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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 11 Verg 4/08
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragsgegnerin gab am 4.10.2007 die Vergabe von Bauarbeiten für die Straßenbahnanbindung "Frankfurter Bogen" in der Stadt ... europaweit bekannt.

In der Bekanntmachung wurde unter der Überschrift

Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen u.a. ausgeführt:

III 2) Teilnahmebedingungen

III 2. 1) Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers ...

Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit:

- Mindestkriterien gemäß VOB/A, § 5 SKR; ...

Technische Leistungsfähigkeit:

Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Gemäß der Ausschreibungsunterlagen.

Am 8.11.2007 veröffentlichte die Antragsgegnerin ebenfalls im Supplement zum Amtsblatt der EU "Ergänzende Angaben".

Darin heißt es u.a.:

Anstatt:

III 2.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit:

Mindestkriterien gemäß VOB/A, § 5 SKR

muss es heißen:

III 2.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit:

Mindestkriterien gemäß §§ 8, 8 b VOB/A.

Mit Schreiben vom 16.11.2007 übersandte die Antragsgegnerin allen Bietern eine Auflistung der einzureichenden Unterlagen. Dort wird unter Kabeltiefbauarbeiten aus Los 1, 5 und 6 aufgeführt:

RAL-GZ 962, Gütesicherung.

Mit Telefax vom 11.2.2008 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die neben anderen Bietern ein Angebot abgegeben hatte, gemäß § 13 VgV darüber, dass sie beabsichtige, ihr den Zuschlag zu erteilen.

Nachdem eine weitere Bieterin die beabsichtigte Auftragsvergabe mit der Begründung gerügt hatte, das Angebot der Antragstellerin sei unvollständig, weil diese nicht über den geforderten Qualitätsnachweis RAL-GZ 962 verfüge, erkundigte sich ein Vertreter der Antragsgegnerin am 15.2.2008, ob sie über die geforderte Gütesicherung verfüge. Daraufhin übersandte die Antragstellerin das Gütezertifikat der A GmbH, der Tochtergesellschaft eines Mitglieds der Bietergemeinschaft, sowie eine Erklärung über die Rückgriffsmöglichkeiten der Antragstellerin auf deren Ressourcen.

Unter dem 19.2.2008 teilte die Antragsgegnerin den Bietern mit, die Ausschreibung werde aufgehoben, weil kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche, und ein anderer schwerwiegender Grund in Form der Unwirtschaftlichkeit einer Bezuschlagung bestehe.

Mit Telefax vom selben Tag teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ihr Angebot von der Wertung habe ausschließen müssen, weil sie nicht über das geforderte Zertifikat RAL-GZ 962 verfüge.

Mit Schreiben vom 21.2.2008 rügte die Antragstellerin die Aufhebung des offenen Verfahrens und machte geltend, ihr Angebot sei annehmbar und bezuschlagbar. Die Forderung eines Gütezeichens verstoße in einem europaweit durchgeführten Wettbewerb gegen das Diskriminierungsverbot, da es sich um eine rein nationale Zertifizierung handele. Der Nachweis habe überdies nicht verlangt werden dürfen, weil er nicht bereits in der Bekanntmachung gefordert worden sei. Der Grund für die Aufhebung des offenen Verfahrens sei in keiner Weise für sie nachvollziehbar. Da die Antragsgegnerin der Rüge nicht abgeholfen hat, leitete die Antragstellerin am 4.3.2008 ein Nachprüfungsverfahren ein.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens Offenes Verfahren nach VOB, Bau der Verkehrsanlage Straßenbahnanbindung "Frankfurter Bogen" - Amtsblatt der EU 2007/S 191 - 232879; Az. der Antragsgegnerin VGF 17/07 - zurückzunehmen und das ursprüngliche Verfahren mit dem Stand der Bieterinformation an die Antragstellerin vom 11.2.2008 wieder aufzunehmen.

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschlussentscheidung gegenüber der Antragstellerin zurückzunehmen und die Antragstellerin wieder zum Verfahren zuzulassen,

3. hilfsweise, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

4. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Vergabekammer hat die Nachprüfungsanträge mit Beschluss vom 22.4.2008 zurückgewiesen.

Wegen der Begründung der Entscheidung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die meint, die Vergabekammer sei zu Unrecht der Auffassung, sie, die Antragstellerin, habe ihre Rügeobliegenheit verletzt. Die Vergabekammer habe ihr allein auf Grund der Beschäftigung eigener Justitiare eine gesteigerte Rechtskenntnis unterstellt und sei davon ausgegangen, dass sie, die Beschwerdeführerin, Kenntnis bezüglich sämtlicher Vergaberechtsverstöße zum frühest möglichen Zeitpunkt hatte. Alleine aus der Tatsache, dass es sich bei den Mitgliedern der Antragstellerin um große Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen handele, könne jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass damit auch automatisch Vergaberechtsverstöße zum frühest möglichen Zeitpunkt erkannt werden.

