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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 11 Verg 6/07
Rechtsgebiete: VOF, GWB, HOAI
Vorschriften:
VOF §§ 10 ff. | |
VOF § 18 | |
VOF § 24 | |
VOF § 24 Abs. 1 | |
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3 | |
HOAI § 4 | |
HOAI § 4 Abs. 2 | |
HOAI § 5 Abs. 2 | |
HOAI § 55 | |
HOAI § 56 |
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin (Vergabestelle) hat im November 2004 die Ausschreibung von Ingenieurleistungen für die Planung und Ausführung der Kanalsanierung im Abwassersystem der Gemeinde O1 - Kerngebiet - auf der Grundlage einer vorliegenden Bestandserfassung und Zustandsbewertung sowie ausgearbeiteter Maßnahmevorschläge europaweit bekanntgemacht. Nach Durchführung des Auswahlverfahrens gem. § 10 ff. VOF wurden fünf Unternehmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Die Verdingungsunterlagen bestehen u. a. aus einem zwischen der Antragsgegnerin und dem zu beauftragenden Bieter abzuschließenden Vertrag über die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen sowie einer Leistungsbeschreibung (Anlage 1) und einer Honorarermittlung (Anlage 7). Im Rahmen der Angebotswertung hat die Antragsgegnerin die Unternehmen, die ein Angebot abgegeben hatten, zu einer Angebotspräsentation und Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VOF eingeladen. Über die am 20./22.06.2005 stattfindende Präsentation wurde ein Vermerk des Gemeinderats sowie - unter dem 09.08.2005 - ein Vermerk des mit dem Auswahlverfahren beauftragten Ingenieurbüros angefertigt. Unter dem 02.09.2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, nach dem 16.09.2005 den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.2005 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Verwendung unzulässiger Auftragskriterien, die Verwendung nicht bekanntgegebener Kriterien sowie die unterlassene Heranziehung bekanntgegebener Zuschlagskriterien (planerische Konzeption, projektbezogenes Organisationskonzept). Das im Anschluss hieran eingeleitete erste Nachprüfungsverfahren führte zu einem Vergleich, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, die Angebote neu zu werten. In seiner Sitzung vom 20.03.2006 beschloss der Gemeindevorstand der Antragsgegnerin nach erneuter Prüfung der Vergabeunterlagen unter Zugrundelegung einer Bewertungsmatrix wiederum, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin unter dem 11.04.2006 mit einem erneuten Nachprüfungsantrag, mit dem sie u. a. rügte, aufgrund der Ausführungen der Antragsgegnerin sei anzunehmen, dass die Antragsgegnerin der Auffassung sei, das Sanierungskonzept schon bindend vorgeschrieben zu haben. Dies ergebe sich aus der Leistungsbeschreibung jedoch nicht. In der zur Verfügung gestellten Leistungsbeschreibung sei vorgeschrieben, dass die vorhandenen Informationen zu erfassen und zu beurteilen seien. Danach hätten die Bewerber alternative Lösungsmöglichkeiten für die Kanalsanierung konzipieren, untersuchen und die Lösungsmöglichkeiten nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien bewerten müssen. Es könne keine Rede davon sein, dass es dem Bieter überlassen gewesen sei, sich kritisch mit den Grundlagen auseinanderzusetzen, wie die Antragsgegnerin meine. Vielmehr sei ein Bieter nach den Ausschreibungsbedingungen hierzu verpflichtet. Anders könne man das erste Bewertungskriterium gar nicht verstehen. Es sei zu vermuten, dass die Beigeladene im Hinblick auf den zu schließenden Vertrag überhaupt keine alternative Sanierungsmöglichkeit dargestellt habe. Die Antragsgegnerin habe damit bei ihrer Bewertung andere als die bekannt gemachten Kriterien zugrunde gelegt.
Die 2. Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 15.05.2006 zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 28.11.2006 den Beschluss der 2. Vergabekammer aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt der Präsentation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen auf Mängel der Dokumentation abgestellt, weil die vorliegende Dokumentation nicht ausreichend erkennen lasse, welche Ergebnisse der durchgeführten Präsentation von der Antragsgegnerin im Rahmen der Neubewertung zugrunde gelegt worden seien. Da die Mängel nicht allein durch eine Nachbesserung der Dokumentation geheilt werden könnten, was letztlich auf eine bloße Nachholung der Dokumentation im Beschwerdeverfahren hinausliefe, hat es der Senat für erforderlich erachtet, das Vergabeverfahren ab der Präsentation zu wiederholen und durch eine umfassende und aufschlussreiche Dokumentation die bisherigen Mängel zu heilen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Senatsbeschluss vom 28.11.2006 - Az.: 11 Verg. 4/06 - verwiesen.
