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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 13 U 208/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 66
ZPO § 256
ZPO § 485
ZPO § 528 n. F.
ZPO § 794
ZPO § 800
BGB § 216
BGB § 195 n. F.
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 4 n. F.
BGB § 216
BGB § 218 Abs. 2 a. F.
BGB § 364 Abs. 2
BGB § 812
1. Zum Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses.

2. Zur Frage, wann ein "verständiger Grund" vorliegt, der es dem Gläubiger erlaubt, eine Leistungsklage zu erheben, obwohl bereits ein Vollstreckungstitel vorliegt.


Gründe:

I.

Der Beklagte und dessen Ehefrau nahmen bei der Klägerin im Rahmen einer Immobilienfinanzierung darlehensweise DM 286.000,00 (so genanntes Hypothekendarlehen) und DM 110.000,00 (so genannter Vorauskredit) auf und bestellten mit notariellen Urkunden vom 17.03.1999 zur Absicherung der Klägerin zu deren Gunsten zwei Grundschulden über DM 228.000,00 (Objekt O1) und DM 168.000,00 (Objekt O2), jeweils nebst 15 % jährlicher Zinsen. Zugleich übernahmen die Eheleute in den beiden Grundschuldbestellungsurkunden jeweils die persönliche Haftung und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. In den Grundschuldbestellungsurkunden wurde der Notar beauftragt, der Klägerin jeweils sofort eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu erteilen.

Im Sommer 2001 wurde der Kredit Not leidend und die Klägerin kündigte das Darlehensvertragsverhältnis auf und bezifferte den Schuldenstand per 3. August 2001 auf DM 287.197,28 und DM 110.000,00. Dem klägerischen Ersuchen, bezüglich der Darlehensforderung auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, kam der Beklagte nicht nach.

Die Klägerin hat sodann unter dem 15.12.2004 gegen den Beklagten einen Mahnbescheid über € 100.000,00 erwirkt und hat nach Widerspruchseinlegung die Durchführung des streitigen Verfahrens wegen eines Teilbetrages in Höhe von € 50.000,00 nebst Zinsen beantragt.

Der Beklagte, der um Klageabweisung nachgesucht und auch erstinstanzlich die Forderungshöhe bestritten hat, hat eingewandt, der Klägerin fehle es für die vorliegende Klage an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, da sie im Besitz eines Vollstreckungstitels in Form der notariellen Urkunden vom 17.03.1999 sei.

Mit am 27. September 2005 verkündetem Urteil (Bl. 81 d. A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt unter Abweisung der weitergehenden Klage den Beklagten verurteilt, an die Klägerin € 50.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2001 bis 31.07.2002 sowie 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2005 zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage als zulässig erachtet und insoweit ausgeführt:

Aufgrund der hier zu ergehenden Entscheidung kann die Klägerin den titulierten Betrag - nämlich die erstrangige Teilforderung der Darlehensschuld - zu vollstrecken versuchen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Vollstreckung insoweit auch erfolgreich sein könnte. Sodann kann die Klägerin bei der Verwertung der dinglichen Sicherheit und der Inanspruchnahme aufgrund des abstrakten Schuldanerkenntnisses zu realisierende Beträge auf die nachrangigen Teilforderungen ihres gesicherten Anspruches auf Zahlung des Kündigungssaldos des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gemäß Sicherungsabrede verrechnen.

Soweit der Beklagte die Forderungshöhe bestritten habe, sei dies, so hat das Landgericht weiter ausgeführt, unbeachtlich. Bei einem Gesamtdarlehen von € 145.498,33 müsse bei einer Anfangstilgung von 1,002 % per annum und einem Rückstand von DM 5.421,36 zum Kündigungszeitpunkt die Darlehensforderung nach noch nicht einmal zwei Jahren "zwingend über dem ausgeurteilten Betrag liegen".

Gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Beklagte form- und fristwahrend Berufung eingelegt.

