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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 12 U 100/05
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 407
HGB § 421
HGB § 452
HGB § 452 a
HGB § 459
HGB § 606
HGB § 608
HGB § 660
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Frachtführerin auf Schadensersatz in Höhe von € 41.631,52 (zunächst US$ 52.039,40) wegen Beschädigung von Transportgut in Anspruch.

Der Kläger erwarb von seiner Streithelferin im Dezember 2002 einen gebrauchten A Baujahr 1999 zum Preis von € 46.500,00, der in O1/ Angola ausgeliefert werden sollte. Die Streithelferin des Klägers beauftragte mit der Überführung des Fahrzeugs die Beklagte und vereinbarte mit ihr zum Fixkostenpreis von € 2.500,00 (Bl.43f./207 der Akte) Transport ab O2 bis frei Ankunft O1 mit Vorlauf per Autotransporter zum Ladehafen O3 und von dort per Seefracht im Container zum Zielhafen O1. Die Beklagte übertrug den Schiffstransport von O3 nach O1 ihrer Streithelferin, was nur diese bestritten hat.

Der Pkw wurde von der Beklagten am 17.12.2002 unbeschädigt in O2 übernommen und via Autotransport über Land am 20.12.2002 im Verladehafen O3 an den für den Weitertransport nach O1 zuständigen Seefrachtführer übergeben. Abredewidrig wurde der Pkw sodann zunächst offen ohne Container nach O4 verschifft, dort ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen und Fixierungen in einen Container verladen und sodann ebenfalls auf dem Seeweg nach O1 weiterbefördert. Während des Seetransportes wurde das Fahrzeug schwer beschädigt und kam am 10.02.2003 in diesem Zustand im Zielhafen O1/Angola an (wegen Einzelheiten vgl. die Lichtbilder Bl.165-171 sowie im Aktendeckel).

Der Kläger übernahm das Fahrzeug bereits im Zielhafen und ließ sich von der B-Niederlassung in Angola einen Kostenvoranschlag vom 17.04.2003 über die voraussichtlichen Reparaturkosten unterbreiten, der mit einem Betrag von US$ 51.539,40 schloss. Diesen Betrag verlangt er als Schadensersatz sowie weitere US$ 500,00, die er im Zielhafen O1 an Containerkaution entrichten musste. Eine Reparatur sei vertretbar, weil der Kläger auch noch Einfuhrzoll in Höhe von US$ 21.238,00 zahlte.

Die Beklagte wie auch ihre Streithelferin haben im Wesentlichen den behaupteten Schaden bestritten und sich auf Haftungsausschlüsse und -beschränkungen des Seehandelsrechts berufen.

Mit am 13.04.2005 verkündeten Urteil, worauf zur weiteren Darstellung auch wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage zum Hilfsantrag, der auf Währung "EURO" lautete, stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:

Die Beklagte hafte aufgrund Speditionsvertrag zu fixen Kosten gemäß § 459 HGB wie ein Frachtführer. Diesen Anspruch könne der Kläger gemäß § 421 HGB unmittelbar selbst geltend machen. Die §§ 452,452a HGB und damit auch §§ 606 ff. HGB seien nicht anwendbar. Der Höhe nach habe die Beklagte den substanziiert dargelegten Schaden des Klägers trotz richterlichen Hinweises nicht hinreichend qualifiziert bestritten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die auch in zweiter Instanz von ihrer Streithelferin unterstützt wird. Sie rügt unzutreffende Tatsachenfeststellung und fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.

Der Kläger sei nicht nach §§ 459, 421 I 1, 2 HGB aktivlegitimiert, da der Pkw nicht am vertraglich vereinbarten Bestimmungsort - seiner Wohnanschrift in O1/ Angola - abgeliefert wurde.

Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht ferner die §§ 606 ff. HGB nicht zugunsten der Beklagten angewandt. Die Beklagte beruft sich auf verspätete Schadensanzeige durch den Kläger, Haftungsausschluss wegen Seegefahr bzw. -unfall sowie die Haftungsbeschränkung nach § 660 I HGB und erhebt, nachdem die Streithelferin des Klägers ihre Ansprüche gegen die Beklagte im Termin am 30.06.2006 vorsorglich erneut abgetreten hat, ferner die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13.04.2004 zu Az.: 23 O 324/03 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und seine Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt im Übrigen dem Berufungsvortrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat ganz überwiegend keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts hält den Angriffen der Berufung bis auf einen Teilbetrag der Klageforderung von € 400,00 im Ergebnis stand. Der zuerkannte Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 459, 421 I 2, 452, 452a, 606 S.2 HGB in Verbindung mit § 249 BGB.