Mit Schreiben vom 07.02.2007 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin und die Beigeladene von dem Termin zur Durchführung einer erneuten Angebotspräsentation und Auftragsverhandlung gem. § 24 VOF mit der Bitte, dem Auftraggeber Abdrucke der Präsentationsunterlagen in 2-facher Ausfertigung zu übergeben, sowie der Information, dass die Bauaufgabe der Honorarzone II zuzuordnen sei und die anrechenbaren Kosten 3.322.275,00 € betragen. Zu dem Präsentationstermin am 21.02.2007 haben die Antragstellerin und die Beigeladene neue Präsentationsunterlagen und Honorarermittlungen vorgelegt.
Mit Schreiben vom 13.04.2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass nach Abschluss der Beschlussfassung des Gemeindevorstandes der Zuschlag nicht auf ihr Angebot erteilt werden könne. Ihr Angebot könne nicht berücksichtigt werden, weil sie nach Maßgabe der bekanntgemachten Zuschlagskriterien insbesondere im Hinblick auf die Einzelkriterien K 1 (planerische Konzeption/fachliche Einschätzung des Projekts, wirtschaftliche Konzeption in Bezug auf Investitions- und Folgekosten) sowie K 3 (Kosten. Einschätzung der Schwierigkeit der Bauaufgabe, besondere Leistungen, Nebenkosten, Stunden- und Tagessätze) nicht das bestmögliche Angebot abgegeben habe.
Dem widersprach der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 17.04.2007 und leitete, nachdem die Antragsgegnerin mit Faxschreiben vom 18.04.2007 mitteilte, dass sie die Beanstandungen für unzutreffend halte, unter dem 23.04.2007 ein erneutes Nachprüfungsverfahren ein.
Die 2. Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 18.05.2007 zurückgewiesen. Gegen den ihr am 22.05.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 04.06.2007 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung der Beschwerde trägt sie vor, die Beigeladene habe eine neue Präsentation vorgenommen, indem sie in Kenntnis der Herangehensweise der Antragstellerin die von dem Ingenieurbüro A festgestellten Schadensklassen nicht mehr als feststehend zugrunde legt, sondern sich genau wie die Antragstellerin selbst kritisch mit diesen Feststellungen auseinandersetze. Sie habe aufgrund der Beschlüsse des Oberlandesgerichts erkannt, dass eine solche Überprüfung der Vorgaben angezeigt sei und deshalb ergebnisorientiert Vortrag gehalten. Das Oberlandesgericht habe aber nur den Vergabevermerk, nicht die Präsentation als fehlerhaft beanstandet. Der Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 18 VOF könne die Beigeladene nicht berechtigen, in Kenntnis der wechselseitig vorgetragenen Auffassungen ihre Angebotspräsentation nunmehr grundlegend zu ändern. Das Angebot der Beigeladenen sei nach alledem nicht zu werten. Ein fehlerhafter Vergabevermerk könne die Beigeladene nicht berechtigen, eine grundlegend geänderte Angebotspräsentation zu halten. Zwar sei eine wortgetreue Wiederholung der Präsentation nicht möglich. Es könne aber nicht sein, dass aufgrund des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens nunmehr die Beigeladene Wettbewerbsvorteile erziele. Der neue Vergabevermerk entspreche auch nicht dem § 18 VOF. Teilweise befasse er sich innerhalb des Kriteriums K 1 mit Gesichtspunkten, die nach der Bekanntmachung der Zuschlagskriterien anderen Kriterien zuzuordnen seien. Das gelte etwa für die Kriterien Zeitplan, Personaleinsatzplan und Verteilung der Aufgaben zwischen der Gemeinde und dem Planungsbüro. Die Organisation der Zusammenarbeit und die Organisation des Datenaustausches sowie der Bauaufsicht und Bauüberwachung seien gesonderte Zuschlagskriterien. Dagegen seien die der Bewertung im Hinblick auf das Zuschlagskriterium K 1 zugrundeliegenden Feststellungen in dem Vergabevermerk nicht zu finden. Insoweit entspreche er nicht dem § 18 VOF.
