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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 13 U 104/08
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 16
GmbHG § 19
Ein Scheingesellschafter, der mangels Erwerbs eines Geschäftsanteils niemals Gesellschafter der GmbH wurde, kann jedenfalls nach seinem Ausscheiden im Insolvenzfall nicht zur Zahlung der Stammeinlage durch den Insolvenzverwalter herangezogen werden.
Gründe:

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH begehrt von beiden Beklagten als frühere Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin die Nachzahlung von Stammeinlagen.

Mit am 21. Oktober 1991 errichteter notarieller Urkunde (Bl. 10 d.A.) gründeten der Beklagte zu 1 und C (in anderen Urkunden geschrieben ...) die Insolvenzschuldnerin mit einem Stammkapital von DM 100.000,00 und übernahmen beide jeweils eine Stammeinlage von DM 50.000,00. Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 06. Juli 1992 (Bl. 13 d.A.) wurde das Stammkapital der späteren Insolvenzschuldnerin auf DM 200.000,00 erhöht. Die beiden neu gebildeten Stammeinlagen von je DM 50.000,00 übernahmen die beiden vorbezeichneten Gründungsgesellschafter. In der Gesellschafterversammlung am 03. Mai 1994 wurde der notariell beurkundete Beschluss gefasst (Bl. 16 d.A.), das Stammkapital auf DM 500.000,00 zu erhöhen. Die zur Erhöhung des Stammkapitals zu übernehmenden Stammeinlagen in Höhe von zweimal DM 150.000,00 wurden von den Gründungsgesellschaftern übernommen.

In der notariellen Verhandlung am 18.September 2000 (Bl. 76 d.A.) erklärte der Mitgründungsgesellschafter ..., er sei an der späteren Insolvenzschuldnerin "mit einem Geschäftsanteil in Höhe von DM 250.000,00 beteiligt". Mit Zustimmung der Gesellschaft teilte ... sodann seinen Geschäftsanteil in Höhe von DM 250.000,00 in zwei Geschäftsanteile in Höhe von DM 215.000,00 und DM 35.000,00 und veräußerte diese sofort an die beiden Beklagten, wobei die Beklagte zu 2 den Geschäftsanteil in Höhe von DM 35.000,00 übernahm. In der bei dem Amtsgericht - Registergericht - Leipzig eingereichten Liste der Gesellschafter zum 13.10.2000 wird verlautbart, dass der Beklagte zu 1 eine Stammeinlage von DM 465.000,00 und die Beklagte zu 2 eine solche von DM 35.000,00 hält.

Mit Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 29.03.2006 (Bl. 19 d.A.) übertrug der Beklagte zu 1, zugleich in Vollmacht für seine Ehefrau, die Beklagte zu 2, handelnd, die Geschäftsanteile in Höhe von DM 465.000,00 und DM 35.000,00 an A und an E. Letzterer wiederum übertrug die von der Beklagten zu 2 erworbene Stammeinlage in Höhe von DM 35.000.- DM auf A, so dass dieser letztlich alle Anteile an der späteren Insolvenzschuldnerin hielt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. April 2006 (Bl. 21 d.A.) übertrug A alle Anteile auf die B ... Limitada mit Geschäftssitz auf ..., die seitdem Alleingesellschafterin ist.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 20.06.2006 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm lägen keine Nachweise über die ordnungsgemäße Erbringung des Stammkapitals vor, und hat unter anderem auch die beiden Beklagten klageweise auf Zahlung rückständiger Stammeinlagen in Anspruch genommen. Die vorliegendes Verfahren einleitende Klageschrift ist bei Gericht am 13. April 2007 eingegangen.

Der Vorsitzende der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main hat mit am 15. April 2008 verkündetem Urteil (Bl. 236 d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, antragsgemäß die Beklagten zur Zahlung von € 206.050,62 und € 17.895,22, jeweils nebst Zinsen, verurteilt und ausgeführt, die Beklagten seien ihrer Darlegungs- und Beweislast für die jeweilige ordnungsgemäße Einzahlung der jeweiligen Stammeinlagen nicht nachgekommen. Die beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede sei nicht durchgreifend.

