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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.09.2005
Aktenzeichen: 12 U 39/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 119
BGB § 812
Eine Bank darf eine Grundschuld nur verwerten für die Forderungen, für die sie nach der Sicherungsabrede haftet. Dazu gehört nicht eine Forderung aus § 812 BGB, die die Bank durch Rücküberweisung des Betrages begründet hat, den der Kunde auf einen wegen Anfechtung nichtigen Darlehensvertrag gezahlt hat.

Auch Kreditverträge können nach allgemeinen Grundsätzen wegen Irrtums angefochten werden.


Gründe:

I.

Der im Jahre 1933 geborene Kläger hatte im Jahre 1996 zum Erwerb einer Eigentumswohnung bei der Beklagten ein durch Grundschuld gesichertes Darlehen über 50.000,00 DM aufgenommen, über dessen Tilgungsmodalitäten die Parteien in Streit gerieten. Vom Kläger am 25. Februar 1997 zurückgezahlte 49.695,85 DM überwies die Beklagte am 28. Februar 1997 ihrerseits zurück. Dem Kläger, der Privatkredite nicht weiter vorhalten und andere Bankkredite nicht bekommen konnte, gelang es trotz vielfältigster Bemühungen nicht, die 1998 eingeleitete Zwangsversteigerung der auf 163.000,00 DM geschätzten Eigentumswohnung zu 81.000,00 DM zu verhindern.

Mit der jetzigen Klage begehrt er Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 5.001,00 €. Auf das klageabweisende Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die in der mündlichen Verhandlung erörterte Zeittafel und die darin in Bezug genommenen Aktenteile verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg, weil seine Klage begründet ist. Er hat - jedenfalls in Höhe des rechtshängigen Teilbetrages von 5.001,00 € - Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung. (Für die Beziehung der Parteien ist das bis 31. Dezember 2001 geltende Recht anzuwenden.)

Die Beklagte hat Vertragspflichten verletzt, was den Verlust dessen Eigenkapitals von 113.000,00 DM zur Folge hatte. Indem die Beklagte die Zwangsvollsteckung aus der Grundschuld betrieb, hat sie die ihr aus der Sicherungsabrede ("Zweckerklärung für Grundschulden- Begrenzte Sicherung") vom 24. April 1996 obliegende Pflicht verletzt, die Grundschuld nur für Hauptsumme, Kosten und Zinsen des Darlehens ... zu verwerten.

Im Zeitpunkt der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens 7 K 130/98, das zur Zwangsversteigerung des Grundeigentums des Klägers unter Wert geführt hat, bestand keine Darlehensrückzahlungsverpflichtung des Klägers. Der Darlehensvertrag der Parteien war in Folge Anfechtung durch den Kläger nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Der Kläger hatte seine Vertragserklärung wegen Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) wirksam angefochten.

Der Kläger hat sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt, die er mit seiner Unterschrift unter den Kreditvertrag am 3. Mai 1996 abgegeben hatte. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt aus Sicht der Beklagten beinhaltete sie - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - seine Zustimmung zu einer festen 5-jährigen Laufzeit. Im Vertragstext war zwar die Kündigung nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dies folgt jedoch aus dem Umkehrschluss der Kündigungsregelung in Nr. 9.1. des Darlehensvertrages vom 24. April 1996 und den banküblichen Gepflogenheiten, die die Einräumung eines Festzinses nur für die Zeit der beiderseitigen Bindung vorsehen. Eine Erklärung dieses Inhalts hat der Kläger jedoch überhaupt nicht abgeben wollen. Vom Vorhandensein dieser subjektiven Tatsache ist das Gericht nach den gesamten Umständen überzeugt. Wie seine vielfältigen Eingaben in den vergangenen Jahren belegen, war der Kläger geradezu besessen von der Vorstellung, dass eine solche Vertragsgestaltung ihn finanziell krass benachteilige und für ihn in seinem fortgeschrittenen Alter auf keinen Fall in Frage kam. So hat er etwa in seinem Schreiben vom 10. Februar 1997 (Bl. 423 d.A.) ausgeführt, "es ist nicht das worum ich die ...kasse bat", "nach so einem Vertrag habe ich definitiv nicht nachgesucht", und im Schreiben vom 28. Februar 1997: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Zurückzahlen von Krediten verboten sein könnte, wegen mögliche Zinsschäden für die Bank!". Diese Fehlvorstellung ist geradezu der Schlüssel zum Verständnis seines gesamten nachfolgenden Verhaltens, wie auch immer man dies ansonsten beurteilen mag. Sie berechtigte ihn zur Anfechtung, wobei es nach den Regeln des BGB unerheblich ist, ob er den Irrtum selbst verschuldet hatte oder nicht (RGZ 62, 201, 205) oder der Erklärungsempfänger diesen Irrtum hervorgerufen hatte oder ihn erkennen konnte.