Der Beklagte, der nunmehr den Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von € 50.000,00 ausdrücklich unstreitig stellt, greift das landgerichtliche Urteil allein mit der Erwägung an, dass der Klägerin für einen weiteren Titel über den erstrangigen Teil der Darlehensforderung in Höhe von 50.000,00 € das Rechtsschutzinteresse fehle und führt aus, die Klägerin sei im Besitz von zwei Grundschuldbestellungsurkunden, jeweils mit Schuldanerkenntnis in Höhe des nominalen Grundschuldbetrages nebst dinglicher Zinsen mit Unterwerfungserklärung nach § 800 ZPO. Mit der Verschaffung der notariellen Vollstreckungstitel habe sich die Klägerin die zwangsweise Darlehensrückzahlungsforderung gesichert. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 7. Dezember 2005 (Bl. 180 - 182 d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 27. September 2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin meint, es ermangele ihr für die klageweise Durchsetzung ihres Darlehensrückzahlungsanspruches nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Dies schon deshalb, weil aus ihrer Sicht die Hemmung der Verjährung des Darlehensanspruches geboten sei, nachdem der Beklagte aus ihrer Sicht unverständlicherweise nicht auf die Verjährungseinrede verzichtet habe. Dieses ihr schützenswerte Interesse, die Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches zu hemmen, werde nicht dadurch beseitigt, dass der Beklagte die persönliche Haftung für die Grundschuldbestellungsbeträge übernommen habe, die im vorliegenden Fall (zufällig) der Höhe nach mit der ursprünglichen Darlehensforderung ("nicht mit den Darlehensrückzahlungsforderungen") identisch seien. Es handele sich hierbei um zwei selbständige zivilrechtliche Ansprüche, nämlich den Anspruch auf Darlehensrückzahlung einerseits sowie die persönliche Haftungsübernahme für den Grundschuldbetrag andererseits. Sie, die Klägerin, müsse auch befürchten, dass im Falle der Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches der Beklagte argumentieren werde, mit der Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches sei auch die Personalsicherheit einredebehaftet, zumal das abstrakte Schuldanerkenntnis in § 216 BGB nicht ausdrücklich genannt werde. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Berufungserwiderungsschrift vom 25.01.2006 (Bl. 238 f.) verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist sachlich unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.

Entgegen der Rechtsansicht des berufungsführenden Beklagten hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht die erhobene Leistungsklage für zulässig erachtet.

In zweiter Instanz geht der Streit der Parteien nur noch um die Rechtsfrage, ob vorliegend die Geltendmachung des Zahlungsanspruches deshalb unzulässig sein könnte, weil es der Klägerin an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse ermangele, wie dies der Beklagte annimmt. Das erkennende Gericht vermochte unter Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkt letztlich nicht sich dieser von dem Beklagten vertretenen Rechtsauffassung anzuschließen.

Ausgangspunkt aller rechtlichen Erwägungen muss sein, dass es einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Rechtsschutz gibt und dass die ZPO selbst einen umfassenden Rechtsschutz gewähren will, weshalb die Verweigerung solchen Rechtsschutzes trotz möglicherweise bestehender Rechte nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sich dies aus den Zwecken des Zivilprozesses zwingend ergibt (vgl. u. a. Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl. 1997, Rn 101 vor § 253 III, welcher selbst sehr kritisch dem Rechtsinstitut gegenübersteht). Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses verwendet das Gesetz selbst nicht. In den §§ 66, 256 und 485 ZPO wird lediglich von einem rechtlichen Interesse gesprochen. Es entspricht indessen gesichertem Erkenntnisstand in Rechtsprechung und Rechtslehre, dass das Rechtsschutzbedürfnis zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen zählt (vgl. u. a. MüKo-Lüke, ZPO, 2. Aufl. 2000, Rn 10 vor § 253) und für den Fall der Leistungsklage sich das Rechtsschutzinteresse regelmäßig aus der behaupteten Nichterfüllung des Klageanspruches ergibt.

Der IV b Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinem am 7. Dezember 1988 verkündeten Urteil (NJW-RR 1989, Seite 318 f.) zur Frage des Rechtsschutzinteresses ausführlich Stellung genommen und sich ausdrücklich der Rechtsauffassung angeschlossen, wonach einer Leistungsklage im Allgemeinen das Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klageforderung hat und er aus diesem unschwer die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben könne. Wörtlich heißt es dort:

Er (Gläubiger) darf das Prozessgericht nicht überflüssigerweise in Anspruch nehmen und den Schuldner nicht unnötig mit einem Prozess behelligen.