Nach dem Bewertungskriterium K 3 seien nur die Angebote für die Besonderen Leistungen, die Nebenkosten und die Stunden- und Tagessätze zu vergleichen. Die Antragsgegnerin habe jedoch nur die absoluten Honorarsummen verglichen. Anhand der Darlegung der Antragsgegnerin sei anzunehmen, dass die Beigeladene ihre Arbeiten unter dem Mindestsatz nach der HOAI angeboten habe. Das Angebot der Beigeladenen sei deshalb zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt vom 18.05.2007 zum Aktenzeichen 69 d VK - 18/2007 - aufzuheben,
die Vergabestelle zu verpflichten, den Zuschlag für die Ingenieurleistungen für die Planung und Ausführung der Kanalsanierung im Abwassersystem der Gemeinde O1 - Kerngemeinde - auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,
hilfsweise,
die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden, die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene verteidigt den Beschluss der Vergabekammer. Es treffe keineswegs zu, dass sie, die Beigeladene, in der Präsentation eine Bewertung der Schadensklassifizierung vorgenommen habe. Anders als die Antragstellerin habe sie keinen schriftlich ausgearbeiteten Lösungsvorschlag vorgelegt und sich nicht bereits jetzt mit der Schadensklassifizierung des Büros A auseinandergesetzt. Sie habe auch keine Gesichtspunkte aus dem Angebot der Antragstellerin übernommen, das sie nicht kenne. Sie habe lediglich im Rahmen der Vorstellung ihres Konzepts anlässlich der Präsentation dargelegt, dass sie im Falle der Auftragserteilung eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Büros A vornehmen werde.
Aus der Einladung zu der erneuten Präsentation ergebe sich, dass die alte Präsentation nicht zwingend zu wiederholen gewesen sei. Die Bewerber seien ausdrücklich aufgefordert worden, Abdrucke der Präsentation an die Antragsgegnerin zu übergeben. Eine bloße Wiederholung der bisherigen Präsentation habe auch den Vorgaben des Beschlusses des Oberlandesgerichts widersprochen. Danach sei das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Präsentation zu wiederholen gewesen. Eine Bindung an die bisherige Präsentation wäre auch der Tatsache nicht gerecht geworden, dass sich im Laufe des Verfahrens bei allen Beteiligten neue Erkenntnisse hinsichtlich der Definitionen des Inhalts verschiedener Kriterien ergeben hätten. In der Dokumentation habe die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Präsentation knapp dargestellt, dass ihr, der Beigeladenen, planerisches Konzept, insbesondere im Hinblick auf das Verschneiden der baulichen und hydraulischen Sanierungsplanung vorzugswürdig sei. Außerdem werde auf die Frage der Investitions- und Folgekosten eingegangen. Damit sei den Anforderungen an die Dokumentation im Sinne des § 18 VOF genügt. Die Ergebnisse der Präsentation seien unmittelbar in die Bewertung eingeflossen.
Soweit die Antragstellerin die Bewertung bei dem Kriterium K 3 beanstande, komme es nicht darauf an, ob die Einschätzung der Schwierigkeit der Bauaufgabe als gesondertes Kriterium zu bewerten sei, da auch nach Ansicht der Antragstellerin sie, die Beigeladene, bei dem Kriterium K 3 insgesamt besser zu bewerten wäre. Selbst wenn man die Bewertung umkehrte, also der Antragstellerin die höchste Punktzahl im Bereich des Kriteriums K 3 gäbe, würde sie damit nicht mehr Punkte erhalten als die Beigeladene. Von einer Unterschreitung der Mindersätze könne nicht die Rede sein. Vorsorglich und äußerst hilfsweise erklärt sie für den Fall einer Mindestsatzunterschreitung, dass sie ihre Leistungen zum Mindestsatz erbringen werde.
II.
Im vorliegenden Eilverfahren war nur über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu entscheiden. Dem Antrag war stattzugeben, weil auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes das Rechtsmittel nicht von vornherein aussichtslos erscheint (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB).