Nachdem sie, die Beschwerdeführerin, am 19.2.2008 über die Aufhebung des offenen Verfahrens und den Ausschluss ihres Angebotes informiert worden war, habe sie dies nach rechtlicher Beratung unverzüglich am 21.2.2008 gerügt. Der Umstand, dass die Forderung eines nationalen RAL-Gütezeichens gegen das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot verstoße, sei für sie trotz der Erkenntnis über den Sachverhalt ohne anwaltlichen Rat nicht erkennbar gewesen. Ebenso wenig habe sie erkennen können, dass die konkrete Anforderung des Gütezeichens bereits in der Bekanntmachung hätte erfolgen müssen. Die pauschale Unterstellung der Vergabekammer berücksichtige weder die tatsächlichen Gegebenheiten, noch stelle sie auf die individuellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zur Erkennung der Vergaberechtsverstöße ab. So bleibe unberücksichtigt, ob und wenn ja, ab wann Justitiare der Beschwerdeführerin in das Vergabeverfahren ein gebunden gewesen seien, sowie ob es sich hierbei um Juristen mit einer vergaberechtlichen Spezialisierung handele. Den Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes bildeten jedoch die individuellen Verhältnisse. Für sie, die Beschwerdeführerin, seien die Vergaberechtsverstöße erst nach Einholung von anwaltlichem Vergaberechtsrat individuell erkennbar gewesen.

Die Vergabekammer habe auch nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten während der Ausschreibung bei der Beschwerdeführerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, an den sie anschließend auch gebunden sei. Begründet worden sei das Vertrauen durch die Entgegennahme des nachgereichten RAL-Zertifikates. Vor dem Hintergrund, dass ihr, der Antragstellerin, bereits 3 Tage vor dem Telefonat mitgeteilt wurde, dass die Zuschlagserteilung auf ihr Angebot beabsichtigt sei, habe sie die Aufforderung zur Nachreichung des Gütezertifikats gar nicht anders verstehen können. Der anschließende Ausschluss vom Vergabeverfahren sei vor diesem Hintergrund völlig überraschend erfolgt.

Schließlich bemängelt die Antragstellerin die Dokumentation des Vergabeverfahrens, weil aus den Unterlagen nicht zu erkennen sei, welche Begründungen den Entscheidungen der Antragsgegnerin bei der Angebotswertung zugrunde lägen.

Mit Beschluss vom 10.06.2008 (Az.: 11 Verg 3/08) hat der Senat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde verlängert. Mit Schriftsatz vom 07.07.2008 hat die Antragsgegnerin vorgetragen, sie habe vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung vom 10.06.2008 ihre Aufhebungsentscheidung im offenen Vergabeverfahren zurückgenommen und beabsichtige nunmehr, den Zuschlag der Bietergemeinschaft B zu erteilen.

Die Antragstellerin tritt dem entgegen und beantragt,

1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt vom 24. April 2007 - Az.: 69 d - VK - 12/2008 aufzuheben,

2. die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Ausschlussentscheidung gegenüber der Antragstellerin zurückzunehmen und die Antragstellerin wieder zum Verfahren zuzulassen,

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auch insoweit aufzuerlegen, wie sich das Nachprüfungsverfahren infolge der Rückgängigmachung der Aufhebung des offenen Verfahrens erledigt hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

2. die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auch insoweit aufzuerlegen, wie sich das Verfahren durch Rückgängigmachung der Aufhebung des offenen Verfahrens erledigt hat.

Sie, die Beschwerdegegnerin, habe den Beschluss des Senats zum Anlass genommen, die formelle Angebotswertung zu wiederholen. Dies habe zur Rücknahme der Ausschlussentscheidung betreffend die Bietergemeinschaft B geführt. Da nunmehr mehrere wertungsfähige Angebote vorlägen - darunter auch ein wirtschaftliches -, sei die Aufhebung der Ausschreibung zurückzunehmen und eine neuerliche Wertung der Angebote vorzunehmen. Der Ausschluss der Antragstellerin habe danach - wenngleich aus anderen zwingenden Ausschlussgründen - Bestand. Das Angebot enthalte weder die für Gleisbauarbeiten geforderte Zertifizierung der Prüfstelle für Mineralstoffe, noch die geforderten Referenzen über die Lieferung von Mineralstoffen. Das Leistungsverzeichnis / Angebot sei auch nicht ordnungsgemäß unterschrieben, denn es enthalte nur die Unterzeichnung für die C ... GmbH. Weder sei für die D GmbH unterzeichnet worden, noch sei eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung der C ... GmbH nachgewiesen.

Mangels ordnungsgemäßer Unterschrift unter dem Leistunsverzeichnis könne nicht festgestellt werden, ob das Angebot tatsächlich von der Beschwerdeführerin getragen werde. Ebenfalls zu einem formalen Fehler und zum zwingenden Ausschluss führe der Umstand, dass die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer immer nur gegenüber einem der Konsortialparner vorgelegt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei auch in Ermangelung einer Konsortialvereinbarung nicht erkennbar, dass die Subunternehmer für die Leistungen der Antragstellerin insgesamt rechtsverbindlich zur Verfügung stünden. Die nunmehr neu aufgeführten Mängel des Angebots der Antragstellerin seien teils bereits im Rahmen der ersten Angebotswertung festgestellt worden, ohne dass zunächst die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen - der zwingende Angebotsausschluss - daraus gezogen worden seien. Teilweise seien die Mängel erst im Rahmen der nochmaligen Durchsicht der Angebote festgestellt worden.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die Einwände der Antragstellerin gegenüber dem neuen Vorbringen im laufenden Beschwerdeverfahren zu klären seien.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in gesetzlicher Frist und Form eingelegt und begründet worden (§§ 116, 117 GWB).