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil sich des Weiteren auch die Meinung zu Eigen gemacht, dass dem Gläubiger trotz eines Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage nicht verwehrt sein könne, "wenn er hierfür nach Lage der Dinge einen verständigen Grund hat". Ein solcher "verständiger Grund" wird im Allgemeinen angenommen, wenn der Gläubiger mit sachlich-rechtlichen Einwendungen gegen den Titel durch den Schuldner rechnen muss (vgl. u. a. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, Rn 8 zu § 794; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, Rn 18 a; MüKo-Lüke a. a. O. Rn 10 und Musielak-Foerste, ZPO, 4. Aufl. 2005, Rn 7, jeweils vor § 253; sowie Beschluss des OLG Hamm vom 03.07.1997 in OLGR 1997 Seite 353).

Im Hinblick darauf, dass zum einen die Klägerin aus den beiden notariellen Urkunden auch in das gesamte Vermögen des Beklagten vollstrecken kann - die Möglichkeit der Sicherheitsverwertung, hier Betreiben der Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden, muss in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben - und zum anderen die Klägerin sich gegen den Beklagten auch keiner weitergehenden und nicht mehr durch die Unterwerfungserklärung gemäß §§ 800, 794 ZPO gedeckten Forderung berühmt, dürfte zunächst vieles dafür sprechen, dass hier zu Recht das Rechtsschutzinteresse an der vorliegenden Klage in Zweifel gezogen wird, worauf das Prozessgericht auch die Parteien hingewiesen hat. In diesem Zusammenhang ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts die Rechtsnatur der Ansprüche letztlich ohne Bedeutsamkeit, weil eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. Zwar ist der hier geltend gemachte Darlehensrückzahlungsanspruch nicht tituliert, wohl aber das abstrakte Schuldanerkenntnis des Beklagten in Höhe der Darlehensforderung (notarielle Urkunde). Unzweifelhaft kann die Klägerin den Betrag nur einmal von dem Beklagten verlangen (vgl. Hohmann, Verjährung und Kreditsicherung, WM 2004, Seite 757 ff., 763), weshalb es ihr im Interesse der Prozessökonomie durchaus anzusinnen ist, erst einmal die Befriedigung aus den vollstreckbaren Urkunden zu suchen, was nach Aktenstand bislang unterblieben ist. Das abstrakte Schuldversprechen ist wie die Grundschulderklärung selbst mit der Zweckerklärung zur Grundschuldbestellung verbunden. Nach Aktenstand ist letztlich auch kein Umstand ersichtlich, welcher der Rechtswirksamkeit der Unterwerfungserklärung entgegenstehen könnte, zumal der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 28. Oktober 2003 (NJW 2004 Seite 158) festgestellt hat, es entspreche jahrzehntelanger Praxis, dass sich der mit dem persönlichen Kreditschuldner identische Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen müsse. Wenn nunmehr das erkennende Gericht gleichwohl die erhobene Zahlungsklage für zulässig ansieht, so deshalb, weil die Klägerin nach rechtlichem Hinweis im Sinne des vorzitierten Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 1988 einen "verständigen Grund" für die Klageerhebung darzulegen vermochte.

Nach altem Schuldrecht unterlagen die Ansprüche aus Darlehen und das abstrakte Schuldanerkenntnis der gleichen Verjährungsfrist von 30 Jahren. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 hat sich dies geändert. Während gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB n. F. der Anspruch aus der vollstreckbaren Urkunde - hier abstraktes Schuldanerkenntnis - weiterhin der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegt, verjährt nach neuem Recht der Darlehensrückzahlungsanspruch gemäß § 195 BGB n. F. schon nach drei Jahren. Auch wenn vorliegend die Darlehensaufnahme und die Darlehenskündigung vor dem 01.01.2002 erfolgten, setzt sich die altrechtliche Verjährungsregelung nicht durch (vgl. Artikel 229 § 6 IV EGBGB). Welche rechtlichen Auswirkungen letztlich diese Diskrepanz im Laufe der Verjährungsfristen für das Immobilienkreditgeschäft der Kreditinstitute haben wird, kann nach Auffassung des erkennenden Gerichts heute noch nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, weshalb die Befürchtung der Klägerin nicht von der Hand zu weisen ist, dass vielleicht mit Erfolg ein Schuldner argumentieren kann, dass das abstrakte Schuldanerkenntnis wegen Wegfalles des Sicherungsinteresses kondiziert werden kann. In diesem Sinne versteht nämlich das erkennende Gericht den klägerischen Vortrag, es könne argumentiert werden, mit Eintritt der Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches sei die Personalsicherheit einredebehaftet.