A. Der zwischen der Streithelferin des Klägers und der Beklagten am 05.12.2002 geschlossenen Vertrag ist ein Speditionsvertrag zu fixen Kosten im Sinne des § 459 HGB. Die Beklagte hat sich verpflichtet, den Pkw für € 2.500,00 einschließlich aller Kosten von O2 nach O1 zu befördern (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., HGB § 459 Rn.19 f.; Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, HGB § 459 Rn.7 f.). Rechtsfolge ist, dass die Beklagte gemäß § 459 S.1 HGB wie ein Frachtführer bzw. wie ein Verfrachter haftet. Der Vertrag unterliegt gemäß Art.28 IV 1 EGBGB deutschem Rechtsstatut, weil sowohl die Beklagte als Beförderer wie auch die Streithelferin des Klägers als Absender bei Vertragsschluss in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen waren.

1. Der Kläger ist nach § 421 I 2 HGB aktivlegitimiert. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der unmittelbare Anspruch des Empfängers gegen den Frachtführer erst entsteht, wenn das Transportgut nicht nur am Bestimmungsort, sondern an der vereinbarten Ablieferungsstelle eintrifft (Koller a.a.O. HGB § 421 Rn.2, 14). Es kann aber dahin stehen, ob die vom Kläger vorgelegte und ihrem Inhalt nach unstreitige Vertragsunterlage (Bl.43, 207 der Akte) so auszulegen ist, dass die Aufnahme seiner Privatanschrift in O1 als Ablieferungsstelle gilt. Ablieferung ist nach ständiger Rechtsprechung der Vorgang, durch den der Frachtführer die zur Beförderung erlangte Obhut über das Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. Sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, dann wird sich die Einwilligung des Verfügungsberechtigten zur Aufgabe der Obhut durch den Frachtführer regelmäßig mit der zwischen Absender und Frachtführer getroffenen Vereinbarung decken; ist demnach vereinbart, dass der Frachtführer das Gut an einem bestimmten Platz absetzen muss, dann ist die Einwilligung des Verfügungsberechtigten erst dann anzunehmen, wenn der Frachtführer das Gut an diese Stelle verbracht hat (Bundesgerichtshof Urteil vom 09.11.1979, I ZR 28/78, zitiert nach juris, dort Rn.8; ebenso Oberlandesgericht Frankfurt am Main NJW-RR 1987, 1055 [1056]). Das schließt jedoch nicht aus, dass vor Ort ausdrücklich oder konkludent eine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine Ablieferung "am falschen Ort" genügen. Denn der Empfänger des Transportgutes ist grundsätzlich nicht gehindert, ein am falschen Ort angeliefertes Transportgut in seine Obhut zu nehmen und darüber weiter zu verfügen (Oberlandesgericht Frankfurt am Main NJW-RR 1987, 1055 [1056]; Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 425 Rn.19). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger trägt unwidersprochen vor, dass er sich nach Eintreffen des Pkw im Zollfreilager des Hafens von O1 nach Erlaubnis der Zollbehörde am 22.02.2003 Zutritt zu dem Container verschafft, die Containerkaution entrichtet, die Zollgebühren gezahlt und das Fahrzeug im Hafen von O1 übernommen hat. Die Beklagte trägt nicht vor, dass sie mit dieser Verfahrensweise des Klägers nicht einverstanden war. Auch die Streithelferin des Klägers als Versenderin hat keine Einwände erhoben. Damit ist von einer konkludenten Übergabe "am falschen Ort" auszugehen, welche die Aktivlegitimierung des Klägers nach § 421 I 2 HGB ausgelöst hat und kommt es auf die erneut erklärte Abtretung der Streithelferin des Klägers im Termin am 30.03.2006 nicht an.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind allerdings die §§ 452 ff. HGB sowie die Vorschriften des Seehandelsrechts anzuwenden. Der zwischen der Streithelferin des Klägers und der Beklagten über die Gesamtstrecke geschlossene Speditionsvertrag zu fixen Kosten sah eine Beförderung mit verschiedenen Transportmitteln vor, auf die unterschiedliche Transportrechtsregime anzuwenden sind. § 452 S.2 HGB stellt zunächst klar, dass die Einbeziehung des Seetransportes der Annahme eines einheitlichen Beförderungsvertrages nicht entgegensteht (Koller a.a.O. HGB § 452 Rn.6; Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 452 Rn.41).

