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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 12 U 104/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 400
ZPO § 850 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger unterhielt seit 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Ansprüche hieraus trat er am 5. Februar 2003 an die A Aktiengesellschaft zur Sicherheit ab, für die er als Pächter eine Tankstelle betrieb. Nachdem sein Gewerbe defizitär verlief, die A ihre Tankstellen an die B AG veräußerte und diese Tankstellen schloss, war hiervon Ende Juni 2004 auch die vom Kläger betriebene Tankstelle betroffen.

Wegen der Zahlungsrückstände des Klägers kündigte die B AG am 5. Juli 2004 gegenüber der Beklagten die Lebensversicherung des Klägers. Diese löste den Versicherungsvertrag auf und zahlte den Rückkaufswert der Lebensversicherung von 28.284,42 € an die B AG aus.

Mit seiner Klage hat der Kläger Feststellung begehrt, dass die Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch die Kündigung nicht erloschen sei. Dem hat das Landgericht mit Urteil vom 4. Mai 2006 entsprochen und dies mit Unwirksamkeit der Abtretungserklärung gemäß § 307 BGB begründet. Es benachteilige den Kläger unangemessen, dass die A AG nach dem Inhalt der Abtretungserklärung die übertragenen Rechte beliebig verwerten dürfe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen (Blatt 142 f.).

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, es handle sich wegen der erkennbaren Schreib- und Sprachfehler nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen. Eine unangemessene Benachteiligung sei nicht gegeben, weil sie zum vereinbarten Sicherungszweck mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 unter Beweisantritt hinreichend vorgetragen habe. Ausweislich der Anlage B 8 sei der Kläger mit der Verwertung der Lebensversicherung ausdrücklich einverstanden gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 31. Juli 2006 verwiesen (Blatt 186 f.).

Die Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 4. Mai 2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berufungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände es sich bei der Abtretungserklärung um vorformulierte, mehrfach verwendete Geschäftsbedingungen der n A AG gehandelt habe, die deren Mitarbeiter aus einem Laptop abgerufen und ausgedruckt habe. Die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sei unwirksam. Zur Ergänzung wird auf den Schriftsatz vom 27. September 2006 hingewiesen (Blatt 200 f.).

II.

1. Die Berufung ist gemäß der §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist nach Zustellung des Urteils am 8. Mai 2006 (Empfangsbekenntnis Blatt 152) am 6. Juni 2006 rechtzeitig eingelegt (Blatt 169) und nach Fristverlängerung bis 31. Juli 2006 (Blatt 182) per Telefax an diesem Tage begründet worden (Blatt 185). Die Begründung enthält die notwendigen Rügen gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Die Beschwer der Beklagten beträgt 28.284,42 €. Sie bemisst sich regelmäßig nach ihrem Interesse, die Versicherungssumme in Höhe von 102.454 DM (52.383,89 €) bei Ablauf am 1. Juni 2012 nicht zahlen zu müssen, wegen des Feststellungsantrages jedoch mit einem Abschlag 20 %. Weil wesentliche Teile der vereinbarten Beiträge noch nicht eingezahlt sind, ist die Beklagte durch den Feststellungsausspruch nur in Höhe des ausgezahlten Rückkaufswertes beschwert.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das angefochtene Urteil weder von falschen Tatsachen ausgeht, noch eine relevante Rechtsverletzung enthält, § 513 Abs. 1 ZPO. Der Versicherungsvertrag besteht fort, weil weder die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, noch das Recht zur Kündigung der Lebensversicherung abgetreten werden können, §§ 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 400 BGB. Darauf, ob die Abtretungserklärung inhaltlich AGB- rechtswidrig ist, kommt es daher nicht an.

3. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist gemäß § 256 ZPO gegeben, weil die Beklagte von einer wirksamen Kündigung durch die Zessionarin ausgeht und die Verträge abgerechnet hat. Eine Leistungsklage kann der Kläger derzeit noch nicht erheben, weil die Voraussetzungen, unter denen er die Leistung der Lebensversicherung oder der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beanspruchen kann, noch nicht vorliegen. Der vereinbarte Vertragsablauf der Lebensversicherung liegt in der Zukunft (1. Juni 2012), Berufsunfähigkeit des Klägers ist bislang nicht eingetreten.

