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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.05.2000
Aktenzeichen: 13 W 29/00
Rechtsgebiete: BGB, RVO, StPO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
RVO § 3 Abs. 1
RVO § 3 Abs. 2
RVO § 83
RVO § 84
RVO § 84 Abs. 2
RVO § 82 Abs. 1
RVO § 84 Abs. 4
StPO § 244 Abs. 3
ZPO § 567
ZPO § 294
ZPO § 545 Abs. 2 S. 1
Die von einem Sportverband verhängte Wettkampfsperre wegen Dopings ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Verband einen schuldhaften Verstoß des Sportlers gegen Dopingregeln beweist. Dies kann gerichtlich nachgeprüft werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

13 W 29/00

1 O 198/00 LG Darmstadt

Verkündet am

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren ...

Der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2000 durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter als Vorsitzender, die Richterin am Oberlandesgericht Andrée und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gebhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss der ersten Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 4. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Verkürzter Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Der Verfügungskläger, nachstehend nur noch als Kläger bezeichnet, ist ein international bekannter Athlet. Er gehört dem Verein ... an, welcher wiederum Mitglied im Leichtathletikverband ... ist. Der Verfügungsbeklagte, nachstehend nur noch als Beklagter bezeichnet, ist die Vereinigung der deutschen Leichtathletik-Landesverbände. Der Kläger schloß mit dem Beklagten darüber hinaus eine von diesem vorformulierte und nicht datierte "Athletenvereinbarung 1999/2000" sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung ab, auf deren jeweilige Inhalte Bezug genommen wird.

Bei dem Kläger wurden am 19.1 0. und 12.11.1999 Trainings-Doping-Kontrollen durchgeführt, weiche sich als positiv herausstellten. Die A-Probe vom 19.10.1999 ergab das Vorliegen von 23,2ng/mi Norandrostesteron und 5,1 ng/ml 19-Noretiocholanlon, diejenige vom 12.11.1999 von 19-Norandrostesteron von 24ng/mi. Nondralon und seine Metaboliten gehören zu der Gruppe der anabolen androgenen Steroide und zählen nach den IAAF Procedural Guidelines zu den als Dopingsubstanzen verbotenen Wirkstoffen.

Der Beklagte leitete gegen den Kläger ein Dopingverfahren ein. Die Anti-Doping- Kommission des Beklagten (ADK) beschloß am 19.11.1999, den Kläger aufgrund der beiden positiven A-Proben-Analyse zu suspendieren.

Gelegentlich einer Hausdurchsuchung beim Kläger wurden in seinem Haus eine Zahnpastatube der Marke "elmex" sichergestellt, die die Substanz "Norandrostendion", ein Vorläufer von Nondralon, enthielt. Dieses Sachverhaltes wegen erstattete der Kläger am 02.12.1999 bei der Staatsanwaltschaft Tübingen Strafanzeige gegen Unbekannt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Am 17.12.1999 wurde im Haus des Klägers eine mit Norandrostendion versetzte weitere Zahnpastatube der Marke "Signal" aufgefunden.

Parallel hierzu beantragte die ADK beim Präsidium des Beklagten, daß dieses beschließen möge, die Fortdauer der Suspendierung des Klägers anzuordnen und den Rechtsausschuß mit dem Antrag anzurufen, den Kläger eines Dopingverstoßes wegen schuldig zu sprechen und gegen ihn eine Wettkampfsperre von zwei Jahren zu verhängen. Der Einzelheiten wegen wird auf die nicht datierte Antragsschrift der ADK Bezug genommen.

Parallel hierzu beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2000 beim Präsidium des Beklagten, seine Suspendierung aufzuheben, hilfsweise zu unterbrechen. Der Kläger bestritt nachdrücklich, wie schon zuvor, daß er wissentlich verbotene Substanzen zu sich genommen habe und ging - wie jetzt auch noch - von einem gegen ihn gerichteten Anschlag aus und bezeichnete sich selbst als "Doping-Opfer". In rechtlicher Hinsicht ließ der anwaltlich vertretene Kläger ausfahren, ein Anti-Doping- System, in dem strafrechtliche Sanktionen ohne Tatbestands- bzw. Schuldnachweis verhängt werden könnten, sei gesetz- und rechtsstaatswidrig.

