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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 13 U 99/98
Rechtsgebiete: WPO, HGB, AktG, EStG, KStG, GmbHG, ZPO


Vorschriften:

WPO § 49
HGB § 318
HGB § 318 Abs. 3 Satz 2
AktG § 243
AktG § 256
AktG § 246 Abs. 1
AktG § 254 Abs. 1
EStG § 5
KStG § 7
KStG § 8
GmbHG § 29
ZPO § 511
ZPO § 511 a
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519 a.F.
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
Zur Frage der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen unter Abwägung des Interesses der Mehrheitsgesellschafter an einer Thesaurierung der erwirtschafteten Gewinne und des Gewinnausschüttungsinteresses eines Gesellschafters.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 99/98

Verkündet am 30.01.2002

in dem Rechtsstreit ...

wegen Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen.

Der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 1998 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das vorstehend in Bezug genommene Urteil zu Ziffer 3. der Urteilsformel ("im übrigen wird die Klage abgewiesen") abgeändert und festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 6. Oktober 1997 zu TOP 7 über die Wahl der AD. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Wiesbaden zum Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig ist.

Die Beklagte hat auch die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die gegen sie wegen der Kosten gerichtete Zwangsvollstreckung abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von * 20.000,00, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Prozessparteien wird gestattet, die Sicherheit auch erbringen zu dürfen in Form einer unbedingten, unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines deutschen Kreditinstitutes, welches auch als Zoll- und/oder Steuerbürge anerkannt ist.

Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 500.000,00 (= * 255.645,92).

Tatbestand:

Die Beklagte ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie. Sie, die 1980 mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM gegründet wurde, hat nach der letzten Kapitalerhöhung 1992 derzeit ein Stammkapital von 10 Mio. DM. An der Beklagten waren bei Prozessbeginn drei Gesellschafter beteiligt, nämlich die Klägerin, die 25 % des Stammkapitals hielt, ihr Bruder ­ zugleich alleiniger Geschäftsführer der Beklagten ­ hielt 50 % des Stammkapitals und dessen Ehefrau hielt weitere 25 %. Ende 1998 übertrug diese auf ihre drei Kinder Geschäftsanteile im Nennbetrag von 1,53 Mio. DM (vgl. Bl. 385 d. GA). Betriebsgrundstücke der Beklagten stehen im Eigentum des Bruders der Klägerin. Die Beklagte beschäftigt im Jahresdurchschnitt deutlich mehr als 200 Arbeitnehmer. Der Umsatz der Beklagten lag 1996 bei 124,2 Mio. DM, im Geschäftsjahr 1995 bei 134,7 Mio. DM. Die Beklagte arbeitet in erheblichem Umfang auch mit Bankkrediten.

Streitgegenständlich sind drei Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 6. Oktober 1997, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, betreffend die Feststellung des Jahresabschlusses 1996, den Gewinnverwendungsbeschluss für das Geschäftsjahr 1996 sowie die Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 1997.

Der geprüfte Jahresabschluss (JA) 1996 weist einen Bilanzgewinn von 3.278.306,00 DM aus. Ausweislich des Geschäftsberichtes nahm die Beklagte gemäß § 4 Fördergebietsgesetz Sonderabschreibungen in Höhe von DM 4.277.397,59 vor. Mit 75 % der Stimmen stellte die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 06.10.1997 den Jahresabschluss gemäß Vorlage fest. Die Klägerin stimmte dagegen und meldete Widerspruch zu Protokoll an.

Mit 75 % der Stimmen ­ also gegen die Klägerin ­ beschloss des weiteren die Gesellschafterversammlung der Beklagten aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996 in Höhe von DM 3.278.306.00 DM 2.878.306,00 in eine Gewinnrücklage einzustellen und den verbleibenden Bilanzgewinn von DM 400.000,00 an die Gesellschafter auszukehren. Die Klägerin erhob Widerspruch zu Protokoll.

Zum Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 wurde erneut die in Wiesbaden geschäftsansässige Firma AD. (nunmehr G. Th. AD. GmbH), gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer W. Ur., der auch steuerliche Angelegenheiten des Bruders und dessen Ehefrau besorgt, bestellt (TOP 7). Die Klägerin stimmte dagegen und erklärte Widerspruch zu Protokoll.

Mit Beschluss vom 13. März 2001 bestellte das Amtsgericht Offenbach die in Frankfurt geschäftsansässige AT. WPG für die Geschäftsjahre 1998, 1999 und 2000 zur Abschlussprüferin und berief zugleich die gewählte AD. GmbH als Abschlussprüferin ab.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass alle drei vorbezeichneten Beschlüsse zu TOP 4, 5 und 7 an inhaltlichen Mängeln leiden, weshalb sie anfechtbar seien. Zur Begründung hat die Klägerin im einzelnen wie folgt vorgetragen:

Hintergrund mehrer gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten sei die Absicht ihres Bruders, sie, die Klägerin, aus der Beklagten herauszudrängen. Er sei jedoch nicht willens, einen Kaufpreis zu entrichten, der dem wahren Wert ihrer Beteiligung entspreche, welcher mit mindesten 20 Mio. DM zu veranschlagen sei. Über Jahre hinaus seien erzielte Gewinne nicht an die Gesellschafter der Beklagten ausgekehrt worden, um so die Eigenkapitalbasis der Beklagten zu stärken. Um ihre Vermögenssteuern zahlen zu können, habe sie in der Vergangenheit von der Beklagten Darlehen aufnehmen müssen. Insgesamt sei sie bei der Beklagten mit 1.327.500,00 DM verschuldet. Um an der letzten Kapitalerhöhung der Beklagten teilnehmen zu können, habe sie sogar einen bis heute noch nicht endgültig getilgten Fremdkredit aufnehmen müssen. Nach dem Verständnis der Parteien, teilweise ausdrücklich vereinbart, teilweise stillschweigend, hätten jeweils so viele Gewinne bei der Beklagten ausgeschüttet werden sollen, dass sie, die Klägerin, damit die aufgenommenen Darlehen zurückzahlen könne. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.04.1997 vor dem Landgericht München I erhobene Zahlungsklage über DM 1.327.500,00 nebst Zinsen stelle eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten dar. Das Verfahren ruhe derzeit aufgrund der von ihr erwirkten einstweiligen Verfügung des Landgerichts Darmstadt vom 22.07.1997, im wesentlichen bestätigt durch Senatsurteil vom 28.01.1998 zu Aktenzeichen 13 U 157/97. Die Beschlüsse zu TOP 4 (Jahresabschluss 1996) und TOP 5 (Verwendung des Jahresergebnisses 1996) der Gesellschafterversammlung vom 06.10.1997 verkürzten, so hat die Klägerin weiter vorgetragen, in unbilliger Weise ihr Gewinnbezugsrecht. § 11 Abs. 2 der Beklagten- Satzung sehe die Gewinnausschüttung im Regelfall vor. Die tatsächliche Gewinnausschüttungspolitik der Beklagten ziele indessen darauf ab, sie finanziell auszutrocknen". Die Ausschüttungspolitik stehe in einem krassen Missverhältnis zu den Vergütungen, die ihr Bruder als Geschäftsführer der Beklagten erhalte.

Der Jahresabschluss 1996 sei deshalb nicht zutreffend errechnet, so hat die Klägerin vorgetragen, weil eine steuerliche Sonderabschreibung von 4,277 Mio. DM betreffend des in B.-A. gelegenen Immobilienobjektes, welches (so Vortrag in zweiter Instanz) 1998 nur zu 20 % von einer beklagten Tochterfirma genutzt worden sei bei 50 % Fremdvermietung und 30 % Leerstand, in Anspruch genommen worden sei, welche sich nicht am tatsächlichen Wertverfall der betroffenen Anlagegüter orientiere, sondern ausschließlich auf wirtschaftslenkenden steuerlichen Vergünstigungen beruhe (vgl. § 4 Fördergebietsgesetz). In diesem Zusammenhang bestreite sie, die Klägerin, weder die steuerliche noch die handelsrechtliche Zulässigkeit der Abschreibung, sondern sie mache geltend, dass damit ihr Gewinnbezugsrecht unbillig verkürzt werde. Die vorgenommene Sonderabschreibung sei nicht wirtschaftlich geboten gewesen. Ihrer Rechtsauffassung nach hätte hier auch ein gesonderter Gewinnverwendungsbeschluss ergehen müssen. Der Bilanzgewinn sei um mindestens 4.277.397,59 DM zu erhöhen.

Sie, die Klägerin, müsse auch von weiteren und prozesstaktisch bedingten "Bilanzmanipulationen" ausgehen. Ein Unternehmen könne sehr leicht seine Bilanzsumme dadurch manipulieren, dass es ­ auch nur kurzfristig zu einem bestimmten Stichtag ­ Kredite aufnehme und die ausgeliehenen Mittel in irgendwelche Positionen des Anlageoder Umlaufvermögens investiere. Auch sei vorstellbar, dass ein Unternehmen sich stichtagsbezogen hoch verschulde und die bereitgestellten Mittel bei den jeweiligen Gläubigern als Guthaben stehen lasse oder an verbundene Unternehmen zum selben Zweck weiterreiche. Bezeichnenderweise weise der Konzerngeschäftsbericht der Beklagten für das Geschäftsjahr 1996 flüssige Mittel in Form von Kassenbeständen und Kontokorrentguthaben in Höhe von 6,34 Mio. DM aus.