Nach herkömmlicher Auffassung dient das abstrakte Schuldanerkenntnis des Darlehensnehmers in der Grundschuldbestellungsurkunde der Verstärkung der durch die Grundschuld gewährten Sicherheit für die in der Zweckerklärung zur Grundschuld bestimmten Forderungen (vgl. Cartano/Edelmann, Verjährung der Rückzahlungsansprüche bei Darlehensverträgen nach Widerruf gemäß dem Haustürwiderrufsgesetz, WM 2004, Seite 775 ff., 779; Hohmann a. a. O. Seite 763). Das abstrakte Schuldanerkenntnis schafft einen zusätzlichen Anspruch gemäß § 364 Abs. 2 BGB in der Regel erfüllungshalber, neben dem persönlichen Anspruch des Gläubigers aus dem Darlehen und neben dem dinglichen Anspruch aus der Grundschuld. Dieser Anspruch, wenn er auch eine von dem ursprünglichen Schuldverhältnis gelöste selbständige Verpflichtung begründet, ist mit der Zweckerklärung zur Grundschuldbestellung verbunden. Die vertragsgemäße Anerkennung des Bestehens eines Schuldverhältnisses ist nach ganz herrschender Meinung eine Leistung im Sinne des § 812 BGB, weshalb jedes vertragliche Anerkenntnis grundsätzlich einer bereicherungsrechtlichen Rückforderung unterliegen kann. Dogmatisch ist umstritten, worin eigentlich der Rechtsgrund eines abstrakten Schuldanerkenntnisses besteht (vgl. BGB MüKo-Lieb, 4. Aufl. 2004, Rn 375 zu § 812). Das Nichtbestehen der anerkannten Schuld wirkt nur mittelbar, das heißt dann, wenn sich im Einzelnen feststellen lässt, dass die anerkannte Schuld ihrerseits Grundlage des zur Hingabe des Anerkenntnisses führenden Geschäfts geworden ist (vgl. Staudinger-Lorenz, BGB, Neubearbeitung 1999, Rn 15 zu § 812). Besteht die Kausalforderung nicht, so fehlt in der Regel auch der Abrede über die Erteilung des Anerkenntnisses die Geschäftsgrundlage. Im Falle des Verjährungseintritts besteht zwar die Forderung weiterhin, aber sie kann auf entsprechende Einrede des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden, weshalb auch hier durchaus mit der Möglichkeit einer Kondiktion zu rechnen ist.

Auch wenn das erkennende Gericht in dem Wegfall der gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Klageforderung nach Erhebung der Verjährungseinrede das notariell beurkundete Schuldanerkenntnis des Beklagten schon allein wegen seines Charakters als einen vom ursprünglichen Rechtsgrund losgelösten Anspruch eine Kondiktionsmöglichkeit ausschließen möchte (vgl. allgemein zur Kondizierbarkeit des Schuldanerkenntnisses Staudinger-Lorenz a. a. O. Rn 15 zu § 812 und MüKo-Lieb, BGB, 4. Aufl. 2004, Rn 373 zu § 812 und wie hier - also nicht kondizierbar - Hohmann a. a. O. Seite 763), zumindest aber § 216 BGB entsprechend anwendbar sein dürfte (hierfür sprechen sich Cartano und Edelmann a. a. O. Seite 779 aus), kann aus Sicht der Klägerin deren Befürchtung, die Rechtsprechung könne sich in eine andere als oben aufgezeigte Richtung entwickeln, nicht als abwegig oder völlig grundlos angesehen werden (der IX. ZS des BGH hat zum Beispiel in seinem Urteil vom 08.12.1988 = NJW-RR 1989 Seite 509, entschieden, es werde keine neue Verbindlichkeit des Bürgen begründet, wenn dieser seine Bürgschaftsschuld in einem notariell beurkundeten vollstreckbaren Anerkenntnis anerkennt), zumal vorliegend der Beklagte in Kenntnis des Umstandes, dass die Klägerin sich zur klageweisen Durchsetzung ihres Darlehensrückzahlungsanspruches genötigt sehe, falls er, der Beklagte, nicht auf die Einrede der Verjährung verzichte, eine solche Verzichtserklärung nicht abgegeben hat und von daher durchaus die Möglichkeit im Raume steht, er, der Beklagte, werde dereinst versuchen, sein Anerkenntnis zu kondizieren. In einem ganz anderen Zusammenhang hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 18.01.1985 (MDR 1985 Seite 562) ausgeführt, der Gläubiger eines rechtskräftig festgestellten Anspruches, dessen Verjährung gemäß § 218 Abs. 2 BGB a. F. von dem Rechtsstreit unbeeinflusst geblieben sei, könne eine weitere Feststellungsklage mit demselben Streitgegenstand erheben, wenn dies der einzige Weg sei, um der drohenden Verjährung zu begegnen.