Das Präsidium des Beklagten trat am 22.01.2000 zusammen und bejahte in Bezug auf den Kläger einen dringenden Tatverdacht wegen Dopingverstoßes und ordnete die Fortdauer der durch die ADK ausgesprochenen Suspendierung an. Das Präsidium des Beklagten beantragte mit Schriftsatz vom 28.01.2000 bei dem Rechtsausschuß (nachstehend auch als Verbandsgericht bezeichnet), den Kläger "schuldig eines Dopingverstoßes" zu sprechen und ihn zu einer Wettkampfsperre von zwei Jahren zu verurteilen. Der Kläger habe, so wird in der Antragsschrift u.a. ausgeführt, ein fehlendes Verschulden nicht nachgewiesen.

Mit Beschluß vom 25.02.2000 wies der Vorsitzende des Rechtsausschusses den klägerischen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, seine Suspendierung aufzuheben, zurück. Auf Antrag des Klägers wurde der vorstehende Vorsitzendenbeschluß durch den Rechtsausschuß in seiner Dreier-Besetzung überprüft und mit Beschluß vom 03.03.2000, als unanfechtbar bezeichnet, bestätigt. Im Hauptsacheverfahren erließ der Rechtsausschuß am 17.03.2000 einen Beweisbeschluß. Prof. Dr. S. erstattete zwischenzeitlich das angeforderte Gutachten, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Der Beklagte meinte in seiner Stellungnahme hierzu vom 25.04.2000, es bestehe kein Anlaß, seine Auffassung zu ändern. Mit Schriftsatz vom 14.04.2000 beantragte der Kläger bei dem Rechtsausschuß eine Überprüfung der gegen ihn verhängten Maßnahme. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses teilte dem Kläger mit Verfügung vom 02.05.2000 mit, er sehe in dem klägerischen Begehren einen neuen und zulässigen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluß vom 03.05.2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wies der Vorsitzende des Rechtsausschusses den erneuten Antrag des Klägers auf Aufhebung der Suspendierung zurück. Dieser Beschluß wurde auf klägerischen Antrag durch den Rechtsausschuß in Dreier-Besetzung überprüft und mit Beschluß vom 15.05.2000, auf dessen Inhalt gleichfalls verwiesen wird, bestätigt.

Zwischenzeitlich unterzogen sich der Kläger und dessen Ehefrau, die ihn zugleich ausschließlich trainiert, einer polygrafischen Untersuchung. Prof. Dr. U. , der unter dem 04.04.2000 über den Kläger sein Gutachten erstattete, kam zum Ergebnis, daß eine Wahrscheinlichkeit von etwa 95% dafür bestehe, daß der Kläger wahrheitsgemäß in Abrede stelle, im kritischen Zeitraum seien anabole Steroide mit seinem Wissen oder seiner Zustimmung in seinen Körper gelangt. Die Gutachterin K. kam in ihrem Gutachten vom 04.04.2000 in Bezug auf das Bestreiten der Ehefrau des Klägers, diesem verbotene Substanzen zugeführt zu haben, zu einem gleichlautenden Ergebnis.

Der Kläger hat erstmals mit bei Gericht am 02.05.2000 eingegangenem Schriftsatz im Wege der einstweiligen Verfügung mit umfangreicher Begründung beantragt, die von der ADK des Beklagten gegen ihn am 19.11.1999 ausgesprochene und vom Präsidium des Beklagten mit Beschluß vom 22.01.2000 bestätigte vorläufige Wettkampfsperre aufzuheben.

