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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 13 U 257/99
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 84 | |
HGB § 89 b | |
HGB § 89 b Abs. 1 Nr. 3 |
Tatbestand:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er wird von den Sozialpartnern - dem A und dem B - getragen. Er ist gemeinnützig und befasst sich satzungsgemäß mit der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Fragen der Betriebsorganisation. Er gibt unter anderem zwei Zeitschriften ("C-Nachrichten" und "D") heraus und veröffentlicht außerdem, etwa bezogen auf bestimmte Tagungen, weitere Publikationen. In all diesen Publikationen werden Anzeigen entgeltlich veröffentlicht.
Die Beklagte zu 1) und Widerklägerin befasst sich gewerblich unter andrem mit Anzeigenvermittlung. Die Beklagte zu 2) ist die jetzige persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1).
1989 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Vertrag über eine langjährige Zusammenarbeit. Er übertrug ihr das folgende Recht:
"C stellt dem E-Verlag in den genannten Zeitschriften den verkauften Anzeigenraum zur Verfügung. Platzierungswünsche und spezielle Gestaltungswünsche des E-Verlages werden von C berücksichtigt, soweit sich dadurch nicht unzumutbare Beeinträchtigungen der redaktionellen Teile ergeben und soweit sie technisch durchführbar und im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung wirtschaftlich sinnvoll sind."
Als Gegenleistung hatte die Beklagte dem Kläger für den zur Verfügung gestellten Anzeigenraum sowie für die sonstigen Leistungen eine Vergütung zu zahlen, deren Höhe zwischen 70 und 80% der von der Beklagten zu 1) den Kunden in Rechnung gestellten Beträge betrug. Die Kosten für die anfallenden Arbeiten zur Druckvorlagenherstellung der Werbeanzeigen trug die Beklagte zu 1). Sie garantiere dem Kläger eine Mindestvergütung von 400.000,-- DM/Jahr zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Beklagte zu 1) war laut Vertrag berechtigt, die Bezeichnung "C-Anzeigenverwaltung" zu verwenden. Der Kläger war verpflichtet, während der Laufzeit des Vertrages kein weiteres Anzeigengeschäft zuzulassen.
1995 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1) einen Änderungsvertrag, der an die Stelle der Garantie einer Mindestvergütung von DM 400.000,--IJahr zu Gunsten des Klägers bestimmte, dass "beide Parteien von der Erzielung einer so hohen Mindestvergütung ausgingen".
Spätestens 1997 kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten.
Mit Schreiben vom 15.12.1997 kündigte der Kläger fristgemäß die Zusammenarbeit für die beiden vertragsgegenständlichen Zeitschriften sowie drei weitere Periodika auf, bezüglich derer die Parteien inzwischen zusammengearbeitet hatten. Im Hinblick auf die - mehr als einjährige - Kündigungsfrist wurde die Zusammenarbeit zunächst noch fortgesetzt. Nachdem ein gemeinsamer "Workshop" zur Auslotung der Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit die gewünschten Ergebnisse nicht brachte, teilte der Kläger der Beklagten zu 1) unter dem 07.09.1998 mit, dass es bei der Kündigung bleibe und der Vertrag - mit Jahresende 1998 - auslaufe. Mit Rechnungen vom 30.11. und 23.12.1998 erteilte die Beklagte zu 1) dem Kläger Abrechnungen über Anzeigen mit einem Gesamtbetrag von DM 92.844,92 zu seinen, des Klägers, Gunsten.
Nach Ende der Zusammenarbeit übergab die Beklagte zu 1) am 07.01.1999 dem Kläger verschiedene Unterlagen, insbesondere aktuelle Anzeigen-Lithos" (= Druckvorlagen) und -aufträge. Zugleich stellte sie dem Kläger Rechnung über DM 232.790,81. Die zu Grunde liegende Forderung setzte sich zusammen aus einem Ausgleichsanspruch entsprechend § 89 b HGB in Höhe von DM 167.087,71 und einer Restforderung für erfolgte Anzeigenvermittlungen - alle mit einem Erscheinungsdatum nach dem 01.01.1999 - in Höhe von DM 65.703,10.
Mit dem Schreiben vom 17.01.1999 erklärte die Beklagte zu 1) gegen die sich aus ihren Abrechnungen ergebende Restforderung zugunsten des Klägers die Aufrechnung mit ihren Gegenforderungen laut Rechnung vom 7.1.1999.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.02.1999 wies der Kläger diese Gegenforderung zurück und setzte der Beklagten zu 1) Frist für die Zahlung seiner Forderung zum 22.02.1999.