Die gegen die Durchführung der Präsentation erhobenen Bedenken greifen allerdings voraussichtlich nicht durch. Die Antragstellerin geht zwar zutreffend davon aus, dass der Senat in seinem Beschluss vom 28.11.2006 nur die unzureichende Dokumentation beanstandet hat, weil ohne hinreichend detaillierte und nachvollziehbare Dokumentation nicht überprüft und festgestellt werden kann, ob sich die Vergabestelle im Rahmen ihres Wertungsspielraums bewegt und eine sachlich richtige Entscheidung getroffen hat.
Der Senat hat es gleichwohl für erforderlich gehalten, nicht nur die Dokumentation als solche, sondern auch die zugrundeliegende Präsentation zu wiederholen.
Da es weder von der Präsentation im Juni 2005 noch von der Neubewertung eine ausreichende Aufzeichnung im Sinne eines Vergabevermerks gibt, die verwertbare und nachprüfbare Tatsachenfeststellungen enthält, war zur Behebung dieses Mangels die Wiederholung des Vergabeverfahrens ab der Präsentation erforderlich, um eine neue, umfassende und aufschlussreiche Dokumentation zu erstellen, die die ausschlaggebenden Entscheidungen und die für sie sprechenden Erwägungen hinreichend genau erkennen und nachvollziehbar werden lässt (Senatsbeschluss vom 28.11.2006, Umdruck S. 10).
Die bloße Nachbesserung der Dokumentation ohne ausreichend gesicherte und nachvollziehbare Feststellungen in einem Vergabevermerk wäre andernfalls auf die Möglichkeit hinausgelaufen, die Dokumentation im Nachprüfungsverfahren selbst nachzubessern. Um ein in jeder Hinsicht transparentes Vergabeverfahren zu gewährleisten und zugleich etwaigen Manipulationsmöglichkeiten soweit wie möglich vorzubeugen, ist es jedoch geboten, dem öffentlichen Auftraggeber eine Heilung von Dokumentationsmängeln im Nachprüfungsverfahren selbst zu versagen.
Die Notwendigkeit einer Wiederholung der Präsentation bedeutet freilich nicht, dass die frühere wortwörtlich zu wiederholen ist. Eine derartige Auflage wäre schon rein praktisch nicht durchführbar, da über die frühere Präsentation keine zuverlässigen Aufzeichnungen vorliegen. Sie wäre auch mit dem Sinn und Zweck des Verhandlungsverfahrens nicht vereinbar.
Bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen müssen Auftragsgespräche mit den ausgewählten Bewerbern stattfinden. Es genügt also nicht, die Auftragsbedingungen zu verhandeln, vielmehr ist eine vertiefte Verhandlung vorgesehen, in der sich der Auftraggeber ein genaueres Bild darüber machen soll, welcher von den bereits ausgewählten Bewerbern die beste Gewähr für eine sachgerechte und qualitätvolle Leistungserfüllung bietet.
Das Auftragsgespräch dient dazu, vertieft Lösungsansätze des Bewerbers zu erörtern und dabei zu ermitteln, ob sie eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserfüllung erwarten lassen. Der Auftraggeber ist zu materiellen, also inhaltlich auf die zu lösende Aufgabe bezogenen Gesprächen mit den Bewerbern verpflichtet. Dabei können die Bewerber bereits mit eigenen, vorbereiteten Präsentationen in die Auftragsverhandlungen eintreten oder kann der Auftraggeber die Verhandlungsgespräche in die von ihm gewünschte Richtung lenken, um die erforderlichen Informationen für die Beurteilung der bestmöglichen Leistung zu erhalten. Aus diesem Grund wäre es schon tatsächlich nicht möglich, im Falle der Wiederholung einer Präsentation das Vergabeverfahren quasi auf dem Stand der früheren, unter Umständen Jahre zurückliegenden, Präsentation "einzufrieren", und von den Bewerbern zu erwarten, dass sie im Rahmen der erneuten Präsentation keine weitergehenden Vorstellungen und Lösungsvorschläge unterbreiten als in der zurückliegenden Präsentation. Denn der Auftraggeber wäre seinerseits nicht gehindert, entsprechende Fragen zu stellen und die Auftragsverhandlungen von sich aus in die gewünschte Richtung zu lenken.