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt hat ohne vorherige Gegneranhörung mit Beschluß noch vom gleichen Tage - 02.05.2000 - den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgewiesen, daß derzeit der Weg zu den staatlichen Gerichten noch nicht eröffnet sei, da das verbandsinterne Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Mit bei Gericht am 04.05.2000 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger unter Hinweis auf den Beschluß des Vorsitzenden des Rechtsausschusses vom 03.05.2000 erneut mit gleichem Ziel den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt und ausgeführt, das verbandsinterne Verfahren sei abgeschlossen.

Diesen vorstehenden Antrag hat - wiederum ohne Gegnerbeteiligung - die 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt mit Beschluß vom 04.05.2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, vorliegend müsse entsprechend der Regelvermutung des § 82 Abs.2 der Rechts- und Verfahrensordnung des Beklagten - nachstehend nur noch als RVO abgekürzt - von einem dringenden Tatverdacht gegen den Kläger ausgegangen werden. Dessen Einlassung, die verbotenen Substanzen müßten ihm durch Manipulationen Dritter an der von ihm genutzten Zahnpasta zugeführt worden sein, sei wenig glaubhaft, wenn auch ein solches Vorgehen nicht absolut ausgeschlossen werden könne.

Gegen vorbezeichneten Beschluß hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 05.05.2000 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Darmstadt vom 04.05.2000 bis zur endgültigen Entscheidung durch das Verbandsgericht die von der Anti-Doping-Kommission des Beklagten am 19.11.1999 gegen ihn ausgesprochene und von dessen Präsidium durch Beschluß vom 22.01.2000 bestätigte vorläufige Wettkampfsperre aufzuheben und ihm, dem Kläger, insbesondere das Startrecht für die deutsche Meisterschaft ... am 26./27.05.2000 in Troisdorf zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen. Der Beklagte meint, der Weg zu den staatlichen Gerichten sei dem Kläger nicht eröffnet. In der Sache vertritt der Beklagte die Rechtsauffassung, die Suspendierung des Klägers sei zu Recht erfolgt.

Der Senat hat über die Beschwerde mündlich verhandelt und die Verfahrensbeteiligten angehört.

Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt und auf die Sitzungsniederschrift vom 18.05.2000 Bezug genommen.

Die gemäß § 567 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist sachlich unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.

I.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet, weshalb der klägerische Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht unzulässig ist. Weder steht der Zulässigkeit des Antrages die vereinsrechtliche Natur der Streitigkeit ­ der Kläger hat sich, wie noch darzulegen sein wird, rechtswirksam der Verbandsgewalt des Beklagten unterworfen ­ (nachstehend zu 1) noch die getroffene Schiedsgerichtsklausel entgegen (hierzu nachstehend zu 2).

1. Wenn auch das Reichsgericht zunächst im Hinblick darauf, daß das BGB im Gegensatz zum preussischen ALR über Vereine kein staatliches Aufsichtsrecht vorsieht, gemeint hat, jegliche gerichtliche Kontrolle der auch die Verhängung von Strafen umfassenden Selbstverwaltung des Vereines sei untersagt, so hat es doch in der Folgezeit seine Rechtsprechung geändert und Strafmaßnahmen des Vereins einer, wenn auch sehr eingeschränkten, Kontrolle unterworfen. Im Urteil vom 30.05.1983 (BGHZ 87 S.337 = NJW 1984 S.918) hat der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Abkehr zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Tatsachenfeststellungen des Vereinsgerichts der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Mit Urteil vom 19.10.1987 (BGHZ 102, S. 265) hat der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bei Monopolverbänden sowie Vereinen oder Verbänden mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich den Umfang der Prüfung durch staatliche Gerichte weiter ausgedehnt und verlangt, daß die Vereinsstrafe durch sachlich nachprüfbare Ziele gerechtfertigt sein müsse. Wegen der Vereinsautonomie dürfe indessen das staatliche Gericht, so hat der Bundesgerichtshof in jenem Urteil weiter ausgeführt, nicht ohne weiteres seine Überzeugung und seine Wertmaßstäbe an die Stelle derjenigen des Verbandes setzen. Im sogenannten Reiterfall hat schließlich der 2.Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 28.11.1994 (BGHZ 128, S. 93 = NJW 1995, S. 583) die Regelwerke sogenannter sozial-mächtiger Verbände, zu denen die Spitzenverbände des Sports - wie vorliegend der Beklagte - ohne weiteres gehörten, der Inhaltskontrolle des § 242 BGB unterstellt.