Gegen das ihnen am 17.04.2008 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit bei Gericht am 07.05.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.07.2008 mit bei Gericht am 15.07.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Mit bei Gericht am 26.02.2009 eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte zu 1 seine Berufung zurückgenommen.

Die Beklagte zu 2 erhebt erneut die Einrede der Verjährung und wiederholt vertiefend ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt, und verweist darauf, dass in den notariellen Verhandlungen vom 06.07.1992 (Bl. 13 d.A.) und 03.05.1994 (Bl. 16 d.A.) die Gründungsgesellschafter jeweils erklärt hätten, das Stammkapital sei voll eingezahlt und am 03.05.1994 auch versichert hätten, die neuen Stammeinlagen in Höhe von zweimal DM 150.000,00 seien voll eingezahlt worden. In den Bilanzen sei das Stammkapital, so trägt die Beklagte zu 2 weiter vor, passiviert worden. Mit den Jahresabschlüssen habe sich das Gericht des ersten Rechtszuges nicht auseinander gesetzt. Aufgrund der beklagtenseits vorgetragenen Indizien sei das Landgericht verpflichtet gewesen, in die Beweisaufnahme einzutreten, und hätte den Firmensteuerberater und die Firmenbuchhalterin als Zeugen vernehmen müssen.

Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus der Berufungsbegründungsschrift vom 09.07.2008 (Bl. 271 d.A.), auf deren Inhalt verwiesen wird.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

das am 15.April 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 2.) zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Einzelheiten wegen wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 29.09.2008 (Bl. 303 d.A.) Bezug genommen.

Mit der Ladungsverfügung vom 16.04.2009 (Bl. 351) hat der Senat den Verfahrensbeteiligten rechtliche Hinweise erteilt und darauf hingewiesen, dass nach Aktenstand der Veräußerer C (...) niemals einen Geschäftsanteil von DM 250.000,00 gehabt habe, den er hätte teilen können.

In Auseinandersetzung mit den rechtlichen Hinweisen trägt der Kläger ergänzend vor, die Beklagte zu 2 hätte niemals gerügt, dass sie nicht Gesellschafterin geworden sei. Aus den Erklärungen des Verkäufers C (...) in der notariellen Verhandlung am 18.09.2000 müsse geschlussfolgert werden, dass die drei von ihm gehaltenen Geschäftsanteile zuvor vereinigt worden sein müssten. An der notariellen Verhandlung hätten alle Gesellschafter der späteren Insolvenzschuldnerin teilgenommen. Er, der Kläger, gehe daher von einer ordnungsgemäßen Teilung des Geschäftsanteils aus. Selbst wenn die Beklagte zu 2 den Geschäftsanteil fehlerhaft erworben haben sollte, so führt der Kläger weiter aus, könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Beklagte ihm gegenüber sich hierauf nicht berufen. Die Beklagte zu 2 müsse sich vielmehr an ihrer Anmeldung als Gesellschafterin bei der Insolvenzschuldnerin festhalten lassen. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 25.05.2009 (Bl. 379 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2 trägt ergänzend vor, sie sei bislang davon ausgegangen, dass der frühere Gesellschafter C (...) seine Geschäftsanteile "voll eingezahlt" habe, was wohl nicht der Fall sei. Sie habe deshalb mit Anwaltsschreiben vom 20.04.2009 (Bl. 371 d.A.) gegenüber ... (C) den Veräußerungsvertrag vom 18.09.2000 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Beklagte zu 2 meint unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Hamm vom 13.12.2005, als arglistig Getäuschte hafte sie nicht auf rückständige Stammeinlagen. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Schriftsatz vom 22.04.2009 (Bl. 367 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 2.) hat in der Sache Erfolg - auch wenn die erhobene Verjährungseinrede nicht durchgreifend ist (vgl. hierzu Urt. des II. ZS des BGH vom 11.02.2008 zu Az. II ZR 171/06 = DStR 2008, 831) -, weshalb antragsgemäß das Urteil zu ihren Gunsten abzuändern und die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen war.