2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, weil sie ein Interesse am Auftrag hat und ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 GWB).

Ihr Interesse am Auftrag hat die Antragstellerin durch Abgabe eines Angebots gezeigt. Der Antragstellerin droht durch die behauptete Rechtsverletzung auch ein Schaden, weil sie ohne den - nach ihrer Ansicht vergaberechtswidrigen - Ausschluss vom Vergabeverfahren Aussichten auf Erteilung des Zuschlags hätte.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt auch nicht deshalb, weil bei Fortführung des offenen Verfahrens der Zuschlag an die Bietergemeinschaft B GmbH zu erteilen wäre. Ob dies der Fall ist, hängt von verschiedenen Rechtsfragen ab, die erst noch in einem gesonderten Nachprüfungsverfahren zu klären sein werden. Im Hinblick auf den noch offenen Ausgang dieses Verfahrens kann der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Verfahren nicht abgesprochen werden.

b) Die Antragstellerin hat zumindest einen Vergabeverstoß unverzüglich gerügt (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB). Mit Schreiben vom 21.02.2008 rügte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin u.a., der Nachweis des Gütezeichens RAL -GZ 962 habe nicht verlangt werden dürfen, weil er nicht bereits in der Bekanntmachung verlangt worden sei.

aa) Diese Rüge ist nicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert. Danach ist ein Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gerügt werden.

Auf Grund der Bekanntmachung vom 04.10. oder der ergänzenden Angaben vom 08.11.2007 war der gerügte Verstoß - wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat - nicht erkennbar. Die Anforderungen daran, wann ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften erkennbar ist, müssen realistisch sein. Sie sind nicht schon dann erkennbar, wenn nur der Fachmann nach genauerem Studium den Verstoß feststellen könnte, sondern nur, wenn die Nichtfeststellung dem Antragsteller vorwerfbar ist (Bechtold/Otting,GWB, 5.Aufl. § 107 Rn. 10).

Auch wenn Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergabeverstoßes die individuellen Verhältnisse eines Bieters sind (OLG Düsseldorf, VergabeR 07, 200), war der Verstoß vorliegend für die Antragstellerin nicht erkennbar, da jedenfalls kein eindeutiger Verstoß aus der Bekanntmachung ersichtlich war. Gemäß § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. s VOB/A soll die Bekanntmachung Angaben enthalten über verlangte Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters. Hier war in der (berichtigten) Bekanntmachung vom 08.11.2007 angegeben worden: "Mindestkriterien gem. §§ 8,8b VOB/A". Inwieweit diese Angabe den Anforderungen des § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. s VOB/A genügt, lässt sich weder dem Normtext entnehmen, noch ist die Frage durch die Rechtsprechung so eindeutig geklärt, dass das Unterbleiben einer Rüge anhand der Bekanntmachung der Antragstellerin vorzuwerfen wäre.

Die Antragsgegnerin vermag sich für ihre gegenteilige Auffassung auch nicht auf die Entscheidung des OLG Koblenz (IBR 2008, 113) zu berufen. Danach soll ein Vergaberechtsverstoß, der sich durch den bloßen Vergleich der einschlägigen Normen mit dem Bekanntmachungstext ohne weiteres feststellen lässt, für jeden erkennbar sein, der "über die intellektuellen Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein Angebot zu erstellen". Die Entscheidung betrifft indes ein VOL - Vergabeverfahren. Die Rechtslage nach § 7 a Nr. 3 Abs. 2 a VOL stimmt mit derjengen nach den vergleichbaren Bestimmungen der VOB/A nicht vollständig überein (vgl. hierzu OLG Schleswig, ZfBR 06,607). Die Entscheidung des OLG Koblenz ist schon deswegen im vorliegenden Fall nicht unmittelbar heranzuziehen.

Überdies waren in der dort zu beurteilenden Bekanntmachung unter dem Punkt "Nachweis der Eignung" keinerlei Angaben, sondern nur der Hinweis "siehe Verdingungsunterlagen" enthalten. Der Vergaberechtsverstoß war darin zu sehen, dass sich der Auftrageber ausdrücklich vorbehalten hatte, erst in den Verdingungsunterlagen Informationen über die erforderlichen Eignungsnachweise zu erteilen. Nach § 7 a Nr. 3 Abs.3 Satz 1 VOL/A hat der Auftrageber aber bereits in der Bekanntmachung anzugeben, welche Eignungsnachweise durch die Bieter mit dem Angebot vorzulegen sind. Dass der bloße Verweis auf die Verdingungsunterlagen dieser Anforderung nicht entspricht, mag aus der Bekanntmachung selbst ersichtlich sein. Aus der ergänzenden Bekanntmachung vom 08.11.2007 war im zu entscheidenden Fall abweichend hiervon aber zu entnehmen, dass die Voraussetzungen der §§ 8, 8b VOB/A erfüllt werden mussten. Die Frage, ob eine derartige Pauschalangabe dem Erfordernis, die verlangten Nachweise in der Bekanntmachung anzugeben, ausreichend gerecht wird, lässt sich indes nicht mehr aus einem bloßen Vergleich des Bekanntmachungstextes mit dem Normtext beantworten, sondern verlangt zumindest eine Parallelwertung in der Laiensphäre oder eine fachmännische Prüfung.

bb) Die Rüge ist auch nicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Die Antragsgegnerin hat erst in den Verdingungsunterlagen und in ihrem Bieteranschreiben vom 16.11.2007 für Kabeltiefbauarbeiten aus Los 1, 5 und 6 konkret den Gütesicherungsnachweis RAL GZ 962 verlangt. Die Rüge vom 21.02.2008 wäre deshalb nur dann nicht mehr unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, wenn die Antragstellerin den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits aufgrund des Schreibens der Antragsgegnerin vom 16.11.2007 oder der Anforderungen in den Verdingungsunterlagen erkannt hätte.

