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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 13 U 242/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 242/01

Verkündet am 7. April 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2004 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. September 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die am 16. August 1985 gegründete Bauträgerfirma X GmbH geriet 1995 in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Zwei der vier Gesellschafter der vorbezeichneten Firma gründeten 1994 die Klägerin, die am 20. Oktober 1994 im Handelsregister eingetragen wurde. Ihr Versuch, die Anteile der beiden anderen Gesellschafter an der X für DM 1,00 zu erwerben, schlug fehl. Die Gesellschafterversammlung der X beschloss am 4. August 1995 deren Auflösung und bestellte den vormaligen Geschäftsführer zum Liquidator. Mit Vertrag vom 13. September 1995 verkaufte die X in Liquidation der Klägerin ihre letzten neun Eigentumswohnungen in einer in O1 gelegenen Wohnanlage zu einem Gesamtpreis von DM 1.551.500,00. Der vorbezeichnete Kaufvertrag wurde am 12. Januar 1996 wieder aufgehoben. Am 16. Januar 1996 schloss die X GmbH in Liquidation mit der Klägerin erneut den Kaufvertrag über die vorbezeichneten Wohnungen zu demselben Kaufpreis. Die Eintragung der zugunsten der Klägerin bewilligten Auflassungsvormerkungen in den Wohnungsgrundbüchern lehnte das Amtsgericht Dieburg - Grundbuchamt - zunächst mit Zwischenverfügung vom 31. Januar 1996 mit der Begründung ab, der Kaufvertrag sei gemäß § 181 BGB schwebend unwirksam. Die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt wies in der Folgezeit mit Beschluss vom 20. Dezember 1996 das Grundbuchamt an, die Auflassungsvormerkungen grundbuchmäßig zu wahren. Nach Eintragung der Auflassungsvormerkungen wurde zugunsten des Beklagten (in zwei Fällen zugunsten einer GbR, an welcher der Beklagte beteiligt war) nachrangig wegen offener Honorarforderungen, deren Schuldnerin die X in Liquidation war, in den Wohnungsgrundbüchern Sicherungshypotheken eingetragen. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 18. Februar 1997 des den mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrags beurkundenden Notars aufgefordert, die Löschung der Hypotheken zugunsten der Klägerin einzuwilligen.

Diesem Ersuchen kam der Beklagte nicht nach. Mit bei dem Landgericht Darmstadt am 7. März 1997 eingegangem Schriftsatz erhob die Klägerin gegen den Beklagten Klage auf Löschungsbewilligung. In dem dortigen Verfahren verteidigte sich der Beklagte unter anderem mit dem Argument, der Kaufvertrag zwischen der X in Liquidation und der Klägerin sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Mit am 14. Januar 1998 verkündetem und am 28. April 1998 in Rechtskraft erwachsenen Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wurde der Beklagte antragsgemäß zur Abgabe der Löschungsbewilligungen verurteilt. Die Hypotheken wurden im Grundbuch am 2. Juni 1998 gelöscht. Mit Anwaltsschreiben vom 25. August 2000 berühmte sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten wegen dessen vorgeblich ungerechtfertigter Weigerung, der Aufforderung des Notars zur Löschung der Hypotheken nachzukommen, eines Schadensersatzanspruches in Höhe von DM 39.439,39 nebst Zinsen und setzte Zahlungsfrist bis 15. September 2000.

Mit bei Gericht am 14. November 2000 eingegangem Schriftsatz hat die Klägerin die vorstehende Forderung klageweise geltend gemacht und hat später ihren Klageantrag auf DM 42.477,64 (= € 21.718,47) nebst Zinsen erweitert.

Mit dem klägerseits form- und fristwahrend angefochtenem Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 14. September 2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ist die Klage abgewiesen worden.

In den Entscheidungsgründen hat die Erstrichterin ausgeführt, zwar spreche viel dafür, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin unter verzugsrechtlichen Gesichtspunkten dem Grunde nach bestehe, aber die Klägerin habe den behaupteten Schaden weder ausreichend substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt.

