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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 12 W 11/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
1. Die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens vor Klageerhebung sind auch dann erstattungsfähig, wenn die Klage nicht angedroht ist, der Gegner sich in Folge anwaltlicher Zahlungsaufforderung aber auf eine gerichtliche Inanspruchnahme einstellen muss und aufgrund der Unfallschilderung in Verbindung mit dem Schadensgutachten der ernsthafte Verdacht einer Unfallmanipulation besteht und das Privatgutachten zur Grundlage der Rechtsverteidigung im Prozess wird.

2. Dasselbe gilt für privatgutachtlich erarbeitete Stellungnahmen der selbst nicht sachkundigen Partei zu einem vorläufig gerichtlichen Gutachten. Die Kosten einer Anwesenheit des Privatgutachters im Termin zur Erläuterung des Gerichtsgutachtens sind nur notwendig, wenn dessen Erscheinen durch das Gericht angeordnet war oder zur Erschütterung des für die Partei ungünstigen gerichtlichen Gutachtens fachlich erforderlich war.

3. Die Höhe der notwenigen Privatgutachterkosten richtet sich nach der Vereinbarung und nicht nach JVEG, solange die Ladung des Privatgutachters nicht gerichtlich angeordnet ist. Die Vereinbarung ist in der Regel durch eine Rechnung des Privatgutachters, die die Anzahl der erbrachten Stunden und dem Stundensatz erkennen lässt, nicht hingegen durch eine pauschalisierte Rechnung, hinreichend dokumentiert ist.

3. Nicht notwendig sind nur solche Kosten, die eine einschlägige Honorarverordnung oder die ortsüblichen Honorare unangemessen übersteigen.


Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2006 meldete die Klägerin Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 18. Dezember 2006 unter Vorlage eines Schadensgutachtens vom 21. Dezember 2006 bei der Beklagten zur Regulierung an.

Am 29. Dezember 2006 beauftragte die Beklagte den Sachverständige SV1 mit der Überprüfung des dargelegten Unfallhergangs und der angemeldeten Schäden, weil sie den Verdacht einer Unfallmanipulation hegte. Am 11. Januar 2007 lehnte die Beklagte nach weiterem Nachfragen eine Regulierung endgültig ab.

Am 26. Februar 2007 machte die Klägerin ihren Ersatzanspruch klageweise geltend. Die Klage wurde am 21. März 2007 zugestellt.

Der von der Beklagten beauftragte Privatsachverständige SV1 erstellte sein Gutachten am 2. März 2007.

Im Rechtsstreit verteidigte sich die Beklagte gegen den geltend gemachten Ersatzanspruch mit der Behauptung, der Unfallverlauf sei nach Ablauf und Schadensfolgen manipuliert und stützte sich hierfür auf die Feststellungen, die der von ihr beauftragte Privatsachverständige gemacht hatte und benannte diesen als Zeugen, ohne dessen Gutachten vorzulegen.

Das Landgericht erließ am 22. Juni 2007 Beweisbeschluss (Blatt 113) über den Hergang des Unfalls und die Unfallfolgen und ordnete die Begutachtung durch einen Sachverständigen sowie die Vernehmung eines Zeugen an.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige SV2 forderte von den Parteien weitere Unterlagen an und erhielt von der Beklagten unmittelbar das Privatgutachten SV1 vom 2. März 2007 übermittelt. Der gerichtliche Sachverständige erstattete am 16. Januar 2008 ein erstes Gutachten (Blatt 134), in welchem er die von den Parteien übersandten Unterlagen auswertete. Das Landgericht übersandte das Gutachten den Parteien zur Stellungnahme bis zum 15. Februar 2008. Beide Parteien beantragten fristgerecht Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens, wobei sich die Beklagte erneut auf weitere Feststellungen des Privatsachverständigen SV1 berief und dessen Stellungnahme vom 6. Februar 2008 vorlegte (Blatt 175). Auf Anforderung des Landgerichts erstellte der gerichtlich bestellte Sachverständige SV2 am 2. April 2008 ein Ergänzungsgutachten (Blatt 185). Dieses wurde von dem Sachverständigen auf Antrag der Parteien am 4. Juni 2008 mündlich erläutert.

Mit Urteil vom 16. Juli 2008 wies das Landgericht den Entschädigungsanspruch der Klägerin unter anderem mit der Begründung zurück, es ließen sich nach dem Ergebnis der Begutachtung nicht sämtliche, geltend gemachten Schäden auf den behaupteten Vorfall vom 18. Dezember 2006 zurückführen und erlegte der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 1. September 2008 hat die Beklagte beantragt, der Klägerin neben den Kosten der anwaltlichen Vertretung einschließlich zweier Anreisen zum Termin von Frankenthal nach Darmstadt die Kosten des Privatsachverständigen SV1 aufzuerlegen. Diese hat sie gemäß Rechnung vom 3. März 2007 auf 2.816,21 € für das Gutachten (Blatt 297) gemäß Rechnung vom 6. Februar 2008, für die Stellungnahme zu dem Gerichtsgutachten SV2 in Höhe von 525,50 € (Blatt 296) und gemäß Rechnung SV1 vom 5. Juni 2008 für die Vorbereitung und Teilnahme am Termin des Landgerichts Darmstadt in Höhe von 462,54 € (Blatt 295) beziffert.