Es ist deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn weitere Gesichtspunkte in den Verhandlungsgesprächen angesprochen worden sind, solange die Identität des Beschaffungsvorhabens, so wie es Gegenstand der Ausschreibung ist, gewahrt bleibt (Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, GWB § 101 Rn. 829 m.w.N.) und sich die Antragsgegnerin an die bekanntgegebenen Wertungskriterien hält. Der Fall ist ähnlich zu bewerten wie die Durchführung mehrerer Verhandlungsrunden, wozu die Antragsgegnerin ohne weiteres berechtigt gewesen wäre.
Zu Unrecht meint die Antragstellerin ohnedies, die Beigeladene habe aufgrund der Beschlüsse des Oberlandesgerichts erkannt, dass eine Überprüfung der Schadensklassifizierungen durch das Ing.-Büro A angezeigt sei, und habe deshalb ergebnisorientierten Vortrag gehalten. Dass die Beigeladene eine Bewertung der Schadensklassifizierung im Rahmen der Präsentation vorgenommen hat, lässt sich weder ihren Präsentationsunterlagen noch der Niederschrift über die Durchführung der Präsentation entnehmen. Soweit sie dargelegt hat, dass im Falle der Auftragserteilung eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Ing.-Büros A auch bezüglich der Schadensklassifizierung erfolgen werde, entspricht dies den Anforderungen der Leistungsbeschreibung für die Phase 1. Nähere detaillierte Angaben zum Lösungskonzept finden sich in der schriftlich vorgelegten Präsentation ohnehin nicht. Die Antragstellerin scheint nach wie vor zu verkennen, dass es nicht Aufgabe und Zweck des Verhandlungsgesprächs ist, Verhandlungen (nur) über bereits zuvor schriftlich unterbreitete Lösungsvorschläge zu führen, sondern Lösungsansätze erst vorzutragen. Die VOF kennt den Begriff des Angebots nicht. Entscheidend für den Zuschlag ist nicht ein schriftlich fixiertes Angebot, sondern erst das Ergebnis der Auftragsverhandlungen. Dabei sind Verhandlungen inhaltlicher sowie preislicher Art zulässig und können wertungsrelevante Angaben jederzeit nachgeholt werden. Es gilt insoweit der Grundsatz der weitgehend freien Verhandelbarkeit von Angeboten freiberuflicher Leistungen (Senat, VergabeR 2006, 382, 385 mit Anm. Voppel S.390 f). Grundsätzlich liegt nämlich erst mit Abschluss der Verhandlungen ein zuschlagsfähiges "Angebot" vor.
Mit der notwendigen Entscheidung für eine Wiederholung des Vergabeverfahrens ab dem Zeitpunkt der Präsentation war deshalb zwangsläufig die Möglichkeit sowohl für die Antragstellerin, die Beigeladene und die Vergabestelle eröffnet, weitere und ggfs. neue Gesichtspunkte im Hinblick auf den zu erteilenden Auftrag einzuführen und zu erörtern. Damit ist kein Nachteil zu Lasten der Antragstellerin verbunden, denn im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren war lediglich ein Dokumentationsmangel zu beanstanden gewesen, der dazu führte, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen nicht nachvollziehbar war. Die Feststellung eines weitergehenden Vergaberechtsverstoßes zu Lasten der Antragsstellerin war damit nicht verbunden.
Ob die auf dieser Grundlage neu erstellte Dokumentation den Anforderungen des § 18 VOF genügt, braucht der Senat an dieser Stelle noch nicht zu entscheiden. Der Antragstellerin ist allerdings einzuräumen, dass die auf den S. 12 - 14 des Vergabevermerks enthaltenen Feststellungen unter II 2.1 ( Zeitplan, Personaleinsatz, Organigramme für die Auf- und Ablaufsituation, Verteilung der Aufgaben zwischen der Gemeinde und dem Planungsbüro, die Arbeitsschritte der planerischen Vorgehensweise, Qualitätsüberwachung und Terminmanagement) - anders als die Vergabekammer gemeint hat - nicht unter das Kriterium der planerischen Konzeption fallen können, weil es sich bei den Positionen Maßnahmen zur termingerechten Leistungserbringung, Organisation der Bauaufsicht und -überwachung, Organisation der Zusammenarbeit, und projektbezogenes Organisationskonzept, Qualitätsmanagement um - nach der Bekanntmachung - eigenständige Auftragskriterien handelt. Ausweislich des Vergabevermerks sind diese Kriterien aber auch nicht unter dem Stichwort "Planerische Konzeption/fachliche Einschätzung des Projekts", sondern unter Punkt K 2 "Projektbezogenes Organisationskonzept/Qualitätsmanagement" gewertet worden (Vergabevermerk S. 23 ff ).