Mit ihrem Rechtsmittel der Berufung hat die Klägerin zunächst ihren erstinstanzlich gestellten Zahlungsantrag in Höhe von € 21.663,59 nebst Zinsen weiter verfolgt und zugleich vorgetragen, sie habe diese Forderung an ihren Geschäftsführer sowie den früheren Geschäftsführer und Liquidator der X , G1, abgetreten, an den auch die Zahlung nunmehr erfolgen solle. G1 sei aus ihrer Firma ausgeschieden und habe sämtliche Geschäftsanteile an die Firma Y Bauträger- und Hausverwaltung GmbH ... verkauft. Mit dem Gesellschafterwechsel sei eine sie betreffende Firmenänderung einhergegangen.

Das Rechtsmittel selbst begründet die Klägerin vorrangig mit der rechtlichen Erwägung, sie habe ihrer Substantiierungspflicht ausreichend erstinstanzlich genügt.

Tatsachenbehauptungen stellt die Klägerin nunmehr unter Beweis.

Der Beklagte, der um Zurückweisung der Berufung nachsucht, trägt vor, die Klägerin könne den behaupteten Schaden nicht, wie sie meine, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges bei ihr liquidieren; denn (Schuldner-) Verzug setzte Verschulden voraus. Ein solches Verschulden könne ihm, dem Beklagten, indessen nicht angelastet werden, weil seine Rechtsauffassung durchaus vertretbar gewesen sei, vielleicht habe auch das Landgericht in dem Vorprozess das Recht falsch angewandt.

In der mündlichen Verhandlung am 24. September 2003 hat das erkennende Gericht den Prozessparteien umfangreiche rechtliche Hinweise gegeben. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24. September 2003 ausdrücklich Bezug genommen. Im Besonderen hat das Gericht deutlich gemacht, dass es in Anwendung der Rechtsgrundsätze, die der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 19. Januar 1968 (BGHZ 49, 263) herausgearbeitet hat, einen Verzugsschadensersatzanspruch bereits aus Rechtsgründen für nicht gegeben erachtet.

In der grundlosen Verweigerung des Beklagten in die Löschung der Grundpfandrechte einzuwilligen, könne jedoch, so hat das erkennende Gericht weiter ausgeführt, eine sittenwidrige Vermögensschädigung nach § 826 BGB gesehen werden.

Ersatzfähiger Schaden sei indessen nur der Zinsmehraufwand der Klägerin, der dadurch entstanden sei, dass wegen der eingetragenen Grundpfandrechte sie ihren Bankkredit wegen zunächst ausgebliebener Kaufgelder nicht vor dem 2. Juni 1998 habe zurückführen können.

In Befolgung dieses Hinweises beziffert die Klägerin nunmehr ihren Schadensersatzanspruch auf € 5.367,89 und € 245,42, jeweils nebst Zinsen und hat mit Zustimmung des Beklagten die weitergehende Klage zurückgenommen.

Der Beklagte sucht weiterhin um Zurückweisung der Berufung nach und meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzanspruch seien nicht gegeben.

Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die, wie eingangs bereits ausgeführt, statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist, auch soweit die Klägerin jetzt nur noch einen Schaden in einer Gesamthöhe von € 5.613,31 nebst Zinsen geltend macht, noch immer unbegründet, weshalb wie erkannt zu entscheiden war.

Dem klägerischen Begehren mangelt es bereits an einer ausreichenden Rechtsgrundlage, weshalb auf die weiteren umfangreichen Schlüssigkeitsbedenken gegen die Herleitung der Klageforderung

- im Vertragsverhältnis zum Erwerber E1 wurde nach Aktenstand keine Fälligkeit der Kaufpreiszahlung herbeigeführt. Die Zahlung erfolgte zudem zu einem Zeitpunkt, zu dem das Grundpfandrecht noch nicht gelöscht war;

- im Vertragsverhältnis zum Erwerber E2 erfolgte die Kaufpreiszahlung ebenfalls schon zu einem Zeitpunkt, zudem die Hypotheken nicht gelöscht waren;

- im Vertragsverhältnis zum Erwerber E3 erfolgte gleichfalls keine Fälligkeitsmitteilung.

Auch hier erfolgte die Kaufpreiszahlung zu einem Zeitung, zu dem die Hypothek noch nicht gelöscht war. Im übrigen wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass DM 2.000,00 wegen Reparaturen einbehalten wurden und die Nichtzahlung dieses Kaufpreisteiles auf gar keinen Fall dem Beklagten angelastet werden kann hier nicht mehr näher einzugehen werden braucht.