Der gefasste Gewinnverwendungsbeschluss (TOP 5) verkürze ebenfalls in unbilliger Weise ihr Gewinnbezugsrecht, ganz abgesehen davon, dass entgegengesetzte Absprachen bestanden, wonach sie mittels ausgeschütteter Gewinne ihre Kredite habe zurückführen sollen. Die auf sie gemäß Beschluss entfallende Dividende reiche nicht einmal aus, die angeblichen Zinsansprüche der Beklagten für das 1992 aufgenommene sogenannte Timeplex Darlehen zu tilgen. Die Beklagte verfüge über Eigenmittel von mehr als 31 Mio. DM, was mehr als das Zweifache des Stammkapitals ausmache. Für die Beklagte, so hat die Klägerin weiter vorgetragen, bestehe kein Grund, ihre im Geschäftsjahr 1996 erzielten laufenden Gewinne den Gesellschaftern vorzuenthalten, um sie zur Aufstockung ihrer Eigenmittel zu verwenden. Die Beklagte sei immerhin in der Lage, ihrem Bruder als Geschäftsführer "exorbitante" jährliche Vergütungen von mehr als 3 Mio. DM zu zahlen, ohne ihre Eigenkapitalausstattung zu gefährden. Bei den Geschäftsführerbezügen handele es sich in hohem Maße steuer- und gesellschaftsrechtlich um verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. um ungerechtfertigte Zuwendungen ohne Rechtsgrund zu Lasten der Mitgesellschafter. Die Finanzverwaltung habe ausweislich des Berichts der Großbetriebsprüfstelle des Finanzamtes Darmstadt vom 27.05.1997 schon in den Bezügen ihres Bruders für das Jahr 1993 eine verdeckte Gewinnausschüttung von 900.000,00 DM gesehen. Ihr Bruder beziehe auch weitere Geschäftsführergehälter von Tochterfirmen der Beklagten. Selbst bei einer zur Tilgung sämtlicher von ihr aufgenommener Darlehen ausreichenden Gewinnausschüttung würde bei der Beklagten eine Eigenkapitalquote von 21,90 % verbleiben. Für die Fähigkeit der Beklagten, Gewinne auszuschütten, sei neben ihrer günstigen Ertragslage ihre hervorragende Liquidität entscheidend. Zum 31.12.1998 habe die Beklagte ausweislich ihrer Bilanz über ein Umlaufvermögen von über 90 Mio. DM verfügt. Der auf sie, die Klägerin, ausgeübte wirtschaftliche Druck könne nicht durch das Wachstumsstreben gerechtfertigt werden. Es gebe kein Machtstreben um jeden Preis. Der Zweck einer GmbH erschöpfe sich nicht in sich selbst. Vielmehr müssten zugunsten der Gesellschafter Gewinne erwirtschaftet und ausgeschüttet werden. Jedenfalls müsse in einem Familienunternehmen auch auf die finanziellen Bedürfnisse einzelner Gesellschafter Rücksicht genommen werden.

Die Klägerin hat des weiteren vorgetragen, die Bestellung der AD. GmbH zur Abschlussprüferin (TOP 7) laufe auf die Ausübung einer nach § 49 WPO versagten Tätigkeit hinaus. AD. und im besonderen deren Geschäftsführer W. Ur. wurden nämlich auch steuerberatend für ihren Bruder und dessen Ehefrau tätig, dies vor dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen ihr und ihrem Bruder. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe ihren Bruder beim Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat im einstweiligen Verfügungsverfahren am 26.11.1997 begleitet, wie schon zuvor beim landgerichtlichen Termin am 16.07.1997. Der Geschäftsführer der AD. GmbH habe für ihren Bruder und dessen Ehefrau die privaten Steuererklärungen erstellt.

Die Klägerin hat beantragt:

1. a) Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996 nichtig ist.

b) hilfsweise zu a) der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt;

2. a) es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Verwendung des Jahresergebnisses für das Geschäftsjahr 1996, wonach aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996 in Höhe von DM 3.278.306,00 ein Betrag von DM 2.878.306,00 in die Gewinnrücklage eingestellt und nur der verbleibende Bilanzgewinn von DM 400.000,00 an die Gesellschafter ausgeschüttet wird, nichtig ist;

b) hilfsweise zu a) es wird festgestellt, dass der in a) bezeichnete Beschluss unwirksam ist;

c) hilfsweise zu b), der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt;

3. a) es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung

der Beklagten vom 06.10.1997 über die Wahl der AD. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Wiesbaden, zum Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig ist;

b) hilfsweise zu a), der in a) bezeichnete Beschluss wird für unwirksam erklärt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihr Interesse an einer Thesaurierung der erwirtschafteten Gewinne übersteige das Gewinnausschüttungsinteresse der Klägerin erheblich; ihre Mehrheitsgesellschafter verfolgten keinesfalls das Ziel, die Klägerin aus ihr herauszudrängen. Sie, die Beklagte, betätige sich auf einem Geschäftsfeld, wo man entweder stetig wachse oder vom Markt verschwinde. Wachstum koste Geld, was ihr bereitgestellt werden müsse. Ihre Kreditgeber hätten sich vertragsrechtlich dagegen abgesichert, dass ihre Gesellschafter durch Gewinnausschüttungen sich aus der Finanzierungsverantwortung zurückziehen könnten und verlangten eine Eigenkapitalquote von 20 %. Sie, die Beklagte, nehme insoweit Bezug auf die Schreiben der Deutschen Bank vom 18.07.1996 (Bl. 108 d. A.), der Commerzbank vom 09.06.1997 (Bl. 114 d. A.) und der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vom 17.02.1997 (Bl. 117 d. A.). In der konsolidierten Bilanz für das Geschäftsjahr 1996 habe ihre Eigenkapitalquote den Wert bereits von 20 % unterschritten. Gleichwohl sei eine Gewinnausschüttung von 400.000,00 DM beschlossen worden, was zu entsprechenden Bankreaktionen geführt habe. In diesem Zusammenhang nehme sie, die Beklagte, Bezug auf das Schreiben der Deutschen Bank vom 19.11.1997 (Bl. 120 d. A.) und der Commerzbank vom 21.11.1997 (Bl. 421 d. A.). Die abgeschlossenen Kreditverträge und die Reaktion der Gläubigerbanken belegten, dass sie nicht in der Lage sei, die thesaurierten Gewinne ganz oder teilweise an ihre Gesellschafter auszuschütten. Mit einem derartigen Verhalten würde sie den Fortbestand der Kredite und damit ihre Existenz nachhaltig gefährden. Die Klägerin sei immerhin auch über 15 Jahre hinweg mit der Wachstumspolitik einverstanden gewesen. Der Wert ihres Gesellschaftsanteils, der in realistischer Betrachtungsweise mit ca. 7 Mio. DM anzusetzen sei, habe sich bezogen auf das eingesetzte Kapital, um das 215-fache vermehrt. Lediglich bezüglich des sogenannten Timeplex-Darlehens habe es eine Abrede zwischen den Gesellschaftern über dessen Tilgung durch Gewinnausschüttungen gegeben. Als die Klägerin weitere Darlehen bei ihr aufgenommen habe, so sei beabsichtigt gewesen, diese aus dem Erlös des beabsichtigten Verkaufs ihres Geschäftsanteils an die Kinder des Bruders zurückzuführen.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, die rechtlich in jeder Hinsicht zulässige Sonderabschreibung beziehe sich auf ein in Berlin errichtetes Bürogebäude. Steuerrechtliche Wahlrechte seien in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben. Indem ihre Gesellschafter auf der Gesellschafterversammlung am 6. Oktober 1997 den Jahresabschluss 1996 einschließlich der dort ausgewiesenen Sonderabschreibung mit der erforderlichen Mehrheit festgestellt hätten, habe es eines gesonderten Beschlusses über die Sonderabschreibung nicht mehr bedurft.

Der Gewinnverwendungsbeschluss, so hat die Beklagte gemeint, stelle kein treuwidriges Verhalten der Mitgesellschafter der Klägerin ihr gegenüber dar. Ihr Geschäftsführer erhalte das vertraglich vereinbarte Gehalt; die Klägerin könne nicht wie ein Geschäftsführer behandelt werden. Das Geschäftsführergehalt sei ihrer Ertragsstärke angemessen. Die Beträge ihres Geschäftsführers hätten sich 1996 auf DM 218.000,00 Festgehalt und 1,418 Mio. DM Tantieme belaufen. Wäre die Sonderabschreibungsmöglichkeit nicht in Anspruch genommen worden, so wäre die Tantieme ihres Geschäftsführers um ca. 900.000,00 DM höher ausgefallen. Dass die Finanzverwaltung Teile der Geschäftsvergütung ihres Geschäftsführers als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen habe, ändere nichts an der Tatsache, dass der Geschäftsführer aufgrund seines, auch von der Klägerin mitunterzeichneten Anstellungsvertrages Anspruch auf Tantieme in dieser Höhe habe. Im übrigen habe die Klägerin in ihrer ehemaligen Eigenschaft als Geschäftsführerin der Cp. GmbH eine gleichlautende Tantieme-Regelung gehabt. Ihr Geschäftsführer erhalte entgegen klägerischen Vorbringens keine Vergütung für seine weiteren Geschäftsführertätigkeiten in Tochtergesellschaften.

