technischen Abteilung des Herstellers zutreffende Auskünfte erhalte. Auch aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Schreiben der Firma C vom 25.02.2009 ergebe sich nichts anderes, weil dort die Sonderanfertigung von einer Einzelentscheidung abhängig gemacht werde. Es handele sich nicht um eine konkrete Bestätigung, sondern nur um eine abstrakte Möglichkeit des technisch Machbaren.

Entscheidend sei darauf abzustellen, ob für das konkrete Vergabeverfahren eine hinreichende Sicherheit für die Antragsgegnerin bestehe, dass im Falle der Zuschlagserteilung eine generelle Lieferbarkeit gesichert sei.

Der Angabe seitens des Herstellers C sei schließlich nicht zu entnehmen, ob die Sonderanfertigung über die notwendige CE-Kennzeichnung verfüge. Dieser bedürfe es aber um feststellen zu können, ob das Produkt die gesetzlichen Anforderungen an die Produktsicherheit erfülle. Einen entsprechenden Produktnachweis habe die Antragstellerin nicht erbracht.

Überdies sei die Antragstellerin mit ihrer Rüge präkludiert. Denn auf Seite 8 des Beschlusses der Vergabekammer vom 15.12.2008 (69d VK 60/2008) sei bereits ein Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 09.12.2008 erwähnt, in welchem sie, die Antragsgegnerin, die Auffassung vertreten habe, das Angebot der Antragstellerin enthalte unter Position 2.16 ein Produkt, das nicht existiere. Bei sorgfältiger Durchsicht des Beschlusses hätte die Antragstellerin spätestens mit dessen Zustellung positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen gehabt und eine entsprechende Rüge anbringen müssen.

Da das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen sei, sei auch die Aufhebung der Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 a VOB/A rechtmäßig.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Nachprüfungsantrag wird, unter Abänderung der Entscheidung der 2. Vergabekammer Hessen vom 24.03.2009 (Az.: 69d VK-06/2009), zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Die der Antragsgegnerin zur Wahrnehmung ihrer Rechte entstandenen Kosten werden für notwendig erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Antrag entgegen und verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Beschwerde (§§ 116, 117 GWB) hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin allerdings, der Nachprüfungsantrag sei bereits gemäß § 107 Abs. 2 und Abs. 3 GWB unzulässig.

a) Für die Antragsbefugnis genügt es, wenn mit dem Antrag schlüssig vorgetragen wird, dass dem Antragsteller infolge der behaupteten Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit.

Einem Bieter, der auf die Ausschreibung hin ein Angebot abgegeben und damit sein Interesse an dem Auftrag bekundet hat, und im Nachprüfungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, sein Angebot nicht als bestes Angebot zu bewerten, zur Überprüfung stellt, kann der Zugang zum Nachprüfungsverfahren daher nicht mit der Begründung verwehrt werden, sein Angebot sei aus anderen als mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen, so dass ihm wegen der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit kein Schaden erwachsen sei oder drohe. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen, und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (EuGH, VergR 2003, 541; BGHZ 159, 186). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor

b) Die Rüge der Aufhebung der Ausschreibung bzw. des Ausschlusses der Antragstellerin ist auch nicht präkludiert (§ 107 Abs. 3 GWB). Insofern hat die Vergabekammer zutreffend ausgeführt, dass die Äußerung einer bestimmten Rechtsauffassung in einem Nachprüfungsverfahren für sich allein noch keinen Verstoß gegen Vergabevorschriften begründet, der die Rügepflicht auslösen könnte. Ein möglicher Verstoß lag also im Zugang des Nachprüfungsbeschlusses vom 15.12.2008 nicht vor, so dass der Antragstellerin auch keine (vorbeugende) Rüge oblag.

2.

Die sofortige Beschwerde hat jedoch Erfolg, weil der gegen ihren Ausschluss gerichtete Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unbegründet und daher zurückzuweisen ist.

a) Dabei kann letztlich dahin stehen, ob das Angebot einer Türdrückergarnitur, deren Verfügbarkeit zwischen den Parteien nach wie vor streitig ist, (auch) zu einem zwingenden Ausschluss wegen unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen führt (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A). Der Begriff ist zwar weit auszulegen. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht. Der Auftraggeber soll davor geschützt werden, den Zuschlag auf ein unbemerkt geändertes Angebot in der möglicherweise irrigen Annahme zu erteilen, dies sei das Wirtschaftlichste (Weyand, VergR, 2. Aufl. Rn. 5533 a; Juris PK-VergR/Dippel § 21 VOB/A Rn. 29 ff.). Änderungen können in Ergänzungen und Streichungen bestehen. Sie können sich aber auch auf den (technischen) Inhalt der Leistungen beziehen. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt daher vor, wenn der Bieter die zu erbringende Leistung abändert und eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet (Weyand a.a.O. Rn. 5538). Auch wenn ein Unternehmen wesentliche Teile der ausgeschriebenen Leistung nicht so wie verlangt anbietet, stellt dies eine Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Zweifel am Inhalt des Angebots sind hier aber nur deswegen aufgekommen, weil die Herstellerfirma C weder unter der angegebenen Typenbezeichnung noch unter einer sonst im Katalog ersichtlichen Bezeichnung eine entsprechende Garnitur serienmäßig anbietet.