Gemäß § 452 S.1 HGB sind die allgemeinen frachtrechtlichen Vorschriften der §§ 407 ff. HGB nur anwendbar, soweit sie nicht durch die spezielleren Vorschriften der §§ 452a bis 452d HGB für multimodale Transporte verdrängt werden (Fremuth/ Thume a.a.O. HGB § 452 Rn.23; Koller a.a.O. HGB § 452 Rn.1). Die Sondervorschriften greifen gemäß § 452a HGB ein, sobald der Schadenseintritt einer bestimmten Teilstrecke zugeordnet werden kann. Aus den nach wie vor unstreitigen Tatsachen ergibt sich, dass der Schaden nur auf der Seestrecke entstanden sein kann, § 286 I ZPO. Offen bleiben kann, ob und welche Teilschäden möglicherweise während des Beladens in O3, der Beförderung nach O4, der Umverladung in O4, der Beförderung von dort nach O1 oder dem Entladevorgang in O1 entstanden sind. Die Strecke O3-O4 und O4-O1 ist im Sinne des § 452 HGB als eine Teilstrecke anzusehen, weil hier durchweg nur das Transportmittel "Schiff" benutzt wurde und die Umladung in O4 diesen unimodalen Zusammenhang nicht unterbricht (vgl. Koller a.a.O. HGB § 452 Rn.13). Bei multimodalen Transporten im Sinne des § 452 S.1 HGB werden Verladevorgänge ferner nicht als gesonderte und abgrenzbare Teilstrecken bewertet. Daher ist die Phase des Beladens (O3) der nachfolgenden Teilstrecke und die Phase des Entladens (O1) der vorangegangenen Teilstrecke zuzuordnen (Koller a.a.O. HGB § 452 Rn.15). Beides führt dazu, dass der Schadensort der Seestrecke O3-O1 zugerechnet werden muss. Damit ist das für diese Teilstrecke einschlägige Transportrechtsregime, nämlich Seehandelsrecht, anzuwenden (vgl. Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 452a Rn.2; Koller a.a.O. HGB § 452a Rn.5).

3. Die nach § 452a HGB vorzunehmende fiktive Betrachtungsweise hat diejenigen Rechtsvorschriften zugrunde zu legen, die anwendbar wären, wenn der Absender - die Streithelferin des Klägers - und der Frachtführer - die Beklagte - über die Beförderung der Teilstrecke O3-O1 einen gesonderten Vertrag abgeschlossen hätten (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 14.03.2002, 19 U 2561/01, zitiert nach juris, dort Leitsatz 1; Koller a.a.O. HGB § 452a Rn.5; Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 452a Rn.8). Dabei ist zunächst auch für die maßgebliche unimodale Teilstrecke das geltende Rechtsstatut zu bestimmen, welches mit dem Rechtsstatut des multimodalen Gesamtvertrages nicht zwingend übereinstimmen muss (Koller a.a.O. HGB § 452a Rn.5; Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 452a Rn.12). Nachdem vorrangig anzuwendende völkerrechtliche oder sonstige internationale Kollisionsnormen nicht eingreifen, richtet sich die Bestimmung des Rechtsstatuts für die Teilstrecke ebenfalls nach Art.28 IV 1 EGBGB (Koller a.a.O. HGB § 452a Rn.5; Fremuth/ Thume a.a.O. HGB § 452a Rn.12 f.). Da die Parteien des Vertrages über die Gesamtstrecke auch bei hypothetischem Seefrachtvertrag ihren Hauptsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten, unterliegt auch das Teilrechtsregime für die Seestrecke O3-O1 deutschem Recht.