§ 286 BGB a. F. scheidet als Rechtsgrundlage aus. Der in § 888 BGB normierte Zustimmungsanspruch, dem nachzukommen der Beklagte sich weigerte, wird dogmatisch als ein unselbstständiger Hilfsanspruch aufgefasst, dem nur eine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt, weshalb nach höchstrichterlicher Rechtssprechung es gerechtfertigt ist, die Verzugsvorschriften des Schuldrechts auf den in § 888 BGB normierten Zustimmungsanspruch des Vormerkungsberechtigten nicht anzuwenden (so ausdrücklich der 5. Zivilsenat des BGB in seinem Urteil vom 19. Januar 1968 in BGHZ 49, 263 ff., 267). Der Bundesgerichtshof hat in dem vorstehend zitierten Urteil des weiteren ausdrücklich darauf hingewiesen (a. a. O. Seite 267), dass auch die Interessenlage der Beteiligten eine Anwendung der schuldrechtlichen Verzugsvorschriften auf die hier gegebene sachenrechtliche Rechtsbeziehung nicht gebiete, weil der Vormerkungsberechtigte, falls die allgemeinen Voraussetzungen hierfür gegeben sind, sich wegen jeder Verzögerung der Erfüllung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs an seinen Schuldner halten könne.

Die Klägerin hat durch ihr Verhalten im Berufungsverfahren auch deutlich gemacht, dass sie nunmehr ebenfalls von dieser Rechtslage ausgeht und ihren Anspruch nicht länger auf § 286 BGB a. F. stützen will.

Nach Abwägung aller Umstände scheidet auch § 826 BGB als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren aus.

Gemäß § 826 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, wobei es gesichertem Erkenntnisstand in der Rechtssprechung entspricht, dass der Sittenverstoß nicht nur in einer Handlung, sondern auch in einer Unterlassung bestehen kann, nämlich dann, wenn nach den guten Sitten eine Pflicht zum Handeln bestand.

Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB erfordert das Bewusstsein, dass das Handeln die ernstliche Möglichkeit des schädigen Erfolges haben werde, wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist, der bereits dann zu bejahen ist, wenn der Schädiger das Bewusstsein hat, dass infolge seines Tuns oder Unterlassens der andere der Gefahr eines Schadens ausgesetzt wird, und wenn er diesen möglichen Schaden für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf nimmt (vgl. hierzu auch Urteil des 6. Zivilsenats des BGH vom 23. Juni 1987 in MDR 1988 Seite 42).

Wer gegenüber einem vorrangigen Vormerkungsberechtigten (hier die Klägerin) dessen Verlangen auf Einwilligung in die Löschung seines eigenen grundbuchrechtlich gewahrten Rechts nicht zeitnah nachkommt, dürfte, darum wissend, dass der Vormerkungsberechtigte das Grundeigentum weiterhandeln will, in der Regel durchaus das Bewusstsein haben, dass der Vormerkungsberechtigte der Gefahr eines Schadens ausgesetzt ist und wird diesen möglichen Schadenseintritt auch billigend in Kauf nehmen.

Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung des Klagevortrages im Schriftsatz vom 4. September 2003 (Blatt 213 ff., Blatt 215 d. A.) - in diesem Schriftsatz wurde zum ersten Mal klägerseits der rechtliche Aspekt des § 826 BGB angesprochen - hat das erkennende Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. September 2003 den rechtlichen Hinweis gegeben, dass das klägerische Begehren möglicherweise nach § 826 BGB gerechtfertigt sein könnte und hat zugleich dem Kläger dargelegt, wie nach gerichtlicher Auffassung der Verzugschaden nachvollziehbar zu berechnen sei. Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 17. November 2003 die Klageforderung unter Beachtung der gerichtlichen Vorgaben neu berechnet und hergeleitet, weshalb im richterlichen Schreiben vom 18. November 2003 nach einer ersten summarischen Prüfung auch gesagt werden konnte, dass der Kläger nunmehr die Klageforderung schlüssig dargelegt haben dürfte. Diese sehr vorsichtig formulierte vorzitierte Aussage im Richterschreiben wird dann ausdrücklich auch allein damit begründet, dass der Vortrag des Klägers sich nunmehr an den gerichtlichen Vorgaben vom 24. September 2003 orientiert. Die Erklärungen in diesem richterlichen Schreiben lassen daher weder die Schlussfolgerung zu, wie jetzt der Kläger wohl meint, dass damit das Gericht zu erkennen gegeben habe, es halte die Klage gemäß § 826 BGB für begründet, noch, dass die Forderung auch im Einzelnen in der Höhe schlüssig ist.