Davon kann - entgegen der Auffassung der Vergabekammer - nicht ausgegangen werden. Die Rügeverpflichtung erfordert nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB die positive Kenntnis eines Rechtsverstoßes. Hierzu gehört zum einen das Wissen von denjenigen Tatsachen, aus denen sich der Rechtsverstoß ableitet, und zum anderen, dass diese jedenfalls nach der gängigen praktischen Handhabung oder einer Parallelwertung in der Laiensphäre zu einem Verstoß gegen Vergabevorschriften führen. Vermutungen, Zweifel und grob fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus (BayObLG, OLGR München 2004, 256; VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.08.2007, Az.: VK 31/07 zit. nach juris). Da die Forderung nach dem konkreten RAL -Gütezeichen nicht in der Bekanntmachung, sondern erst in den Verdingungsunterlagen bzw. dem Schreiben vom 16.11.2007 enthalten war, muss der Antragstellerin die positive Kenntnis der tatsächlichen Umstände und der sich daraus ableitenden rechtlichen Schlüsse nachgewiesen werden (OLG München, VergabeR 2007, 546).

Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der behauptete Vergabeverstoß ergibt, bereits aufgrund der Verdingungsunterlagen und des Schreibens vom 16.11.2007 hatte, weil bei einem Vergleich mit den Angaben und ergänzenden Angaben der Bekanntmachung unschwer zu erkennen war, dass die Antragsgegnerin einen bestimmten Eignungsnachweis forderte, der in der Bekanntmachung nicht genannt wurde.

Damit ist indes nicht schon die positive Kenntnis der Antragstellerin von einer Rechtsverletzung erwiesen. Ein Verstoß lässt sich weder im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre noch durch bloßes Lesen des einschlägigen Normtextes und einen Vergleich mit den Verdingungsunterlagen erkennen. Wie die Vergabekammer zutreffend ausführt, ist für die Beanstandung vielmehr die Kenntnis der vergaberechtlichen Rechtsprechung erforderlich, die herausgearbeitet hat, dass der Auftraggeber Eignungsanforderungen grundsätzlich in der Bekanntmachung festlegen muss und diese in den Verdingungsunterlagen nur noch konkretisieren darf. Hinzu kommt die erforderliche Wertung, ob die in der Bekanntmachung enthaltenen Angaben überhaupt konkretisierungsfähig sind. Ein derartiges Wissen kann bei der Antragstellerin nicht ohne weiteres unterstellt werden, weil ihre Mitglieder große Bauunternehmen mit eigener Rechtsabteilung sind, die ständig an Ausschreibungen für Bauleistungen teilnehmen. Für die Annahme, die Antragstellerin habe den von ihrem Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.02.2008 gerügten Verstoß bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt, reicht die Feststellung allein, dass es sich um eine aus zwei großen Bauunternehmungen mit eigenen Rechtsabteilungen und Erfahrungen in Vergabeverfahren bestehende Bietergemeinschaft handelt, nicht aus. Insbesondere trägt dieser Gesichtspunkt nicht die Schlussfolgerung, dass etwaige Verstöße gegen Vergabevorschriften zwangsläufig sofort von den Rechtsabteilungen erkannt worden sind und gerügt werden müssen (VK Bund, Beschluss v. 19.07.1999, Az.: VK 2 - 14/99).

Zwar mag einiges dafür sprechen, dass fachkundige Mitarbeiter von Unternehmen, die sich regelmäßig an Ausschreibungen beteiligen, anwaltliche Hilfe vor allem beim Erkennen außergewöhnlicher Verstöße benötigen werden und bei Großunternehmen mit eigener Rechtsabteilung in der Regel "der hausinterne Sachverstand" zum Erkennen von Vergabeverstößen genügen wird ( so jurisPK -VergR/Summa, § 107 GWB, Rn. 133 ). Entscheidend bleiben jedoch stets die Umstände des Einzelfalles und die individuellen Erkenntnismöglichkeiten.

Dem Erfordernis, dass der Antragstellerin positive Kenntnis nachgewiesen werden muss, wird die Vergabekammer schon deshalb nicht gerecht, weil sie deren Kenntnis aufgrund der Unternehmensgröße - so wörtlich - unterstellt. Das erscheint hier umso weniger tragfähig, als Entscheidungen zu den hier einschlägigen Rechtsfragen bislang - soweit ersichtlich - vereinzelt geblieben sind und überwiegend VOL - Verfahren betreffen (OLG Düsseldorf, VergabeR 07, 200, 204; OLG Düsseldorf, IBR 03, 1017; IBR 05, 113; OLG Naumburg, IBR 03, 627; IBR 04, 218) oder nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde liegen (OLG Schleswig a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.09.2005, VII Verg 50/05 zit. nach juris).