Vereinsautonomie, auf die der Beklagte sich beruft, bedeutet nach heutigem gesicherten Erkenntnisstand mithin keine staatliche Gerichtsfreiheit, weshalb § 3 Abs.1 RVO, wonach Entscheidungen unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte endgültig werden, im Widerspruch zur staatlichen Rechtsordnung steht. § 3 Abs.2 RVO geht im übrigen selbst davon aus, daß staatliche Gerichte angerufen werden dürfen. Nach herrschender Meinung soll jedoch eine Klage vor dem staatlichen Gericht im Grundsatz erst nach Erschöpfung des verbandsinternen Instanzenweges zulässig sein (so auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11.03.1996 zu Az.: 13 W 13/96). Zumindest nach Erlaß des Beschlusses vom 15.05.2000 durch das Beklagten-Verbandsgericht kann am Vorliegen dieser Voraussetzung kein Zweifel mehr bestehen. Im übrigen kann ein verbandsinterner Rechtsschutz den staatlichen nur dann auf eine bestimmte Zeit ausschließen, wenn er ein effektiver ist. In Kenntnis des Umstandes, daß der Kläger am 26.05.2000 an den deutschen Meisterschaften ... teilnehmen will, ist der Verband über zwei Wochen nach Stellung des Antrages vom 14.04.2000 untätig geblieben. Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 14.06.1995 (SpuRt 1998 S.37) betreffend eine Fußballsache die Rechtsauffassung vertreten, daß in Eilverfahren Vereinsmitglieder nicht auf die Ausschöpfung einer etwa vorhandenen vereins- oder verbandsinternen Gerichtsbarkeit verwiesen werden dürfen (in diesem Sinne wohl auch Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.01.1988 in NJW-RR 1988 S.1271).

Der Kläger - obwohl selbst nicht Mitglied beim Beklagten - untersteht dessen Verbandsgerichtsbarkeit; dies allerdings nicht wegen seiner Zugehörigkeit zum Verein ..., weil dessen Satzung weder verbandsgerichtliche Bestimmungen noch Anti- Doping-Bestimmungen enthält. Wesentliche Regelung für das Mitgliedschaftsverhältnis, zu denen Strafbeschlüsse zählen, müssen aber in der Satzung selbst eine Stütze finden (vgl. Urteil des 2. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24.10.1988 in BGHZ 105, S. 306 sowie Münchener Kommentar-Reiter, BGB, 3.Aufl. 1993, Rn 30 zu § 25). Der Senat brauchte deshalb zum Problem der sogenannten "dynamischen Verweisung", d.h., ein Vereinsregelwerk nimmt Bezug auf das Regelwerk des ihm übergeordneten Verbandes, nicht Stellung zu nehmen (vgl. hierzu auch Hess in Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, S. 16f).

Der Kläger hat sich aber der Beklagten-Verbandsgerichsbarkeit und den vorliegend zur Anwendung gebrachten Anti-Doping-Bestimmungen durch die Athletenvereinbarung rechtswirksam unterworfen.

Daß ein Sportler sich rechtsgeschäftlich unter den Sport ordnenden Regelwerken des betreffenden Sportverbandes einschließlich den darin für Regelverstöße vorgesehenen Sanktionskatalog unterwerfen kann, hat der Bundesgerichtshof in seinem vorzitierten Urteil vom 28.11.1994 (BGHZ 128, S.93) ausdrücklich anerkannt (vgl. wie hier in diesem Sinne u. a. auch das Urteil des OLG München vom 28.03.1996 in NJWE - VHR 1996 S.96; Haas/Adolphsen, Sanktionen der Sportverbände vor ordentlichen Gerichten in NJW 1996 S.2351). Auf derartige Vereinbarungen findet nach der Ansicht des Bundesgerichshofes das AGBG keine Anwendung. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an, u.a. auch deshalb, weil es sachlich geboten scheint, alle, die dem Verbandsregelwerk unterstehen, gleich zu behandeln, weshalb auch nur ein einheitlicher Prüfmaßstab - nämlich der des § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) - gegeben sein muß.