3.1 Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 459, 421 I 2, 452, 452a, 606 S.2 HGB. Danach hat die Beklagte als fiktiver Seefrachtführer für substanzielle und nicht nur vorübergehende Schäden am Transportgut einzustehen (Bundesgerichtshof VersR 1978, 371; Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 02.12.1971, 2 U 107/71, zitiert nach juris; Rabe, Seehandelsrecht, 4.Aufl., HGB § 606 Rn.2, 27), die in der Zeit zwischen Übernahme der Fracht (O3) und deren Ablieferung (O1) entstehen, wenn und soweit sie sich nicht auf Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen nach §§ 607a ff. HGB berufen kann. Der Schaden wiederum ist nach § 249 BGB zu ermitteln, soweit er zur Höhe nicht gemäß §§ 658-660 HGB begrenzt ist (Rabe a.a.O. § 606 Rn.44).

3.2 Nachdem feststeht, dass die Schäden am Fahrzeug des Klägers während des Seetransportes entstanden sind, hat die Beklagte als fiktiver Seefrachtführer den Nachweis zu führen, dass sie dies nicht zu vertreten hat, §§ 606 S.2 2.Hs., 607 I HGB (Bundesgerichtshof VersR 1978, 371 [372]; Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 02.12.1971, zitiert nach juris; Rabe a.a.O. HGB § 606 Rn.64). Dazu trägt die Beklagte nichts vor. Da weiter unstreitig ist, dass der Pkw auf der Teilstrecke O3-O4 vertragswidrig ohne Container und auf der Teilstrecke O4-O1 zwar im Container aber ohne zusätzliche Fixierungen und Sicherungen transportiert wurde, ist ein sogenanntes kommerzielles Verschulden (dazu Rabe a.a.O. HGB § 606 Rn.2), für das die Beklagte im Gegensatz zu rein nautischem Verschulden als fiktiver Seefrachtführer einzustehen hat, ohnedies indiziert.

3.3 Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger habe die Frist zur Anzeige des Schadens nach § 611 I HGB versäumt, weshalb gemäß § 611 III HGB zu vermuten sei, dass der Schaden auf einem von ihr nicht zu vertretenden Umstand beruhe. Sie verkennt, dass auch bei multimodalen Transportverträgen mit bekanntem Schadensort im Sinne des § 452a HGB etwaige Regeln des Teilstreckenrechtsregimes zur Rügeobliegenheit gemäß § 452b HGB einheitlich und abschließend einschließlich der Rechtsfolge der Vorschrift des § 438 HGB unterliegen (vgl. Koller a.a.O. HGB § 452b Rn.2; Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 452b Rn.4 f.; Rabe a.a.O. HGB § 611 Rn.22 f.) und § 611 HGB deshalb nicht anzuwenden ist. Einzige Rechtsfolge einer unterlassenen oder verspäteten Schadensanzeige ist nach § 438 I 1 2.Hs. HGB der Eintritt einer gesetzlichen und zugleich widerleglichen Vermutung dahingehend, das Gut sei in ordnungsgemäßem Zustand abgeliefert worden. Allerdings folgt daraus kein Rechtsverlust des Empfängers, sondern lediglich eine Umkehr der Beweislast (Fremuth/Thume a.a.O. HGB § 438 Rn.7; wohl auch Koller a.a.O. HGB § 438 Rn.16). Dass die Schäden am Pkw des Klägers erst auf der Seestrecke O3-O4-O1 und damit im - fiktiven - Obhutsbereich der Beklagten eingetreten sind, ist aber unstreitig. Deshalb ist die Vermutung des § 438 I 1 2.Hs. HGB bereits widerlegt und kann dahin stehen, ob der Kläger den Schaden rechtzeitig angezeigt hat.

3.4 Auch der von der Beklagten erhobene Einwand einer Seegefahr nach § 608 II, I Nr.1 HGB greift nicht durch. Sie hat auch nach entsprechendem Hinweis des Senats vom 30.03.2006 (Bl.349 der Akte) weder dargelegt, welche Seegefahr sich konkret realisiert hat, noch ausgeführt, wann und an welchem Schiffsort sich entsprechendes zugetragen haben soll. Die Streithelferin der Beklagten hat dazu ebenfalls nicht vorgetragen. Damit hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt und ist im Übrigen mangels Beweisangeboten auch beweisfällig geblieben.