4. Das Landgericht hat den Feststellungsanspruch des Klägers im Ergebnis zu Recht als begründet angesehen. Die Kündigung vom 5. Juli 2004 hat nicht zu einer Beendigung des Versicherungsvertrages geführt, weil die Abtretungserklärung vom 5. Februar 2003 wegen des gesetzlichen Abtretungsausschlusses aus den §§ 400 BGB, 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine Rechte der B AG an dem Versicherungsvertrag, insbesondere nicht das Recht zur Kündigung, begründet hat.

5. Die Frage, ob Ansprüche aus einer Lebensversicherung, die mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verbunden ist, einem Abtretungsverbot unterliegen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG Saarbrücken (Versicherungsrecht 1995, 1227) und das OLG Köln (Versicherungsrecht 1998, 222) verneinen dies für die Lebensversicherung, wenn die verbundenen Verträge gemäß § 139 BGB auch selbstständig betrachtet werden können. Das OLG Jena (Versicherungsrecht 2000, 1005) hält die Abtretung gemäß § 400 BGB wegen § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO stets für unwirksam. In diesem Sinne auch entschieden haben das KG (VersR 2003, 490), das OLG München (VersR 1997, 1520) und das OLG Karlsruhe (OLGR 2002, 114). Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 16. März 2006 (ZInsO 2006, 878) im Anschluss an OLG Saarbrücken entschieden, dass von einer Teilbarkeit der Ansprüche aus der Lebensversicherung und aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auszugehen sei, Teilnichtigkeit nach § 139 BGB zu beurteilen sei und nicht nur die Abtretung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, sondern auch die Abtretung des Rechts zur Kündigung der Lebensversicherung unwirksam sei (zitiert nach Juris Randnummer 16, 17). Zu dieser Frage hatte das OLG Hamm die Revision zugelassen, die eingelegt, im Revisionsverfahren vor dem BGH (Aktenzeichen IX ZR 83/06) allerdings nicht entschieden wurde.

6. Der Senat schließt sich der Auffassung des OLG Hamm in dieser Frage an. Der gesetzliche Pfändungsschutz aus § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist für die Grundsicherung des Versicherungsnehmers auf Rente wegen Gesundheitsschäden von existentieller Bedeutung und würde zu weitgehend verkürzt, wenn er der freien Disposition der Beteiligten unterläge. Vorliegend ist die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht selbständig abgeschlossen, sondern nur als unselbständiger Annex zum Lebensversicherungsvertrag mit vereinbart. Der Vertrag, den der Kläger abgeschlossen hat, ist daher nicht teilbar und somit auch nicht gemäß § 139 BGB teilweise aufrecht zu erhalten oder übertragbar. Aus der gesetzlich ausgeschlossenen Übertragbarkeit der Rechte aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ergibt sich vorliegend zugleich ein Ausschluss der Übertragbarkeit der Rechte aus der Lebensversicherung. Daraus folgt, dass auch das Recht zur Kündigung der verbundenen Lebensversicherung von der Zessionarin nicht wirksam ausgeübt werden konnte. Anderenfalls entfiele untrennbar auch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Folge, dass der nicht gesetzlich versicherte, selbständige Kläger seine Existenzsicherung gegen gesundheitliche Erwerbsbeeinträchtigungen einbüßen würde.

7. Vorliegend hat erst die Zessionarin nach der Abtretung vom 5. Februar 2003 am 5. Juli 2004 die Kündigung der Lebensversicherung mit verbundener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ausgesprochen. Der Ausspruch der Kündigung war mangels Kündigungsrecht der Zessionarin unwirksam und hat nicht zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt. Darauf, dass die Abtretung von den Parteien der Abtretungsvereinbarung gewollt war, kommt es wegen der allseitigen Wirksamkeit des Abtretungsausschlusses nicht an.

8. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Berufungsklägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergeht gemäß der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu der Rechtsfrage zu, ob die mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verbundene Lebensversicherung einschließlich des Kündigungsrechts abtretbar ist, weil sich die Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird, § 543 I Nr. 1, II Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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