Dem Kläger steht nämlich bereits sachlich - rechtlich der gegen die Beklagte zu 2 geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von € 17.895,22 nach §§ 19, 16 III GmbHG nicht zu.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt der klägerischen Überlegungen. Nach § 19 GmbHG haftet jeder Gesellschafter für die von ihm übernommene Stammeinlage. Nach § 16 Abs.2 GmbHG haftet für rückständige Einlageverpflichtungen neben dem Veräußerer auch der Erwerber.

Mit dem Gericht des ersten Rechtzuges geht auch der Senat - insoweit auch in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 06.03.2008 zu Az.. 21 O 140/07 (Bl. 226 d.A.) in dem Verfahren des Klägers gegen die früheren Gesellschafter A und E der Insolvenzschuldnerin - davon aus, dass die Beklagte zu 2 nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht hat, dass die Einlageleistung voll umfänglich erbracht wurde (vgl. hierzu auch den Hinweisbeschluss des II. ZS des BGH vom 09.07.2007 zu Az. II ZR 222/06 = NJW 2007, 3067). Zu Gunsten der Beklagten zu 2 ist jedoch eine von dem Landgericht nicht berücksichtigte Zahlung des Mitgründungsgesellschafters C (...) in Höhe von DM 12.000,00 vom 04.09.1992 in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung zu berücksichtigen (vgl. Bl. 87 d.A.), welche im Verhältnis 86 : 14 auf die Stammeinlagen aufzuteilen ist mit der Folge, dass sich der gegenüber der Beklagten zu 2 geltend gemachte Forderungsbetrag in Höhe von € 17.895,22 um € 858,97 verringert. Dies wird nunmehr auch so klägerseits gesehen (vgl. Schriftsatz vom 19.05.209 = Bl. 384 d.A.), weshalb, wäre die Beklagte zu 2 tatsächlich rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden, die Klageforderung in der Hauptsache in Höhe von € 17.036,25 begründet wäre.

Wenn die Klageforderung gleichwohl von dem Senat als unbegründet erachtet wird, so deshalb, weil die Beklagte zu 2 niemals rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin wurde und es aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt erscheint, sie im Insolvenzfall für eine rückständige Stammeinlagenforderung haften zu lassen, was noch im einzelnen ausgeführt wird. Ohne Entscheidungsrelevanz in diesem Zusammenhang war die durch die Beklagte zu 2 erklärte Anfechtung des Anteilserwerbsvertrages vom 18.09.2000. Unabhängig davon, ob der Beklagten zu 2 ein Anfechtungsgrund zur Seite stand oder nicht, dürfte die Anfechtung verfristet sein.

Mit dem ihr am 17.04.2008 zugestellten Urteil hat die Beklagte zu 2 erfahren, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen im anhängigen Verfahren die ihr gegenüber abgegebene Erklärung des Veräußerers, die Stammeinlagen seien voll einbezahlt worden, unzutreffend ist. Gem. § 124 BGB hat die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung binnen Jahresfrist zu erfolgen; der Anfechtungsschriftsatz datiert indessen erst vom 20.04.2009.

Eines näheren Eingehens auf die Anfechtungsproblematik bedarf es indessen vorliegend nicht, weil schon aus einem anderen und vorrangigen Grund die Beklagte zu 2 nicht rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden ist.

Die in dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 18.09.2000 (Anlage Kopie B 1, Bl. 75 ff.) enthaltene Abtretung ist nämlich wegen fehlender Bestimmtheit des Abtretungsgegenstandes unwirksam und der Übertragungsvertrag damit nichtig (Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006 Rn. 89 zu § 15; Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.02.1978 = MDR 1978, 668).

In diesem Vertrag ist unzutreffend beurkundet worden, der ausscheidende Gesellschafter C verfüge über einen Geschäftsanteil von DM 250.000.00. Tatsächlich verfügte er über zwei Anteile zu je DM 50.000.00 DM und einen zu DM 150.000.00.

