Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.01.2008
Aktenzeichen: 13 Ta 483/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, JVEG, VV-RVG


Vorschriften:

ArbGG § 12 a
ZPO §§ 103 ff
JVEG §§ 5 ff
VV-RVG Nr. 7001 ff
Dem Erstattungsverbot des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG unterliegen nicht die sogenannten hypothetischen Reisekosten. Dies sind solche, die der Partei selbst entstanden wären, hätte sie nicht einen Prozessbevollmächtigten hinzugezogen.

Die Berechnung der hypothetischen Reisekosten folgt den §§ 5 ff JVEG, nicht den Nummern 7001 ff VV RVG.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagtenvertreters gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 9. Oktober 2007 - 3 Ca 3130/04 - wird auf Kosten des Beklagtenvertreters zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der vorliegende Rechtsstreit endete am 28. März 2007 nach Durchführung von zwei Verhandlungsterminen durch Klagerücknahme. Dementsprechend wurden dem Kläger durch Beschluss vom 4. Juli 2007 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Am 4. April 2006 war dem Beklagten rückwirkend ab 21. November 2005, dem Datum der Antragstellung, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt worden. Hierauf wurde dem Beklagtenvertreter am 6. August 2007 bereits ein Vorschuss von 768,50 € für Verfahrens- und Terminsgebühren, Postpauschale und Umsatzsteuer gezahlt.

Am 1. August 2007 beantragte der Beklagtenvertreter im eigenen Namen Kostenfestsetzung gegen den Kläger wie folgt:

 1. 1,3 Verfahrensgebühr gen. Nr. 3100 VVRVG 735,80 €
2. 0,65 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3401 VV RVG (Terminswahrnehmung RA Hoffmann, Mannheim) 367,90 €
3. 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG 679,20 €
4. Postentgeltpauschale gem. Nr. 7002 RVG 20.00 €
Zwischensumme 1.772,90 €

Darüber hinaus sind aufgrund der Terminsvertretung am 23. November 2005 sowie 28. März 2007 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden Anwaltskosten in Höhe der ersparten (fiktiven) Reisekosten und Mehraufwendungen des Beklagten gem. § 6 JVEG in folgender Höhe erstattungsfähig:

 5. 2 Fahrten mit PKW von 27412 Wilstedt nach 65185 Wiesbaden (einfache Fahrt 505 km) und zurück. Berechng.: 2020 x -,30 € 606,00 €
6. 2 x Tage- u. Abwesenheitsgeld entspr. Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG 120,00 €
Summe 2.498,90 €
7.zzgl.19% Umsatzsteuer gen. Nr. 7008 VV RVG 474,79 €
Gesamtsumme 2.973,69 €

Der geleistete Prozesskostenhilfevorschuss sollte davon in Abzug gebracht werden.

Durch Beschluss vom 9. Oktober 2007 setzte der Rechtspfleger die von dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 600,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2007 fest. Im Übrigen wies er den Antrag unter Hinweis auf § 12 a ArbGG zurück. Den festgesetzten Betrag ermittelte er als hypothetische Fahrtkosten des Beklagten von dessen Wohnsitz nach Wiesbaden (zwei Fahrten, hin und zurück je 1010 km) mal 0,25 € zuzüglich 95,95 € Umsatzsteuer gemäß den Vorschriften des JVEG.

Nach Zustellung dieses Beschlusses am 23. Oktober 2007 legte der Beklagtenvertreter hiergegen am 6. November 2007 sofortige Beschwerde ein, der der Rechtspfleger am 12. Dezember 2007 nicht abhalf.

Er hat die Sache vielmehr dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beklagtenvertreter ist der Ansicht, § 12 a ArbGG sei hier nicht anwendbar, da dieser nicht für den Fall der Kostentragung wegen Klagerücknahme gelte. Die begehrten Fahrtkosten und Abwesenheitsgeldern sei nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG und demnach mit höheren Beträgen zu erstatten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagtenvertreters ist gemäß den § 104; 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat der Rechtspfleger die dem Beklagtenvertreter vom Kläger zu erstattenden Kosten auf 600,95 € nebst Zinsen festgesetzt und den Antrag des Beklagtenvertreters im Übrigen zurückgewiesen.

Die Aktivlegitimation des Beklagtenvertreters ergibt sich aus § 126 ZPO. Danach kann der beigeordnete Rechtsanwalt in eigenem Namen im Wege der Kostenfestsetzung gemäß den § 103 ff. ZPO Kosten beitreiben, die nach der Kostengrundentscheidung und den §§ 91 ff. ZPO vom Gegner zu erstatten sind, allerdings hiervon nur die Gebühren, die sein PKH- berechtigter Mandant ihm zahlen müsste, wenn keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre und Auslagen, die dem Anwalt selbst entstanden sind. Reisekosten seines Mandanten darf er nicht beitreiben (Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 126 Rdz. 3).

Soweit der Beklagtenvertreter hier Verfahrens- und Terminsgebühren nebst Postpauschalen in Höhe von insgesamt 1772,90 € verlangt, scheitert dies an § 12 a ArbGG. Dies hat bereits der Rechtspfleger zutreffend festgestellt § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG lautet:

Im Urteilsverfahren des 1. Rechtzuges besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Entschädigung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands.