Zur Begründung seiner Zahlungsklage hat der Kläger vorgetragen:
Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gegen die unstreitige klägerische Forderung stünden der Beklagten zu 1) nicht zu. Die Beklagte zu 1) sei weder Handelsvertreter i.S.v. § 89 b HGB, noch ausgleichsberechtigter Vertragshändler, auf den § 89 b HGB analog anzuwenden sei. Es fehle für letzteres an den folgenden Merkmalen:
Keine dauerhafte Einbindung - gleich der eines Handelsvertreters - der Beklagten zu 1) in eine Absatzorganisation des Klägers. Bei dem Kläger bestehe keine Absatzorganisation, in welche die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin hätte eingebunden sein können. Der Kläger habe als gemeinnütziger Verein satzungsgemäß bestimmte Aufgaben, unter die nicht der Verkauf von Anzeigen falle. Er betreibe überhaupt kein Anzeigengeschäft. Den Anzeigenraum in seinen Zeitschriften habe er an die Beklagte zu 1) sozusagen "verpachtet". Es erhalte nicht die Beklagte zu 1), gleichsam wie ein Handelsvertreter, eine Provision, sondern umgekehrt sei der Kläger provisionsberechtigt. Auch habe die Beklagte zu 1) völlig selbständig agieren können und sei nur zu einem absoluten Minimum an Abstimmung mit ihm verpflichtet gewesen.
- Keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu 1), wie ein Vertragshändler ihm, dem Kläger, nach Vertragsablauf "den Kundenstamm zu übertragen". Eine derartige Verpflichtung sei indes nach ständiger Rechtsprechung für die von der Beklagten zu 1) geforderten analoge Anwendung von § 89 BGB HGB auf einen Vertragshändler erforderlich. Eine lediglich faktische Kontinuität des Kundenstammes - die der Kläger im übrigen bestritten hat - reiche, wie der BGH mehrfach betont habe, keineswegs aus.
Der Kläger hat ferner die Auffassung geäußert, der Beklagten zu 1) stehe die geltend gemachte Restforderung für Anzeigenaufträge, welche sie im Jahre 1998 zur Publikation im Jahre 1999 akquiriert habe, nicht zu, wie sich aus § 8 Abs. 2 des Vertrages vom 15.09.1989 ergebe.
Mit der Klage hat der Kläger außer seiner Vertragspartnerin, der Beklagten zu 1), deren neue persönlich haftende Gesellschafterin, die Beklagte zu 2), in Anspruch genommen und beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn DM 92.844,92 nebst 10 %Zinsen seit dem 20. Januar 1999 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Untermauerung ihres Abweisungsantrages haben die Beklagten vortragen lassen: Die Klageforderung sei durch Aufrechnung, erklärt im Anwaltsschreiben vom 03.02.1999, erloschen. Der Beklagten zu 1) stehe in entsprechender Anwendung von § 89 b HGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe von DM 167.087,71 zu. Anwendung finde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers. Denn das Verhältnis der Bekl. zu 1) zum Kläger habe dem eines Vertragshändlers zum Hersteller entsprochen. Die Beklagte zu 1) sei sogar enger als ein Vertragshändler in die klägerische Absatzorganisation eingebunden gewesen. Denn dieser habe letztlich darüber entschieden, ob von der Klägerin akquirierte Aufträge überhaupt zur Durchführung gelangten. In § 2 des Vertrages sei ferner eine gemeinsame Zielsetzung der Parteien formuliert worden. Auch habe der Beklagten zu 1), da außer ihr keine weitere Anzeigenverwaltung vorhanden gewesen sei, das Alleinvertriebsrecht zugestanden. Sie habe eine Mindestabnahmeverpflichtung gehabt. Ihr gegenüber hätten Überwachungs- und Kontrollrecht des Klägers bestanden. Sie sei gegenüber dem Kläger berichtspflichtig gewesen. Die Beklagte zu 1) habe sich als "C-Anzeigenverwaltung" bezeichnet. Die Beklagten haben ferner die Rechtsauffassung geäußert, obwohl keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu 1) bestanden habe, nach Vertragsende den von ihr betreuten Kundenstamm an den Kläger zu übergeben, so reiche es für eine analoge Anwendung von § 89 b HGB doch aus, dass der Kundenstamm - nämlich Namen und Adressen der Kunden - dem Kläger tatsächlich bekannt geworden sei, so dass sich daraus die praktische Möglichkeit der weiteren Nutzung ergeben habe. Schließlich lasse sich dem Schriftwechsel der Parteien ab Herbst 1998 entnehmen, dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass die Beklagte zu 1) zum Jahresanfang 1999 verpflichtet sein sollte, dem Kläger alle Unterlagen zu übergeben, die es ihm ermöglichen würden, die Vorteile des Kundenstammes ohne Weiteres zu nutzen. Durch eine in dieser Korrespondenz konkludent zu erblickende Absprache, so haben die Beklagten gemeint, sei der Vertrag von 1979 geändert und um eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Übertragung ihres Kundenstammes auf den Kläger ergänzt worden. Endlich haben die Beklagten die Auffassung geäußert, die faktische Kontinuität des Kundenstammes erhebe sich vorliegend schon allein daraus, dass der Kläger bezüglich der von ihm vertriebenen Zeitschriften über eine Alleinstellung auf dem Markt im Bereich der Betriebsorganisation verfüge.