Kenntnis im Sinn von §107 Abs.3 Satz 1 GWB ist erst anzunehmen, wenn der Kenntnisstand des Antragstellers einen Grad erreicht hat, dass seine Unkenntnis nur als mutwilliges Sichverschließen vor der Erkenntnis des Vergabeverstoßes verstanden werden kann. Erscheint vor diesem Hintergrund die positive Kenntnis der Rechtslage zumindest zweifelhaft, so kann positive Kenntnis bei der Antragstellerin aufgrund der Verdingungsunterlagen nicht als bewiesen angesehen werden. Die Einlassung der Antragstellerin, die Vergaberechtsverstöße seien für sie erst nach Einholung anwaltlichen Rechtsrats im Zusammenhang mit der Ausschlussentscheidung erkennbar gewesen, ist nach allem plausibel und von der Antragsgegnerin nicht widerlegt worden.

Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin den Verstoß erst mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 21.02.2008 gerügt hat, nachdem sie von ihrem Ausschluss und der Aufhebung des Vergabeverfahrens erfahren hat, weil sie vor Erhalt dieser Information keinen Anlass zur Einholung fachanwaltlichen Rechtsrats hatte.

3. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

a) Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil sie mit ihrem Angebot nicht auch den geforderten Gütesicherungsnachweis RAL-GZ 962 vorgelegt hat. Die Anforderung des Gütenachweises war vergaberechtswidrig, der Ausschluss der Antragstellerin durfte deshalb nicht auf den fehlenden Nachweis gestützt werden.

Der Senat vermag die Auffassung der Vergabekammer, die Antragsgegnerin habe die hinsichtlich der geforderten Qualitätssicherungsnachweise unvollständige Bekanntmachung vom 4.10.2007 durch die späteren "ergänzenden Angaben" in dem hier entscheidenden Punkt berichtigt, nicht zu teilen.

Allerdings geht die Vergabekammer zutreffend davon aus, dass der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben hat, welche Nachweise zur Darlegung der Eignung von den Bewerbern vorzulegen sind. Danach hat er nur noch die Wahl festzulegen, ob die Nachweise mit dem Angebot oder (erst) auf Anforderung einzureichen sind (§§ 17 Nr. 1 Abs. 2 lit.s, 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/A). Er ist an seine Festlegungen gebunden und darf bei den Eignungsanforderungen in den Verdingungsunterlagen keine Nachforderungen stellen, sondern die auf Grund der Vergabebekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren (OLG Düsseldorf, IBR 2007, 44; VergabeR 07, 200 zu einem VOL -Verfahren).

Freilich stimmen die einschlägigen Normen der VOL und der VOB nicht vollständig überein. Die Bestimmungen der für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen maßgeblichen VOL/A weichen von der - hier anzuwendenden - VOB/A ab. Eine dem § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A vergleichbare (strikte) Vorschrift, wonach schon in der europaweiten Vergabebekanntmachung die vorzulegenden Nachweise zu bezeichnen sind, enthält die VOB/A nicht. Nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A sind ausdrücklich erst in der Angebotsabgabe die mit dem Angebot vorzulegenden oder später anzufordernden Nachweise zu bezeichnen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dem Auftraggeber stehe es vollkommen frei, ob er die geforderten Eignungsnachweise (erst) in den Verdingungsunterlagen, oder bereits in der Bekanntmachung aufführt.

Gem. § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. s VOB/A sollen die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung bereits in der Bekanntmachung angegeben werden. Eine Abweichung von den Vorgaben des § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A ist nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen eines zwingenden Grundes möglich. Die Bewerber sollen aufgrund der Bekanntmachung klar und zweifelsfrei erkennen können, ob für sie die Abgabe eines Angebots in Frage kommt. Sie sollen in die Lage versetzt werden, anhand der Bekanntmachung über ihre Teilnahme oder Nichtteilnahme am Wettbewerb zu entscheiden (Lausen in: jurisPK-VergabeR, § 17 VOB/A Rn. 9; Beck'scher VOB-Komm./Sterner, § 17 Rn. 11; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl. § 17 Rn. 6 ).Damit der Bewerber in der Lage ist, seine Eignung entsprechend nachzuweisen, ist es notwendig, dass der Auftraggeber bei der Bekanntmachung bereits erklärt, ob und welche Nachweise er für die Beurteilung der Eignung des Bieters verlangt. Der Bieter muss sich überlegen können, ob er die geforderten Nachweise erbringen kann und auf welche Weise. Da er außerdem diese Unterlagen regelmäßig seinem Angebot beifügen muss, ist es notwendig, ihm für deren Beschaffung ausreichend Zeit zu belassen (Heiermann a.a.O; Sterner a.a.O. Rn. 34; Franke/Mertens, VOB -Komm., 3. Aufl. § 17 VOB/A Rn. 37, OLG München, Beschl. v. 18.7.2008, Verg. 13/08). Zwar können in den Vergabeunterlagen detailliertere Nachweise gefordert werden. Die Angaben in der Bekanntmachung müssen indes - um dem beschriebenen Normzweck gerecht zu werden - so substantiell sein, dass sie dem Bieter eine Vorstellung davon vermitteln, was die Vergabestelle an konkreten Nachweisen verlangt. Die Rechtslage unterscheidet sich daher im Ergebnis nicht von einem VOL-Verfahren (OLG Düsseldorf a.a.O.).