Mit am 28. April 1998 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996 unwirksam ist und der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Verwendung des Jahresergebnisses für das Geschäftsjahr 1996 nichtig ist. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass beide vorbezeichneten Beschlüsse gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstießen. Die Mehrheit der Gesellschafter hätten sich über das Gewinnbezugsrecht der Klägerin in einer Weise hinweggesetzt, die durch gesellschaftsrechtliche Treuepflichten nicht mehr gedeckt sei. Die Klägerin habe ein erhebliches und sogar durch Rechtsstreite verlautbartes Interesse an einer Gewinnausschüttung und daher auch an der Nichtvornahme hoher steuerlicher Verlustabschreibungen. Das klägerische Interesse an Gewinnausschüttung beruhe zu einem hohen Anteil auf ihrer bei der Beklagten bestehenden Kreditverschuldung. Der Ergebnisverwendungsbeschluss sei bereits wegen der aufgehobenen Feststellung des Jahresabschlusses nichtig, leide aber auch an eigenständigen Mängeln. Die Beklagte müsse ihre Finanz- und Liquiditätsverhältnisse so organisieren, dass sie ihrer Verpflichtung zur Gewinnausschüttung nachzukommen fähig sei. Kreditvereinbarungen, die der Beklagten diese Fähigkeit zur Gewinnausschüttung nähmen, dürfe sie nicht eingehen. Eine andere rechtliche Betrachtungsweise möge nur zulässig sein, wenn zwingende wirtschaftliche Gründe des Unternehmens eine Gewinnausschüttung verböten. Eine solche kritische Situation könne bei den Geschäftsführerbezügen für 1996 von DM 218.000,00 Festgehalt und 1,418 Mio. DM Tantieme nicht festgestellt werden. Die Beklagte gehe ersichtlich selbst von einem Zustand der Prosperität aus. Der klägerische Antrag auf Bestellung eines anderen als des gewählten, aber wegen Befangenheit abgelehnten Prüfers, sei verfristet gestellt worden, weil maßgeblich die Zweiwochenfrist des § 318 HGB sei.

Die Beklagte hat gegen das vorbezeichnete und ihr am 5. Mai 1998 zugestellte Urteil mit bei Gericht am 5. Juni 1998 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit bei Gericht am 09.06.1998 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte weist vorab in ihrer Berufungsbegründung darauf hin, dass sie ihre Kreditverbindlichkeiten nicht willkürlich erhöht habe und in ihrer konsolidierten Bilanz für 1996 ihre Eigenkapitalquote unter 20 % abgesunken sei. Die Beklagte trägt vor, ihre Eigenkapitalquote habe sich per 31.12.1997 auf 19,10 % und zum 31.12.1998 auf 19,20 % belaufen. Die Eigenkapitalquote in den konsolidierten Bilanzen der Controlware-Gruppe hätten sich zu den vorstehenden Stichtagen auf 15,30 % bzw. 15,90 % belaufen.

Die Beklagte trägt vor, es werde übersehen, dass es hinsichtlich der Ausschüttungsfähigkeit von Bilanzgewinnen nicht nur auf ihre Ertragsstärke und auf das Vorhandensein liquider Mittel ankomme. Das Landgericht habe im vorliegenden Fall den hinlänglich bekannten Konflikt zwischen den Interessen eines Gesellschafters an einer möglichst hohen Gewinnausschüttung mit dem Interesse der Gesellschaft, die Unternehmensfinanzierung durch möglichst hohe Gewinnthesaurierung zu sichern, unzutreffend gelöst und im besonderen auch nicht hinreichend gewürdigt, dass die Klägerin bis Oktober 1995 die auf eine Gewinnthesaurierung abzielende Ausschüttungspolitik mitgetragen habe.

Nur durch das "Stehenlassen" der Gewinne sei sie, die Beklagte, zu dem geworden, was sie heute darstelle. Aufgrund bestehender Kreditverträge sei sie daran gehindert, weitergehende als beschlossene Gewinnausschüttungen vorzunehmen. Ohne Gefährdung ihres Bestandes könnten keinesfalls zusätzliche Gewinne ausgeschüttet werden. Zwischen 1995 und 1996 sei ein Umsatzrückgang in zweistelliger Millionenhöhe eingetreten. 1997 habe sich ihr Ertrag weiter verschlechtert, da 1997 ein drastischer Margenverfall eingetreten sei. Sie habe 1997 hohe Wertberichtigungen vornehmen müssen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Banken bei dieser Entwicklung mit einer Kürzung der Kreditlinien reagieren würden. Die landgerichtliche Gleichung, Prosperität sei gleich Gewinnausschüttungsfähigkeit, stimme nicht. Entgegen der landgerichtlichen Auffassung gebe es auch keine Wechselbeziehung zwischen der Geschäftsführervergütung und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Sie habe, so trägt die Beklagte weiter vor, ihre Hauptgläubigerbanken vom landgerichtlichen Urteil informiert. Der Reaktionen wegen verweise sie auf die Bankschreiben vom 15.05., 18.05 und 20.05.1998 (Bl. 234 ff. d. GA). Allein der Umstand, dass die Banken in Zukunft zu einer anderen Risikoeinschätzung gelangen könnten, sei im Sinne des landgerichtlichen Urteils ein zwingender wirtschaftlicher Grund.

Zwischenzeitlich, so trägt die Beklagte ergänzend vor, habe die Commerzbank mit Schreiben vom 29.03.2000 ihr den eingeräumten Kreditrahmen von 10 Mio. DM gekündigt; die Dresdner Bank habe ihr gegenüber angekündigt, dass der Kreditrahmen von 15 Mio. auf 10 Mio. DM reduziert werde. Schon 1991 habe die Hypo Vereinsbank ihre Kreditlinie von 25 Mio. DM auf 20 Mio. DM gekürzt. Für sie sei von existenzieller Bedeutung, dass ihr Banken weiterhin Kredite zur Verfügung stellten; Ihre Verbindlichkeiten gegenüber Banken beliefen sich zum 31.12.1996 auf 58.074.875,65 DM, zum 31.12.1997 auf 78.524.039,92 DM und letztlich zum 31.12.1998 auf DM 80.999.907,22. Im Geschäftsjahr 1998 habe sie nur einen Jahresüberschuss von 379.107,65 DM erwirtschaftet.

Aus dem sogenannten Timeplex-Darlehen, so trägt die Beklagte weiter vor, ergebe sich für sie keine Verpflichtung zur Ausschüttung eines bestimmten Gewinnes. Die Klägerin hätte mit den ausgeschütteten Gewinnen in der Vergangenheit das Darlehen in erheblichem Umfange zurückführen können. Die 1996 ausgeschüttete Dividende von 400.000,00 DM entspreche einer Bruttodividende von DM 571.428,00. In Bezug auf das Stammkapital von 10 Mio. DM entspreche dies einer Rendite von 5,71 % und liege damit an der oberen Grenze dessen, was Aktionäre erhielten. Wenn auch die Klägerin im Parallelverfahren 15 O 14/97 LG Darmstadt den dort tätig gewordenen Sachverständigen erfolgreich abgelehnt habe, so seien gleichwohl dessen Erwägungen im Gutachten zutreffend. Würde sie, die Beklagte, Gewinne in dem Umfange ausschütten, wie die Klägerin sich dies vorstelle, würden ihr unverzüglich Bankkredite gekürzt werden. Bezüglich der anderen Darlehen wechsele, worauf sie, die Beklagte, mit Nachdruck hinweise, die Klägerin ihren Vortrag. Richtig sei keine ihrer Darstellungen. Nach dem Scheitern des Plans, bei ihr einen Finanzinvestor aufzunehmen, sei sich ihr Geschäftsführer mit der Klägerin über einen Verkauf der von ihr gehaltenen Anteile an dessen Kinder einig geworden. Zur Abwendung akuter Finanzbedürfnisse habe die Klägerin Gelder erhalten, und zwar im Vorgriff auf die später dazustellende Kaufpreiszahlung betreffend Geschäftsanteil. Erst 1996 seien an den überhöhten Kaufpreisvorstellungen der Klägerin die Kaufvertragsverhandlungen gescheitert.