Die hier streitige Wertung des Kriteriums K 1 findet sich auf S. 20 ff des Vergabevermerks.
Die Angebotswertung vom 12.04.2007 nimmt Bezug auf die Einzelfragen der Antragsgegnerin in der Präsentation vom 21.02.2007 (Angebotswertung Seite 16 ff.). Verwiesen wird auf die im Rahmen der Präsentation hierzu erteilten Antworten. Hierzu heißt es unter Wertung (a.a.O. Seite 20 ff.):
"Beide Bieter setzen mit ihrem planerischen Konzept bei der (Neu-) Bewertung der Schadensklassen an. Die Ingenieurgemeinschaft ... (Beigeladene) stellt dabei insbesondere mit dem Konzept der "Verschneidung der baulichen und der hydraulischen Sanierungsplanung" im Vergleich zur ... (Antragstellerin) ein schlüssigeres, nachvollziehbareres Konzept der Herangehensweise an die Projektbearbeitung vor. Diese Einschätzung beruht auf folgenden Erwägungen...."
Weiter heißt es nach Gegenüberstellung verschiedener Angebotsmerkmale: "in der vergleichenden Betrachtung ist die durch die Ingenieurgemeinschaft.... (Beigeladene) vorgestellte Angebotsstruktur/Herangehensweise hinsichtlich des inhaltlichen Detaillierungsgrades und Informationsgehaltes eher in der Lage, die örtlichen Gegebenheiten im Gemeindegebiet und die projektbezogenen Anforderungen des Auftraggebers, wie sie in den Vergabeunterlagen beschrieben sind, zu erfüllen."
Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass die dieser Bewertung zuzuordnenden Feststellungen im Vergabevermerk selbst nicht vorhanden sind. Soweit auf die Niederschrift der Präsentation und die hierzu eingereichten Unterlagen verwiesen wird, könnte zweifelhaft erscheinen, ob eine ausreichend detaillierte Dokumentation der Vergabeentscheidung vorliegt, weil die getroffenen Ableitungen nicht ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen.
Andererseits steht in einem Verhandlungsverfahren nach der VOF dem öffentlichen Auftraggeber bei der Auswahl des günstigsten Angebots ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Die Entscheidung über die Vergabe eines Architekten- oder Ingenieurauftrags soll sich danach richten, welcher Bewerber am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserbringung bietet (Voppel/Osenbrück/Bubbert, VOF, § 24 Rn. 3). Im Nachprüfungsverfahren kann daher nur geprüft werden, ob der Auftraggeber die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts beachtet hat, von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe eingehalten hat und die Bewertung frei von sachfremden und willkürlichen Erwägungen vorgenommen hat (2.Vergabekammer des Bundes - VK 2 - 144/03 - Juris). Ist Gegenstand eines Nachprüfungsantrages eine Wertung im VOF - Verfahren, so prüfen die Nachprüfungsinstanzen nur, ob die Grenzen des der Auftraggeberseite zustehenden Beurteilungsspielraums überschritten sind (Brandenburgisches Oberlandesgericht - VergW 8/05 - Juris). Die Dokumentation muss dementsprechend so beschaffen sein, dass aus ihr erkennbar wird, ob der Auftraggeber diese Anforderungen erfüllt hat. Ob der Vergabevermerk diesen Anforderungen gerecht wird, kann derzeit noch offen bleiben, weil die sofortige Beschwerde schon aus einem anderen Grund Erfolg haben könnte.
Zwar wird die Antragstellerin mit ihrer Rüge zur Wertung des Kriteriums K 3 wohl nicht durchdringen, soweit sie meint, es seien nur die Angebote für die besonderen Leistungen, die Nebenkosten und die Stunden- und Tagessätze und nicht die absoluten Honorarsummen zu vergleichen. Denn auch bei ausschließlicher Berücksichtigung dieser Positionen liegt das Angebot der Beigeladenen vor demjenigen der Antragstellerin. Darüber hinaus hat die Vergabekammer zu Recht ausgeführt, dass das Angebot der Antragstellerin unter Zugrundelegung der angewandten Bewertungsmatrix auch dann nicht an erster Stelle liegen würde, wenn die Antragstellerin die höchste und die Beigeladene nur die zweithöchste Punktzahl erhielte.