b) Das Angebot der Antragstellerin war jedenfalls deshalb zwingend auszuschließen, weil es von der Vergabestelle geforderte Angaben und Erklärungen nicht enthielt (§ 21 Nr.1 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A). Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Dies führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes i. V. m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A zwingend zum Ausschluss, wenn geforderte Preis- oder Typenangaben nicht gemacht werden (BGH NZBau 03, 293). Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbar sind. Fehlende Typenangaben eines Bieters beeinträchtigen die Vergleichbarkeit seines Angebots mit den Angeboten anderer Bieter. Dem Angebot ist letztlich nicht zu entnehmen, ob der Bieter mit den von ihm zur Verwendung vorgesehenen Produkten die abstrakten Anforderungen des Leistungsverzeichnisses wird erfüllen können, weil seine Angaben zur Produktidentifizierung nicht ausreichen. Ein solches Angebot ist grundsätzlich zwingend auszuschließen (BGH a.a.O.: Weyand a.a.O. 5453; Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB, 3. Aufl. § 25 VOB/A, Rn. 90 ff; OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 16.09.2003, - 11 Verg 11/03 ZfBR 2004, 292; Juris PK-VergR/Summa, § 25 VOB/A Rn. 103 f.; vgl. auch OLG Dresden, VergR 2004, 92 ff; VK Nordbayern, Beschl. v. 9.5.2006, 2 VK 3194 - 13/06 u. st. Rspr.).

Die Angabe einer unzutreffenden, weil nicht einer (offiziellen) Bezeichnung des Herstellers folgenden Typenangabe liegt ähnlich. Die Angabe einer vom Hersteller nicht verwendeten und damit nicht existierenden Typenbezeichnung wirft die gleichen Probleme auf wie eine fehlende Typenbezeichnung, weil die Vergabestelle das angebotene Produkt nicht identifizieren kann und die Angabe damit für die Wertung unbrauchbar ist. Aus dem Leistungsverzeichnis heraus kann der Auftraggeber nicht ersehen, mit welchem konkreten Produkt der Auftragnehmer den Vertrag erfüllen wird. Unvollständige und deshalb unbrauchbare Erklärungen stehen fehlenden gleich. Es ist nicht die Aufgabe der Vergabestelle, anhand von Prospekten und Datenblättern einzelne Positionen des Angebots zu ergänzen, um festzustellen, was der Bieter eventuell angeboten haben könnte. Es ist die Aufgabe des Bieters, bei der Abgabe des Angebots das Produkt auszuwählen, das den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht (VK Nord-Bayern a.a.O.).

Ein Bieter muss, wenn er der Auffassung ist, er brauche den jeweiligen Typ nicht zu nennen, weil es von dem Hersteller keine Typbezeichnung gibt, die Vergabestelle darauf hinweisen bzw. die Forderung nach Nennung eines Typs bei der Position des Leistungsverzeichnisses rügen (VK Hessen, Beschluss v. 04.04.2005 - 69d VK-05/2005; VK Brandenburg, Beschl. v. 28.06.2005 - VK 20/05 zit. nach juris).

Soweit die Antragstellerin vorträgt, kein Hersteller biete den verlangten Drückergarniturtyp als Serienfertigung an, hätte sie daher entweder die im Leistungsverzeichnis geforderte Angabe unverzüglich rügen oder mit ihrem Angebot klarstellen müssen, dass sie eine Sonderanfertigung des Herstellers C anbiete, der keine Typenbezeichnung hat. Wenn sie statt dessen eine vom Hersteller nicht verwendete Bezeichnung "kreiert" und der Vergabestelle damit die Identifizierung des Angebots mangels jeglicher weiterer Angaben unmöglich macht, trägt sie die Konsequenzen der sich daraus ergebenden Unklarheiten.

c) Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, mit der Antragstellerin ein Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A zu führen. Soweit die Vergabekammer meint, die Antragsgegnerin hätte eine Aufklärung anfordern können, es spreche nichts dagegen, wenn sich ein Auftraggeber bei Unklarheiten über ein Angebot beim Bieter über nähere Einzelheiten informiere, berücksichtigt sie nicht, dass Aufklärungsgespräche gem. § 24 VOB/A nur in engen Grenzen zulässig sind. Selbst wenn die Vergabestelle hier befugt gewesen wäre, von der Antragstellerin klarstellende Angaben im Rahmen einer Nachverhandlung gemäß § 24 VOB/A zu verlangen, könnte die Antragstellerin solche Aufklärungsgespräche nicht einfordern. Denn einen Anspruch auf Nachverhandlung hat ein Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, grundsätzlich nicht (OLG Dresden a.a.O.). Nur in - hier nicht gegebenen - Ausnahmefällen kann sich das grundsätzliche Aufklärungsermessen des Auftraggebers zu einer Aufklärungspflicht verdichten, nämlich wenn der Auftraggeber selbst Zweifel in Bezug auf das Angebot verursacht hat oder aus Gründen der Gleichbehandlung. In derartigen Fällen kann der Auftraggeber verpflichtet sein, die Zweifel durch Nachfrage bei dem Bieter aufzuklären (Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen a.a.O. § 24 Rn. 16 a m. w. N.).