Die zu den Gerichtsakten gereichte Athletenvereinbarung zwischen den Prozeßparteien selbst läßt keine Unwirksamkeitsgründe erkennen; solche sind klägerseits auch nicht geltend gemacht worden.

2. Die Schiedsgerichtseinrede (§ 1032 ZPO) aufgrund des Schiedsgerichtsvertrages ist, worauf der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, nicht durchgreifend. Zwar handelt es sich bei der vertraglichen Schiedsgerichtsabrede im Gegensatz zum Rechtsausschuß des Beklagten um ein Schiedsgericht im Sinne der gesetzlichen Vorschriften, aber die Prozeßparteien haben zumindest für den einstweiligen Rechtsschutz die generell gegebene parallele Zuständigkeit von Schiedsgericht und ordentlichem (staatlichen) Gericht (vgl. § 1041 Abs.2 ZPO n.F.) nicht dahingehend aufgehoben, daß nur das Schiedsgericht auch für den einstweiligen Rechtsschutz zuständig sein soll (vgl. hierzu auch Schütze, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, in BB 1998 S.1650).

Aus der Regelung zu Ziffer 6 der Athletenvereinbarung ergibt sich zunächst, daß das Schiedsgericht erst nach Ausschöpfung des verbandsinternen Rechtsweges angerufen werden darf, was durchaus so verstanden werden darf, daß erst die hier allerdings noch nicht vorliegende - Entscheidung in der Hauptsache vorliegen muß.

§ 7 Abs.2 der Schiedsordnung für die Athletenvereinbarung - vorläufige oder sichernde Maßnahme regelnd - setzt in systematischer Auslegung des Regelwerkes voraus, daß sich das Schiedsgericht bereits konstituiert hat, was hier nicht der Fall ist. Dem Kläger kann es nicht zum Nachteil gereichen, daß er noch nicht das schiedsgerichtliche Verfahren eingeleitet hat, weil jedenfalls nicht mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit sich die Regelung im Vertragswerk findet, daß auch für den einstweiligen Rechtsschutz ausschließlich das Schiedsgericht zuständig sein soll. Dies auch vor dem Hintergrund, daß der Rechtsausschuß selbst keine dahingehende Rechtsbelehrung gegeben hat. Der vorstehenden Erwägungen wegen kann deshalb dahingestellt bleiben, ob gemäß Ziffer 6 Abs.2 der Athletenvereinbarung überhaupt eine verbandsgerichtlich verhängte Strafe einer schiedsgerichtlichen Kontrolle unterliegen kann, wovon - bei jedoch nicht bekannter Vertragslage - ersichtlich das Schiedsgericht der IAAF ausgeht.

II.

Das Begehren des Klägers, eine einstweilige Verfügung des Inhaltes zu erlassen, daß die gegen ihn verhängte vorläufige Wettkampfsperre aufgehoben wird, läuft in der Sache auf den Erlaß einer Leistungsverfügung heraus, begegnet aber deshalb nicht durchgreifenden Bedenken, weil nach deutschem Verfahrensrecht der Erlaß einer Leistungsverfügung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.

Diese vorbeschriebene Rechtslage gilt uneingeschränkt, auch für den Sportbereich.

Die Entscheidung des Genfer tribunal de premiere instance vom 14.09.1995 (SpuRt 1996 S. 1 66), mit der der Antrag eines Motorsport-Sportlers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, ihm die Teilnahme an einem Weltmeisterschaftswettbewerb zuzulassen, mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, daß die beantragte Maßnahme mit dem materiell-rechtlichen Anspruch in den Tatbestand verschmelze, was nicht zulässig sei, kann daher für den Senat keine Leitbildfunktion haben.