Dem Kläger kann es nicht zum Erfolg verhelfen, dass nach gesichertem Erkenntnisstand in der Rechtsprechung in einfach gelagerten Fällen es möglich ist, dass bei falscher Bezeichnung des zu übernehmenden Geschäftsanteils der Geschäftsgegenstand durch Auslegung ermittelt werden kann (Scholz aaO; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, Rn. 19 zu § 15; BGH, NJW-RR 1987,807,808). Eine Auslegung ist nur dort möglich, wo zweifelsfrei feststellbar ist, welcher Geschäftsanteil an wen übergehen soll (Urteil des KG vom 22.11.1996 zu Az. 5 U 1304/96 = NJW-RR 1997,1259). Von einer derartigen Fallgestaltung kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Hier erfolgte nämlich eine Veräußerung an zwei Erwerber, die Stammeinlagen waren unterschiedlich in ihrem Wert, und letztlich waren nach den Feststellungen des Landgerichts die Stammeinlagenzahlungen nur teilweise erbracht. Es ist bereits unklar, an wen der Gründungsanteil von DM 50.000.00 abgetreten wurde, auf den unstreitig bereits DM 25.000.00 eingezahlt worden waren.

Auch von einer zeitlich vor der Veräußerung erfolgten Zusammenlegung der Anteile ist nicht auszugehen.

Zwar ist eine Zusammenlegung von Gesellschaftsanteilen im Wege eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich möglich (Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., Rn. 43 zu § 15; Urteil des BGH vom 13.07.1964 zu Az. II ZR 110/62 = NJW 1964,1954; Urteil des KG vom 10.03.2000 zu 14 U 2105/98 = NZG 2000,787). Die Fassung eines solchen Beschlusses ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Schluss des Klägers, eine Zusammenlegung der von C (...) gehaltenen Stammeinlagen müsse deshalb erfolgt sein, weil er im Rahmen der Beurkundung des Veräußerungsgeschäfts erklärt habe, er verfüge über "einen" Anteil von DM 250.000.00, ist nicht zwingend. So ist denkbar und im besonderen auch nahe liegend, dass die Beteiligten die rechtliche Bedeutung der Erklärung nicht erkannt haben und nur von ihrer wirtschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft (hier je 50%) ausgegangen sind. Dass der Urkundsnotar selbst die Rechtslage festgestellt hat, ist nicht einmal ansatzweise dargelegt worden und erscheint vor dem Hintergrund der Feststellungen auch nicht wahrscheinlich.

Gegen die klägerische Annahme, die damaligen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin hätten zumindest konkludent die Zusammenlegung der Stammeinlagen beschlossen, spricht bereits der Umstand, dass für eine konkludente Willensbildung ein Bewusstsein erforderlich ist, es müsse eine Anteilszusammenlegung erfolgen. Bei vernünftiger Würdigung des Sachverhalts kann ein derartiges Bewusstsein der damals Handelnden nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist es naheliegend, dass die Beteiligten ihre Beteiligungen nur in prozentualen Anteilen erfasst haben.

Letztlich und entscheidend spricht gegen die klägerische Annahme, es habe vor der Veräußerung des Geschäftsanteils an die Beklagte zu 2 eine Zusammenlegung von Geschäftsanteilen stattgefunden, sein eigener Klagevortrag, wonach der veräußernde Gesellschafter seine Einlagenzahlungen nicht erbracht habe. Nach gesichertem Erkenntnisstand in der Rechtsprechung und der Rechtslehre kann eine Zusammenlegung von Geschäftsanteilen nur unter der Voraussetzung erfolgern, dass die Stammeinlagenzahlungen zuvor erbracht wurden (vgl. Urteil des KG vom 10.03.2000 zu Az. 14 U 2105/98 = NZG 2000, 787; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., Rn. 43 zu § 15 m. w. Nachw.).

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zwingend, dass wegen Nichtigkeit des Anteilsübertragungsgeschäfts die Beklagte zu 2 niemals Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden ist, sie mithin als eine Scheingesellschafterin anzusehen ist. Unter Abwägung aller relevanten rechtlichen und auch wirtschaftlichen Gesichtspunkte ist der Senat letztlich zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest im Insolvenzfall ein später in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter, der niemals tatsächlich einen Geschäftsanteil erworben hat, nicht zur Zahlung der rückständigen Stammeinlage herangezogen werden kann.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung erscheint dem Senat noch nicht endgültig und umfassend geklärt zu sein, wie der Scheingesellschafter vor dem Hintergrund zu behandeln ist, dass nach § 16 GmbHG für die Gesellschaft derjenige Gesellschafter ist, der in der Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) als Gesellschafter verlautbart wird.