Die Höhe des Ausgleichsanspruchs - eine durchschnittliche Jahresvergütung - haben die Beklagten auf Grundlage der letzten fünf Jahre vor Vertragsende errechnet - wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Zusammenstellungen Bl. 45 und 79 d.A. und das Rechenwerk Bl. 40 d.A.. Einschließlich MWSt ergebe sich eine mittlere Jahresvergütung in Höhe der eingeforderten DM 167.087,71.
Ferner haben die Beklagten die Rechtsauffassung geäußert, der Beklagten zu 1) ständen Restforderungen für Anzeigenaufträge mit Erscheinungsdatum ab dem 01.01.1999 in Höhe von DM 65.703,10 zu (wegen der Einzelheiten vergleiche die Zusammenstellung Bl. 41 d.A.).
Mit dem von ihrem Gesamtanspruch in Höhe von DM 232.790,81 - nach erklärter Aufrechnung gegen die Klageforderung in Höhe von DM 92.844,92: noch verbleibenden Rest von DM 139.945,89 hat die Beklagte zu 1) Widerklage erhoben - und beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an sie DM 139.945,89 nebst 5 % Zinsen seit dem 16.02.1999 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Er hat hierzu, soweit die Widerklage sich auf § 89 b HGB stützt, die Argumentation vorgetragen, auf die er sich hinsichtlich der Aufrechnung gegen die Klageforderung bezogen hat. Eine Restforderung für nach 1.1.1999 erschienene Anzeigen stände der Bekl. zu 1) nach dem Vertrag nicht zu.
Mit Urteil vom 12.11.1999 hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Zwar scheide die direkte Anwendung von § 89 b HGB aus, da die Beklagt zu 1) kein Handelsvertreter gemäß § 84 HGB gewesen sei. Jedoch sei § 89 b HGB entsprechend anwendbar, da die Beklagte zu 1) wie ein Eigen - oder Vertragshändler zu behandeln sei. Nach der Rechtsprechung - das Landgericht hat sich auf das Urteil des BGH in NJW-RR 98, 42 bezogen - sei dem Eigenhändler ein Ausgleichsanspruch zuzubilligen, wenn zwischen ihm und dem Lieferanten ein Rechtsverhältnis bestehe, welches sich nicht in einer bloßen Käufer- Verkäufer-Beziehung erschöpfe, sondern der Eigenhändler auf Grund vertraglicher Abmachungen so weitgehend in die Absatzorganisation seines Lieferanten eingegliedert sei, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen habe und er ferner verpflichtet sei, bei Vertragsbeendigung seinem Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen. Zu den im Verhältnis der Parteien vorhandenen handelsvertretertypischen Vertragsbindungen zählten lnteressenwahrnehmungspflicht, Mindestbezugsverpflichtung und Richtlinienkompetenz des Herstellers. Die Einbindung der Beklagten zu 1) in die Absatzorganisation des Klägers zeige sich in § 2 des Vertrages, da Platzierungs- und spezielle Gestaltungswünsche der Beklagten zu 1) vom Kläger berücksichtigt würden, soweit diese im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung wirtschaftlich sinnvoll seien. Auch sei vereinbart, die Druckkosten in gemeinsamem Bemühen" so niedrig wie möglich zu halten. Hieran zeige sich die Einbeziehung der Beklagten zu 1) in gemeinschaftliche wirtschaftliche Zielsetzungen, während einem echten Eigenhändler die wirtschaftlichen Zielsetzungen seines Lieferanten gleichgültig sein könnten. Die Mindestvergütung von 400.000,-- DM entspreche einer Mindestbezugsverpflichtung. Schließlich ergebe sich eine Richtlinienkompetenz des Kl. daraus, dass er Anzeigen ablehnen könnte. Endlich habe der Kläger auch die Möglichkeit gehabt, den Kundenstamm der Beklagten zu 1) weiter zu nutzen. Dies ergebe sich aus § 8 des Vertrages, in dem der Kläger sich das Recht habe einräumen lassen, sich, bzw. an eine andere Anzeigenverwaltung, ab 4 Monate vor Ablauf des Vertrages bei potentiellen Anzeigenkunden als Nachfolger vorzustellen.
