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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 11 W 48/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
Allein aus dem Umstand, dass der Verletzte während der Berufungsinstanz im einstweiligen Verfügungsverfahren Hauptsacheklage einreicht, ergibt sich noch nicht, dass die Klage rechtsmissbräuchlich ist.
Gründe:

I.

Der Kläger wurde 1993 zusammen mit seinem Halbbruder ... wegen Mordes an dem bundesweit bekannten Schauspieler A zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Beklagte verlegt die Zeitung "...". Sie berichtete Anfang Mai 2006 in ihrer Online-Ausgabe unter namentlicher Nennung der Klägers und seines Halbbruders über von diesen gestellte Anträge auf vorzeitige Haftentlassung. Später änderte sie die Berichterstattung dahin ab, dass sie die Namen der beiden Verurteilten nicht mehr nannte. Auf Abmahnung des ... gab sie diesem gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gegenüber dem Kläger tat sie dies trotz Abmahnung nicht. Der Kläger erwirkte daraufhin beim Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung, die auf Widerspruch der Beklagten hin durch Urteil vom 05.10.2006 bestätigt wurde. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Am 20.11.2006 hat der Kläger ein Prozesskostenhilfegesuch mit Klageentwurf für die vorliegende Unterlassungsklage eingereicht. Die Berufung der Beklagten im Eilverfahren wies der Senat durch Urteil vom 08.05.2007 (Az.: 11 U 63/06) zurück. Daraufhin gab die Beklagte am 06.07.2007 bezüglich der einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung ab. Im Hinblick darauf haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den nach § 91a ZPO ergangenen Kostenbeschluss ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist über die Kostentragung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 91a ZPO). Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kosten hier der Beklagten aufzuerlegen sind, weil sie ohne das erledigende Ereignis im Rechtsstreit unterlegen gewesen wäre.

Der mit der Klage verfolgte Unterlassungsanspruch ist bis zur Abgabe der Abschlusserklärung begründet gewesen. Die identifizierende Berichterstattung über den Kläger war unzulässig. Die Wiederholungsgefahr war weder durch die freiwillige Beseitigung der Namensnennung noch durch die Unterlassungserklärung gegenüber dem Mitverurteilten entfallen. Insoweit ist auf den angefochtenen Beschluss sowie das Urteil des Senats vom 08.05.2007 im einstweiligen Verfügungsverfahren zu verweisen.

Die Beklagte beanstandet dies mit ihrem Rechtsmittel auch nicht, sondern wiederholt ihren erstinstanzlichen Einwand, die Klage sei von Anfang mutwillig und nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei durch die einstweilige Verfügung gegen eine Wiederholung der beanstandeten Berichterstattung gesichert gewesen. Eines zeitgleich eingeleiteten Hauptsacheverfahrens habe es nicht bedurft.

Dieser Einwand der Beklagten ist nicht berechtigt. Grundsätzlich besteht für eine Unterlassungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn der Unterlassungsgläubiger bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, da die einstweilige Verfügung nur vorläufigen Rechtsschutz gewährt (BGH GRUR 1973, 384; 1989, 115; Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 13 UWG Rdn. 2.17). Demgemäß kann es nicht per se rechtsmissbräuchlich oder mutwillig sein, wenn der Gläubiger eine solche Klage erhebt, obwohl er bereits mit der einstweiligen Verfügung einen Vollstreckungstitel in Händen hat.

Allerdings wird es im Wettbewerbsrecht bei der Prüfung, ob die Geltendmachung von Abwehrrechten wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist (§ 8 Abs. 4 UWG), als ein auf einen Missbrauch deutender Umstand angesehen, wenn der Unterlassungsgläubiger neben dem Verfügungs- ohne sachliche Notwendigkeit (z. B. zur Abwendung der drohenden Verjährung) ein Hauptsachverfahren einleitet, ohne abzuwarten, ob der Schuldner die einstweilige Verfügung in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (z. B. BGH GRUR 2001, 78, 79 - Irreführende Werbung über Elektronikartikel; GRUR 2002, 715, 176 - Scanner-Werbung; OLG Nürnberg GRUR-RR 2004, 336 - Verfahrensdurchführung; OLG Frankfurt am Main WRP 2007, 556 - Fehlende Klageveranlassung; Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rdn. 4.18).