Dem wird die bloße Erwähnung der §§ 8/8 b VOB/A in der Bekanntmachung nicht gerecht. Zweifellos war in der ersten Bekanntmachung vom 4.10.2007 kein Hinweis auf erforderliche Nachweise zur Darlegung der Eignung der Bewerber enthalten. Aber auch die "ergänzenden Angaben" vom 8.11.2007 waren bei weitem nicht konkret genug, um von einer "Berichtigung" der ursprünglichen Bekanntmachung auszugehen.

Das folgt zum einen daraus, dass die ergänzenden Angaben zu der Gliederung Position III. 2.) "Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" erfolgten, während der geforderte Qualitätsnachweis RAL -GZ 962 die fachliche Eignung betrifft, die in den ergänzenden Angaben überhaupt nicht angesprochen war. Darüber hinaus ist der Hinweis auf die Mindestkriterien gemäß §§ 8, 8b VOB/A so pauschal und unbestimmt, dass er gar nicht konkretisierungsfähig ist (OLG Düsseldorf a.a.O.). § 8 Nr. 3 VOB zählt eine Vielzahl von Kriterien und möglicher zu fordernder Nachweise auf, so dass die bloße Zitierung der Vorschrift in der Bekanntmachung dem Erfordernis, die geforderten Nachweise in der Bekanntmachung anzugeben, nicht genügt. Sie kann dem Bieter allenfalls die Information verschaffen, dass er alle oder einige der dort angeführten Nachweise erbringen muss. Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Qualifikationsnachweise vermittelt ihm die Angabe aber keine Vorstellung davon, ob er die geforderten Nachweise erbringen kann oder nicht. Der Zusatz "gemäß Verdingungsunterlagen" kann die Pflicht zur Angabe der Eignungsvoraussetzungen auch nicht relativieren und bezieht nicht den gesamten Inhalt der Verdingungsunterlagen in die Bekanntmachung ein ( VK Düsseldorf, Beschl. v. 23.04.2007, VK 09/2007 -B).

Mithin verletzt der Umstand, dass die Antragsgegnerin erstmals in den Verdingungsunterlagen bzw. ihrem Schreiben vom 16.11.2007 einen Gütesicherungsnachweis gefordert hat, vergaberechtliche Bestimmungen (§§ 8 b, 17 VOB/A).

War die Antragsstellerin nicht gehalten, den geforderten Nachweis vorzulegen, so schadet es ihr auch nicht, wenn sie - auf Verlangen der Antragsgegnerin - einen anderen, nicht genügenden Nachweis vorgelegt hat. Insbesondere kann in dem Verhalten der Antragstellerin aber auch keine Billigung des von der Antragsgegnerin gewählten Verfahrens gesehen werden.

Die Forderung ist vergaberechtlich zu beanstanden und infolgedessen nicht wirksam, denn sie stellt keine bloße Konkretisierung dar. Mithin durfte die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht wegen fehlender geforderter Unterlagen vom Vergabeverfahren ausschließen ( § 25 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A).

b) Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht von dem Beschluss des OLG Schleswig vom 22.05.2006 (ZfBR 06, 607) ab. Zwar hat das OLG Schleswig entschieden, dass die Forderung nach Vorlage eines Gewerberegisterauszugs nicht ausdrücklich als "Mindestanforderung" schon in der Bekanntmachung enthalten sein muss. Die Entscheidung geht jedoch ebenfalls davon aus, dass die Vergabestelle schon in der Bekanntmachung Angaben über die Allgemeinanforderungen machen muss und in den Vergabeunterlagen später detaillierte Nachweise gefordert werden dürfen, insbesondere wenn für deren Beibringung kein größerer Zeitbedarf erforderlich ist. Die Entscheidung befasst sich insbesondere nicht allgemein mit der Frage, welche Anforderungen an die ausreichende Konkretisierung der Allgemeinangaben in der Bekanntmachung zu stellen sind, sondern betrifft ausschließlich die Forderung nach Vorlage eines Gewerberegisterauszugs und solcher Nachweise, für deren Erfüllung kein größerer Zeitbedarf erforderlich ist. Sie lässt ausdrücklich offen, ob etwas anderes gilt, falls nach den in der Bekanntmachung übermittelten Allgemeinangaben mit der Anforderung bestimmter Detailnachweise nicht gerechnet werden musste.

So liegt der Fall aber hier. Anhand der Allgemeinangabe kann der Bieter weder erkennen, ob der Auftraggeber auch Nachweise nach § 8 b Nr. 8 VOB/A fordern wird, noch erst recht welche. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Nachweise kurzfristig beschaffen lassen, zumal auch "andere gleichwertige Nachweise" zuzulassen sind, was im Einzelfall eingehenderer Prüfung bedarf, wofür dem Bieter ausreichend Zeit zu gewähren ist. Die Forderung nach bestimmten Zertifikaten ist mit der Forderung nach einem Gewerberegisterauszug, die bei offenen Vergabeverfahren allgemein üblich ist, von daher nicht vergleichbar.

