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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.08.2008
Aktenzeichen: 12 W 82/08
Rechtsgebiete: BRAGO, RVG-VV


Vorschriften:

BRAGO § 118
RVG-VV Nr. 2300
RVG-VV Nr. 3100
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger hat mit seiner am 8. März 2004 eingereichten und der Beklagten am 21. April 2004 zugestellten Klage mit Zahlungs- und Feststellungsanträgen Schadensersatzansprüche wegen am 28.10.1999 aus einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen gegen die Beklagte als Versicherer des Schädigers geltend gemacht. Das Verfahren endete mit einem vor dem Landgericht am 15. November 2007 geschlossenen Vergleich. Darin vereinbarten die Parteien zur Kostentragung, dass der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen haben. Das Landgericht hat den Streitwert für die Klage auf 243.364,16 ? und für den Vergleich auf 300.000,00 ? festgesetzt.

Im Kostenausgleichsverfahren hat der Kläger aus dem festgesetzten Streitwert u. a. eine 10/10 Prozessgebühr nach §§ 31 Abs. 1 S. 1, 11 BRAGO in Höhe von 2.052,00 ? geltend gemacht. Die Beklagte hat die Prozessgebühr als nicht erstattungsfähig angesehen, da nach § 118 Abs. 2 BRAGO die vorgerichtlich entstandene Besprechungsgebühr in voller Höhe hierauf anzurechnen sei. Der Kläger hat erwidert, dass eine Anrechnung ausscheide, da eine Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit bezüglich der Ansprüche, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, von ihm nicht in Rechnung gestellt worden sei. Die Rechtspflegerin hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Juni 2008 die Prozessgebühr des Klägers in voller Höhe im Rahmen der Kostenausgleichung berücksichtigt, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Vorschriften und der Anrechnungspraxis nach RVG keinen Anlass gebe, von der Anrechnungspraxis bezüglich der Gebühren nach BRAGO Abstand zu nehmen. Gegen den ihr am 30. Juni 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 14. Juli 2008 eingelegten sofortigen Beschwerde. Mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei im Sinne einer gesetzeskonformen Auslegung des § 118 Abs. 2 BRAGO die Geschäftsgebühr in voller Höhe auf die Prozessgebühr anzurechnen.

II.

Die gemäß § 567 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung v. 22.01.2008 (VIII ZB 57/07 - juris - Rn. 8 m. w. N.) auf die unter der Geltung von § 118 Abs. 2 BRAGO entwickelte Praxis hingewiesen, wonach die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren angefallene Prozessgebühr bei der späteren Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen war. Dem entspricht die zur BRAGO entwickelte Rechtsprechung, dass der Festsetzung zugänglich nur die Prozesskosten sind, zu denen die Gebühren nach § 118 BRAGO nicht gehören (OLG Sachsen-Anhalt v. 22.01.2003, 11 W 230/02 - juris - Rn. 3; BGH v. 12.12.2002, I ZB 29/02 - juris - Rn. 18).

An dieser allgemein praktizierten Anrechnung der Prozess- auf die Geschäftsgebühr hält der Senat für Altverfahren fest, die ausschließlich dem Geltungsbereich der BRAGO unterliegen, sodass sich nicht die im gerichtlichen Verfahren entstandene Prozessgebühr, sondern die vorgerichtliche Geschäftsgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert.

Soweit der Bundesgerichtshof nach dem Inkrafttreten des RVG zur Frage der Behandlung der Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr vermindert, betrifft diese Rechtsprechung Verfahren unter der Geltung des RVG bzw. Übergangsfälle. Dies gilt ebenso für die beklagtenseits zitierte obergerichtliche Rechtsprechung. Das Bundesministerium der Justiz hat hierzu mit Schreiben vom 07. Juli 2008 an die Landesjustizverwaltungen ausgeführt, dass diese Rechtsprechung im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu "erheblichen Schwierigkeiten" geführt habe und "wegen der großen Bedeutung für die gerichtliche Praxis...möglichst kurzfristig einer Lösung zugeführt werden soll". Die Lösungsansätze zielen darauf ab, den Rechtszustand vor der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wieder herzustellen.

Auch dies spricht gegen eine Übertragung der entwickelten Grundsätze zur Anrechnung unter der Geltung des RVG auf Verfahren, die ausschließlich nach der BRAGO zu beurteilen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, da allenfalls noch in Einzelfällen Kostenfestsetzungsverfahren unter der Geltung der BRAGO durchzuführen sind. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht der Höhe der verfolgten Anrechnung.

Ende der Entscheidung

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