Diese Einschränkung der Verfolgbarkeit des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 4 UWG gilt jedoch für den hier erhobenen Unterlassungsanspruch aufgrund des allgemeinen Deliktsrechts (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB) weder unmittelbar noch analog. Die Klageerhebung wegen Rechtsverletzungen unterliegt nur dem allgemeinen prozessrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs, wobei die zu § 13 Abs. 5 UWG a. F. bzw. § 8 Abs. 4 UWG aufgestellten Grundsätze unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Rechtsinhabers durchaus zu beachten sind (vgl. OLG Frankfurt am Main a. a. O.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 13 Rdn. 47a). Angesichts der Besonderheiten des wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutzes sind allerdings in anderen Rechtsbereichen, wie vorliegend im Bereich des Persönlichkeitsrechtsschutzes, die Anforderungen an die Annahme rechtsmissbräuchlicher Prozessführung höher anzusetzen (Nordemann, WRP 2005, 184, 189; Teplitzky a. a. O.). Überdies handelt es sich bei der in der Rechtsprechung und Literatur zu § 8 Abs. 4 UWG angeführten Konstellation lediglich um einen in die Gesamtwürdigung des Einzelfalls einzubeziehenden Hinweis auf einen Missbrauch (Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 237), der nicht etwa durchwegs für sich bereits die Beurteilung als rechtsmissbräuchlich rechtfertigt. Vielmehr gilt dies nur für Ausnahmefälle, da es dem Verletzten grundsätzlich freistehen muss, sofort Hauptsacheklage zu erheben (Stickelbrock, WRP 2001, 648, 658; Köhler/Bornkamm a. a. O.). Aus der parallelen gerichtlichen Rechtsverfolgung im Eil- und im Hauptsacheverfahren muss nach einer Würdigung aller Umstände deutlich hervorgehen, dass mit der Klageeinreichung zumindest in erster Linie Kosten zugunsten der Klägerseite oder zulasten der Beklagtenseite produziert werden sollen. Dabei spricht hier zunächst grundsätzlich keine Vermutung dafür, dass der Kläger das beklagte Presseorgan durch Vermehrung der Prozesskosten schädigen will, da er davon - anders als es zwischen Wettbewerbern der Fall sein mag - nicht einmal einen indirekten Vorteil hätte. Auch dass dem Kläger durch die zusätzlich anhängig gemachte Hauptsache Kostenerstattungsansprüche entstehen können, ist für sich nur eine zwangsläufige Folge der Klageeinreichung und belegt noch nicht, dass dies der vorrangige Zweck der Rechtsverfolgung ist. Der Streitfall liegt auch anders als die vom 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main entschiedene Sache (WRP a. a. O), auf die sich die Beklagte bezieht. Dort hatte die Klägerin einen Tag vor der Berufungsverhandlung Klage eingereicht und es war nicht ersichtlich, weshalb sie nicht die kurze Zeit bis zum Vorliegen eines für sie günstigen Urteils und angesichts der naheliegenden Möglichkeit einer nachfolgenden Abschlusserklärung der dortigen Beklagten abwarten konnte. Demgegenüber war vorliegend der Termin zur Berufungsverhandlung erst mehr als vier Monate nach der Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs angesetzt. Davon abgesehen hatte der 6. Zivilsenat im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 93 ZPO über die anders gelagerte Frage zu entscheiden, ob die dortige Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hatte. Selbst wenn der Kläger aber keinen Anlass zur Klageerhebung hatte, ist deshalb seine Prozessführung noch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).

Der Beschwerdewert errechnet sich aus den Kosten der I. Instanz.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß § 547 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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