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Bundesgerichtshof in Anfechtungsfällen bislang stets unter Hinweis auf § 16 I GmbHG die Rechtsauffassung vertreten hat, Einlageforderungen, nachdem sie einmal entstanden seien, könnten nicht durch Anfechtung des Anteilserwerbs rückwirkend beseitigt werden (Urteil des II. ZS des BGH vom 10.05.1982 zu Az. II ZR 89/81 = NJW 1982,2822; BGH, Urt. v. 17.01.2007, Az. VIII ZR 37/06 = NJW 2007,1058,1059). Ebenso wie der anfechtende Gesellschafter vor der Anfechtungserklärung aktiv am Leben der Gesellschaft teilnehme, sein Stimmrecht ausübe und Gewinnausschüttung mitnehme, müsse er folgerichtig auch für rückständige Einlagen haften. Die Haftung für die Stammeinlage sei als notwendige Mindestleistung so eng mit der Gesellschafterstellung verbunden, dass die Wirkungen der Anmeldung nach § 16 I GmbHG auch auf sie zu erstrecken sei. Dies ergebe sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 16 III GmbHG, wonach die einmal in der Person eines Gesellschafters entstandene Einlageschuld ungeachtet der Haftung des Erwerbers nicht durch Gesellschafterwechsel entzogen werden könne.

Dies soll bei der Anfechtung einer Anteilsübertragung sinngemäß gelten (Urteil des II. ZS des BGH vom 10.05.1982 zu Az. II ZR 89/81 = NJW 1982, 2822). Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und die daran anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung seien auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluss (Urteil des II. ZS des BGH vom 22.01.1990 zu II ZR 25/89 = NJW 1990,1915).

An der vorstehend skizzierten Rechtsprechung hat der 27. Zivilsenat des OLG Hamm unter Hinweis auf Literaturmeinungen in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 13.12.2005 (NZG 2006, 268) Kritik geübt und gemeint, die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung erfordere nicht, dass der Scheingesellschafter nach seinem Ausscheiden noch für rückständige Einlagen hafte, die nicht er selbst, sondern sein Vorgänger übernommen habe. Es bestehe seitens der Gesellschaft kein Interesse an der Mehrung ihrer Schuldner.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, zu der vorstehend umrissenen Streitfrage Stellung zu nehmen, weil der vorliegend zur Beurteilung anstehende Sachverhalt rechtstatsächlich nicht mit Anfechtungsfällen ohne weiteres vergleichbar sein dürfte. Erwirbt nämlich jemand anfechtbar einen Geschäftsanteil, wird er zunächst Gesellschafter der Gesellschaft. Übt er sein ihm zustehendes Anfechtungsrecht nicht aus, bleibt er auch Gesellschafter und kann in der Folgezeit rechtswirksam über seinen Geschäftsanteil verfügen. Übt ein Getäuschter sein Anfechtungsrecht aus, so ordnet das Gesetz im Regelfall die ex tunc - Wirkung an, d.h. die Anfechtung vernichtet rückwirkend die Willenserklärung. Schon frühzeitig ist erkannt worden, dass die Rückwirkung der Anfechtung im Bereich des Gesellschaftsrechts meistens nicht hinnehmbar ist, und die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft wurde entwickelt (vgl. hierzu u.v.a. nur Palandt - Sprau, BGB, 68.Aufl. 2009, Rn. 17 ff zu § 705 mit zahlreichen Nachweisen). Die Beklagte zu 2 ist vorliegend indessen schon des Umstandes willen nicht Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden, weil sie niemals einen Geschäftsanteil erwarb. Der Veräußerer ist vielmehr Gesellschafter geblieben. Weder organisationsrechtlich noch aus Gründen des Verkehrsschutzes ist es nach Senatsmeinung geboten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf § 16 GmbHG die Beklagte zu 2 als Gesellschafterin zu behandeln.