Schließlich hat das Landgericht der Beklagten zu 1) auch die Provision in Höhe von DM 65.703,10 für nach dem 01.01.1999 erschienene Anzeigen zugesprochen.
Gegen das ihm am 30. November 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.12.1999 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum 21.03.2000, mit bei Gericht am 17.03.2000 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Er wiederholt, vertieft und erweitert seine erstinstanzliche Argumentation. Er führt an, die vom Landgericht gezogene "doppelte Analogie" zum Handelsvertreterverhältnis sei rechtsfehlerhaft: Eine Eingliederung der Beklagten zu 1) in eine Absatzorganisation des Klägers gleich einem Handelsvertreter sei nicht gegeben gewesen, und zwar allein schon deswegen, weil der Kläger gar keine Absatzorganisationen habe. Die Beklagte zu 1) sei auch keinem Eigenhändler gleichzusetzen. Vielmehr habe der Kläger - gleichsam wie durch Verpachtung eines Unternehmensbereiches - sich etwa so wie ein Großunternehmen verhalten, welches seine Kantinen an ein Catering-Unternehmen verpachte. Alle vertraglichen Bestimmungen über eine Kooperation hätten lediglich dem gemeinsamen Interesse beider Vertragspartner an einem möglichst hohen Erlös aus dem Anzeigengeschäft entsprochen, was keineswegs typisch für einen Eigenhändlervertrag sei. Die Mindestvergütung sei im übrigen durch die Vertragsänderung 1995 zum Wegfall gekommen. Auch bei der Preisfestlegung sei die Beklagte zu 1) autonom gewesen; lediglich bei außergewöhnlichen Preisgestaltungen habe es ein Eingriffsrecht des Klägers gegeben, von dem in der Praxis indes nicht einmal Gebrauch gemacht worden sei. (Überwachungen, Kontrollen, Berichts- und Mitteilungsanforderungen habe der Vertrag nicht vorgesehen; sie seien auch nicht praktisch durchgeführt worden. Die Bezeichnung der Beklagten zu 1) als "C-Anzeigenverwaltung" habe lediglich symbolisiert, dass ihr das Anzeigengeschäft zur Gänze überlassen worden sei. Ferner betont der Kläger abermals, dass es keine rechtliche Verpflichtung zur Übertragung der Kundendaten gegeben habe. Eine faktische Kontinuität des Kundenstammes reiche nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus. Im übrigen habe der Kläger von der Beklagten zu 1) Kundenlisten oder Kundenstamm nicht erhalten, wie dies auch im Vertrag nicht vorgesehen gewesen sei. Nach Vertragsende seien lediglich das laufende Tagesgeschäft betreffende Druckunterlagen übergeben worden, nicht jedoch eine Kartei über den aktuellen Kundenstamm. Der Beklagten stehe es im übrigen nach wie vor frei, mit den von ihr geworbenen Kunden nach ihrem Belieben weiterhin Anzeigengeschäfte abzuwickeln.
Hinsichtlich der Restprovision für die in 1999 erschienen Anzeigen habe das Landgericht den Sachverhalt unzureichend erfasst und die Absprachen der Parteien falsch ausgelegt.