Grundsätzlich hat nämlich der Verfrachter darzulegen und zu beweisen, dass sich während des Transportes eine Seegefahr im Sinne des § 608 I Nr.1 HGB ereignet hat (dazu näher Rabe a.a.O. HGB § 608 Rn.7, 20). Der Nachweis einer abstrakten Möglichkeit der Schädigung genügt nicht. Es müssen statt dessen konkrete Tatsachen dargelegt und bewiesen werden, aus denen sich nach den Regeln des Anscheinsbeweises die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens aus der Gefahr ergibt (Rabe a.a.O. HGB § 608 Rn.20 m.w.N.). Von dieser Darlegungslast ist die Beklagte auch nicht wegen angeblich verspäteter Schadensanzeige des Klägers nach § 611 III HGB befreit. Zwar führt die an sich nach § 611 III HGB eingreifende Vermutung fehlenden Verschuldens dazu, dass der Verfrachter auch die Voraussetzungen der Vermutung des § 608 II HGB nicht beweisen muss (Rabe a.a.O. HGB § 611 Rn.17). Aus den bereits dargelegten Gründen wird aber § 611 HGB über die Rückverweisung des § 452b HGB durch § 438 HGB vollständig verdrängt. Hinsichtlich der Frage des Verschuldens bleibt § 438 HGB auf der Rechtsfolgenseite hinter § 611 III HGB zurück und greift nach dem Wortlaut des § 438 I HGB selbst bei verspäteter Schadensanzeige des Empfängers zugunsten des Frachtführers keine Vermutung dahingehend ein, der Schaden beruhe auf vom Frachtführer nicht zu vertretenden Umständen. Damit bleibt es selbst bei verspäteter Schadensanzeige durch den Kläger bei der grundsätzlich der Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast, weshalb die Frage der Rechtzeitigkeit der Schadensanzeige auch unter diesem Gesichtspunkt dahin stehen kann.

II.

Hinsichtlich der Schadenshöhe ist zu differenzieren zwischen dem Sachschaden am Pkw des Klägers und der aufgewandten Containerkaution.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der an seinem Pkw eingetretenen Schäden in Höhe der nachgewiesenen voraussichtlichen Reparaturkosten. Grundsätzlich ist der auf § 606 S.2 HGB beruhende Schadensersatz gemäß § 249 BGB zu bestimmen. Die Vorschriften der §§ 658-660 HGB verstehen sich nur als Begrenzung der Schadenshöhe (Rabe a.a.O. HGB § 606 Rn.44). Auf die Haftungsbeschränkungen nach §§ 658, 659 und 660 I HGB kann sich die Beklagte aber gemäß § 660 III HGB nicht berufen, weil der Schaden auf eine pflichtwidrige Unterlassung der gebotenen Sicherung des Transportgutes zurückzuführen ist, die leichtfertig in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