Vielmehr kann nach deutschem Recht, worauf Schimke in seiner Urteilsanmerkung zutreffend ausführt, ein Sportler für die Dauer des Hauptsacheverfahrens durchaus eine einstweilige Verfügung erwirken. Entscheidend ist die Frage der Intensität und der Auswirkungen des absehbaren Schadens bei Nichterlaß der einstweiligen Verfügung. Weil die von der Rechtsprechung entwickelte Leistungsverfügung über die bloße Sicherung und damit auch über den im Gesetz beschriebenen Rahmen hinausgeht, indem sie dem Gegner bloß aufgrund eines summarischen Verfahrens die Erbringung von Handlungen oder Vermögensopfer auferlegt, die später in der Regel nicht, jedenfalls nicht mehr vollständig, rückgängig gemacht werden können, müssen strenge Anforderungen an die Annahme gestellt werden, daß dem Verfügungskläger eine vorweggenommene Anspruchsbefriedigung aus besonderen Gründen nicht versagt werden darf. Der Verfügungskläger hat daher darzulegen und glaubhaft zu machen, daß er so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruches angewiesen ist und sonst so erhebliche (wirtschaftliche) Nachteile erleiden würde, daß ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht zumutbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.06.1995 in NJW-RR 1996 S.123).

Der Senat geht davon aus, daß der Kläger seiner Darlegungslast hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen eine Leistungsverfügung erlassen werden kann, ausreichend Genüge getan hat, zumal bei den deutschen Meisterschaften ... ein offenes Teilnehmerfeld an den Start geht. Nähere Ausführungen zu diesem Problemkreis bedarf es aber deshalb nicht, weil der Senat aus anderen und im folgenden unter III. darzulegenden Gründen den Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung ablehnen mußte.

III.

Indem der Kläger die Aufhebung seiner vorläufigen Wettkampfsperre im Wege einer einstweiligen Verfügung begehrt, stellt er damit in rechtlicher Hinsicht die Entscheidung des Präsidiums des Beklagten zur gerichtlichen Oberprüfung, daß gegen ihn ein dringender Tatverdacht wegen eines Dopingverstoßes bestehe.

Verbandsgerichtliche Entscheidungen sind, wie bereits oben unter 1. in Bezug auf die Zulässigkeit des klägerischen Antrages ausgeführt, einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen, die indessen, der grundrechtlich geschätzten Vereinsautonomie (Art. 9 GG) Rechnung tragend, nur eine eingeschränkte ist (vgl. aus jüngster Zeit Urteil des 2. ZS des BGH vom 09.06.1997 in NJW 1997, S. 3368, sowie auch Münchener Kommentar-Reuter, BGB, 3.Aufl. 1993, Rn 35ff sowie Soergel-Hadding, BGB, 12. Aufl. 1987, Rn 59 ff., jeweils zu § 25). Der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 27.09.1999 zu Az. 11 ZR 305/98 klargestellt, daß der Vereinsautonomie nicht derselbe Stellenwert zukommt wie der Berufsfreiheit. Dieser kommt deshalb der Vorrang zu, weil sie nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut eingeschränkt werden kann. Das staatliche Gericht darf überprüfen, wobei die Darstellung dem Katalog von Summerer im Praxishandbuch Sportrecht, München 1998 (Tz 2/354f) folgt: - Erstreckung der Ordnungsgewalt des Verbandes auf den betreffenden Sportler - wirksame Grundlage der Ordnungsmaßnahmen in der insoweit gültigen Satzung - Einhaltung des in der Satzung oder Vereinsordnung festgelegten Verfahrens - Einhaltung allgemein gültiger Verfahrensgrundsätze - Gesetzmäßigkeit der Ordnungsmaßnahme - