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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 12 U 18/02
Rechtsgebiete: StVG
Vorschriften:
StVG § 7 I |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 25. September 2003
In dem Rechtsstreit
...
Der 12. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht ..... als Einzelrichter gemäß § 524 Abs. 4 ZPO a.F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17. September 2001 abgeändert.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Beklagten zu 3) an den Kläger 8.113,20 € nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Mai 1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg, weil seine in zweiter Instanz reduzierte - Klage begründet ist.
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz seines Schadens, der ihm in Folge des Verkehrsunfalls am 4. Dezember 1998 gegen 21.30 Uhr auf der BAB 3 bei Kilometer 189,480 entstanden ist, nicht nur gegen den bereits durch rechtskräftiges Teilversäumnisurteil verurteilten Beklagten zu 3), sondern auch gegen die Beklagten zu 1) und 2). Für die Unfallfolgen ist der Beklagte zu 1) als (Noch-) Halter des Fahrzeugs, von dem die Gefahr ausging, verantwortlich (§ 7 Abs. 1 StVG), wofür die Beklagte zu 2) als seine Haftpflichtversicherung unmittelbar einzustehen hat (§ 3 Nr. 1 PflVG).
Der Unfall ereignete sich "bei dem Betrieb" des Beklagtenfahrzeugs, nämlich in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Betriebsvorgang, durch den er in zurechenbarer Weise mitveranlasst worden ist. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs.1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges - erlaubterweise - eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (BGH NJW 1962, 1676; NJW 1981, 983) und das Unfallgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt wird. (BGH NJW 1988, 2802). Der 12 Jahre alten Honda, den der Beklagte zu 1) für 200,00 DM verkauft, aber nicht abgemeldet hatte, war in Folge eines Stromausfalls auf dem Standstreifen der Autobahn liegen geblieben. Dadurch dass ein betrunkener - Fahrzeuginsasse ausstieg, auf die Autobahn trat und versuchte, zur Hilfeleistung Fahrzeuge anzuhalten, hat sich eine von dem liegen gebliebenen Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht. Da diese den Unfall verursachende Gefahr letztlich auf einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder ein Versagen seiner Verrichtungen zurückzuführen ist, war der Unfall kein für den Halter unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der zweimal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorbestrafte, betrunkene (BAK 1,71 0/00 2,06 0/00) Beklagte zu 3) der Fahrer des Fahrzeugs war. Dies folgt aus der Gesamtschau der den Ermittlungsakten zu entnehmenden unstreitigen Indizien, auch wenn die Staatsanwaltschaft die Beweislage für die Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt ungünstig beurteilt und das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt hat. Dass der von ihm nur mit Allerwelts- und Spitznamen bezeichnete angebliche Fahrer und Eigentümer des Fahrzeugs niemals aufgetaucht ist und sich um "sein" Fahrzeug gekümmert hat, spricht weiter dafür, dass der Beklagte zu 3) das Vorhandensein dieser Person erfunden hat, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.
Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht entscheidend an. Auch wenn der Beklagte zu 3) nur Beifahrer gewesen sein sollte, entfiele die Halterhaftung des Beklagten zu 1) nicht. Der Zurechnungszusammenhang mit dem Betriebsvorgang des Fahrzeugs (Stehenbleiben auf dem Standstreifen der Autobahn in Folge einer Panne) kann auch dann nicht verneint werden. Denn es ist gerade dieser Betriebsvorgang gewesen, der das Verhalten des betrunkenen Beklagten zu 3) ausgelöst und ihn als Hindernis auf die Fahrbahn gebracht hat. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Betriebsgefahr des liegengebliebenen Fahrzeuges und dem Schadenseintritt ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass er eigentlich erst durch das Verhalten des Beklagten zu 3) herbeigeführt worden ist. Die Zurechnung eines Schadens ist keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil er unmittelbar erst eigentlich durch ein weiteres Ereignis, etwa das Eingreifen eines Dritten, ausgelöst wird (BGH NJW 1972, 904; NJW-RR 1988, 731). Die Grenze der Zurechnung hat der Bundesgerichtshof erst dort gesehen, wo das schädigende Verhalten nur noch der äußere Anlass für ein Verhalten Dritter aus freien Stücken war, nämlich wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis völlig unerheblich war (BGH a.a.O.). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Das unfallursächliche Betreten der Autobahn durch den Beklagten zu 3) steht bei rechtlicher Wertung nach dem Schutzzweck mit dem Liegenbleiben des Fahrzeugs, aus dem er ausgestiegen ist, in engem Zusammenhang. Der Beklagte zu 3) hat auch keineswegs eigenverantwortlich aus freien Stücken gehandelt. Die extreme Selbstgefährdung, die damit verbunden ist, auf der dreispurigen Autobahn im Dunkeln den Versuch zu unternehmen, andere Autofahrer zum Anhalten zu bewegen, ist mangels Selbsttötungsabsicht nur durch die hohe Blutalkoholkonzentration des Beklagten zu 3) erklärlich. Ebensowenig wie tierisches Verhalten (vgl. BGH NJW-RR 1988, 731 für den Fall eines aus einem PKW geschleuderten Hundes) vermag das Aussteigen eines Betrunkenen aus einem auf der Autobahn liegen gebliebenen Kraftfahrzeug und dessen Betreten der Fahrbahn, um andere Fahrzeuge Hilfe suchend zu stoppen, den Zurechnungszusammenhang mit der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu unterbrechen (anders zu Recht dagegen OLG Frankfurt am Main VersR 1991, 458 für den Fall des Vor-den-Wagen-Werfens in Selbsttötungsabsicht).
Eine Schadensteilung nach § 17 StVG scheidet aus, weil auf Seiten des Klägers das Unfallereignis unabwendbar war (§ 7 Abs. 2 StVG). Soweit Bedenken hinsichtlich einiger Schadenspositionen bestanden, hat der Kläger seine Klage reduziert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Auf der Tatsachengrundlage, dass der Beklagte zu 3) der Fahrer war, stehen keine zur Rechtsfortbildung geeignete Fragen an.
Ende der Entscheidung
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