Auch die Vergabekammer Brandenburg hat in dem bereits erwähnten Beschluss eine Aufklärung des Angebots nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nur aus Gründen der Gleichbehandlung für zulässig und erforderlich gehalten, weil die Vergabestelle anderen Bietern bei ähnlich gelagertem Sachverhalt Gelegenheit zur Angebotsaufklärung gegeben hatte.

Aus dem Gleichbehandlungsgebot lässt sich im vorliegenden Fall eine Verpflichtung zu Aufklärungsgesprächen nicht herleiten. Es liegt auch kein Zweifel vor, der seine Ursache in einer Unklarheit des Ausschreibungstextes hätte (OLG Celle, Beschluss v. 05.08.2003 - 13 Verg 13/03 - zitiert nach IBR-Online). Es kann schließlich keine Rede davon sein, dass die Vergabestelle vorliegend selbst erst durch ihre Nachfrage beim Hersteller Zweifel im Hinblick auf das Angebot hervorgerufen hat.

Zweifel in Bezug auf das Angebot sind entstanden, weil die Antragstellerin sich einer Typenbezeichnung bedient hat, die vom Hersteller selbst so nicht vorgesehen und in keinen Prospektunterlagen ausgewiesen ist. Fragt in einem solchen Fall der Auftraggeber beim Hersteller konkret nach, so trägt nicht er, sondern der Bieter, der die Nachfrage erst durch seine unklare Angabe veranlasst hat, das Risiko der fehlerhaften Information.

Die dem Bieter abverlangten Hersteller- und Typenangaben sollen das Produkt genau bezeichnen, damit der Auftraggeber überprüfen kann, ob diese tatsächlich den Anforderungen der Leistungsbeschreibung genügt. Die Auswahl des Produkts hat dabei der Bieter zu treffen, der dementsprechend das Risiko trägt, ein Produkt anzubieten, das den Anforderungen aus Sicht des Auftraggebers nicht genügt. Wenn ein Bieter dagegen lediglich den Hersteller benennt und es dem Auftraggeber überlässt, sich aus der Angebotspalette des Herstellers das geeignete Produkt auszusuchen, verlagert er das Auswahlrisiko auf den Auftraggeber. Unsicherheiten über den Angebotsgegenstand, die durch die vom Bieter zu machenden Angaben vermieden werden sollten, bleiben in diesem Fall zunächst unbemerkt. Darüber hinaus ist es denkbar, dass der Auftraggeber ein anderes Produkt für ausschreibungskonform hält als der Bieter. Liefert dieser dann ein anderes als das vom Auftraggeber erwartete Erzeugnis, so entstehen im Rahmen der Vertragsausführung genau jene Meinungsverschiedenheiten, denen mit der geforderten Produktidentifizierung in der Angebotsphase hätte vorgebeugt werden können (2. VK Bund, Beschluss v. 30.05.2007 - VK 2-39/07).

Im Hinblick auf die vom Hersteller erteilte Auskunft, Brandschutzgarnituren mit AGL-Technik seien zur Zeit in Prüfung, aber noch nicht am Markt erhältlich, wäre eine weitere Aufklärung gem. § 24 VOB/A nicht nur nicht geboten, sondern wohl unzulässig gewesen. Zumindest aus Sicht des Auftraggebers bestand nämlich die Gefahr, dass sich die Erläuterung nicht mehr nur auf den wirklichen Angebotswillen des Bieters bezieht, sondern auf eine etwaige Änderung des Angebotes hinauslaufen könnte, weil die tatsächlich angebotene Garnitur nicht erhältlich ist.

Vor diesem Hintergrund kann der Antragsgegnerin jedenfalls kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen können, wenn sie von Aufklärungsgesprächen mit der Antragstellerin gemäß § 24 VOB/A abgesehen und das Angebot ohne weiteres ausgeschlossen hat.

d) Darauf, dass die unklare Position im Leistungsverzeichnis nur einen Betrag von 1.053,-- € für insgesamt 13 Stück der angebotenen Garnituren innerhalb eines Gesamtauftragsumfanges von 435.000,-- € ausmacht, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht an (BGH a.a.O. sowie weitere Nachweise bei Weyand a.a.O. Rn. 5439). Dem öffentlichen Auftraggeber steht kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe zu. Er ist gezwungen, das Angebot aus der Wertung zu nehmen, weil nur in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote in der Wertung verbleiben dürfen.

3.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin als unterlegene Partei zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO entsprechend).

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war wegen der Schwierigkeit und der Bedeutung des Nachprüfungsverfahrens veranlasst.

Der Streitwert war gem. § 50 Abs. 2 GKG in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme (430.698,65 EUR) festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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