4. Der Ausschluss der Antragstellerin kann auch nicht auf die weiteren, erst im Anschluss an den Beschluss des Senats vom 10.06.2007 geltend gemachten Gründe gestützt werden. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörter wurde, erscheint insoweit zumindest zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin von sich aus berechtigt wäre, die neuen Ausschlussgründe im vorliegenden Beschwerdeverfahren einzuführen. Streitgegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist das gerügte, vermeintlich oder tatsächlich vergaberechtswidrige Verhalten des Auftraggebers (Summa a.a.O. § 114 GWB, Rn. 65). Der Entscheidungsspielraum des Vergabesenats hängt vom Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ab. Mit dem Inhalt der Beschwerdebegründung entscheidet der allein dispositionsbefugte Beschwerdeführer darüber, was Gegenstand der Entscheidungsfindung des Beschwerdeverfahrens sein soll (Summa a.a.O.§ 123 GWB, Rn. 5).Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war hier die Aufhebung des offenen Ausschreibungsverfahrens sowie der Ausschluss der Antragstellerin wegen Nichtvorlage des RAL - Zertifikats. Könnte die Antragsgegnerin noch im Beschwerdeverfahren die Ergebnisse eines vollständig neuen Wertungsvorgangs - zu Lasten der Antragstellerin - in das Verfahren einbringen, so erlangte sie die Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand. Es gibt aber keinen prozessual zulässigen Weg für die Beschwerdegegnerin, ihrerseits den Streitgegenstand über den von der Beschwerdeführerin vorgegeben Umfang hinaus zu erweitern (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.12.2007 - VII Verg 40/07 zit. nach juris).

Ungeachtet dessen kann der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die von der Antragsgegnerin neu in das Verfahren eingeführten Ausschlussgründe entscheiden, da das Verfahren auch bei deren Berücksichtigung ohne Verzögerung entscheidungsreif ist und die zusätzlich geltend gemachten Ausschlussgründe ebenfalls nicht durchgreifen, so dass sie am Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nichts zu ändern vermögen.

a) Soweit die Antragsgegnerin den Ausschluss auf die fehlende Prüfungszertifizierung Mineralstoffe und fehlende entsprechende Lieferreferenzen stützen will, gilt materiell-rechtlich nichts anders wie hinsichtlich der fehlenden RAL -Qualifizierung. Da die Anforderung entsprechender Eignungsnachweise nicht verfahrensfehlerfrei bekannt gemacht wurde, kann die Antragstellerin nicht wegen Fehlens dieses Nachweises ausgeschlossen werden.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf Präklusion, weil die Antragstellerin spätestens im Zeitpunkt ihrer Rüge vom 21.02.2008 betreffend das RAL - Gütezeichen auch den Verstoß betreffend die Forderung nach einer Zertifizierung der Prüfstelle Mineralstoffe und von Lieferreferenzen erkannt habe und ausdrücklich hätte rügen müssen.

Für die Antragstellerin bestand insoweit keine Rügepflicht. Eine Rüge ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Vergabestelle zu erkennen gegeben hat, dass sie an ihrer Auffassung festhält und der Rüge unter keinen Umständen abhelfen wird ( Summa a.a.O., § 107 Rn. 97; Kulartz/Kus/Portz, GWB -Vergaberecht, § 107 Rn. 102; Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl. § 107 Rn. 994 jew. m.w.N.). Hier ist - ausnahmsweise - davon auszugehen, dass die Rüge ohnehin keinen Erfolg gehabt hätte. Die Antragsgegnerin hat durch ihr Verhalten zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass sie einer auf die Anforderung einer Zertifizierung der Prüfstelle für Mineralstoffe gestützten Rüge nicht abgeholfen hätte. Denn es erscheint ausgeschlossen, dass sie einer Rüge bezüglich eines Eignungsnachweises abgeholfen hätte, während sie eine auf denselben Sachverhalt gestützte Rüge bezüglich eines anderen Eignungsnachweises (RAL - Gütezeichen) zurückweist. Derartiges hat nicht einmal die Antragsgegnerin selbst behauptet.

b) Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Unterzeichnung durch einen bevollmächtigten Vertreter der Bietergemeinschaft auszuschließen. Zwar trifft es zu, dass das Angebot nur von Vertretern der C ... GmbH und nicht von allen Mitgliedern der Bietergemeinschaft unterzeichnet worden ist. Beigefügt war indes auch die Erklärung der Mitglieder der Bieter-/Arbeitsgemeinschaft vom 16.08.2007, aus der hervorgeht, dass C ... GmbH bevollmächtigter Vertreter der Bieter-/Arbeitsgemeinschaft ist.

Der Einwand der Antragsgegnerin, die Bevollmächtigung habe nur für den Fall der Auftragserteilung gelten sollen, weil es darin heißt, "...die nachstehenden Firmen einer Bietergemeinschaft beschließen, im Fall der Auftragserteilung eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden", mutet befremdlich an. Zum einen handelt es sich ersichtlich um ein vorgegebenes Formular der Antragsgegnerin, das sie mit den Angebotsunterlagen ausgehändigt hat. Die Antragsgegnerin kann nicht mit dem Einwand gehört werden, ihr Vordruck für Vollmachtserklärungen von Bietergemeinschaften sei unklar, so dass sich eine wirksame Vertretungsbefugnis daraus nicht ergebe. Zum anderen handelt es sich um die Erklärung einer Bietergemeinschaft, aus der hervorgeht, dass der bevollmächtigte Vertreter (der Bietergemeinschaft) die Mitglieder (der Bietergemeinschaft) gegenüber dem Auftraggeber vertritt und die Bietergemeinschaft im Fall der Auftragserteilung ohne weiteres zu eine Arbeitsgemeinschaft wird. Daraus erhellt zweifelsfrei, dass das Angebot für die Bieter -/Arbeitsgemeinschaft abgegeben werden sollte. Bei der Prüfung der Frage, ob es sich um das Angebot eines einzelnen Bieters oder einer Bietergemeinschaft handelt, ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Entscheidend ist, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen muss. Auch wenn nur ein Mitglied das Angebot unterschreibt, reicht es aus, wenn dem Angebot die Erklärung beiliegt, dass es sich um das Angebot einer Bietergemeinschaft handele. Unter diesen Umständen ist der Nachweis einer bestehenden Vollmacht mit dem Angebot nicht erforderlich. Selbst ein vollmachtlos abgegebenes Angebot kann nachträglich genehmigt werden ( OLG Karlsruhe, Beschl.v.24.07.2007,Az.: 17 Verg 6/07).

Auf eine nachträgliche Genehmigung braucht hier aber nicht einmal abgestellt zu werden. Denn die Antragstellerin hat - nach ihrem nicht bestrittenen Vortrag - mit ihrem Angebot einen Bietergemeinschaftsvertrag vorgelegt, aus dem sich ohne jeden Zweifel ergibt, dass die Vollmacht der C ... GmbH auch schon während der Angebotsphase bestehen sollte und sich im Fall der Zuschlagserteilung die Bieter- in eine Arbeitsgemeinschaft umwandele.

Nach allem fehlt es nicht an einem genügenden Nachweis der Vollmacht des unterzeichnenden Konsortialpartners.

c) Die Beanstandung der - bislang von der Antragsgegnerin akzeptierten - Subunternehmerverpflichtungserklärungen ist unbegründet. Es genügt, wenn einzelne Subunternehmer ihre Leistungsbereitschaft einzelnen Mitgliedern der Bietergemeinschaft gegenüber erklären, weil diese im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft verpflichtet sind, ihre volle unternehmerische Leistung zur Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes einzubringen, wie sich aus dem Zweck der Arbeitsgemeinschaft und dem vorliegenden Konsortialvertrag ergibt.

5. Ein zwingender Ausschluss der Antragstellerin folgt nach allem weder aus dem ursprünglich geltend gemachten Grund, noch aus den im Zuge des Beschwerdeverfahrens nachgeschobenen Gründen.

Ob die Antragsgegnerin ungeachtet dessen berechtigt ist, im Zuge des wieder aufgenommenen offenen Vergabeverfahrens das Angebot der bereits zuvor ausgeschlossenen Bietergemeinschaft B erneut zu werten und ihm gegebenenfalls vor demjenigen der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen, ist -aus den oben unter 4. dargelegten Gründen - nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Es handelt sich um eine vollständig neue Entschließung der Antragsgegnerin aufgrund einer erneuten Wertung während des laufenden Beschwerdeverfahrens mit völlig neuen rechtlichen Gesichtspunkten. Eine Entscheidung hierüber wird ohne Beiladung der ausgeschlossenen Bietergemeinschaft nicht denkbar sein, weil die Antragstellerin weiterhin deren Ausschluss verfolgt. Der Senat sieht weder einen Anlass noch die verfahrensrechtliche Möglichkeit, diese Bietergemeinschaft in der Beschwerdeinstanz unter Erweiterung des Streitgegenstands beizuladen und den Beteiligten auf diese Weise eine Instanz zu nehmen. Die von der Antragsgegnerin für ihre gegenteilige Ansicht angeführten Belegstellen treffen andere Verfahrenslagen, insbesondere aber nicht die Situation, dass durch die Vergabestelle und Beschwerdegegnerin ein vollständig neuer Sach- und Streitstoff aufgrund eines neuen Wertungsvorgangs in das Beschwerdeverfahren einbezogen werden soll. Auf die Beschleunigungsmaxime kann sich die Antragsgegnerin schon deswegen nicht berufen, weil jede nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eintretende Verzögerung allein auf ihren Entschluss zurück zuführen ist, den Zuschlag entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung nach § 13 VgV nicht mehr der Antragstellerin zu erteilen. Den neue Wertungsvorgang und die sich daraus erwartungsgemäß ergebenden neuen Rügen der Antragstellerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren mitzuverhandeln besteht umso weniger Anlass, als die Antragsgegnerin ihren neuen Vortrag erstmals in einem erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz eingeführt hat und dessen Berücksichtigung den Abschluss des Beschwerdeverfahrens erheblich verzögert hätte.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1,91 a ZPO entsprechend.

Soweit die Antragsgegnerin die Aufhebung der offenen Ausschreibung nach dem Beschluss des Senats im Eilverfahren rückgängig gemacht hat, waren ihr die Kosten des Verfahrens ebenfalls aufzuerlegen, weil sie ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich auch insoweit unterlegen wäre. Auf den Ausschluss der Antragstellerin kann die Aufhebung nicht gestützt werden. Andere Gründe für die Aufhebung hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargestellt.

Der Streitwert wird gem. § 50 Abs. 2 GKG auf 1.516.836,40 € (5 % der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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