Der Wortlaut ist eindeutig. Er untersagt nicht nur eine Kostenerstattung für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten, sondern auch die Erstattung einer Entschädigung wegen Zeitversäumnis, d.h. Verdienstausfalls, innerbetrieblicher Vertretungskosten und ähnlichem. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG enthält ein öffentlich-rechtliches Festsetzungsverbot. Dies betrifft nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern schließt die Kostenfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO grundsätzlich aus und damit auch die Festsetzung nach Maßgabe eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs z. B. unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (BAG vom 30. April 1992, AP Nr. 6 zu § 12 a ArbGG 1979; BAG vom 14. Dezember 1977, DB 1978, 895). Die Belehrungspflicht in § 12 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG verdeutlicht dies. Auch sie betrifft jeden Anspruch auf Kostenerstattung, gleich welchen Rechtsgrundes.

Der Ausschluss der Kostenerstattung in § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verstößt auch weder gegen den Grundsatz den Gewährung des rechtlichen Gehörs, Artikel 103 Abs. 1 GG, noch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG oder das Rechtsstaatsprinzip (vgl. dazu bereits Bundesverfassungsgericht vom 20. Juli 1971, AP Nr. 12 zu § 61 ArbGG 1953; LAG Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1984, Anwaltsblatt 1986, 106).

Er betrifft auch nicht nur Kostengrundentscheidungen, die aus den §§ 91 ff. ZPO folgen, sondern alle, auch solche aus § 269 Abs. 3 ZPO, nach dem hier dem Kläger nach dessen Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden waren. Der Wortlaut des § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG lässt für eine differenzierende Betrachtung keinen Raum. Sinn und Zweck des § 12a ArbGG stehen ebenfalls klar entgegen. Die gewünschte Verbilligung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Vergleich zu den Verfahren der ordentlichen Justiz und der Risikoschutz des Arbeitnehmers, der in der weit überwiegenden Zahl arbeitsgerichtlicher Verfahren als Kläger auftritt, sind im Falle einer Klagerücknahme ebenso geboten und gewünscht wie in Fällen streitiger Entscheidung.

Daran ändern auch die subtilen Erwägungen des Beklagtenvertreters zu den korrespondierenden Begrifflichkeiten in § 91 ZPO einerseits und § 12 a ArbGG andererseits ("unterliegende Partei" - "obsiegenden Partei") nichts.

Nicht in § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG erwähnt und damit nicht dem Erstattungsverbot unterworfen sind aber zum Beispiel Reisekosten der Partei selbst wie auch so genannte hypothetischen Reisekosten. Dies sind solche, die der Partei selbst entstanden wären, hätte sie nicht einen Prozessbevollmächtigten hinzugezogen. Diese Erstattungsmöglichkeit ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz des Kostenerstattungsrechts, nach dem auch nicht erstattungsfähige Kosten in der Höhe zu erstatten sind, als durch sie erstattungsfähige Kosten erspart wurden (sogenannte hypothetischen Parteikostenerstattung). Hintergrund dieser Regelung ist, dass durch den Ausschluss der Kostenerstattung zwar einerseits das Kostenrisiko für die unterliegende Partei beschränkt, ihr jedoch andererseits keine ungerechtfertigte Kostenvorteile durch Hinzuziehung eines Prozessvertreters durch den Gegner verschafft werden soll. Insofern sind in einer hypothetischen Berechnung die Kosten zu ermitteln, die der obsiegenden Partei bei eigenem Tätigwerden entstanden und zu erstatten gewesen wären. In derselben Höhe sind dann auch die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig. Soweit also eine Partei - wie hier - eigene Reisekosten vermeidet, indem sie einen Rechtsanwalt hinzuzieht, so sind die Anwaltsgebühren und - auslagen in Höhe der erstattungsfähigen Reisekosten von der unterlegenen Partei zu tragen (statt aller Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, 2. Aufl. 2008, § 12 a, Randziffer 25 f.)

Damit kann der Beklagtenvertreter hier seine Kosten bis zur Höhe der durch die ersparten Fahrtkosten seines Mandanten zu den beiden Terminen beim Arbeitsgericht Wiesbaden erstattet verlangen.

Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters können für die Berechnung der hypothetischen Reisekosten aber nicht die dem Anwalt nach den Nrn. 7001 ff. VV RVG zustehenden Sätze übernommen werden. Es kommen vielmehr gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 ZPO die niedrigeren Entschädigungen aus den § 5 ff. JVEG zum Tragen (Wenzel in GK-ArbGG, § 12 a Rdz. 43). Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG sind bei Pkw -Fahrten 0,25 € pro gefahrenen Kilometer zu zahlen. Wäre der Beklagte zu den beiden Terminen vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden angereist, wäre er zweimal 1010 km (= 2020 km) gefahren. Mit 0, 25 € multipliziert ergibt sich daraus der von dem Rechtspfleger ermittelte erstattungsfähige Betrag von 505 €. Gemeinsam mit der ebenfalls erstattungsfähigen Umsatzsteuer (§ 104 Abs. 2 ZPO) errechnet sich so der festgesetzte Betrag von 600,95 €. Ein pauschales Tage- und Abwesenheitsgeld sieht das JVEG nicht vor. Der Zinsanspruch folgt aus § 104 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG. Danach hat der Beklagtenvertreter die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

Zurück