Zweck des in § 16 I GmbH geregelten formalen Anmeldungsprinzips ist es, die Beteiligten vor einer unklaren Rechtslage zu bewahren. So soll klar sein, wer die Gesellschafterrechte ausübt und wen die Gesellschafterpflichten treffen. Es handelt sich hierbei um eine gesellschaftsrechtliche Ordnungsvorschrift, die die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Verfassung der Gesellschaft höher wertet als individuelle Ansprüche des einzelnen Gesellschafters. Dieses gesetzliche Ordnungsprinzip erfordert aber nicht, einen Scheingesellschafter, der niemals Gesellschafter war, nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch für zukünftige Handlungen (hier Erfüllung eines Zahlungsbegehrens) als Gesellschafter zu behandeln. Die Zahlungspflicht richtete und richtet sich zunächst gegen den Gesellschafter, der die Stammeinlage übernimmt. Mit ihm haften die weiteren Gesellschafter, nicht aber eine Person, die niemals eine Stammeinlage übernommen hat. Organisationsrechtlich ist es der Gesellschaft zuzumuten, sich an ihre wahren Gesellschafter zu halten, möglicherweise nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch an diejenigen, die Gesellschafter waren und ihre Rechtsstellung später vernichteten. Allein der Verstoß eines Gesellschafters gegen das Bareinlageprinzip vermag unter organisationsrechtlichen Gesichtspunkten eine Haftung des Scheingesellschafters, zumindest wenn er aus dem Verband wieder ausgeschieden ist, nicht zu rechtfertigen.

Auch die Regelung des § 16 III GmbHG erfordert keine abweichende Betrachtungsweise. Diese Vorschrift regelt nicht die Fälle des nichtigen Übertragungsvertrages. Vielmehr hat sie den Fall zum Gegenstand, in dem ein Gesellschaftsanteil wirksam veräußert wird, auf den die Einlage noch nicht vollständig erbracht ist. Hier soll § 16 III GmbHG verhindern, dass der Veräußerer nicht mehr verhaftet bleibt und der Erwerber später bei Inanspruchnahme nicht zahlungsfähig ist.

Letztlich gebietet auch der Verkehrsschutz nicht die Haftung der Beklagten zu 2 für die geltend gemachte Einlageforderung.

Der Scheinerwerber erweckt durch seine Verlautbarung auf der Gesellschafterliste keinen Rechtsschein dahingehend, er sei Zahlungsschuldner für eine Einlagenforderung. Vielmehr wird der Verkehr im Veräußerungsfall davon ausgehen, dass der ausscheidende Gesellschafter seine Stammeinlage erbracht hat. An einer Vervielfachung der Schuldnerstellung hat der Verkehr kein schützenswertes Interesse. Dies gilt auch im Insolvenzfall und für den Fall, dass der fehlerhaft veräußernde Gesellschafter seine Stammeinlage noch nicht erbracht hat. Rechtlich und wirtschaftlich ist angemessen, den Gesellschafter zur Zahlung der Stammeinlage heranzuziehen, der den Geschäftsanteil rechtswirksam gezeichnet oder rechtswirksam erworben hat. Würde auch der Scheingesellschafter zahlungspflichtig sein, so würde dies eben zu einer zufälligen und sachlich nicht gerechtfertigten Vervielfältigung der Schuldner führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,100 II, 516 III ZPO.

Soweit das Urteil des Landgerichts in Rechtskraft erwachsen ist, ist es vollstreckbar (§ 704 Abs.1 ZPO). Soweit der Senat das Urteil abgeändert hat, ist sein Urteil nur vorläufig vollstreckbar. Im Hinblick auf die zugelassene Revision mussten gemäß §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO Schuldnerschutzanordnungen getroffen werden.

Der Senat hat gegen seine Entscheidung die Revision zugelassen (§ 543 Abs.2 ZPO); weil der vorliegenden Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Senat hat eine klärungsbedürftige Frage entschieden [-- Kann ein Scheingesellschafter, der mangels Erwerbs eines Geschäftsanteils niemals Gesellschafter einer Gesellschaft wurde, nur aufgrund seiner Aufnahme in die Gesellschafterliste im Insolvenzfall auf Zahlung einer rückständigen Stammeinlage in Anspruch genommen werden, die bereits der Veräußerer zu erbringen gehabt hätte ? --], deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten steht.

Ende der Entscheidung

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