Nicht auszuschließen ist derzeit jedoch, dass die Antragstellerin zu Recht eine Unterschreitung der Mindestsätze gem. § 4 HOAI rügt. Zwar waren die Honorarzone und die anrechenbaren Kosten vor der Honorarermittlung durch die Antragsgegnerin vorgegeben worden. Sowohl die Antragstellerin wie die Beigeladene haben auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten und des Honorarrahmens des § 56 HOAI ihr Honorar errechnet. Allerdings haben sowohl die Antragstellerin wie die Beigeladene für einzelne Positionen der Leistungsphasen 1 -9 einen gegenüber der in § 55 HOAI vorgesehenen Bewertung abweichenden Vomhundertsatz vorgesehen. Die Beigeladene hat hierzu vorgetragen, dass eine Reihe von Grundleistungen oder wesentliche Teile von Grundleistungen ausgenommen gewesen seien.
Werden nicht alle Grundleistungen einer Leistungsphase oder wesentliche Teile von Grundleistungen dem Auftragnehmer nicht übertragen, so darf für die übertragenen Leistungen nur ein Honorar berechnet werden, das dem Anteil der übertragenen Leistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht (§ 5 Abs. 2 HOAI). Darauf weist die Beigeladene zwar zutreffend hin.
Zweifel bestehen indes, ob der von der Beigeladenen (und der Antragstellerin) jeweils in Ansatz gebrachte prozentuale Anteil diesem Verhältnis entspricht. Solche Zweifel resultieren schon daraus, dass die der Honorarermittlung zugrunde gelegten Werte der Antragstellerin und der Beigeladenen im Ergebnis nicht unerheblich differieren.
Eine (versteckte) Unterschreitung des Mindestsatzes kann auch durch den Ansatz zu niedriger Prozentsätze aus den Leistungsbildern für die betreffenden Leistungsphasen erfolgen (Locher/Koeble/Frick, HOAI, 9. Aufl. § 4 Rn. 78 m.w.N.; Pott/Dahlhoff/Kniffka/Rath, HOAI 8. Aufl. § 4 Rn. 25 ).Der Senat ist nicht in der Lage, eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Eine Begründung für die Bewertung der Teilleistungen findet sich in den Honorarermittlungen nicht. Allein der Umstand, dass beide Angebote bei der prozentualen Bewertung der Teilleistungen nicht nur deutlich unter 100% liegen, sondern zwischen beiden Angeboten nochmals ein erheblicher Unterschied besteht, also offenbar keine objektiven Kriterien für die Bewertung zugrunde liegen, lässt eine Unterschreitung der Mindestsätze nicht ausschließen. Selbst der Vertreter der Beigeladenen vermochte dies nicht auszuschließen und hat vorsorglich sogar eine Erklärung abgegeben, wonach die Beigeladene für den Fall einer Mindestsatzunterschreitung ihre Leistungen zum Mindestsatz erbringen werde. Diese Erklärung hilft ihr im Nachprüfungsverfahren jedoch nicht weiter. Ein Angebot, dessen Preis sich nicht im durch die Gebühren- oder Honorarordnung vorgegebenen Rahmen hält, insbesondere unterhalb der vorgegebenen Mindestsätze liegt, darf nicht zum Zuge kommen, auch wenn es im Übrigen die Zuschlagskriterien erfüllt ( Senat, VergabeR 06, 382, 389). Die Vergabestelle muss deshalb sicherstellen, dass die Mindestsätze der HOAI nicht unterschritten werden. Ein Ausschluss des Angebots ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel aber erst nach Scheitern von Nachverhandlungen angezeigt. Im Hinblick auf eine hier indiziell nicht auszuschließende Unterschreitung der Mindestsätze wird deshalb voraussichtlich vor einer Auftragsvergabe zu prüfen sein, ob die Honorarermittlung - ggfs. auch diejenige der Antragstellerin - § 5 Abs. 2 HOAI entspricht oder gegen § 4 Abs. 2 HOAI verstößt. Vor einer solchen Feststellung dürfte ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen nicht in Betracht kommen.
Vor diesem Hintergrund war die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern.
Ende der Entscheidung
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