Das Schreiben vom 18. November 2003 bezweckte erkennbar allein, durch eine frühe Erklärung der verklagten Verfahrenspartei - immerhin hatte der Beklagte nach nachvollziehbarer Neuberechnung des behaupteten Schadensanspruches ein Anerkenntnis in den Raum gestellt bzw. nicht ausgeschlossen - herauszufinden, welche weiteren prozessleitenden Maßnahmen zu ergreifen waren, falls die vorliegende Rechtssache streitig zu entscheiden sein sollte. Erst in der Folgezeit hat der Beklagte sich eingehend mit der Rechtsproblematik des § 826 BGB auseinandergesetzt und im Tatsächlichen Ausführungen gemacht, weshalb von einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerin in seiner Sichtweise nicht die Rede sein könnte.

Der Beklagte beruft sich im Kern darauf, dass er, als er zur Einwilligung in die Löschung der Hypotheken aufgefordert worden sei, die Rechtslage mit seinem Prozessbevollmächtigten anders gesehen habe, als dies letztlich die 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt in ihrem am 14. Januar 1998 verkündeten Urteil - welches in Rechtskraft erwachsen ist - gesehen hat.

Der Bundesgerichtshof vertritt in ständiger Rechtssprechung die Auffassung, dass der Schuldner das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage zu tragen habe. Nur ein unverschuldeter Rechtsirrtum schließe ein Verschulden aus, woran "strenge Voraussetzungen" zu stellen seien. Müsse der Schuldner bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zum Beispiel mit einem Unterliegen im Rechtsstreit rechnen, so könne sein Vertrauen auf eine ihm günstige Vorentscheidung den Rechtsirrtum nicht als entschuldbar erscheinen lassen (so z. B. Urteil des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs vom 18. April 1974 in NJW 1974 Seite 1903). Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 1981 (NJW 1982 Seite 635 f.) bestärkend ausgeführt, dass grundsätzlich der Verpflichtete selbst das Risiko seines Irrtums über die Rechtslage zu tragen habe, auch ein Richterkollegium könne ihn hiervon auf Kosten des Berechtigten nur unter besonderen Umständen entlasten.

Das Oberlandesgericht Köln hat in Anwendung dieser vorskizzierten höchstrichterlichen Rechtssprechung in seinem Urteil vom 16. Dezember 1997 (NJW - RR 1998 Seite 1017 ff.) ausgeführt, um sich vom Schuldvorwurf bei Rechtsirrtum zu entlasten, genüge es nicht, dass der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfe und sich nach sachgemäßer Beratung eine eigene Rechtsauffassung gebildet habe. Unverschuldet sei der Irrtum nur dann, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauche.

Nunmehr hat indessen der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem erst am 11. November 2003 - also erst nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. September 2003 und Hinweiserteilung - verkündetem Urteil (BGHR 2004 Seite 228 ff.) in Bezug auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzanspruch ausgeführt, dass die Haftung für Schäden des Prozessgegners, die durch die Verteidigung in einem Rechtsstreit verursacht werden, nicht nur voraussetze, dass die sich verteidigende Partei die materielle Unrichtigkeit ihrer Einwendungen kennt und dem Prozessgegner zumindest mit bedingten Vorsatz Schaden zufügt; vielmehr müssten besondere Umstände aus der Art und Weise der Rechtsverteidigung hinzutreten, die das Vorgehen als sittenwidrig prägen. Die beklagte Verfahrenspartei sei, so führt der Bundesgerichtshof weiter aus, grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Erhebung von Einwendungen und Einreden sorgfältig in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht die sachliche Berechtigung des Verteidigungsvorbringens zu prüfen.