Wird das Rechtsschutzinteresse als Sachurteilsvoraussetzung in dem Sinne verstanden, dass im Grundsatz jedes vermeintliche Recht eines Privaten schutzwürdig erscheint, und nur eine zweckwidrige Prozessbetreibung verhindert werden soll - in nationalsozialistischer Zeit wurde, worauf Schumann in seiner Kommentierung hinweist (a. a. O. Rn 101 b), das Rechtsschutzbedürfnis zum "Zentralbegriff der Verhinderung von Rechtsschutz" -, so belegen die vorstehenden Ausführungen, dass der Klägerin für die klageweise Durchsetzung ihres beklagtenseits in der geltend gemachten Teilhöhe sogar anerkannten Darlehensanspruches ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abzusprechen war.

Im Hinblick auf die weiteren und möglicherweise zum Missverständnis Anlass gebenden landgerichtlichen Ausführungen sei hier noch klarstellend verlautbart, dass mit diesem Urteil der erstrangige Teil der klägerischen Darlehensforderung tituliert wird.

III.

Auch wenn die Berufung als unbegründet zurückzuweisen war, war gleichwohl die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung hat in Zivilprozessen das Berufungsgericht die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts insgesamt zu überprüfen. Eine danach notwendige Abänderung ist nicht aufgrund des § 528 ZPO n. F. (ehemals § 536 ZPO a. F.) beschränkt, so der X. Zivilsenat des Bundesgerichthofs in seinem Urteil vom 23. September 1997 (NJW-RR 1998 Seite 334), weil über die Kosten von Amts wegen zu befinden ist. Ein Verstoß gegen das vom Berufungsgericht ansonsten zu beachtende Verbot der Schlechterstellung (Verbot der reformatio in peius) liegt nicht vor (vgl. unter vielen anderen Zöller-Gummer/Heßler a. a. O. Rn 31 sowie Baumbach-Lauberbach-Albers-Hartmann a. a. O. Rn 12, 35, jeweils zu § 528), weshalb das Berufungsgericht die erstinstanzliche Kostenentscheidung auch zum Nachteil des Berufungsführers abändern kann (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des OLG Jena vom 27.03.2002 = NJW-RR 2002 Seite 970).

Die landgerichtliche Kostenentscheidung, wonach die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben wurden, wird der Tatsache nicht gerecht, dass die Klägerin zwar im Mahnbescheid von dem Beklagten € 100.000,00 begehrt hat - also doppelt soviel wie ihr letztlich zuerkannt wurde - aber nach Widerspruchseinlegung im streitigen Verfahren schon mit der Antragsschrift nur noch € 50.000,00 begehrte und dieser Betrag ihr auch von dem Landgericht zuerkannt worden ist.

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Klägerin weist zutreffend bei ihrer Anregung, die Revision zuzulassen, darauf hin, dass die vorliegende Fallkonstellation als typisch für gescheiterte Baufinanzierungen bei nahendem Eintritt der Verjährung eines Darlehensrückzahlungsanspruches bezeichnet werden könne. Die Frage, inwieweit nach der gesetzlichen Änderung der Verjährungsregelungen die Darlehensgeberin gehalten ist, ihren Darlehensrückzahlungsanspruch auch dann gerichtlich geltend zu machen, wenn der Darlehensschuldner sich ihr gegenüber rechtswirksam in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen wegen eines Betrages unterworfen hat, welcher dem Kreditbetrag nebst Zinsen entspricht, ist höchstrichterlich noch nicht behandelt worden.

Ende der Entscheidung

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