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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: 13 U 66/01
Rechtsgebiete: GWB, ZPO, BGB, LAO, RVO-DLV
Vorschriften:
GWB § 20 | |
GWB § 33 | |
ZPO § 511 | |
ZPO § 511a | |
ZPO § 516 | |
ZPO § 518 | |
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 | |
ZPO § 546 Abs. 2 | |
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 1004 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 823 | |
BGB § 241 | |
LAO § 1 | |
RVO-DLV § 85 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 18.04.2001
In dem Rechtsstreit
wegen Wettkampfsperre.
Der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2001 durch die Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 21.03.2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Verfügungskläger zu tragen.
Tatbestand:
Der Verfügungskläger, nachstehend nur noch als Kläger bezeichnet, ist ein international bekannter deutscher Athlet und gehörte bis vor kurzem dem Verein TSV Bayer 04 Leverkusen an, welcher wiederum Mitglied im Leichtathlektikverband Nordrhein ist. Derzeit ist der Kläger Mitglied der Leichtathletikvereinigung Tübingen (LAV Tübingen), welche wiederum Mitglied im Württembergischen Landesverband (WLV) ist. Der Verfügungsbeklagte, nachstehend nur noch als der Beklagte bezeichnet, ist die Vereinigung der deutschen Leichtathletiklandesverbände. Die einzelnen nationalen Landesverbände haben sich ihrerseits zusammengeschlossen in der International Amateur Athletic Federation (IAAF) mit derzeitigem (seit 1993) Sitz in Monaco.
Der Kläger schloß zu einem nicht aktenkundig gemachten Zeitpunkt mit dem Beklagten eine Athletenvereinbarung 1999/2000" ab, die nach ihrem Wortlaut (Ziffer 7) zum 31. Dezember 2000 auslief und auf deren Inhalt Bezug genommen wird. In dieser Vereinbarung erkannte der Kläger zu Ziffer 2 für sich als verbindlich an - die Regelung der Beklagtensatzung in jeweils gültiger Form, - die Regelung der Internationalen Wettkampfbestimmungen (IWB), die im wesentlichen die deutschsprachige Übersetzung der Regeln der IAAF sind, in jeweils gültiger Fassung, - die Regelung der Deutschen Leichtathletikordnung (LAO) in der jeweils gültigen Fassung, - die Regelung der Rechts- und Verfahrensordnung (RVO) des Beklagten (abgekürzt auch als DLV) sowie die Dopingbestimmungen des Deutschen Sportbundes und die IAAF-Bestimmungen einschließlich der Verfahrensrichtlinien für Dopingkontrollen in der jeweils gültigen Form.
Für den Fall, daß die Vorschriften sich widersprechende Regelungen enthalten, sollte die DLV-RVO allen anderen Regelungen vorgehen. Unter Ziffer 5 Vertragsverletzung" der vorstehend in Bezug genommenen Vereinbarung heißt es in Absatz 3 Ahndungen durch die IAAF, DSB, NOK oder andere Sportorganisationen bleiben von dieser Vereinbarung ebenfalls unberührt."
Bei dem Kläger wurden am 19.10. und 12.11.1999 Trainingsdopingkontrollen durchgeführt, welche sich als positiv herausstellten. Der Beklagte leitete hieraufhin gegen den Kläger ein Dopingverfahren ein. Die Anti-Dopingkommission des Beklagten (ADK) beschloß am 19. November 1999, den Kläger aufgrund der beiden positiven A- Probeanalysen zu suspendieren. Gelegentlich einer Hausdurchsuchung bei dem Kläger wurden in dessen Haus eine Zahnpastatube der Marke Elmex sichergestellt, die die Substanz Norandrostendion, ein Vorläufer von Nondralon, enthielt. Am 17.12.1999 wurde im Hause des Klägers ein mit Norandrostendion versetzte weitere Zahnpastatube der Marke Signal gefunden. Der Kläger erstattete bei der Staatsanwaltschaft Tübingen Strafanzeige gegen Unbekannt. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich ohne Täterermittlung eingestellt.
Parallel hierzu beantragte der Kläger beim Präsidium des Beklagten, seine Suspendierung aufzuheben, hilfsweise zu unterbrechen. Der Kläger bestritt - und bestreitet noch immer -, daß er wissentlich verbotene Substanzen zu sich genommen habe und ging - wie auch jetzt noch - von einem gegen ihn gerichteten Anschlag aus und bezeichnete/bezeichnet sich selbst als Dopingopfer.
Auch in Ansehung der Klägereinlassung bejahte das Präsidium des Beklagten einen dringenden Tatverdacht, ordnete die Fortdauer der durch die ADK ausgesprochenen Suspendierung an und beantragte mit Schriftsatz vom 28.01.2000 bei seinem Rechtsausschuß (nachstehend auch als nationales Verbandsgericht bezeichnet), den Kläger schuldig eines Dopingsverstoßes" zu sprechen und ihn zu einer Wettkampfsperre von zwei Jahren zu verurteilen. Das Vereinsgericht trat in die Beweisaufnahme ein.