Unter angemessener Beachtung der vorstehend skizzierten Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtssprechung vermag das erkennende Gericht sich nicht die für eine Verurteilung des Beklagten hinreichend sichere Überzeugung zu bilden, dass der Beklagte die Klägerin in sittenwidriger Weise schädigen wollte, als er zunächst keine Einwilligung in die Löschung der Grundpfandrechte erklärte. Zwar musste der Beklagte in Betracht ziehen, dass die ernst zu nehmende Möglichkeit bestand, dass die Gerichte seine Rechtsauffassung von der Unwirksamkeit des Kaufvertrages nicht teilen würden. Soweit der Beklagte die Nichtigkeit des Vertrages auch aus einem Verstoß gegen § 181 BGB herleiten wollte, stand dem bereits der Beschluss der Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt vom 20. Dezember 1996 entgegen.

Soweit der Beklagte die dort vertretene Rechtsauffassung in seiner Klageerwiderung im Klageverfahren auf Einwilligung zur Löschung der Grundpfandrechte in Frage zu stellen versuchte, handelte er erkennbar risikobehaftet. Auch seine Wertung, der Kaufvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, war, was bei Beobachtung der im Verkehr üblichen Sorgfalt leicht erkennbar war, zumindest nicht zwingend. Selbst wenn zugunsten der Klägerin hypothetisch davon auszugehen wäre, der Beklagte habe mit bedingtem schädigen Vorsatz gehandelt, so fehlen vorliegend jedenfalls die besonderen Umstände, die sein Vorgehen als sittenwidrig prägen könnten.

Die Auseinandersetzung zwischen den Prozessparteien muss nämlich vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Beklagte nach Aktenstand nicht unbeträchtliche begründete Forderungen gegen die X hatte und die Gründung der Klägerin einerseits und der Verkauf der hier streitgegenständlichen Wohnungen an die Klägerin andererseits wirtschaftlich auch im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gesellschafter der X stehen und es den Gesellschaftern freistehen muss, ihre, möglicherweise auch gegensätzlichen Interessen, mit Nachdruck zu vertreten.

Es kann nicht davon ausgegangen werden - und solches läge durch seine anwaltliche Vertretung im Vorverfahren auch sehr fern -, dass der Beklagte positiv wusste, dass die von ihm eingenommene Rechtsposition unrichtig war; vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass er nach Prüfung der Rechtslage zumindest davon ausgehen durfte, der Vertrag sei möglicherweise nichtig. Unter diesen Voraussetzungen aber muss im Anwendungsbereich des § 826 BGB der Partei zugestanden werden, ohne dass sie sich dadurch schadensersatzpflichtig macht, dass sie es auf eine gerichtliche Prüfung der entgegengesetzten rechtlichen Standpunkte ankommen lässt.

Das "Erfordernis eines freien Zugangs zu den staatlichen Rechtspflegeverfahren" (vgl. Urteil des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2003 in MDR 2003 Seite 740) verbietet es nicht nur, einem Klagewilligen eine über eine "Offensichtlichkeitskontrolle" hinausgehende Rechtsprüfungspflicht aufzulegen, sondern gebietet gleichermaßen der beklagten Partei nicht die Möglichkeit zu nehmen, ihren Rechtsstandpunkt, so er denn nicht offensichtlich sachlich rechtlich oder verfahrensrechtlich abwegig ist, durch Gerichte überprüfen zu lassen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO). Dies betrifft auch den Kostenteil, der auf die teilweise Berufungsrücknahme und der damit einhergehenden Klagerücknahme beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO n. F.) nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil nicht zu erwarten steht, dass die hier zu beurteilende Fallkonstellationen einer unbestimmten Vielzahl von Fällen in der Zukunft wieder auftreten wird (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 24. Auflage 2004, RN 11 zu § 543 mit weitern Nachweisen). Im übrigen ist, gerade auch in der jüngsten Zeit, der Anwendungsbereich des § 826 BGB in dem hier fallrelevanten Umfeld höchstrichterlich noch einmal geklärt worden.

Deshalb war die Revisionszulassung auch nicht wegen Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung geboten.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Eine Schuldnerschutzanordnung gemäß § 711 ZPO brauchte nicht zu ergehen, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§ 713 ZPO). Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO ist im Hinblick auf die Urteilsbeschwer ausgeschlossen (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).



Ende der Entscheidung

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