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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.08.2002
Aktenzeichen: 12 W 113/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Kosten für private Rechtsgutachten über inländisches Recht sind nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig (§ 91 ZPO).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

12 W 113/02

in dem Rechtsstreit

Der 12. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat am 5. August 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 568 Abs. 1 ZPO beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 16. März 2002 abgeändert.

Die Klägerin hat der Beklagten auf Grund des Urteils des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2001 Kosten in Höhe von 61.551,83 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz (§ 1 DÜG) seitdem 19. Dezember2001 zu erstatten.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Beschwerdewert: 82.747,38 €

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.; §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG). Sie ist vom Einzelrichter zu entscheiden (§ 568 Satz 1 ZPO n.F.).

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, denn das Landgericht hat die von der Beklagten angemeldeten Kosten für private Rechtsgutachten (erstinstanzlich 38.505,00 DM + 12.435,16 DM und zweitinstanzlich 181.881,60 DM + 4.928,69 DM) zu Unrecht in die Kostenausgleichung einbezogen. Die Kosten für die Rechtsgutachten, die die Beklagte eingeholt hat, sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beklagten nicht notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Kosten für Privatgutachten über inländisches Recht sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Es ist Aufgabe der Prozessbevollmächtigten, sich auch in schwierige Rechtsmaterien einzuarbeiten und das Ergebnis ihrer Bemühungen selbst schriftsätzlich vorzutragen. Dementsprechend ist es Aufgabe des Gerichts, Rechtsfragen eigenverantwortlich zu entscheiden, (vgl. BVerfG NJW 1993, 2793; OLG Frankfurt am Main - 6. Zivilsenat - MDR 1988, 380, 381; Zöller-Herget, 23. Auflage, Rn 13 "Privatgutachten" zu § 91 ZPO; Schneider, Die Erstattungsfähigkeit von Rechtsgutachten, MDR 1988, 547). Der Grundsatz Jura novit curia" greift für inländisches Recht in voller Strenge. Zugleich verpflichtet er die Anwälte der Parteien, sich den Rechtsstoff zu erschließen und sich gegebenenfalls auch in entlegenere oder weniger geläufige Gebiete des inländischen Rechts einzuarbeiten (Mankowski, MDR 2001, 194). Dass ein Rechtsanwalt sich im Einzelfall überfordert fühlt, reicht nicht aus, die Erstattungsfähigkeit zu begründen. Das mag er mit seinem Mandanten regeln (§ 3 BRAGO), nicht mit dessen Gegner (§ 91 ZPO). Die Prozessbevollmächtigten müssen nach dem für das Erstattungsrecht geltenden Standard das deutsche Recht kennen und sich in unbekannte Themenbereiche einarbeiten. Delegieren sie diese Gedankenarbeit auf einen Dritten, der darüber ein Rechtsgutachten verfasst, dann sind die dafür anfallenden Kosten vom Gegner grundsätzlich nicht zu erstatten (Schneider a.a.O.). Ein Fall, der eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen würde, liegt hier nicht vor. Die im Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen des Handels- und Steuerrechts waren nicht derart schwierig und komplex, hatten keinen Bezug zu ausländischem Recht und keinen historischen Hintergrund wie in jenem Fall, in dem der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Ausnahme bejaht hatte (OLG Frankfurt am Main a.a.O.). Die angesprochenen Fragen (Bildung von Rückstellungen für Drohverluste und Pensionen) erschlossen sich durch Lektüre der einschlägigen Kommentare und Rechtsprechung und gehören zum Standardrepertoire einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Rechtsanwaltspraxis.

Im Übrigen kam es auf die von Prof. Dr. in seinem (181.881,60 DM netto teuren) Rechtsgutachten angesprochenen Fragen nicht an. Insoweit war die Klage nicht schlüssig und ist aus diesem Grund abgewiesen worden. Hierauf hatten auch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten (in der Klageerwiderung S. 14 und der Berufungserwiderung S. 15) bereits hingewiesen. Für eine zweckgerichtete Rechtsverteidigung hätte es deshalb ausgereicht zuzuwarten, ob wider Erwarten der Senat auf die weitere Klärung der in dem von der Klägerin vorgelegten Prüfbericht der aufgeworfenen bilanzrechtlichen Fragen abstellen würde. Das Gebot, die Kosten des Rechtsstreits niedrig zu halten, wirkt sich dahin aus, dass jede Partei die Entwicklung des Rechtsstreits abwarten und verfolgen muss, welche Meinung das Gericht vertritt. Zweifel über den Ausgang des Rechtsstreits oder unterschiedliche Rechtsauffassungen in erster und zweiter Instanz sind kein zureichender Grund dafür, die Erstattungsfähigkeit eines Rechtsgutachtens zu bejahen, sondern sie zeigen nur an, dass - wie nicht selten - mehrere Rechtsauffassungen vertretbar sind (Schneider a.a.O.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Beschwerdewert (82.747,38 €) ist die Summe der erstinstanzlich (72 % aus 50.940,16 DM = 36.676,92 DM entspricht 18.752,61 €) und zweitinstanzlich (67% aus 186.810,29 DM = 125.162,89 DM entspricht 63.994,77 €) zugunsten der Beklagten festgesetzten Rechtsgutachterkosten.

Ende der Entscheidung

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