Die Klägerin ist der Festsetzung der außergerichtlichen Kosten des Privatsachverständigen entgegengetreten und hat die beantragte Festsetzung der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten beanstandet.

Mit Beschluss vom 4. November 2008 hat das Landgericht Darmstadt, Rechtspflegerin, dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten teilweise entsprochen, jedoch die Kosten des Privatsachverständigen aus der Rechnung vom 3. März 2007 in Höhe von 2.816,21 € und aus der Rechnung vom 5. Juni 2008 in Höhe von 462,54 € abgesetzt (Blatt 310).

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss, der Klägerin am 14. November 2008 (Blatt 313) und der Beklagten am 20. November 2008 (Blatt 314) zugestellt, wenden sich beide Parteien mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Die Beklagte hat am 25. November 2008 sofortige Beschwerde eingelegt (Blatt 315) und dies mit der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Privatgutachters im Vorfeld der drohenden Klageerhebung begründet, um sich mit dessen Hilfe sachgerecht verteidigen zu können. Ebenso notwendig sei es gewesen, sich im Termin zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständige SV2 der Unterstützung des Privatsachverständigen zu bedienen, um zu den aufgeworfenen, komplizierten technischen Fragen Stellung nehmen zu können.

Die Klägerin hat ebenfalls am 25. November 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und wendet sich gegen die Festsetzung der Kosten aus der Rechnung SV1 vom 6. Februar 2008 mit der Begründung, eine erneute Anhörung des Sachverständigen durch die gegnerische Partei sei nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen wendet sich gegen die Festsetzung der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Gegenseite.

Das Landgericht, Rechtspflegerin, hat den sofortigen Beschwerden durch Beschluss vom 14. Januar 2009 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO, 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz, und teilweise begründet. Die Beklagte ist durch die Absetzungen mit 3.278,75 € beschwert. In Höhe von 2.816,21 € hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privatgutachten können nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden (vergleiche BGH vom 17. Dezember 2002, VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235). Hierfür genügt es nicht, wenn das Gutachten im Rechtsstreit verwendet wird; das Gutachten muss vielmehr wegen eines sich abzeichnenden Rechtsstreits in Auftrag gegeben worden sein. Grundsätzlich hat eine Partei ihre Einstandspflicht in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen (vergleiche BGH vom 4. März 2008, VI ZB 72/06, NJW 2008, 1597). Als Ausnahmen anerkannt sind Privatgutachtenaufträge nach Klageandrohung (vergleiche BGHZ 153, 235; BGH vom 23. Mai 2006, VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415), um sich gegen die bevorstehende Klage sachgerecht verteidigen zu können. Die notwendige unmittelbare Prozessbezogenheit einer vorgerichtlichen Begutachtung ist auch zu bejahen, wenn sich im Vorfeld der Klageerhebung der Verdacht eines Versicherungsbetruges aufdrängt und sich der Versicherer deshalb auf einen Deckungsprozess einstellen muss (vergleiche BGH vom 14. Oktober 2008, VI ZB 16/08, NZV 2009, 27 = Rpfleger 2009, 117; BGH vom 18. November 2008, VI ZB 24/08, zitiert nach juris). Dies hat der erkennende Senat bereits in der Vergangenheit wiederholt ausgesprochen (OLG Frankfurt vom 7. Juni 1994, 12 W 112/94, Versicherungsrecht 1996, 122; Beschluss vom 5. August 1996, 12 W 114/96, OLGR Frankfurt 1996, 216 - Anschluss durch BGHZ 153, 235 -). Hieran wird im Hinblick auf die dokumentierte neuere BGH-Judikatur ausdrücklich festgehalten.

2.

Das Landgericht hat demgegenüber einen zu engen Begriff der Prozessbezogenheit des Privatgutachtens zu Grunde gelegt. Darauf, dass dieses bereits am 29. Dezember 2006 und somit vor Androhung einer Klage und deren Erhebung am 23. Februar 2007 in Auftrag gegeben wurde, kommt es nicht entscheidend an, weil die Beklagte aufgrund der anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Klägerseite vom 23. Dezember 2006 mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme rechnen musste und aufgrund der Schadensschilderung in Verbindung mit dem Schadensgutachten vom 22. Dezember 2006 Anhaltspunkte für eine Unfallmanipulation bestanden, die die Beklagte in einem Rechtsstreit zur erfolgversprechenden Rechtsverteidigung darlegen musste, was sie aus eigener Sachkunde heraus nicht zuverlässig vermochte (vergleiche BGH vom 17. Dezember 2006, BGHZ 153, 235 zitiert nach juris Randnummer 13, 14). Insoweit ist es auch ausreichend, dass die Beklagte die Erkenntnisse aus dem Privatgutachten SV1 vom 2. März 2007 in der Klageerwiderung vom 18. April 2007 verarbeitet und in das Wissen des sachverständigen Zeugen SV1 gestellt hat; einer Vorlage des Gutachtens im Rechtsstreit bedurfte es unter diesen Umständen nicht, um die Prozessbezogenheit des Privatgutachtens bejahen zu können. Der Festsetzungsantrag ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.

Gegen die Höhe der Rechnung vom 2.März 2007 bestehen ebenfalls keine Bedenken. Aufträge, die eine Partei an einen Privatgutachter vergibt, sind nach Maßgabe der Parteivereinbarung zu vergüten. Diese Vereinbarung wird regelmäßig durch eine nach Leistung und Entgelt aufgegliederte Rechnung des Privatsachverständigen ausreichend dokumentiert. Die Parteivereinbarung und nicht die Regelung des JVEG ist die Grundlage der Festsetzung der notwendigen Kosten (vergleiche OLG München vom 24. September 1999, 11 W 2377/99, AGS 2000, 37, zitiert nach juris; vergleiche BGH vom 25. Januar 2007, VIIZB 74/06, NJW 2007, 1532, zitiert nach juris Rdnr. 11), weil dem Gutachten ein privater und kein gerichtlicher Auftrag im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG zugrunde liegt. Keine notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung stellen lediglich solche Honorarvereinbarungen dar, die die durch Honorarverordnung vorgegebenen Honorare überschreiten oder die ortsüblichen Honorare unangemessen übersteigen oder die Honorarermittlung infolge Pauschalierung nicht erkennen lassen. An die Bemessung der Entschädigung dürfen keine allzu kleinlichen Anforderungen gestellt werden (Senat vom 5. August 1996, 12 W 114/96, OLGR 1996, 216).

3.

Die Kosten für die Erstellung des Privatgutachtens SV1 vom 2. März 2007 gemäß Rechnung vom 3. März 2007 waren daher auf der Grundlage eines Stundensatzes von 100 €, den die Rechnung ausweist, mit 2.816,21 € zusätzlich zu Lasten der in die Kosten verurteilten Klägerin festzusetzen.

4.

Unbegründet ist die sofortige Beschwerde der Beklagten hingegen, soweit sie auch die Kosten einer Teilnahme des Privatgutachters SV1 an einem gerichtlichen Termin gemäß Rechnung vom 5. Juni 2008 mit 462,54 € zur Festsetzung geltend macht. Die Anwesenheit des Privatgutachters am Gerichtsort anlässlich des Termins vom 4. Juni 2008 war nicht notwendig. Sie beruhte nicht auf einer gerichtlichen Anordnung, weil das Landgericht dem ausdrücklichen Antrag der Beklagten im Schriftsatz vom 15. Februar 2008 auf Beiladung des Privatgutachters SV1 nicht entsprochen hatte. Das von der Beklagten gleichwohl veranlasste Erscheinen des Privatgutachters zum Termin war ebenfalls nicht notwendig, um für sie ungünstige Feststellungen des gerichtlich bestellten und in diesem Termin angehörten Sachverständigen SV2 zu erschüttern; lediglich in diesem Fall kann eine Terminswahrnehmung mit einem Privatgutachter notwendig sein (vergleiche OLG München AGS 2000, 37, juris Randnummer 5). Diese Voraussetzung lag hier nicht vor, weil die Gerichtsgutachten des Sachverständigen SV2 den Verdacht eines nicht in jeder Hinsicht kongruenten Schadensbildes bereits bestätigt hatten. Im Hinblick darauf bestand keine anzuerkennende Beratungsbedürftigkeit der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten im Termin zur Erläuterung des Gerichtsgutachtens.

III.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist ebenfalls zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO, 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz, aber unbegründet und war zurückzuweisen. Die Festsetzung der Kosten aus der Rechnung SV1 vom 6. Februar 2008 in Höhe von 525,50 € zu Lasten der Klägerin ist zu Recht erfolgt. Ebenso zutreffend hat das Landgericht die Fahrtkosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu Recht in voller Höhe gegen die Klägerin festgesetzt.

1.

Die Festsetzung der Kosten aus der Rechnung SV1 vom 6. Februar 2008 in Höhe von 525,50 € zu Lasten der Klägerin ist zu Recht erfolgt. Das Erarbeiten einer ergänzenden Stellungnahme des Privatsachverständigen zum ersten Gerichtsgutachten SV2 war notwendig, weil die Beklagte zum Verständnis der technischen Fragen und zur Verteidigung gegen das Gutachten keine ausreichende eigene technische Sachkunde besaß (vergleiche BGH vom 17. Dezember 2006, BGHZ 153, 235 zitiert nach juris Randnummer 13, 14). Zur Höhe des Stundensatzes wird auf Ziffer II.2. verwiesen.

2.

Die Festsetzung der zweimaligen Fahrtkosten von Frankenthal nach Darmstadt in Höhe von 110,80 € durch das Landgericht entspricht der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 28.Juni 2006, IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008). Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe im Beschluss vom 5. November 2008 verwiesen.

IV.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu verteilen.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten, weil es sich um eine Entscheidung in einem Einzefall auf der Grundlage gesicherter Erkenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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