Bei der Sonderabschreibung, so trägt die Beklagte vor, handele es sich um eine weitere Maßnahme zur Eigenfinanzierung. Unter Berücksichtigung der Steuerlast und der Tantiemeansprüche ihres Geschäftsführers hätte sich der Bilanzgewinn nur um 2.038.00,00 DM erhöht. Entgangen wären ihr 2.239.00,00 DM Eigenfinanzierungsmöglichkeiten, nämlich 855.000,00 DM Tantieme und 1.389.000,00 DM steuerliche Belastungen. Hintergrund der Sonderabschreibung sei ihr Grundstückserwerb 1994 in Ost- Berlin gewesen. Damals habe man "blühende Landschaften" im Osten erwartet. Um die sich in Osteuropa öffnenden Märkte bearbeiten zu können, habe sie in den neuen Bundesländern präsent sein müssen. Da ihre damalige 100 %ige Tochter Cwe., von der man sich erst im Jahre 2000 getrennt habe, bereits in Berlin geschäftsansässig gewesen sei, habe es sich angeboten, dass auch sie, die Beklagte, sich in Berlin niederlasse. Aufgrund der "einmalig günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen und aufgrund in Aussicht stehender öffentlicher Fördermittel" habe sie sich entschlossen, anstelle der Anmietung einer Immobilie ein Bürogebäude selbst zu errichten. Das Gebäude sei dabei so dimensioniert worden, dass für weiteres Wachstum ausreichend Reserven vorhanden gewesen seien. Zunächst habe der Anteil, der sie selbst und Cwe. genutzt habe, auch bei 60 % gelegen. Derzeit liege der Leerstand bei ca. 10 %. Die Gesamtkosten für das Objekt hätten sich auf 25,8 Mio. DM belaufen, wovon 17,2 Mio. DM durch Darlehen der Weberbank fremdfinanziert worden seien. In Höhe von 3.404.400,00 DM habe sie öffentliche Fördermittel erhalten. Infolge Abschreibung und Inanspruchnahme der Fördergebietsabschreibung habe sie von 1995 bis 2000 ca. 6,6 Mio. DM Steuern erspart, was deutlich mache, dass das Objekt sie liquiditätsmäßig nicht belaste. Darlehenszinsen und Mieteinnahmen bzw. ersparte Mietzinszahlungen durch Eigennutzung würden sich "in etwa aufheben". Ein weiterer Effekt sei, dass sie sich ein Beleihungsobjekt geschaffen habe. Letztlich sei für sie , die Beklagte, nicht nachvollziehbar, wie im vorliegenden Fall das Landgericht habe durchentscheiden können, während es im Parallelverfahren 15 O 14/97 zu der klägerischen Behauptung, sie wäre 1992 bis 1995 wirtschaftlich in der Lage gewesen, Gewinne auszuschütten, Sachverständigenbeweis erhebe bzw. erhoben habe. Entgegen klägerischer Meinung sei sie sehr wohl der Auffassung, dass das dort vom Sachverständigen Dr. Wa. erstattete Gutachten, welches eine Gewinnausschüttungsfähigkeit verneine, auch hier verwertbar sei. Der von der Klägerin eingeforderte Verzicht auf die Inanspruchnahme der Sondergebietsabschreibung führe ausschließlich zu Nachteilen in Form eines Liquiditätsverlustes und zu einer Eigenkapitalreduzierung. Bezüglich der Geschäftsführervergütungen sei anzumerken, dass die Klägerin als ihre Gesellschafterin den Anstellungsvertrag mit ihrem Bruder selbst mitunterschrieben habe. Die Höhe der Vergütung sei mithin von der Klägerin auch gewollt gewesen. Ihr Geschäftsführer habe 1996 1,637 Mio. DM verdient. Allein aus steuerlichen Gründen sei mit Wirkung ab 01.01.1997 der Geschäftsführeranstellungsvertrag am 12.12.1996 geändert worden. Dass Teile seines Geschäftsführergehaltes steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werde, stelle ihre zivilrechtliche Verpflichtung zur Zahlung dessen, was vereinbart worden sei, nicht in Frage. Zivilrechtlich handele es sich bei der Vergütungsregelung um keine verdeckte Gewinnausschüttung.

Die Beklagte trägt des weiteren vor, die Klägerin verfolge derzeit die Politik, ihren Mitgesellschaftern lästig zu werden. So habe die Klägerin sich eines nicht begründeten Vorkaufsrechts berühmt, als ihre Schwägerin an die Kinder Anteile übertragen wollte. Zum anderen habe die Klägerin sich gegen das Vorhaben gestellt, dass ihre 100 %ige Tochtergesellschaft Cwe. GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werde, um weitere Investoren dort beteiligen zu können.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 28. April 1998 die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin, die das angefochtene Urteil, soweit mit ihm ihren Klagebegehren entsprochen worden ist, verteidigt und nochmals auf die Geschäftsentwicklung der Beklagten und der ihr gewährten Darlehen eingeht, trägt ergänzend vor, dass gegen ihren Widerspruch die Beklagte ihrem Bruder als Geschäftsführer seit 1997 ein sich 1998 und 1999 um je 4 % erhöhendes Festgehalt von 1,8 Mio. DM zahle zuzüglich eine Tantieme von 4,5 % des Jahresergebnisses vor Ertragssteuer und vor Abzug gesetzlicher sonstiger gewinnabhängiger Vergütungen und der vorbezeichneten Tantieme selbst. Hinzu kämen weitere geldwerte Leistungen sowie Pensionsrückstellungen. Der steuerlich nicht anerkannte Anteil der Geschäftsführerbezüge ihres Bruders mache allein im Zeitraum von 1993 bis 1996 DM 6,673 Mio. DM aus. Die Klägerin meint, das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertige keine vom Landgericht abweichende rechtliche Beurteilung der Sachlage, insbesondere trage die Beklagte auch jetzt noch keine Tatsachen vor, um die handelsrechtliche Erforderlichkeit der außergewöhnlichen Abschreibung zu begründen. Sie, die Klägerin, könne nicht nachvollziehen, wie sich eine gewinnmindernde Sonderabschreibung als Maßnahme zur Eigenfinanzierung darstellen könne. Für die Investition habe keine betriebliche Veranlassung bestanden. Der Erwerb des in Ost- Berlin gelegenen Immobilienobjektes sei im übrigen nicht durch die satzungsmäßigen Zwecke der Beklagten gedeckt. Trotz des landgerichtlichen Urteils habe die Beklagte in den folgenden Jahren die Abschreibung wiederholt, obwohl ein tatsächlicher Wertverfall nicht eingetreten sei. Sie müsse auch bezweifeln, dass die Beklagte sich in dem Umfange, wie von ihr behauptet, bei den Banken verschuldet habe. Die Stellungnahmen der Banken seien "Gefälligkeitsschreiben", was sich schon daraus ergebe, dass die Banken innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist reagiert hätten. Die Bankschreiben beträfen im übrigen die Jahre 1999 und 2000 und ließen keinen Rückschluss auf das streitgegenständliche Jahresabschlussergebnis zu. Aus dem Hypo-Vereinsbank-Schreiben sei auch zu entnehmen, dass die Beklagte ihr gegenüber nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt habe. Aus den weiteren Schreiben der Banken vom 16.02.2000 lasse sich entnehmen, dass die Beklagte selbst um die Reduzierung des Kreditrahmens nachgesucht habe. Die Beklagte schöpfe die ihr eingeräumten Kreditlinien noch nicht einmal voll aus. Die Beklagte unterlasse es in diesem Zusammenhang vorzutragen, dass sie zwischenzeitlich das Kreditengagement und ihre Bankbeziehungen umgestaltet habe. Seit Mai 1999 stehe der Beklagten durch die Gtd. & Metall Bank AG eine ungesicherte Rahmenkreditlinie in Höhe von 10 Mio. DM zur Verfügung. Seit Oktober 1999 stelle Hk. & Aff. Privatbankhaus KGaA der Beklagten eine unbesicherte Rahmenkreditlinie von 5 Mio. DM bereit. Die Beklagte gebe den Stand ihrer Verbindlichkeiten nicht richtig wieder, wie sich dies aus ihrem Geschäftsbericht ergebe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Beklagte 1996 DM 3,7 Mio. und 1997 3, 06 Mio. DM als Festgeld angelegt habe. Bei der Beklagten handele es sich mithin um ein gesundes und solide finanziertes Unternehmen. Die Beklagte habe, was auch gesehen werden müsse, in großem Umfange Vermögenswerte auf ihre Tochtergesellschaften verschoben. In diesem Zusammenhang verweise sie auf die Vorgänge bei Cwe.. Sie, die Klägerin, sei indessen auf Gewinnausschüttungen wirtschaftlich angewiesen, was durch ihre hohe Verschuldung ­ die nochmals im einzelnen dargestellt wird ­ belegt werde. Sie, die Klägerin, verhalte sich entgegen Beklagtenansicht auch nicht widersprüchlich. Mit dem Eingehen der erheblichen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten und der Bayerischen Vereinsbank in der Zeit zwischen 1992 und 1995 gehe eine Zäsur einher. Für alle Beteiligten sei klar erkennbar gewesen, dass ihr an einer schnellstmöglichen Rückführung der Darlehen durch Gewinnausschüttungen gelegen gewesen sei. Bezüglich des Timeplex-Darlehens nehme sie insoweit auch Bezug auf das Schreiben der AD. vom 06.11.1992 (Bl. 478 d. A.). Die Beklagte versuche im vorliegenden Rechtsstreit nur aus prozesstaktischen Gründen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht darzustellen. Wer, wie die Beklagte, ihrem Geschäftsführer verdeckte Gewinnausschüttungen in Millionenhöhe zuwenden könne, müsse auch den anderen Gesellschaftern Gewinne ausschütten. Als sie im Dezember 1992 ihre Zustimmung zur Tantiemeregelung gegeben habe, habe die Beklagte einen deutlich niedrigeren Jahresüberschuss erwirtschaftet. Keinesfalls habe sie die Absicht gehabt, bei gestiegenen Gewinnen den Geschäftsführer der Beklagten den Anspruch auf 20 %ige Gewinntantieme zu belassen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht ihre weitergehende Klage (Anfechtung TOP 7, betreffend Person des Abschlussprüfers) abgewiesen habe und meint, die Frist des § 318 Abs. 3 Satz 2 HGB sei vorliegend nicht relevant. Das Landgericht setze sich mit seiner Ansicht in Widerspruch zur ­ soweit ihr ersichtlich ­ einhelligen Meinung im Schrifttum. Maßgeblich sei allein die Anfechtungsfrist des § 243 AktG. Während § 318 HGB sich auf den Bestellungsakt beziehe, beziehe sich die Anfechtungsklage auf den Wahlakt. Für die Anfechtungsklage gelte die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG. Im übrigen habe mit Beschluss vom 13. März 2001 das Amtsgericht Offenbach den bisherigen Abschlussprüfer wegen Besorgnis der Befangenheit abberufen.

Die Klägerin trägt erneut vor, dass der Geschäftsführer der AD., W. Ur., der Interessenvertreter ihres Bruders sei, auch im Verhältnis ihr gegenüber. In den Verhandlungen über einen eventuellen Verkauf ihrer Anteile sei Ur. als Vertreter ihres Bruders aufgetreten und habe hierbei erklärt, er garantiere, dass sie nicht mehr als 4 Mio. DM bekommen werde, falls sie 6 Mio. DM verlange.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 06.10.1997 über die Wahl der AD. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Wiesbaden, zum Abschlussprüfer der Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 nichtig sei; hilfsweise, den vorbezeichneten Beschluss für unwirksam zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe bislang keine Gründe substantiiert vorgetragen, die eine Bestellung der G. Th. AD. GmbH (früher AD.) zur Abschlussprüferin entgegenstehe. Deren Geschäftsführer habe auf ihren, der Beklagten, Wunsch an den Gerichtsterminen teilgenommen, weil Gegenstand des Rechtsstreits auch ihre Vermögens- und Liquidationsverhältnisse sowie Steuerangelegenheiten gewesen seien. Generell sei die Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn ein Abschlussprüfer als Gutachter, Sachverständiger oder Zeuge für die zu prüfende Gesellschaft auftrete.

Umfangreiche Vergleichsbemühungen des Senates sind erfolglos geblieben.

Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Zur Berufung der Klägerin

Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO a. F. statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.

Mit dem Landgericht und gegen die beachtlichen und gewichtigen Bedenken der Beklagten geht auch der erkennende Senat letztlich unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte davon aus, dass die klägerseits angefochtenen Gesellschafterbeschlüsse vom 6. Oktober 1997 zu TOP 4 (Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996) und TOP 5 (Beschlussfassung über die Verwendung des Jahresüberschusses für das Geschäftsjahr 1996) gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen, weshalb sie in entsprechender Anwendung des § 243 AktG unwirksam sind. Der Senat ist sich der Problematik seiner Wertungsentscheidung durchaus bewusst und hätte es, zumal im Interesse der Beklagten selbst, sehr begrüßt, wenn die Gesellschafter eine einvernehmliche Lösung hätten finden können, was leider trotz umfangreicher Bemühungen, auch unter gerichtlicher Beteiligung, nicht der Fall war. Aufgrund der besonderen Eigenheiten des dem Gericht unterbreiteten Sachverhaltes sieht sich der Senat jedoch als berechtigt an, in die Bilanzierungsentscheidung der Beklagten einzugreifen.

Wenn auch Gesellschafterbeschlüsse verfahrensgegenständlich sind und die Interessen der Gesellschafter der Beklagten in Widerstreit stehen, mithin in der Sache es letztlich um einen Streit zwischen Gesellschaftern geht, ist gleichwohl nach gesichertem Erkenntnisstand in Rechtsprechung und Rechtslehre die Gesellschaft selbst, also die Beklagte, für die hier erhobenen Bedenken passivlegitimiert (vgl. u. a. auch Urteil des II. ZS des BGH vom 10.11.1980, abgedruckt in NJW 1981 Seite 1140; Urteil des OLG Hamburg vom 28.06.1991, abgedruckt in ZIP 1991 Seite 1430 ff., 1432; Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, Rn 34 Anhang § 47).

Weist ein Gesellschafterbeschluss einen Mangel auf, wie hier klägerseits vorgetragen, so finden ­ auch dies ist gesicherter Erkenntnisstand in Rechtsprechung und Rechtslehre ­ die aktienrechtlichen Vorschriften über die Anfechtbarkeit und die Nichtigkeit (vgl. §§ 241 ff. AktG) entsprechende Anwendung. Auch wenn die Anfechtungsmonatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG für das GmbH-Recht nur Leitbildfunktion hat (vgl. Urteil des II. ZS des BGH vom 14. Mai 1990, abgedruckt in Bd. 111 Seite 224 der Amtlichen Entscheidungssammlung), weshalb es zweifelhaft sein dürfte, ob diese Frist von dem anfechtenden GmbH-Gesellschafter strikt einzuhalten ist, hat hier jedenfalls die Klägerin die streitgegenständliche Anfechtungsklage binnen Monatsfrist erhoben (die Klage ist nämlich bei Gericht am 6. November 1997 eingereicht worden), weshalb diese Rechtsfrage hier nicht näher zu problematisieren ist.

Die klägerische Anfechtung der Beschlussfassungen zu TOP 4 und TOP 5 ist nicht nur fristwahrend erfolgt, sondern stellt sich auch als begründet dar.

1. Zu TOP 4 (Feststellung des Jahresabschlusses 1996)

Der von der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 6. Oktober 1997 festgestellte Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996 ist wegen der klägerseits erklärten und durchgreifenden Anfechtung unwirksam.

Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 256 AktG ­ Nichtigkeit bei Vorliegen bestimmter Verstöße ­ verneint der Senat. Die hier allein in Betracht zu ziehende Alternative des Absatz 1 Ziffer 1 scheidet schon deshalb aus, weil durch die klägerseits behauptete Fehlerhaftigkeit der Gläubigerschutz nicht betroffen ist. Vielmehr geht auch die Klägerin davon aus, dass der Jahresabschluss nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften des Gesetzes oder der Satzung verstößt; sie hält die Beschlussfassung vielmehr deshalb für rechtswidrig, weil sich hierin ein Mehrheitsmissbrauch bei Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten manifestiert. Dies ist aber ein Fall der Anfechtbarkeit (vgl. in diesem Sinne auch Hüffer, AktG, 3. Aufl. 1997, Rn 5 zu § 257; Rowedder, GmbH, 3. Aufl. 1997, Rn 38 zu § 29). Die Anfechtungsberechtigung der Klägerin ergibt sich hierbei dadurch, dass die Feststellung des Jahresabschlusses ergebniswirksam ist und zugleich die Grundlage für ihren Gewinnanspruch schafft (vgl. hierzu auch Urteil des II. ZS des BGH vom 14.02.1974, abgedruckt in WM 1974 Seite 392 ff., 393).

Zwischen allen Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass die Beklagte bei der Feststellung des Jahresabschlusses 1996 steuerrechtlich rechtmäßige bilanzpolitische Spielräume mit ergebnisrelevanten Auswirkungen ausgenutzt hat und sie das Immobilienobjekt auch handelsrechtlich in gleichen Umfange abzuschreiben berechtigt war. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat geteilt. § 5 EStG, der über §§ 7, 8 KStG auch für Kapitalgesellschaften gilt, stellt den Grundsatz der sogenannten "umgekehrten Maßgeblichkeit" auf. Danach sind steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben (vgl. § 5 Abs. 1 Ziffer EStG). Auch ohne eingetretenen Wertverlust darf und muss ein Wirtschaftsgut deshalb auch handelsrechtlich in dem gleichen Maße abgeschrieben werden, wie steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten wahrgenommen werden.

Der Jahresabschluss muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen, und die zur Verfügung stehenden Ansatz- und Bewertungswahlrechte müssen gerecht ausgeübt werden. Dabei muss dem Umstand besonderes Augenmerk gegeben werden, dass mit der Feststellung des Jahresabschlusses zugleich die Grundlage für die Berechnung der Gewinnansprüche sämtlicher Gesellschafter festgelegt wird. Bilanzentscheidungen müssen daher auch immer im Lichte der Gewinnansprüche der Gesellschafter gesehen werden. Der Senat verkennt auch keineswegs, dass die Bilanzpolitik ein wichtiges Instrument der Unternehmenspolitik ist ­ die Ausübung der verschiedenen Bilanz- und Bewertungswahlrechte sowie die Wahrnehmung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet auch nach neuem Bilanzrecht die Möglichkeit der Bildung (eigentlich unerwünschter) stiller Reserven (vgl. hierzu auch Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, Rn 121 zu § 29) -, weshalb die Justiz sehr vorsichtig sein muss, wenn sie eingreift, denn es müssen sehr gewichtige Gründe vorliegen, wenn eine nach handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen rechtmäßige Bilanzentscheidung der Gesellschafter durch eine unternehmensfremde Institution, nämlich durch das Gericht, aufgehoben wird. Schon das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass ein in der Abstimmung über den Jahresabschluss unterlegener Gesellschafter nicht sein eigenes unternehmerisches Ermessen an die Stelle des Mehrheitsbeschlusses setzen darf. In den Kernbereich unternehmerischer Autonomie darf nicht eingegriffen werden. Bei der hier zu treffenden Entscheidung hatte der Senat auch die Tatsache angemessen zu berücksichtigen gehabt, dass der Gesetzgeber das Vollausschüttungsgebot des § 29 GmbHG alte Fassung aufgehoben hat und er für die GmbH keine dem § 254 Abs. 1 AktG vergleichbare Regelung getroffen hat, d. h. keine Mindestausschüttungsquote festgesetzt hat.

§ 11 der Satzung der Beklagten ­ betreffend Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung ­ enthält keine materiellrechtlichen Richtlinien für die Gesellschafterbeschlussfassung. Abs. 2 wiederholt im wesentlichen den damals geltenden gesetzlichen Grundsatz der Vollausschüttung, der in Absatz 3 in Übereinstimmung mit der jetzigen Rechtslage durch "einfache Mehrheit" für einschränkbar erklärt wird. Dass der Gesetzgeber für den Gewinnverwendungsbeschluss eine einfache Mehrheit für ausreichend erachtet, steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Bilanzrichtliniengesetz, welches die Möglichkeit der Bildung stiller Reserven einschränken will.

Der oben bereits vorangestellte Rechtssatz, dass Ansatz- und Bewertungswahlrechte sachgerecht auszuüben sind, beinhaltet nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auch, dass die Ausschüttungsinteressen der einzelnen Gesellschafter gegenüber dem Bedürfnis der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen sind, wobei dem Thesaurierungsinteresse der Gesellschaft gegenüber den Ausschüttungs- und Entnahmeinteressen der Gesellschafter kein allgemeiner Vorrang zukommt (vgl. Urteil des II. ZS des BGH vom 29.03.1996, abgedruckt in Bd. 132 Seite 263 ff., 273 ff. der Amtlichen Entscheidungssammlung, auch abgedruckt in DB 1996 Seite 926 ff.). Wie die Gesellschafter bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung nicht frei sind, sondern den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten unterliegen und insbesondere auch die Minderheitsinteressen angemessen zu berücksichtigen haben (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 03.07.1991, abgedruckt in BB 1992 Seite 33), sind sie auch bei ergebnisrelevanten Bewertungsentscheidungen im Rahmen der Feststellung des Jahresergebnisses nicht frei, sondern unterliegen nach Senatsansicht gleichgelagerten Beschränkungen.

Der Senat ist unter Abwägung aller Gesichtspunkte zu der Auffassung gelangt, dass bei der Ergebnisfeststellung die berechtigten und bekannten Interessen der Klägerin nicht angemessen berücksichtigt worden sind, weshalb den Mehrheitsgesellschaftern der Vorwurf eines gesellschaftsrechtlich relevanten treuwidrigen Verhaltens gemacht werden muss. Hierbei kam dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass die Gesellschafter der Beklagten familienmäßig verbunden sind, weshalb auch private Interessen des einzelnen Gesellschafters im Einzelfall zu berücksichtigen sind (vgl. Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 56 Anhang § 47), wenn diese ­ wie hier ­ gesellschaftsbezogen sind. Das Interesse an einer angemessenen Überschussbildung, die eine angemessene Ausstattung des Gewinnbezugsrechtes aller Gesellschafter ermöglicht, ist gesellschaftsbezogen. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dient nicht nur dem Schutz der Gesellschaft, also der Beklagten, sondern auch dem der einzelnen Gesellschafter. Sie beinhaltet zum einen das Gebot an die Gesellschafter, sich gegenüber der Gesellschaft loyal zu verhalten, deren Zwecke aktiv zu fördern und Schaden von ihr abzuhalten; zum anderen verpflichtet die Treuepflicht die Gesellschafter untereinander zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen der Mitgesellschafter (vgl. Schmiegelt im Handbuch der GmbH, 2. Aufl. 1999, Rn 22 zu § 3; Baumbach-Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, Rn 21 f. zu § 13). Bei einer personalistisch strukturierten GmbH, wie der Beklagten, sind die Treuepflichten der GmbH-Gesellschafter ähnlich denen ausgestaltet, wie sie zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft bestehen. Wie die Treuepflicht im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu konkretisieren ist, d. h. wie die Eigeninteressen der handelnden Gesellschafter und die Interessen der Gesellschaft wie die mitgliedschaftlichen Interessen der anderen Gesellschafter gegeneinander abzuwägen sind, ist primär eine Tatfrage und setzt einen ­ sicherlich schwierig vorzunehmenden ­ Aktwertende Erkenntnis voraus, wobei häufig im wesentlichen es gilt, den Interessenwiderstreit zwischen der Gesellschaft an Reservenbildung und der Gesellschafter an Gewinnausschüttung aufzulösen. Im Vordergrund der Abwägung steht naturgemäß die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft unter besonderer Berücksichtung ihrer Eigenkapitalausstattung, ihrer Kreditfähigkeit und ihrer Marktposition (vgl. hierzu u. a. auch Baumbach- Hueck a. a. O. Rn 32 zu § 29).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses und damit auch der Interessenabwägung ist allein der 6. Oktober 1997; die spätere Entwicklung des Unternehmens, soweit nicht mit hinlänglicher Sicherheit schon damals an jenem Tage prognostizierbar, muss außer Betracht bleiben. Ob die Feststellung des Jahresabschlusses 1996 rechtmäßig ist, hängt sicherlich zuförderst von der von den Prozessparteien auch in den Vordergrund ihrer Erörterungen gerückten Frage ab, ob die Beklagte die Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz wahrnehmen durfte, darum wissend, dass hierdurch der ausschüttungsfähige Gewinn signifikant verringert wird, und die Klägerin ein evidentes Interesse an einer möglichst hohen Gewinnausschüttung hat. Eine bloße steuerrechtlich motivierte Sonderabschreibung, die handelsrechtlich nicht geboten ist ­ wodurch eine gesetzgeberisch ansonsten nicht gewollte verdeckte Reserve entsteht ­ bedarf vor dem Hintergrund der widerstreitenden Gesellschafterinteressen einer besonderen Rechtfertigung. Allein der Umstand, dass bei der Gesellschafterversammlung am 6. Oktober 1997 nach Aktenlage keine diesbezüglich detaillierte Interessenabwägung stattgefunden hat ­ noch im anhängigen Prozess hat die Beklagte zunächst sich allein damit verteidigt, die Ausübung des Wahlrechtes sei steuerrechtlich rechtmäßig (vgl. ihren Schriftsatz vom 20.01.1998 Seite 17, Bl. 150 d. GA) und sie lediglich ihr allgemeines Interesse an einer Gewinnthesaurierung darlegte ­ macht die Anfechtungsklage begründet (Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 53 Anhang § 41; im gleichen Sinne wohl auch Rowedder, GmbH, 3. Aufl. 1997, Rn 38 zu § 29).

Selbst wenn eine Interessenabwägung unterstellt wird ­ die indessen nach Senatsüberzeugung vor dem Hintergrund der Argumentationsstrukturen der Beklagten nicht stattgefunden hat -, so wäre die Anfechtungsklage in diesem Punkt aus den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts, die sich der Senat deshalb zu eigen macht und auf die er verweist (§ 543 Abs. 1 ZPO alte Fassung), begründet. Ergänzend gibt der Senat in diesem Zusammenhang auch noch zu bedenken, dass der Bruder der Klägerin, geschäftsführender Gesellschafter der Beklagten und nach dem Eindruck des Senatsberichterstatters auch Meinungsführer in der Gesellschafterversammlung, bereits aus seiner Geschäftsführertätigkeit erhebliche finanzielle Zuwendungen von der Beklagten erhält, die in der Vergangenheit teilweise den Charakter verdeckter Gewinnausschüttungen hatten, wodurch der Gewinnanspruch der Klägerin verkürzt wurde. Dass die Klägerin die Regelungen im Dienstvertrag der Beklagten mit ihrem Bruder mitgetragen hat, ist hierbei ohne Bedeutsamkeit, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich bewusst war, ihr Bruder erhalte damit auch eigentlich der Gesellschaft zustehende Gewinnanteile. Wenn es grundsätzlich auch richtig ist, dass der Bruder der Klägerin die Vergütung für seine Arbeitskraft erhält, so kann gleichwohl nicht verkannt werden, dass die finanzielle Gesamtausstattung seiner Person seine finanziellen Interessen ausreichend befriedigen dürfte und er seinerseits daher viel leichter als die Klägerin auf Dividenden verzichten kann.

Bei gegebener Ertragstärke des Unternehmens, die hier gegeben ist, muss schon bei der Ausübung von Wahlrechten gewährleistet werden, dass ein verteilungsfähiger Jahresüberschuss in der Bilanz ausgewiesen und auch ausgeschüttet werden kann (und muss), der es ermöglicht, dass der einzelne Gesellschafter aus diesen Mitteln seinen Vermögenssteuerverpflichtungen nachkommen kann.

Der Hinweis der Beklagten auf die bankenseits geforderte Eigenkapitalquote von 20 % (vgl. hierzu auch die Bankschreiben Bl. 108 ff. d. GA) geht nach Senatsansicht in diesem Zusammenhang fehl. Für die an der Beklagten beteiligten Gesellschafter ist es, was in der diesbezüglichen Beklagtenargumentation möglicherweise nicht ausreichend gewichtet wird, ohne Bedeutsamkeit, wie hoch die Eigenkapitalquote im Konzernverbund ist; nur die Eigenkapitalquote der Beklagten selbst darf in die Abwägung mit eingehen. Es geht hier vorrangig auch nicht um eine Ausschüttungspolitik der Beklagten, sondern darum, in welcher Höhe der Unternehmensgewinn festgestellt wird. Je höher der bilanzierte Unternehmensgewinn ist, desto besser steht die Beklagte vor den kreditgebenden Banken da. Wenn der Senat oben ausgeführt hat, dass die Klägerin nur deshalb anfechtungsberechtigt ist, weil die Bewertung ergebnisorientiert ist und ihr Gewinnanspruch berührt wird, liegt darin kein Widerspruch. Um die bankenseits geforderte Eigenkapitalquote sicherzustellen, kann z. B. auch ein Gesellschafterdarlehen gewährt werden, was möglicherweise für den einzelnen Gesellschafter sogar steuergünstiger sein kann. In Bezug auf die Klägerin ist es gerichtlicherseits durchaus denkbar, dass bei einer entsprechenden Gewinnausschüttung sie der Beklagten ein Darlehen mit der Abrede gewährt, dass während dieser Darlehenslaufzeit die ihr gewährten Kredite ­ gegebenenfalls zinsfrei ­ gestundet werden. Im übrigen könnte bei einem höheren Gewinnausweis nach Senatsansicht durchaus möglicherweise ein den klägerischen Interessen besser gerecht werdender Gewinnverwendungsbeschluss gefasst werden, der auch die Bankenbilligung finden könnte, wenn damit zugleich sichergestellt wird, dass der der Klägerin ausgekehrte Gewinn zu einem Großteil zur Zurückführung der ihr ausgekehrten Kredite verwandt wird.

Wenn die vorstehenden Ausführungen auch nur spekulativen Charakter haben, so belegen sie doch, dass die beklagtenseits in den Raum gestellte Frage nach der Eigenkapitalquote nicht die Beantwortung der Frage beeinflussen darf, ob die Ausübung eines bestimmten steuerlichen Wahlrechts auch unter Einbeziehung der klägerischen Interessen rechtens war. Der Senat vermisst mit dem Landgericht, dass eine auf den Stichtag 06.10.1997 bezogene Abwägung zwischen dem alleinigen und ausschließlich steuerlich motivierten Abschreibungsinteresse mit den weiteren Unternehmensinteressen einerseits, und den evidenten Interessen der Klägerin auf Gewinnausschüttung in einer personalistisch strukturierten GmbH andererseits, bei welcher auch eine auf Wachstum ausgerichtete Unternehmenspolitik auf die möglicherweise entgegengesetzten persönlichen Interessen der einzelnen Gesellschafter Rücksicht zu nehmen hat, stattgefunden hat. Die Beklagte muss berücksichtigen, dass Wachstum kein Selbstzweck sein darf, vielmehr das Dividendeninteresse aller ihrer Gesellschafter einen hohen Rang hat und zu beachten ist. Die Angemessenheit der Rendite bestimmt sich hierbei nach Senatsansicht nicht allein nach der Höhe des eingesetzten Kapitals, sondern auch nach der Höhe des Verkehrswertes des Geschäftsanteils der Beklagten (vgl. in diesem Sinne wohl auch Urteil des OLG München vom 09.06.1989 in BB 1990 Seite 368, 369). Die Stärkung der Finanzkraft der Gesellschaft darf nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Dividendenausfalles führen.

2. Zu TOP 5 (Ergebnisverwendungsbeschluss)

Die Anfechtung des Gesellschafterversammlungsbeschlusses vom 6. Oktober 1997 zu TOP 5 (Ergebnisverwendungsbeschluss) ist in entsprechender Anwendung des § 253 AktG schon deshalb begründet, weil die Feststellung des Jahresabschlusses unwirksam ist. Dies wird von der berufungsführenden Beklagten nicht anders gesehen. Schon deshalb ist ihre Berufung unbegründet.

Im übrigen teilt der Senat des weiteren mit dem Landgericht die Meinung, dass der Gewinnverwendungsbeschluss, wonach aus dem ausgewiesenen Bilanzgewinn von 3.278.306,00 DM ein Betrag von DM 2.878.306,00 in eine Gewinnrücklage eingestellt wird ­ das sind immerhin nahezu 88 % ! ­ und nur DM 400.000,00 ausgekehrt werden (was unter Berücksichtigung des darauf entfallenen Körperschaftssteuerguthabens von DM 171.428,00 einer Bruttodividende von DM 571.428,00 entspricht, vgl. Berechnung Bl. 211 d. GA), auch an inhaltlichen Mängeln leidet. Nach diesem Gewinnverwendungsbeschluss muss die Klägerin unter Außerachtlassung des Körperschaftssteuerguthabens Steuer auf DM 819.576,50 Gewinn zahlen, obwohl sie nur DM 100.000,00 erhält (zuzüglich Körperschaftssteuergutschrift in Höhe von DM 42.857,00). Entsprechend § 543 Abs. 1 ZPO a. F. nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug.

Die inhaltliche Mangelhaftigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ergibt sich auch hier zunächst aus der Tatsache, dass ausweislich des Gesellschafterversammlungsprotokolls keine Interessenabwägung vorgenommen wurde, deren Notwendigkeit und Bedeutsamkeit hier noch offenkundiger als bei TOP 4 zutage liegt. Der Senat verweist deshalb auf seine vorstehenden Ausführungen zu I. 1.

Vorab ist in diesem Zusammenhang zur Klarheit vorsorglich festzustellen, dass grundsätzlich die Bildung einer Gewinnrücklage zulässig ist. Wie bei dem Feststellungsbeschluss ist auch bei dem Gewinnverwendungsbeschluss jedoch eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Scholz a. a. O. Rn 143; Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 29 f., jeweils zu § 29). Wenn auch durch das Bilanzrichtliniengesetz, welches an die Stelle des Vollausschüttungsgebotes das Mehrheitsprinzip gesetzt hat, um eine Rücklagenbildung durch einfachen Mehrheitsbeschluss zu ermöglichen, um nach der weitgehenden Abschaffung der stillen Reserven die für die Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft unerlässliche Rücklagenbildung auf andere Weise sicherzustellen (vgl. Scholz a. a. O. Rn 115 zu § 29), die Gewinnthesaurierung zur Selbstfinanzierung stark erleichtert wurde, so stellt dies jedenfalls kein Freibrief dar, berechtigte Interessen des Minderheitsgesellschafters zu negieren.

Nach Senatsauffassung ist nicht nur das in der Literatur häufig erörterte gezielte "Aushungern" durch jahrelanges Vorenthalten einer angemessen Dividende rechtsmissbräuchlich, sondern Rechtsmissbrauch kann, zumindest bei einer Familien-GmbH, schon dann gegeben sein, wenn durch den Gewinnverwendungsbeschluss nachhaltig berechtigte Belange des Minderheitsgesellschafters ­ hier also der Klägerin ­ missachtet werden. Diese Treuepflicht, auf die oben unter I. 1. im einzelnen eingegangen worden ist, gebietet auch hier Rücksichtnahme (vgl. GmbH-Handbuch Tz 72 zu § 10; Baumbach-Hueck a. a. O. Rn 29; Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 25; Rowedder a. a. O. Rn 10, jeweils zu § 29; Urteil des OLG Hamm vom 03.07.1991 in BB 1992 Seite 33 sowie Urteil des OLG München vom 09.06.1989 in DB 1990 Seite 368, 369 ­ Revision wurde hier nicht angenommen -). Auch an dieser Stelle betont der Senat, dass er sich sehr wohl darum bewusst ist, wie problematisch die Konkretisierung der im Prinzip allgemein anerkannten Grundsätze ist und welche Folgen es haben kann, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluss durch das Gericht aufgehoben wird. Mit den landgerichtlichen Erwägungen ist aber der Senat jedoch letztlich zu der Auffassung gelangt, dass vor dem Hintergrund der Interessengegensätze und den Auseinandersetzungen zwischen der Beklagten und der Klägerin eine Gewinnrücklagenbildung von ca. 88 % des ausgewiesenen Bilanzgewinnes unangemessen das Gewinnbezugsrecht der Klägerin verkürzt, zumal diese sich auch im Interesse der Beklagten bei ihr verschuldet hat (vgl. Timeplex-Darlehen), und hier der Minderheitenschutz ein gerichtliches Eingreifen gebietet.

Der Senat weiß darum, dass aufhebende Gerichtsentscheidungen sehr spärlich sind und dass das Argumentationsspektrum sehr groß ist. Während Libs (in DB 1986 Seite 2421 ff.) von einer Verletzung der Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter erst dann ausgehen will, wenn trotz gesunder Finanzierungsstruktur nur eine so geringfügige Ausschüttung vorgenommen wird, dass der Minderheitsgesellschafter hieraus noch nicht einmal seine Vermögenssteuer bezahlen kann, hält Ihlke (DB 1987 Seite 678) eine weitreichende Thesaurierungspolitik für unvereinbar mit dem Minderheitenschutz und meint in Anlehnung an die Regelung in § 58 Abs. 2 AktG, nur bis zu 60 % dürfe begründungsfrei thesauriert werden. Vorherrschend in der Rechtslehre dürfte die Meinung sein, dass der Minderheitenschutz eine sachliche Rechtfertigung der Thesaurierungspolitik verlangt und eine Abwägung zwischen den Interessen der Gesellschaft an einer möglichst umfassenden Rücklagenbildung und dem Gewinnbezugsrecht des Minderheitsgesellschafters geboten ist, so dass vor diesem Hintergrund die Rücklagenbildung kaufmännisch vertretbar ist (vgl. das vorzitierte Urteil des OLG Hamm vom 03.07.1991, abgedruckt in BB 1992 Seite 33; Scholz a. a. O. Rn 123 und Lutter-Hommelhoff a. a. O. Rn 25 ff., jeweils zu § 29). Das OLG Hamm hat in dem vorzitierten Urteil vom 3. Juli 1991 nach Senatsansicht die Abgrenzungskriterien wie folgt zutreffend dargestellt: Bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung sind die Gesellschafter nämlich nicht frei, sondern unterliegen der gesellschafterlichen Treuepflicht und haben insbesondere Minderheitsinteressen zu berücksichtigen. So ist das Interesse der Gesellschaft an der Rücklagenbildung gegen ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft, oder einzelnen von ihnen, an einer hohen Ausschüttung gegeneinander abzuwägen, wobei die gesamten wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der betroffenen Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Dabei sind einerseits auf Seiten der Gesellschaft der Gesellschaftszweck und die dafür erforderlichen Mittel einschließlich einer angemessenen Planung für die weitere Entwicklung, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, ihre Ausstattung mit Eigenkapital, die Höhe und Verfügbarkeit von vorhandener Rücklagen, Kreditfähigkeit und Art der Ausschöpfung aufgenommener Kredite, sowie Höhe der Laufzeit von Verbindlichkeiten, die allgemeine Wirtschaftlage und Marktsituation und die Zukunftsprognose für den betroffenen Wirtschaftszweig, sowie andererseits die wirtschaftliche Situation der Gesellschafter und ihr Interesse auf Gewinnausschüttung gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist eine Rücklagenbildung nur dann zulässig, wenn sie nach verständiger kaufmännischer Beurteilung erforderlich ist, wobei allerdings ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum einzuräumen ist. So können beispielsweise Reserven großzügiger bedient werden, wenn trotzdem eine hohe Gewinnverteilung möglich ist.