Im Rahmen der nach § 452a HGB vorzunehmenden fiktiven Betrachtung muss sich die Beklagte zunächst so behandeln lassen, als habe sie die Verfrachtung über See selbst durchgeführt. Deshalb kommt es auf das Vertragsverhältnis zu ihrer Streithelferin nicht an (Oberlandesgericht Dresden Urteil vom 14.03.2002, 19 U 2561/02, zitiert nach juris, dort Leitsatz 1). § 660 III HGB beruht auf der Neufassung des Art.4 § 5e der Haager-Visby Regeln (Rabe a.a.O. HGB § 660 Rn.26). Die aus Art.4 § 5e der Haager-Visby Regel in § 660 III HGB übernommene Definition des qualifizierten Verschuldens beruht ihrerseits auf Art.25 des Warschauer Abkommens von 1955 (Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, vgl. Rabe a.a.O. HGB § 607a Rn.19). Daraus leitet sich ein zweigliedriger Verschuldensbegriff ab. Leichtfertiges Verhalten ist danach grob fahrlässiges Verhalten, das eine auf der Hand liegende Sorgfaltspflicht außer Betracht lässt. Das weiter erforderliche Bewusstsein ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist demnach dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Es obliegt dem Tatrichter, aus dem äußeren Ablauf, den auslösenden und begleitenden Umständen zu folgern, ob das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bejaht werden muss (Bundesgerichtshof Urteil vom 16.02.1979, I ZR 97/79, zitiert nach juris, dort Rn.22; Rabe a.a.O. HGB § 607a Rn.22 m.w.N.). Das Interesse der Ladungsbeteiligten erfordert es hierbei, dass der Verfrachter, dem in der Regel Güter von erheblichem Wert zur Beförderung anvertraut sind, alle nur erdenklichen Vorkehrungen trifft, um die Güter vor Schaden zu bewahren. Insoweit sind an seine Sorgfaltspflicht hohe Anforderungen zu stellen (Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 30.06.1966, 2 U 30/66, zitiert nach juris; Urteil vom 10.02.1971, 2 U 102/70, zitiert nach juris; Urteil vom 02.12.1971, 2 U 107/71, zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen steht zur Überzeugung des Senats bereits aufgrund der weitgehend unstreitigen äußeren Tatsachen fest, dass sich die Beklagte leichtfertiges Verhalten und das Bewusstsein, es werde zu einem Schaden kommen, zurechnen lassen muss. Sie hat in erster Instanz wie auch in der Berufungsbegründung nicht in Abrede gestellt, dass der Pkw zunächst - vertragswidrig - ohne Container und sonstige Sicherungen von O3 nach O4 und von dort aus zwar im Container aber ohne zusätzliche Fixierungen nach O1 verbracht wurde. Damit ist dies gemäß § 138 III ZPO unstreitig, zumal die Beklagte und nicht der Kläger diejenige ist, welche die Schadensursache aufzuklären und vorzutragen hat (Bundesgerichtshof VersR 1978, 371 [371 f.]; Oberlandesgericht Bremen Urteil vom 02.12.1971, 2 U 107/71, zitiert nach juris). Sie räumt in der Berufungsbegründung auch nochmals ausdrücklich ein, dass der Container auf diesem Teilstück umfiel und auf dem Kopf liegen blieb. Die vom Kläger vorgelegten und im Termin am 30.03.2006 nochmals in Augenschein genommenen Lichtbilder beweisen ebenfalls, dass der Pkw im Container abgesehen von ein paar Holzklötzen und Holzkeilen völlig ungesichert war. Da es sich bei dem Frachtgut um einen Pkw der Luxusklasse mit - auch in gebrauchtem Zustand - noch beträchtlichen Wert handelte, ist der Umstand, dass der Verfrachter und seine Leute nahezu keinerlei Maßnahmen getroffen haben, um dieses Gut vor Schaden zu bewahren, leichtfertig im Sinne des § 660 III. Ferner lassen die äußeren Umstände und das eklatante Ausmaß des Versagens bei lebensnaher Betrachtungsweise nur den Schluss zu, dass die pflichtwidrige Unterlassung mit dem Bewusstsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts begangen wurde. Offen bleiben kann, ob die Pflichtverletzung auf einem Organverschulden des Verfrachters oder auf einem Versagen seiner Leute beruht. Etwaiges Organverschulden müsste sich die Beklagte als fiktiver Seefrachtführer analog § 487d I 1 lit.a) HGB (Bundesgerichtshof Urteil vom 03.11.2005, I ZR 325/02, zitiert nach juris, dort Rn.20) und Verschulden ihrer Leute nach § 607 I HGB zurechnen lassen (Oberlandesgericht Bremen Urteil vom 02.12.1971, 2 U 107/71, zitiert nach juris; Rabe a.a.O. HGB § 607 Rn.1).