Der Kläger hat die Anfechtung auch nach Kenntnis seines Irrtums ohne schuldhaftes Zögern erklärt. Nachdem ihm die Annahme seiner Sonderzahlung als Tilgungsbetrag verweigert worden war, sondern diese in Bundesschatzbriefe angelegt wurde, hat er sich an die Mitarbeiter der Klägerin A, B und C gewandt und seinen Wunsch nach Korrektur dieses Vertrages deutlich gemacht. Eine Anfechtungserklärung bedarf keiner Schriftform, sie muss auch nicht den Begriff "Anfechtung" enthalten, ausreichend ist auszudrücken, dass der Vertrag so nicht gewollt war.

Nun wäre die Beklagte sicherlich berechtigt gewesen, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, soweit es um ihren Rückzahlungsanspruch auf die aufgrund eines nachträglich unwirksam gewordenen Vertrages bereits ausgezahlte Darlehensvaluta aus § 812 Abs. 1 BGB ging, denn dies wäre noch vom Sicherungszweck umfasst gewesen. Diese Schuld war jedoch durch Zahlung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Kläger hatte sie durch die Bareinzahlung des Betrages von 49.659,85 DM am 25. Februar 1997 getilgt. Nach Angaben der Beklagten war dieser Betrag das offene Restkapital zum 28. Februar 1997, der Kläger hat die Tilgungsbestimmung bei der Leistung durch Angabe auf dem Einzahlungsbeleg getroffen.

Durch die Rücküberweisung dieses Betrages am 28. Februar 1997 hat die Beklagte zwar für sich einen erneuten Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs.1 BGB begründet, dieser war jedoch nicht mehr von der Sicherungsabrede erfasst. Weder durch ergänzende Vertragsauslegung noch nach § 242 BGB lässt sich der Sicherungszweck auf diese Forderung erweitern, die die Beklagte durch Zahlung ohne Rechtsgrund begründet hat, weil sie die Rechtslage falsch einschätzte.

Das Betreiben der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld war auch nicht wegen sonstiger Forderungen der Beklagten berechtigt. Offene Zinsen für Februar 1997 (285,54 DM) und Kosten (200,00 DM) hatte der Kläger ebenfalls am 25. Februar 1997 bezahlt, eine Zinsausgleichsforderung (4.896,58 DM) bestand nicht, weil der Darlehensvertrag nach § 142 BGB nichtig war. Zwar mag möglicherweise in dieser oder geringerer Höhe ein Anspruch auf Ersatz des Schadens bestanden haben, den die Beklagte im Vertrauen auf die Gültigkeit des Darlehensvertrages erlitten hatte (§ 122 Abs. 1 BGB), ein solcher war jedoch ebenfalls nicht von der Sicherungsabrede erfasst. Im Übrigen war die Zwangsvollstreckung hierauf nicht gestützt, so dass der Kläger, der im Schreiben vom 17. Februar 1997 um eine Reduzierung des Betrages gebeten hatte (Bl. 427 d.A.) und sich diesbezüglich vor einem ordentlichen Gericht verantworten wollte (Schreiben vom 24. Februar 1997 = Bl. 428 d.A.), keine Chance hatte, durch Begleichung dieses Betrages die Zwangsversteigerung abzuwenden.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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