Parallel hierzu versuchte der Kläger im Wege einstweiliger Verfügungsverfahren durch ein staatliches Gericht zu erreichen, daß die gegen ihn verhangene vorläufige Wettkampfsperre aufgehoben werde. Den zweiten einstweiligen Verfügungsantrag mit diesem Ziel wies das Landgericht Darmstadt mit seiner Entscheidung vom 4. Mai 2000 zurück. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel wies der erkennende Senat mit Urteil vom 18. Mai 2000, auf dessen Inhalt verwiesen wird, ebenfalls zurück. In dem Urteil setzte sich der Senat mit dem Verhältnis der Vereinsautonomie zur staatlichen Vereinsaufsicht auseinander und machte umfangreiche Ausführungen zu den Voraussetzungen, unter denen eine einschneidende Vereinsstrafe (Vertragsstrafe) verhängt werden darf. Er führte dort unter anderem aus, daß nach deutschem Rechtsverständnis eine Vereinsstrafe (Vertragsstrafe), zumindest wenn es sich um eine folgenschwere oder mit einem Unwerturteil verbundene Sanktion handelt, Verschulden voraussetzt und hat darauf hingewiesen, daß die Doktrin der strict liability" (strenge Haftung), worunter verstanden wird, daß weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit erforderlich ist, um eine Haftung zu begründen, die den IAAF-Dopingregeln zugrunde liegt, auch international sehr umstritten ist. Der Senat vertrat - und vertritt - die Rechtsauffassung, der sich zunehmend Stimmen im Schrifttum angeschlossen haben, daß eine positive Urinprobe den Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Dopingverstoß begründet und es dann am Sportler liegt, diesen Anscheinsbeweis nachhaltig zu erschüttern. Gelingt ihm dies, muß der Sportverband das Verschulden des Sportlers nachweisen. Wörtlich führte damals der Senat aus:
Eine Sanktion ohne individuelles Verschulden - soweit es nicht um eine Disqualifikation in einem konkreten Wettkampf geht - ist nicht rechtmäßig und kann, wenn sie denn von einem Verbandsgericht unter solchen Umständen verhängt we rden sollte, keinen Bestand haben."
Mit Beschluß vom 13. Juli 2000, auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird, wies das nationale Verbandsgericht (Rechtsausschuß des Beklagten) den Antrag dessen Präsidiums auf Verhängung einer zweijährigen Wettkampfsperre gegen den Kläger zurück und führte dort unter anderem zur Begründung aus, entsprechend den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfe sich niemand auf den Grundsatz des Anscheinsbeweises berufen, wenn er die Gegenpartei schuldhaft in der Möglichkeit beschneide, den Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu widerlegen. So verhalte es sich in dem zur Beurteilung anstehenden Fall, weil der Kläger vermeidbar und dem Beklagten zurechenbar in seiner Beweisführung, es läge zu seinem Nachteil eine Fremdmanipulation vor, beeinträchtigt worden sei, denn die Urinproben seien nicht gekühlt transportiert und gelagert worden, weshalb nicht mehr eindeutig festgestellt werden könne, ob die Ausgangssubstanz ausschließlich Norandrostendion gewesen sei oder nicht.
Der internationale Dachverband - die IAAF - hielt die nationale Entscheidung des Beklagten für nicht richtig. Mit Beschluß vom 2. August wurde das internationale Verbandsgericht - bezeichnet als IAAF-Panel - gemäß der IAAF Regel 21.3 (i.i.) angerufen, was zur Folge hat, daß förmliche Verfahrensbeteiligte dort nur der internationale und der nationale Verband sind, nicht aber der Athlet selbst.
Der Kläger erwirkte bei dem Landgericht Stuttgart am 30. August 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages im Wege der einstweiligen Verfügung einen Beschluß (zu Aktenzeichen 17 O 460/00), wonach dem internationalen Dachverband gemäß §§ 20, 33 GWB untersagt wurde, gegen den Kläger bis zum Ende der Olympischen Spiele 2000 in Sydney eine Wettkampfsperre auszusprechen, es sei denn, daß die strict liability-Regel (Verhängung von Sanktionen ohne Verschuldensfeststellung) nicht angewendet und der Antragsteller (gemeint ist der Kläger) zuvor vom Schiedsgericht (in hiesiger Terminologie Verbandsgericht) förmlich angehört wird".
Das internationale Verbandsgericht (IAAF-Panel) verhandelte die Rechtssache vom 14. bis 16. September 2000 in Sydney und erklärte in seinem Urteil vom 18. September 2000 den Kläger ab dem 16. September 2000 für nicht startberechtigt, weil er mit einer zweijährigen Wettkampfsperre zu belegen sei, wobei die Zeit seiner Suspendierung von 7 Monaten und 3 Wochen (19.11.1999 bis 13.07.2000) bei der Zeitberechnung in Abzug zu bringen sei. Auf die Entscheidungsgründe wird wegen der weiteren Einzelheiten ausdrücklich Bezug genommen. Der Kläger rief hieraufhin mit Schriftsatz vom 20. September 2000 den Court of Arbitration for Sport (CAS) Ad Hoc Division Sydney Olympic Games - mit dem Ziel an, daß er trotz der von der IAAF ausgesprochenen Sperre, welche rechtswidrig und von einem unzuständigen Gericht ausgesprochen worden sei, für die Olympischen Spiele Sydney startberechtigt sei. Am 22. September 2000 traf der CAS seine die klägerischen Anträge abweisende Entscheidung (Final Award) nach mündlicher Verhandlung am 21. September 2000. Auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls ausdrücklich Bezug genommen.
Der Beklagte beschloß auf seiner Sitzung am 4. November 2000, keine rechtlichen Schritte in Sachen des Klägers gegen die IAAF einzuleiten; zuvor war bereits der Kläger vom Vorsitzenden des Bundesausschlusses Wettkampforganisation im DLV unter anderem der Deutsche Meistertitel 2000 aberkannt worden.
In der Folgezeit schloß sich zwischen den Prozeßparteien ein weiteres verbandgerichtliches Verfahren an, in dessen Zuge der Vorsitzende des Rechtsausschusses mit Zustimmung der Beisitzer am 22. Dezember 2000 eine Verfügung erließ, in welcher unter anderem ausgeführt wird, daß die IAAF in Sachen des Klägers keine Entscheidungskompetenz gehabt habe, da das deutsche Verbandsgericht bereits selbst die Sache gewertet habe. Wegen der rechtsstaatsfeindlichen Haltung" der IAAF sei die Herbeiführung einer Entscheidung von einem rechtsstaatlichen zivilgerichtlichen Verfahren für beide Seiten (gemeint sind die Prozeßparteien) empfehlenswert".
Mit bei dem Landgericht Darmstadt am 6. Februar 2001 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm die Teilnahme an den Deutschen Hallenmeisterschaften vom 24./25. Februar 2001 in Dortmund, bei den Deutschen Crossmeisterschaften am 3./4. März 2001 in Regensburg sowie beim 16. Hansaplast-Marathon am 22. April 2001 in Hamburg zu untersagen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Zur umfänglichen Begründung seines Antrages hat der Kläger im wesentlichen unter anderem folgende Punkte angesprochen:
a) Die IAAF-Wettkampfsperreentscheidung sei rechtswidrig, da nur bei Dopingverstößen im internationalen Bereich eine Entscheidungskompetenz des internationalen Dachverbandes gegeben sei;
b) Er sei weder formal noch materiell an dem internationalen verbandsgerichtlichen Verfahren in Sydney beteiligt gewesen. Das IAAF Arbitration Panel sei kein Schiedsgericht und unterliege als Vereinsgericht staatlicher Gerichtskontrolle;
c) Der Beschluß des Vorsitzenden des DLV-Rechtsausschusses, wonach ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung die Startberechtigung für die Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund gegeben worden sei, sei durch den Beschluß des Vorsitzenden des 24. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Frankfurt für vorläufig vollstreckbar erklärt worden;
d) Nach der deutschen Verbandsgerichtsentscheidung vom 13. Juli 2000 stehe endgültig fest, daß er keinen schuldhaften Dopingverstoß begangen habe, weshalb kein Gericht mehr von einem schuldhaften Dopingverstoß ausgehen dürfe. Die IAAF habe die Entscheidung des Rechtsausschusses des Beklagten nicht aufheben dürfen. Nach seiner Athletenvereinbarung sei die RVO, DLV vorrangig;
e) Die IAAF-Entscheidung sei rechtsstaatswidrig und daher unbeachtlich;
f) In sein grundrechtlich geschütztes Recht der Berufsausübung und der Berufswahl werde in rechtswidriger Weise eingegriffen, wenn es auch in Deutschland bei der Wettkampfsperre verbleiben werde.
Der Beklagte ist den Anträgen des Klägers entgegengetreten und hat seinerseits zur Verteidigung im wesentlichen vorgetragen, daß er gemäß Regel 20.2 der IAAF-Satzung an die IAAF-Entscheidung gebunden sei, auch wenn der Kläger nach seinem Rechtsverständnis an dem IAAF-Panel-Verfahren hätte förmlich beteiligt werden müssen und im Fall, daß der Kläger starten dürfe, den Mitwettkämpfern selbst ein Startverbot gemäß Regel 53.1. (i.i.) drohe. Er, der Beklagte, habe eine Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Athleten. Unabhängig von der Bindungswirkung der IAAF-Entscheidung könne der Kläger auch keinen Anspruch aus der ausgelaufenen Athletenvereinbarung herleiten, weil nach dem Rechtsverständnis der IAAF deren eigene Entscheidung die nationale Entscheidung ersetze.
Der Kläger hat die Rechtssache teilweise für erledigt erklärt (betrifft die Veranstaltungen in Dortmund und Regensburg).
Mit am 21. März 2001 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt den Antrag des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, es fehle zunächst an einem hinreichenden Vortrag des Klägers dazu, daß der Beklagte seine Teilnahme am Hansaplast-Marathon in Hamburg zu untersagen beabsichtige. Auch wenn der Beklagte nicht Ausrichter des Marathonlaufes sei, sei er gleichwohl passivlegitimiert, weil der Veranstalter die Teilnahmeberechtigung des Klägers davon abhängig mache, daß eine internationale und nationale Startberechtigung des Klägers bestehe. Die Bescheinigung einer nationalen Startberechtigung sei vor dem Hintergrund der Frage einer wirksamen Sperre wegen eines Dopingverstoßes dem Beklagten vorbehalten. Wenn der Kläger auch keine vertraglichen Ansprüche aus der Athletenvereinbarung 1999/2000 gegen den Beklagten herleiten könne, so habe er doch gegen ihn einen Anspruch auf Gleichbehandlung und Förderung, denn auch für 2001 bestehe zwischen den Parteien eine mitgliedschaftliche Verbindung, welche vermittelt werde durch den Heimatverein und den Landesverband. Aus dieser Verbindung folge für den Beklagten, daß er die sportlichen Teilnahmerechte des Klägers gleich mit den Teilnahmerechten der anderen Athleten zu behandeln habe und auch, daß der Beklagte gehalten sei, den Kläger als Berufsathleten im Rahmen der eigenen Satzungsaufgaben zu fördern. Dieser Verpflichtung des Beklagten stehe ein abgeleitetes mitgliedschaftliches Recht des Klägers als absolutes Recht gegenüber, dessen Verletzung für den Kläger einen Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB entstehen lasse. Die Kammer habe nicht zu prüfen gehabt, ob der internationale Verband den Beklagten wirksam binden könne, weil nach der in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung sie, die Kammer, zur Auffassung gelangt sei, daß der Beklagte nicht in der Lage sei, dem Kläger ein nationales Startrecht zu bescheinigen, ohne gleichzeitig seine Verpflichtung gegenüber anderen Athleten zu verletzen. Der Beklagte befinde sich in einer Konfliktsituation, die ihn zur Pflichtenerfüllung unter wechselseitiger Abwägung der einzelnen Rechte verpflichte. Die Gewährung eines nationalen Startrechtes für den Kläger durch den Beklagten oder die ungehinderte Zulassung zur Veranstaltung würde eine weitreichende Sperre aller übrigen teilnehmenden Athleten durch den internationalen Verband zur Folge haben.
Gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Kläger form- und fristwahrend Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt eingelegt.
Die Prozeßparteien vertiefen in ihren Argumentationen vor dem Berufungsgericht ihre jeweiligen Rechtsstandpunkte, wobei der Kläger im besonderen darauf hinweist, daß nach der unanfechtbaren und rechtskräftigen Entscheidung des allein zuständigen deutschen Verbandsgerichtes er, der Kläger, das Recht habe, seinen Beruf als Sportprofi auszuüben und an Wettkämpfen teilzunehmen. Die Willkürentscheidung" der IAAF als eines privatrechtlich organisierten Monopolverbandes müsse für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung sein. Die ausgelaufene Athletenvereinbarung habe jedenfalls die aktuelle und zwingende Wirkung dahin, daß die Sperreentscheidung der IAAF vom 18. September 2000 in jeder Hinsicht hinter die Freispruchentscheidung vom 13. Juli 2000 zurückzutreten habe.
Nach gegebenen gerichtlichen Hinweisen beantragt der Kläger zuletzt,
unter Abänderung des am 21. März 2001 verkündeten Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt den Beklagten zu verurteilen, dem für ihn, den Kläger, zuständigen Württembergischen Landesverband mitzuteilen, daß keine Bedenken gegen die Erteilung eines Startpasses an ihn bestehen, und bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen, seine Startberechtigung zu untersagen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die gemäß §§ 511, 511a, 516, 518 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist in der Sache letztlich unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war. Dem Kläger steht kein Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz im begehrten Umfang zu.
Der Kläger begehrt in der Sache eine Leistungsverfügung, denn der Beklagte soll zu einem positiven Tun - Mitteilung an den Württembergischen Landesverband, daß keine Bedenken gegen die Erteilung eines Startpasses für den Kläger bestehen - angehalten werden. Die Leistungsverfügung ist von der deutschen Rechtsprechung neben den beiden im Gesetz selbst geregelten Grundtypen der einstweiligen Verfügung, nämlich der Sicherungsverfügung im Sinne des § 935 ZPO und der Regelungsverfügung im Sinne des § 940 ZPO, herausgebildet worden. Sie führt zur vorläufigen Befriedigung des Gläubigers, weshalb hier darzulegen und glaubhaft zu machen ist, daß der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist. Der Verfügungsanspruch muß bei dieser Art der einstweiligen Verfügung besonders streng geprüft werden (vgl. in diesem Sinne Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, Rn 6 zu § 940).
Der Senat hat bereits in seiner vorzitierten Entscheidung vom 18. Mai 2000 zu Aktenzeichen 13 W 29/2000 ausgeführt, daß einerseits im deutschen Rechtskreis im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen gegen den Erlaß einer Leistungsverfügung im Sportbereich keine durchgreifenden Bedenken bestehen, andererseits aber deshalb strenge Anforderungen an die Annahme, daß dem Verfügungskläger eine vorweggenommene Anspruchsbefriedigung aus besonderem Grunde nicht versagt werden darf, gestellt werden müssen, weil dem Schuldner nur aufgrund eines summarischen Verfahrens die Erbringungen von Handlungen oder Vermögensopfern auferlegt werden, die später in der Regel nicht, jedenfalls aber nicht vollständig rückgängig gemacht werden können.
Wenn auch der Senat einen Verfügungsgrund im vorbeschriebenen Sinn bejaht - insoweit dürfte er mit dem Landgericht einig gehen -, so vermag er auf Grundlage des ihm unterbreiteten und glaubhaft gemachten Sachverhaltes keinen begründeten Verfügungsanspruch festzustellen, worunter ein subjektives Recht des Klägers zu verstehen ist, dessen Verwirklichung durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll, wobei mögliche im GWB wurzelnde Ansprüche (vgl. §§ 20, 33 GWB) mangels Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichtes (vgl. § 95 GWB) nicht mit in die Betrachtung einzubeziehen waren.
Zumindest nach der in der Berufungsinstanz erfolgten Klarstellung dessen, was tatsächlich klägerseits begehrt wird, dürfte die vom Landgericht noch herangezogene Anspruchsgrundlage des § 1004 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB nicht mehr zur Rechtfertigung des klägerischen Begehrens in Betracht kommen, auch wenn im Schärenkreuzerfall der Bundesgerichtshof (Urteil des II ZS vom 12. März 1990, abgedruckt in Bd. 110, S. 323 ff der amtlichen Entscheidungssammlung) die Vereinsmitgliedschaft als ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB qualifiziert hat, weshalb es keines näheren Eingehens auf die Rechtsfrage bedarf, ob der Kläger, obwohl nicht selbst Mitglied bei dem Beklagten, sich ihm gegenüber auf Mitgliedschaftsrechte überhaupt berufen kann.
Nach Auffassung des Senats kann der Kläger sein Begehren allein auf § 1 LAO i. V. m. § 241 BGB stützen, da für das Jahr 2001 vertragsrechtliche Ansprüche ausscheiden. Die Athletenvereinbarung 1999/2000, die vertragsrechtliche Beziehungen zwischen den Prozeßparteien begründete und regelte, war nämlich gemäß Ziffer 7 zeitlich bis zum 31. Dezember 2000 befristet und entfaltet auch keine noch nachwirkenden Rechtswirkungen des Inhaltes, daß hieraus der Kläger Ansprüche auf aktive Teilnahme an Sportveranstaltungen herleiten könnte.
An der vorangegangenen Feststellung ändert auch nichts die Aufnahme des Klägers in den Sondertrainingskontrollkader (ST-Kader) des Beklagten. In diesem Kader werden nämlich sowohl die Leichtathleten aufgenommen, die möglicherweise aufgrund des gezeigten Leistungsbildes demnächst in den Bundeskader aufgenommen werden können, als auch solche Athleten, die wegen eines Dopingverstoßes gesperrt sind, um sie einer ständigen Dopingkontrolle zu unterziehen. Der Kläger hat sich deshalb auch allein und ausschließlich erneut den relevanten Dopingbestimmungen unterworfen, was es erst dem Beklagten ermöglicht, den Kläger einer Dopingkontrolle zu unterziehen. Der klägerischen Rechtsauffassung, daß die Aufnahme in den ST-Kader zugleich für den Beklagten die Annex-Verpflichtung begründet, den Kläger in den Bundeskader aufzunehmen und mit ihm eine Athletenvereinbarung abzuschließen, ist nicht beizutreten, weil diese Betrachtungsweise der zwischen den Prozeßparteien unstreitigen und oben näher dargestellten Funktion des ST-Kaders nicht gerecht wird. Ein wegen Dopingverstoße gesperrter Athlet kann gerade nicht in den Bundeskader aufgenommen werden, muß aber in den ST-Kader aufgenommen werden (vgl. Regel 57 Ziffer 5 IWB), wenn zu erwarten steht, daß der Athlet nach Ablauf der Wettkampfsperre sich wieder an Wettkämpfen beteiligen will.
Gemäß § 1 LAO sind alle Mitglieder eines Leichtathletikvereins, der Mitglied in einem Landesleichtathletikverband ist, der wiederum seinerseits Mitglied beim Beklagten ist, berechtigt, an Leichtathletikveranstaltungen nach den Bestimmungen der LAO teilzunehmen. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind in der Person des Klägers erfüllt, denn er ist, wie oben bereits ausgeführt, (derzeit) Mitglied in der Leichtathletikvereinigung Tübingen, die Mitglied im Württembergischen Landesverband ist. Der WLV ist wiederum Mitglied bei dem Beklagten. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der LAV Tübingen begründet mithin seine Teilnahmerechte an Leichtathletikveranstaltungen, denen die Pflicht korrespondiert, ihm auch einen Startpaß zu erteilen; es sei denn, daß der Kläger wirksam mit einer Wettkampfsperre, die rechtlich als eine Vereinssrafe zu qualifizieren ist, belegt ist. Ob der Kläger rechtswirksam gesperrt ist, ist im Kern der alleinige Streitpunkt zwischen den Prozeßparteien. Während der Kläger sich auf die den Sperrantrag des Beklagten zurückweisende Entscheidung des deutschen nationalen Verbandsgerichtes vom 13. Juli 2000 beruft - wobei entgegen seines Vorbringens in diesem Verfahren dort nicht etwa positiv festgestellt worden ist, daß er keinen Dopingverstoß schuldhaft begangen habe, sondern vielmehr der damalige Beklagtenantrag nur aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen wurde -, fühlt sich der Beklagte an die internationale verbandsgerichtliche Entscheidung vom 18. September 2000, mit welcher der Kläger mit einer zweijährigen Wettkampfsperre belegt wurde, gebunden.
Der Senat geht nach derzeitigem Aktenstand von der Bindungswirkung der IAAF- Entscheidung vom 18. September 2000 aus mit der Folge, daß der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Teilnahme an Leichtathletikwettkämpfen hat. Ist dem aber so, ist der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht gegeben.
Daß IAAF-Entscheidungen den Beklagten binden, ergibt sich unmittelbar aus dem Satzungswerk. Regel 21 Ziffer 4 bestimmt nämlich the decision of the Arbitration Panel shall be final and binding on all parties, and on all Members of the IAAF, and no right of appeal will lie from the Arbitration Panel's decision. (Offizielle deutsche Übersetzung: Die Entscheidung des IAAF-Schiedsgerichts ist endgültig und für alle Parteien sowie alle IAAF-Mitgliedsverbände bindend; eine Berufung ist nicht zulässig.)
Der Beklagte ist Mitglied im IAAF (vgl. IAAF-Handbook 2000-2001, Seite 34).
Die IAAF ist ein privatrechtlich organisierter Verband, der nach der in Deutschland ganz herrschenden Sitztheorie dem Recht des Fürstentums Monaco untersteht; eine von jedem staatlichen Recht unabhängige lex sportiva gibt es nicht. Daß die in Rule 21 Ziffer 4 ausgesprochene Bindungswirkung der verbandsgerichtlichen Entscheidung gegen monegassisches Recht verstößt, ist von den Prozeßparteien nicht einmal ansatzweise dargetan worden. Die hier angesprochene grundsätzliche Bindungswirkung einer internationalen Entscheidung gegenüber einer nationalen Entscheidung und deren Bindungswirkung wiederum gegenüber der Entscheidung eines Landesverbandes und letztlich den Bindungswirkungen der Entscheidung eines Landesverbandes gegenüber der Entscheidung eines Ortsverbandes ist viemehr typisch für die hierarchische Organisationsstruktur des internationalen Leistungssportes (vgl. hierzu auch Pfister im Praxishandbuch Sportrecht, München 1998 Seite 9 ff.) und begegnet auch nach deutschem Rechtsverständnis keinen durchgreifenden Bedenken. Nicht zu entscheiden war in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Ausschluß der Klagemöglichkeit zu den ordentlichen Gerichten rechtmäßig ist oder nicht, wobei nach deutschem Rechtsverständnis der Ausschluß der Zivilklage bei schwerwiegenden Vertragsstrafen gesetzeswidrig ist (vgl. grundsätzlich zur Überprüfbarkeit verbandsgerichtlicher Entscheidungen auch das vorzitierte Senatsurteil vom 18. Mai 2000), da der Kläger in diesem Verfahren nicht die IAAF in Anspruch nimmt.
Wenn mithin die Entscheidung einer hierarchisch höher angesiedelten Instanz gegenüber der niedriger angesiedelten Instanz grundsätzlich bindend ist, so kann nur noch im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Bindungswirkung entfallen, wobei im vorliegenden Rechtsstreit es auf die rechtliche Bewertung der Bindungswirkung einer ausländischen Entscheidung gegen eine nationale Entscheidung ankommt. Nach Senatsauffassung ist alleiniger Prüfmaßstab hierfür die Vorgabe in Artikel 6 EGBGB (so auch Pfister a.a.O. Seite 433 ff., der indessen zwischen Verstoß gegen zwingendes Heimatrecht und ordre public allgemein unterscheidet), auch wenn es vordergründig nicht um die Anwendung einer ausländischen Rechtsnorm geht. Nach Artikel 6 EGBGB ist nämlich nur eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist. Artikel 6 EGBGB dient der Sicherung der inländischen öffentlichen Ordnung (ordre public), die auch durch die Normsetzung sozialmächtiger Verbände, zu denen der Beklagte ebenso wie die IAAF gehören, gestört sein kann, weshalb auch hier die in jedem entwickeltem Rechtssystem bekannte Vorbehaltsklausel Platz greifen muß, auch wenn sie grundsätzlich als Ausnahmevorschrift eng auszulegen" ist (vgl. zur engen Auslegung Palandt-Heldrich, BGB; 60. Aufl. 2001, Rn 4 zu Artikel 6 EGBGB). Hilfsweise begründet der Senat die vorliegende Anwendung des Artikel 6 EGBGB auch damit, daß die Verbandsregelung nur im Zusammenwirken mit der nationalen Rechtsordnung des Sitzstaates Geltung erreichen kann.
Der ordre public ist verletzt, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall in einem untragbaren Widerspruch zu grundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stünde (so die Definition bei Palandt-Heldrich a.a.O. Rn 5) bzw. die Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes, insbesondere mit den Grundrechten unvereinbart ist (so Pfister a.a.O. Seite 433; vgl. im übrigen auch Sonnenberger im Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1998, Rn 51 zu Artikel 6 EGBGB).
Der Senat hat unter diesem vorbeschriebenen Aspekt die klägerischen Argumente, weshalb die IAAF-Entscheidung vom 18. September 2000 null und nichtig sei und im übrigen gegen zwingende Rechtsregeln von (deutschem) verfassungsrechtlichen Rang verstoße, erwogen und ist zu dem Bewertungsergebnis gelangt, daß dies nicht der Fall ist, mit anderen Worten die Bindungswirkung der Wettkampfsperre nicht die deutsche Rechtsordnung nachhaltig verletzt. Hierzu im einzelnen:
1. Fehlende Entscheidungskompetenz
Der Kläger hat sich rechtswirksam in der Athletenvereinbarung 1999/2000 den IAAF- Statuten unterworfen, was letztlich der Kläger auch nicht bestreitet. Seine Rechtsargumentation geht in der Sache vielmehr dahin, daß vorliegend die IAAF-Regeln nur zurücktreten müßten aufgrund der unter Ziffer 2 Satz 2 getroffenen Rangfolge der Geltung der verschiedenen Rechtsgrundlagen, wonach - soweit hier relevant - die RVO- DLV den IAAF-Regeln im Falle abweichender Regelungen vorgeht. Der Senat, der den inhaltlichen Aufbau der Athletenvereinbarung, im besonderen im Hinblick auf das noch zu erörternde Verhältnis der Vertragsbestimmungen zu Ziffer 2 und Ziffer 5 zueinander, für nur wenig geglückt und transparent hält, sieht jedoch letztlich den klägerseits angenommenen Regelungswiderspruch nicht.
Richtig ist, daß die beiden zur Wettkampfsperre geführt habenden Dopingkontrollen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten stattgefunden haben und das deutsche Verbandsgericht nach § 85 Abs. 2 RVO-DLV auch in Dopingverfahren unanfechtbar" die Verhängung einer Wettkampfsperre abgelehnt hat. Aber: Nach Rule 21 Ziffer 3 (i.i.) where a Member has held a heraring under Rule 59, and the IAAF believes that in the conduct or conclusions of such hearing the Member has misdirected itself, or otherwise reached an erroneons conclusion (offizielle deutsche Übersetzung: wenn ein Mitgliedsverband eine Anhörung gemäß Regel 59 durchgeführt hat und die IAAF glaubt, daß sich der Mitgliedsverband bei der Durchführung der Anhörung und bei der daraus gezogenen Schlußfolgerung geirrt oder auf andere Weise eine falsche Schlußfolgerung gezogen hat) können dem internationalen Verbandsgericht Dopingfälle auch dann unterbreitet werden, wenn nach Auffassung des internationalen Verbandes der nationale Verband eine Fehlentscheidung getroffen hat. In diesem Verfahren nach Rule 21 Ziffer 2 (i.i.) sind nur der internationale und der nationale Verband beteiligt, nicht jedoch der Athlet, d. h. der Kläger. Hieraus jedoch den Schluß ziehen zu wollen, daß die IAAF keine eigene Sanktionskompetenz gegen den Athleten haben soll, sondern nur befugt wäre, eine Maßregel oder Verbandsstrafe gegen den nationalen Verband auszusprechen, hält der Senat vor dem Hintergrund des Gesamtregelwerkes und den ersichtlich verfolgten Zielsetzungen und letztlich auch unter Berücksichtigung der international geübten Rechtspraxis für nicht interessen und damit auch für nicht sachgerecht.
Eine interessengerechte Auslegung führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß die IAAF sich auch für Fälle des Dopingverstoßes, die in die Verantwortlichkeit eines Nationalverbandes fallen, eine eigene Sanktionskompetenz gegenüber dem Athleten vorbehalten hat. So wird nach der Rule 21 Ziffer 2 der IAAF-Satzung jedem Nationalverband aufgegeben, in seine Satzungen Bestimmungen aufzunehmen, daß alle Streitfälle zwischen dem Mitgliedsverband und dem Athleten dem Schiedsspruch nach IAAF zu unterwerfen sind. Unterläßt der Nationalverband, eine von der Sachlage her gerechtfertigte vorläufige Wettkampfsperre (sanction) zu verhängen, so kann der internationale Dachverband gemäß Rule 59 Ziffer 2 der IAAF-Satzung selbst das Verhalten des Sportlers sanktionieren. Hierbei ist letztlich auch zu berücksichtigen, daß die Satzung der IAAF nicht wie ein deutsches Gesetz ausgelegt werden kann. Weil es sich um ein selbst gesetztes Regelwerk handelt, kommt der Verbandshandhabung eine besondere Bedeutsamkeit zu.
Das internationale Verbandsgericht ist kein Rechtsmittelgericht im Sinne eines Instanzenzuges, weshalb die im deutschen Regelwerk getroffene Aussage, der Rechtsausschluß entscheidet in erster und letzter Instanz" (so § 6 Abs. 1 RVO-DLV) sowie unanfechtbar (vgl. § 85 RVO-DLV) ihre Richtigkeit haben. Der Rechtsausschuß des Beklagten entscheidet in der Tat nach den nationalen Regeln verbindlich; seine Entscheidungen sind nur durch staatliche Gerichte unter Beachtung der Vereinsautonomie überprüfbar. Wenn es aber um Dopingfälle geht, hat der internationale Dachverband eine originäre Entscheidungskompetenz, der sich der Kläger ebenfalls in dem Athletenpaß unterworfen hat. Dies ergibt sich nicht nur aus Ziffer 2 des Vertragswerkes, sondern im besonderen auch aus Ziffer 5, wonach Ahndungen durch die IAAF von dieser Vereinbarung (gemeint ist die Athletenvereinbarung) unberührt bleiben. Die Entscheidung des IAAF-Panels hebt formalrechtlich zwar nicht die Entscheidung des Rechtsausschusses des Beklagten auf, macht sie aber gegenstandslos.
2. Strict liability rule
Stützte sich die internationale Verbandsgerichtsentscheidung auf die Anwendung der strict liability rule, so wäre ihr - insoweit folgt der Senat der Rechtsargumentation des Klägers - in Deutschland jedwede Anerkennung zu versagen, weil nach deutschem Rechtsverständnis, insoweit auch die öffentliche Rechtsordnung prägend, keiner mit einem auch nur zeitweiligem Berufsverbot belegt werden darf, wenn ihm nicht auch ein persönlicher Schuldvorwurf gemacht werden kann.
Der Kläger trägt zwar vor, er sei allein aufgrund der beiden positiven Proben wegen mit der Wettkampfsperre von der IAAF belegt worden, aber dieses Vorbringen sieht der Senat als nicht ausreichend glaubhaft gemacht an. Alleinige Beurteilungsgrundlage insoweit ist in dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren die schriftlich abgesetzte Entscheidung des Arbitration Panel vom 18. September 2000. In ihr wird sich ausführlich mit der strict liability rule auseinandergesetzt. Das internationale Verbandsgericht geht ausdrücklich auf vermeintliche Widersprüche in den Rechtssystemen bezüglich des Beweisanforderungsprofiles ein und verweist auf die eigene Interpretation der strict liability rule (vgl. hierzu auch das Referat des ehemaligen Verbandsgerichtsvorsitzenden Lauri Tarasti vom 19. November 1997 auf dem internationalen Symposium für Sportrecht in Berlin). Zwar wird unter Ziffer 14 der Entscheidungsgründe gleichsam als Schlußfolgerung die Aussage getroffen, daß die strict liability rule anwendbar sei, aber unter Ziffer 16 der Entscheidungsgründe heißt es dann in einer abschließenden Beurteilung auch: It is to be noted that we have arrived at the above findings without having addressed our mind towards the application of the doctrine of strict liability to the facts in this case. (Sinngemäße Übersetzung des Vorsitzenden: Es ist anzumerken, daß das Gericht zu den zuvor getroffenen Feststellungen auch ohne Anwendung der Doktrin der strengen Haftung in Bewertung der Tatsachen in diesem Rechtsfall gelangt ist.),
Zuvor war ausdrücklich ausgeführt worden, daß ein vernünftiger Zweifel, der den prima Facie-Beweis zu erschüttern vermocht hätte, nicht habe dargetan werden können.
Mangels weiteren substantiierten und glaubhaft gemachten Vortrages kann die Entscheidung des IAAF-Panels in der in einem summarischen Prüfungsverfahren gebotenen Betrachtungsweise nur so verstanden werden, daß das internationale Verbandsgericht von einem schuldhaften Dopingverstoß ausgegangen ist, wobei das Verschulden des Athleten indessen nur vermutet wird. Die deutsche Rechtsordnung kennt die Rechtsfiguren des Anscheinsbeweises, der Beweislastumkehr und der Beweiserleichterung. Der Senat selbst sieht in Dopingfällen die Beweislastverteilung so, daß der positive Befund der A-Probe einen Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Dopingverstoß begründet, weshalb die verbandsgerichtliche Feststellung, der Kläger habe den ihn benachteiligenden prima Facie-Beweis nicht nachhaltig zu erschüttern vermocht, nicht der deutschen Rechtsordnung widerspricht, wobei, was hier hervorzuheben ist es, nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ob die Bewertung der Tatsachen durch das Verbandsgericht zutreffend ist oder nicht.
In diesem Zusammenhang ist seitens des Senats auch noch eine weitere Feststellung zu machen: Ausländische Rechtsordnungen, auch im europäischen Rechtskreis, kennen nicht unbedingt das deutsche Erfordernis, eine gerichtliche Entscheidung umfangreich zu begründen.
3. Rechtliches Gehör
Das vom Kläger vorgebrachte Argument, ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, ist nach Senatsauffassung sicherlich das schwerwiegenste. Beruht eine Entscheidung (möglicherweise) darauf, daß sie unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör getroffen wurde, so muß ihr in Deutschland die Anerkennung versagt bleiben. Die deutsche Rechtsordnung ist indessen in solchen Fällen nur dann nachhaltig gestört, wenn der Entscheidungsbetroffene gleichsam zu einem Objekt" gemacht wurde. Daß der Kläger nach den IAAF-Statuten kein förmlich Beteiligter war, ist mit den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen immerhin noch dann vereinbar, wenn er tatsächlich am Verfahren beteiligt war und ihm Parteirechte eingeräumt wurden. Hiervon ist nach Aktenstand und in Würdigung des Parteivorbringens in der mündlichen Verhandlung auszugehen, weshalb wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs der IAAF-Entscheidung nicht die Anerkennung versagt werden kann.
Dem Kläger war spätestens Mitte/Ende August 2000 bekannt, daß der gegen ihn im Raum stehende Dopingverstoß erneut auf internationaler Ebene untersucht werden sollte. Der Kläger erwirkte nämlich gegen die IAAF in diesem Zusammenhang sogar unter dem 30. August 2000 eine einstweilige Verfügung (wobei nicht aktenkundig ist, ob diese im Parteibetrieb fristwahrend der IAAF zugestellt worden ist), die im Kern jedoch dem internationalen Dachverband nicht die erneute Behandlung der Sache untersagte, sondern nur bei der Entscheidung die Anwendung der Doktrin der strengen Haftung. Mit Schreiben vom 7. September 2000 (zitiert in der Entscheidung des CAS vom 22.09.2000) teilte das internationale Verbandsgericht dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers mit, dieser habe das Recht, an der IAAF-Panel -Verhandlung teilzunehmen, Vortrag zu halten, Zeugen zu hören, Zeugen in Kreuzverhör zu nehmen und Beweisstücke zu untersuchen. Die dem Kläger eingeräumten Befugnisse machen im wesentlichen die Parteirechte in einem Verbandsverfahren aus. Am ersten Verhandlungstag nahm der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers auch an der IAAF-verbandsgerichtlichen Anhörung teil. Seinen verfahrensrechtlichen Anträgen wurde zwar nicht entsprochen, aber im Rahmen der Prüfung eines Sachverhaltes nach Artikel 6 EGBGB kommt es allein darauf an, daß dem Kläger durch das Verbandsgericht rechtliches Gehör gewährt worden war. Dem Kläger waren alle Vorwürfe und Fakten bekannt; ihm war die Möglichkeit eingeräumt worden, seine Sichtweise der Dinge vorzutragen. In diesem Zusammenhang ist vorsorglich anzumerken, daß ein Beweiserörterungsverfahren ausreichend ist und es nicht stets eines Beweiserhebungsverfahrens bedarf. Die erhobenen Beweise sind ersichtlich durch das internationale Verbandsgericht erörtert worden, denn mit ihnen setzt sich das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auseinander. Letztlich konnte der Kläger im Zeugenstand am letzten Verhandlungstag eindrucksvoll" - so der übereinstimmende Parteivortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - den Geschehensablauf aus seiner Sicht darstellen. Daß der Beklagte Tatsachen oder Beweise in dem internationalen verbandsgerichtlichen Verfahren etwa unterdrückt haben könnte, wird klägerseits noch nicht einmal ansatzweise behauptet. IAAF-Panel und Rechtsausschuß haben in ihren jeweiligen Entscheidungen die gleichen Kernprobleme angesprochen.
Vor dem Hintergrund, wie oben dargelegt, daß der Kläger keine Gesichtspunkte so darzulegen vermocht hat, daß die Nichtanerkennung der IAAF-Entscheidung ausnahmsweise geboten ist, brauchte der Senat nicht mehr die Rechtsfrage zu erörtern, welche rechtlichen Schlußfolgerungen aus der Tatsache zu ziehen sind, daß der CAS mit Final Award vom 22. September 2000 die klägerischen Anträge zurückgewiesen und in seiner Entscheidung ausdrücklich festgestellt hat, dem Kläger sei rechtliches Gehör gewährt, und die erhobenen Beweise seien gewürdigt worden.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Das Urteil war nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO es mit seiner Verkündung sofort in Rechtskraft erwächst, weshalb auch keine Beschwer gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen war.
Ende der Entscheidung
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