Der vorliegend entstandene Sachschaden ist deshalb ausschließlich nach § 249 BGB zu bestimmen. Der Kläger darf demzufolge fiktiv abrechnen und den Betrag verlangen, der zur Beseitigung der Schäden ausweislich Kostenvoranschlag erforderlich ist (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. § 249 Rn.14, 26a m.w.N.). Diesen hat er durch Vorlage eines Kostenvoranschlages der B-Niederlassung in Angola mit netto US$ 51.539,40 dargelegt und unter Zugrundelegung eines von der Beklagten nicht bestrittenen Umrechnungskurses von € 1/US$1,25 auf € 41.231,52 beziffert. Das entspricht rund 89% des kurz vor Schadenseintritt gezahlten Kaufpreises für den Pkw von € 46.500,00 netto. Das Fahrzeug mit Erstzulassung November 1999 war bei Schadenseintritt erst rund drei Jahre alt, was für einen Pkw der Luxusklasse kein hohes Alter darstellt. Zudem liegen die voraussichtlichen Reparaturkosten deutlich unterhalb der im Einzelfall noch vertretbaren Grenze von 130% des Wiederbeschaffungswertes (Palandt-Heinrichs, BGB, 65.Aufl., § 249 Rn.26a m.w.N.), den der Senat in Ansehung der kurzen Zeitspanne zwischen Erwerb und Schadenseintritt gemäß § 287 ZPO mit dem Kaufpreis gleichsetzt. Wegen des von der Beklagten ebenfalls nicht bestrittenen Umstandes, dass der Kläger auch den Einfuhrzoll von US$ 21.238,00 noch entrichtet hat, ist der im Kostenvoranschlag ausgewiesene Betrag als angemessener fiktiver Ausgleichsbetrag anzuerkennen. Der vorgelegte Kostenvoranschlag ist aufgrund der dokumentierten Schäden plausibel. Zudem hat das Landgericht das erstinstanzliche Bestreiten der Beklagten in diesem Zusammenhang als nicht ausreichend qualifiziert zurückgewiesen und haben weder die Beklagte noch ihre Streithelferin das Urteil in diesem Punkt angegriffen.

2. Hinsichtlich der geltend gemachten Containerkaution von US$ 500,00 (umgerechnet € 400,00) ist die Klage unschlüssig, was der Senat auch ohne ausdrückliche Rüge der Berufung gemäß § 529 II 2 ZPO berücksichtigen kann. Aus der vom Kläger vorgelegten Übersetzung des Containerkontrollscheins geht hervor, dass ihm dieser Betrag rückerstattet worden wäre, wenn er den Container binnen 16 Tagen in dem Zustand, wie er übernommen wurde, wieder zurückgegeben hätte (Bl.222 der Akte). Die rechtzeitige Rückgabe hat der Kläger versäumt. Auch der nach Hinweis des Senats vom 30.03.2006 weiter gehaltene Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 31.05.2006 enthält keine neuen Tatsachen, aus denen sich eine Haftung der Beklagten für das Versäumnis des Klägers ableiten ließe. Er hat den Verfall der Kaution deshalb selbst zu vertreten und kann insoweit auch keine Verzugszinsen verlangen, § 254 BGB.

3. Zu den vom Landgericht zuerkannten Verzugszinsen wird in der Berufung kein Vortrag gehalten, weshalb daran unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung festzuhalten ist. Deshalb stehen dem Kläger Verzugszinsen wie erkannt zu, soweit die Klage in der Hauptsache erfolgreich war.

III.

Der begründete Anspruch des Klägers ist nicht verjährt. Es ist bereits ausgeführt, dass es hinsichtlich der Aktivlegitimierung des Klägers nicht auf die im Termin am 30.03.2006 nochmals erklärte Abtretung seiner Streithelferin ankommt. Die unter diesem Gesichtspunkt erhobene Einrede der Verjährung greift daher nicht durch.

Auch im übrigen ist keine Verjährung eingetreten. In Ermangelung abweichender Sondervorschriften des Seehandelsrechts ist gemäß § 452a I 1 HGB die Frage der Verjährung nach § 439 HGB zu beurteilen. Dabei kann offen bleiben, ob die einjährige Regelfrist des § 439 I 1, II 1 HGB eingreift oder die Beklagte wegen zurechenbarer Leichtfertigkeit die dreijährige Frist nach § 439 I 2, II 1 HGB, jeweils gerechnet ab Ablieferung im Februar 2003, gegen sich gelten lassen muss. Nachdem die Klageschrift am 17.12.2003 bei dem Landgericht eingegangen ist und am 31.01.2004 an die Beklagte zugestellt wurde, kommt Verjährung offenkundig selbst dann nicht in Betracht, wenn man zugunsten der Beklagten auf die kürzere Frist des § 439 I 1 HGB abstellen wollte.

IV.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich wegen der Kosten aus §§ 97 I, 92 II Nr.2, 101 I ZPO und hinsichtlich des Vollstreckungsausspruchs aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 II ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 47 I GKG.

Ende der Entscheidung

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