Eine kaufmännisch nicht mehr gerechtfertigte Reserveplanung ist dagegen nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich und ein gleichwohl mehrheitlich gefasster Ergebnisverwendungsbeschluss wegen Verstoßes gegen die Treuepflicht anfechtbar.

Mangels entgegenstehender Satzungsbestimmungen sind die Gesellschafter der Beklagten in Bezug auf ihren Dividendenanspruch gleich zu behandeln. Der Gesellschaftergeschäftsführer der Beklagten, nämlich der Bruder der Klägerin, erhält neben seinen Festbezügen und anderen geldwerten Leistungen eine Tantieme von 20 %. Die Tantieme ist zwar bei angemessener Bemessung eine den Gewinn schmälernde Ergebnisverwendung und kann daher nicht mit dem klägerischen Gewinnbezugsrecht gleichgestellt werden, aber ein überhöhtes Geschäftsführergehalt ist das "verbreiteste Beispiel verdeckter Gewinnausschüttung" (so Scholz a. a. O. Rn 174 zu § 29).

Nach der Definition des Bundesfinanzhofes (zitiert bei Rowedder Rn 104 zu § 29) ist eine verdeckte Gewinnausschüttung, welche gesetzlich nicht definiert ist, eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens der GmbH auswirkt und nicht im Zusammenhang mit einer offenen, auf einen Gewinnverwendungsbeschluss beruhenden Ausschüttung steht. Wenn auch nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11. Dezember 1991 (abgedruckt in DStR 1992 Seite 862) in der Regel es nicht möglich ist, die Angemessenheit des Geschäftsführergehaltes von Gesellschaftergeschäftsführern nach einem bestimmten Prozentsatz des Gewinnes der GmbH vor Abzug von Geschäftsführergehältern zu bemessen, so müssen gemäß dem Anwendungserlass des Bundesministers der Finanzen vom 05.01.1998 (BStBl I 1998 Seite 90) zu den Rechtsprechungsgrundsätzen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Tantiemen an Gesellschaftergeschäftsführern die Gesamtbezüge wenigstens zu 75 % aus einem festen und höchstens zu 25 % aus einem erfolgsabhängigen Bestandteil bestehen. In dem hier entscheidungsrelevanten Zeitraum ­ Geschäftsjahr 1996 ­ hat der Bruder der Klägerin nach Beklagtenvortrag (vgl. deren Schriftsatz vom 16. Mai 2000, Bl. 383 d. GA), DM 1.637.000,00 als Vergütung erhalten bei einem aktenkundigen Festgehalt von DM 211.200,00 gemäß Geschäftsführervertrag vom 28. Dezember 1992, der nach Beklagtenvorbringen bis zum 31.12.1996 Grundlage für die Geschäftsführerbezüge war.

Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen hätte der Bruder der Klägerin nur 25 % seines Festgehaltes, das sind DM 52.800,00, als erfolgsabhängige Vergütung beziehen dürfen, was andererseits wiederum bedeuten würde, dass sich ein Betrag von DM 1.373.000,00 als verdeckte Gewinnausschüttung darstellen könnte. Das ist das Doppelte der ausgeschütteten Dividende unter Berücksichtigung der Körperschaftssteuergutschrift von 5,71 %, bezogen auf das Stammkapital von 10 Mio. DM.

Wenn der Senat hier letztlich auch nicht darüber abschließend zu befinden hatte, ob steuerrechtlich 1996 eine verdeckte Gewinnausschüttung, und wenn ja, in welcher Höhe, zugunsten des Bruders der Klägerin beklagtenseits vorgenommen wurde ­ wobei die Beklagte aber ausdrücklich einräumt (vgl. Bl. 384 d. GA), dass Teile des Geschäftsführergehaltes des Bruders der Klägerin steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln sind -, so belegen die oben aufgezeigten Relationen doch die Ungleichgewichtigkeit der Ausschüttungspolitik der Beklagten zu Lasten der Klägerin. Die Beklagte war trotz aller (vermeintlichen) Finanzierungszwänge gehalten, ihren Kreditbedarf so zu steuern, dass der Klägerin eine angemessene Dividende ausgeschüttet werden kann, wobei die Angemessenheit der Dividendenhöhe sich nicht allein nach dem Stammkapital richtet, und diese auch in einem ausgewogenen Verhältnis zum erfolgsabhängigen Vergütungsteil des Gehaltes des Gesellschaftergeschäftsführers der Beklagten stehen muss.

II. Zur Anschlussberufung der Klägerin (betreffend TOP 7, Wahl des Abschlussprüfers

Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist begründet, weshalb das angefochtene Urteil im Sinne des klägerischen Begehrens abzuändern war.

Der landgerichtlichen Rechtsauffassung, wonach die klägerische Anfechtung wegen Nichteinhaltens der Zweiwochenfrist des § 318 Abs. 3 HGB verfristet sei (weshalb sich das Landgericht folgerichtig nicht mit den Anfechtungsgründen auseinandergesetzt hat), vermag der Senat nicht beizutreten. Das Verfahren auf gerichtliche Ersetzung des Abschlussprüfers steht selbständig neben der Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben (wie hier Baumbach-Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, Rn 10 sowie Marsch-Barner in Gemeinschaftskommentar zum HGB, 6. Aufl. 1999, Rn 10, jeweils zu § 318). Wenn dem aber so ist, müssen auch die für die Anfechtungsklage geltenden Fristen hier Platz greifen. Die Klägerin hat mit ihrer Anfechtungsklage, worauf bereits oben unter I. eingegangen worden ist, sogar die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG mit ihrer vorliegenden Anfechtungsklage gewahrt, weshalb von keiner Verfristung ausgegangen werden kann.

Die mithin fristwahrende Anfechtung ist auch begründet, denn aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin besteht auch bei der gebotenem objektivierten Betrachtungsweise ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit, wobei an die berufsrechtliche Vorschriften des § 49 WPO anzuknüpfen ist. Im Kern unwidersprochen hat die Klägerin vorgetragen, dass der auf der Gesellschafterversammlung gestellte Abschlussprüfer auch die Steuererklärungen ihres Bruders und dessen Ehefrau erstellt, was allein wohl nicht die Befangenheit zu begründen vermag. Es ist aber auch nicht nachhaltig der Vortrag der Klägerin bestritten worden, dass der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfergesellschaft, die zum Abschlussprüfer bestellt worden ist, bei den Kaufverhandlungen bezüglich des Geschäftsanteils der Klägerin die Interessen ihres Bruders vertreten hat. Angesichts der Familienspannungen kann von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie der Person des Abschlussprüfers uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringen kann, der auch die privaten Interessen ihres Bruders und dessen Ehefrau vertritt, und in dessen Wirkungszeit es zu verdeckten Gewinnausschüttungen gekommen ist. Jedenfalls seit dem Zeitpunkt, zu dem die Interessengegensätze zwischen der Klägerin und ihren Mitgesellschaftern offen zutage traten, kann ein Wirtschaftsprüfer, der die Gesellschaft berät, nicht auch noch zugleich eine Gesellschafterseite privat beraten. Der Senat sieht sich in seiner Bewertung der Sachlage auch durch den überzeugend begründeten Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 13. März 2001 bestätigt.

III. Zu den weiteren Entscheidungen

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen, weil sie insgesamt unterliegt und ihr Rechtsmittel erfolglos blieb, während das der Klägerin erfolgreich war (§§ 91, 97 ZPO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO a. F.. Die Höhe der Sicherheitsleistung beruht auf den Wertfestsetzungen vom 28. April 1998 im landgerichtlichen Urteil für die erste Instanz und auf dem am 28. Juni 2000 verkündeten Senatsbeschluss für die zweite Instanz. Soweit den Parteien nachgelassen worden ist, die Sicherheit auch durch Prozessbürgschaft erbringen zu dürfen, beruht diese Entscheidung auf § 108 ZPO a. F.. Die Festsetzung der Beschwer erfolgt in Ansehung der Vorschrift des § 546 Abs. 2 ZPO a. F..

Ende der Entscheidung

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