Erstmals zweitinstanzlich bestreitet der Kläger die Richtigkeit der geltend gemachten Höhe und die - seiner Meinung nach zu summarische - Berechnungsweise des Handelsvertreterausgleichsanspruchs in Höhe von DM 167.087,71. Die Beklagte zu 1) lege nicht dar, dass die behaupteten Umsatzzahlen auf von der Beklagten zu 1) gewonnenen Neukunden beruhten bzw. dass Geschäftsbeziehungen mit Altkunden entsprechend erweitert worden seien und sich hierdurch erhebliche Vorteile für den Kläger auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ergeben hätten. Diejenigen dauerhaften Kunden, welche die Beklagte zu 1) neu für den Kläger geworben haben wolle, seien im Klagevortrag nichtdargelegt, die aus diesen Kundenbeziehungen konkret resultierenden Vorteile nicht genannt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt Az. 1 O 139/99 vom 12.11.1999
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger DM 92.844,92 nebst 10 % Zinsen seit dem 20.01 .1999 zu zahlen,
2. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen im Wesentlichen ihre erstinstanzliche Argumentation bezüglich einer Einbindung der Beklagten zu 1) in die Absatzorganisation des Klägers. Das zweitinstanzlich neue Bestreiten der Höhe des geltend gemachten Ausgleichsanspruchs durch den Kläger sei verspätet. Vorsorglich berechnet die Beklagte zu 1) den Ausgleichsanspruch indessen neu (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. 175 d.A.).
Schließlich wiederholen die Beklagten ihre Argumentation zur Restprovision für die 1999 erschienenen Anzeigen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien sich bezüglich der Forderung der Beklagen zu 1) wegen verkauften Anzeigenraumes mit Erscheinungszeitpunkt nach dem 31.12.1999 durch einen Teilvergleich dahin geeinigt, dass der Kläger hierfür einen Betrag von € (€ ergänzt: die Red.)15.300,00 der Beklagten zu 1) zu schulden anerkannt hat. Sie haben vereinbart, dass in Höhe dieser Gegenforderung die Klageforderung durch Aufrechnung erlöschen solle (wegen der Einzelheiten dieses Vergleiches vgl. BI. 352 d.A.). Die Beklagten haben ferner erklärt, dass sie den Vergleichsbetrag primär und an erster Stelle zur Aufrechnung gegen die KIageforderung stellten, und erst danach den von ihnen geltend gemachten Anspruch gem. § 89 b HGB analog.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist, nachdem sich die Parteien über eine Schuld des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1) in Höhe von 15.300,00 EUR vergleichsweise geeinigt haben, im übrigen begründet. Das erstinstanzliche Urteil war, wie aus dem Tenor ersichtlich, abzuändern, der Klage im verbleibenden Umfang stattzugeben und die Widerklage abzuweisen.
Die Klageforderung in Höhe von DM 92.844,92 = EUR 47.470,85 ist unstreitig.
Ein über den vergleichsweise anerkannten Gegenanspruch in Höhe von EUR 15.300,00 hinausgehendes Aufrechnungsrecht steht dem Beklagten nicht zu.
Die Beklagte zu 1) hat keinen Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB. Sie ist nicht als Vertragshändler oder Eigenhändler anzusehen, dessen vertragliche Beziehung zum Kläger derart ausgestattet wäre, dass sie, die Beklagte zu 1), in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen gehabt hätte (vgl. zu den anzulegenden Kriterien die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zuletzt Urteil des VIII. Zivilsenats vom 12.01.2000, NJW 00, 1413 ff. m.w.N., ebenso Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 26.11.1997 NJW-RR 98, 390, des 1. Zivilsenats vom 02.07.1987, NJW-RR 88, 42 ff. m.w.N., auch OLG München, Urteil vom 08.01.1997, BB 97, 595 f., sowie ferner den die bis dahin neu ergangene Rechtsprechung zusammenfassenden Aufsatz von Thume in BB 98, 1425 ff., 1431).
Die Beklagte zu 1) ist nicht als Vertragshändler anzusehen. Für einen Händler ist es typisch, dass er gem. 433 ff. BGB fertige Ware kauft und weiter veräußert. Hingegen hat die Beklagte zu 1) vom Kläger dessen Anzeigenraum zur Verfügung gestellt erhalten, gleichsam also lediglich einen räumlichen "Rohstoff" für Anzeigen, und hat selbst vertragsgemäß Anzeigen für die von ihr geworbenen Kunden gestaltet. In einem vergleichbaren Fall (Urteil des 1. Zivilsenats vom 02.07.87, NJW-RR 1988, 42 ff., 44) hat der Bundesgerichtshof einen Ausgleichsanspruch entsprechend § 89 b HGB - zu Recht - verneint: Dieser Fall betraf einen Kfz-Händler, welcher Reparaturen mit vom Hersteller gelieferten Ersatzteilen vornahm. Der Bundesgerichtshof hat diese Reparaturtätigkeit zu Recht als eine vom Vertrieb unabhängige eigene gewerbliche Tätigkeit bezeichnet und die Anwendung der auf eine Vertriebstätigkeit bezogenen Bestimmung des § 89 b HGB für nicht sachgerecht erachtet. Ähnlich lagen vertragsgemäß die Dinge im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1): Die Beklagte zu 1) war bei der Vermarktung der Anzeigen völlig frei und konnte diese nach ihrem Gutdünken einwerben und gestalten; sie hatte sich lediglich an gewisse Mindestkriterien hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den redaktionellen Anforderungen des Klägers bei Platzierung und hinsichtlich des Inhaltes der Anzeigen zu halten. Auch war die Beklagte zu 1) - im Gegensatz zu einem Vertragshändler - nicht prinzipiell an Preisvorgaben des Klägers gebunden, sondern konnte die Anzeigenpreise frei selbst bestimmen, auch wenn, wie der Beklagten natürlich einzuräumen ist, dies (selbstverständlich) nur "im Rahmen der jeweiligen Marktentwicklung" möglich war.
Ferner liegen weitere Kriterien, die die Rechtsprechung für einen Anspruch entsprechend § 89 b HGB aufstellt, nicht vor. Die Beklagte zu 1) war nicht in eine Absatzorganisation des Klägers eingebunden. Der Kläger hatte zum streitbefangenen Zeitraum, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, gar keine "Absatzorganisation" zur Vermarktung seines Anzeigenraumes.
Zudem war die Beklagte nicht, wie dies vertretertypisch wäre, verpflichtet, die Interessen des Klägers als des "Herstellers" wahrzunehmen. So ist im für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien konstituierenden Vertrag nicht davon die Rede, dass es der Beklagten zu 1) verboten war, Anzeigen "ihrer" Kunde auch in anderen Periodika zu publizieren. Im Gegenteil sah § 1 des Vertrages zwischen den Parteien vor, dass lediglich der Kläger kein eigenes oder kein weiteres Anzeigengeschäft betreiben durfte. Somit konnte sich die Beklagte zu 1) - und das ist entscheidend anders als bei einem in die Absatzorganisation des Hersteller eingebundener Eigenhändler - dafür entscheiden, eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen und die Anzeige eines von ihr geworbenen Kunden statt in eine Zeitschrift des Klägers in ein anderes Publikationsorgan zu platzieren. Schließlich hatte die Beklagte zu 1) nach den zwischen Parteien bestehenden vertraglichen Verpflichtungen sich nicht in einer nach außen erkennbaren Weise in die Absatzorganisation eines Herstellers einzugliedern.
Schließlich enthalten auch die vertraglichen Verpflichtungen über eine Rücksichtnahme der Beklagten zu 1) auf die Interessen des Klägers keine Hinweise auf eine Eingliederung in eine Absatzorganisation: Sie sind zurückhaltend vereinbart und umfassen bei genauer Betrachtung nicht mehr, als die vertragsrechtlich selbstverständliche, zwischen Vertragsparteien stets aus Treu und Glauben entstehende Verpflichtung, den Vertragszweck nicht zu vereiteln. Überwachungs- und Kontrollrechte des Klägers sind in diesem Zusammenhang nicht vereinbart.
Endlich war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, dem Kläger ihren Kundenstamm in einer Weise zu überlassen, dass der Kläger sich dessen Vorteile sofort und ohne weiteres nutzbar machen könnte (vgl. zu dieser Voraussetzung einer entsprechenden Anwendung von § 89 b HGB die ständige Rechtsprechung, hier zitiert nach den zahlreichen Nachweisen im Urteil des OLG Saarbrücken vom 23.09.1998, NJW-RR 1999,106 f.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) sieht § 8 Abs. 2 des Vertrages keine Verpflichtung zur Übergabe eines Kundenstammes vor. Dort steht lediglich, dass der Kläger das Recht hat, sich 4 Monate vor Ablauf des Vertrages bei potentiellen Anzeigenkunden als Nachfolger der Beklagten 1) vorzustellen (bzw., was sich hieraus ergibt eine von ihm beauftrage Firma sich als Nachfolgerin vorstellen zu lassen). Die Beklagte zu 1) hat schließlich dem Kläger nach Vertragsende auch keine Kundenkartei übergeben oder sonstigen Kundenstamm übertragen. Eine in diesem Zusammenhang von der Beklagten zu 1) vorgelegte Zusammenstellung (wegen der Einzelheiten vgl. Bl. 91 d.A.) bestätigt lediglich den Klägervortrag, dass damals nur auf das Tagesgeschäft bezogene Unterlagen von wenig mehr als vorübergehende und vergleichsweise geringer Bedeutung übergeben wurden, nicht aber eine Kundenkartei.
Schließlich ist der Vortrag der Beklagten zu 1) unsubstantiiert und zudem rechtlich ohne Bedeutung, der Kläger habe quasi ein Monopol und bleibe schon deswegen im Besitz aller von der Beklagten zu 1) für ihn geworbenen Kunden. Die Beklagte zu 1) unterlässt es, in diesem Zusammenhang konkrete Angaben, insbesondere zu anderen auf diesem Gebiet tätigen Zeitschriften, deren Verbreitung und Auflagenzahlen, zu machen. Auch gefährdet die Beklagte zu 1) mit diesem Vortrag die Schlüssigkeit ihrer eigenen Argumentation: Wenn denn tatsächlich auf diesem Geschäftsfeld nirgends anders als in den Periodika des Klägers inseriert werden könnte, worin bestände dann der dauerhafte Vorteil, der dem Kläger aus der werbenden Tätigkeit der Beklagten zu 1) zugewachsen wäre und der allein es ist, der nach § 89 b HBG ausgleichspflichtig wäre.
Schließlich hat - und auch dieser Umstand für sich allein betrachtet ist bereits ausreichend, den klägerischen Anspruch aus § 89 b HGB analog zu Fall zu bringen, - die Beklagte zu 1) dem Kläger kein Informationsmaterial übergeben, welches die Übergabe eines Kundenstammes darstellte. Das Anzeigenkonvolut Bl. 181- 237 d.A. ist insoweit ohne Bedeutung, da ihm auch nicht in Ansätzen zu entnehmen ist, welcher Kunde im Laufe der Zeit wie viel und wie oft bestellt hat und wie sich die verschiedenen Kundenbeziehungen im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Schließlich scheitert der klägerische Anspruch zudem an den folgenden, hier nur noch zu streifenden Bedenken:
Es fehlt jeder Vortrag der Beklagten zu 1) dazu, warum sie, die Beklagte zu 1); eine volle Jahresvergütung und damit den Höchstsatz als Ausgleich gem. § 89 b HGB verlangt. Ferner sagt die Beklagten zu 1) nichts dazu, woraus es sich ergeben soll, dass vorliegend die Zahlung eines Ausgleichs entsprechend § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB der Billigkeit entsprechen soll.
Auf die Provisionsansprüche der Beklagten zu 1) für die nach der Kündigung in 1999 geschaltete erscheinende Anzeigen ist im Hinblick auf den geschlossenen Teilvergleich nicht mehr einzugehen.
Nach alledem war der Klage stattzugeben, soweit die Klageforderung nicht durch die vergleichsweise zwischen den Parteien geltende Gegenforderung wegen Anzeigenprovisionen für ab 01.01.1999 erschienenen Anzeigen durch Aufrechnung erloschen ist.
Die Widerklage war aus denselben Gründen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus, soweit zu Lasten des Klägers entschieden worden ist, aus §§ 91, 97 und 98 ZPO. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten beider Beklagter in dem Umfang zu tragen, in welchem er durch Teilvergleich unterlegen ist.
Die übrigen erst- und zweitinstanzlichen Kosten haben die Beklagten zu 1) und 2) nach § 91 ZPO nach dem Maße ihres jeweiligen Unterliegens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, die über die Abwendungsbefugnis auf § 711 ZPO.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechtes (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zuzulassen. Vorliegender Fall kann durchaus Veranlassung geben, die bisherige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung von § 89 b HGB vertiefend zu überprüfen und gffls. zu ergänzen.
Ende der Entscheidung
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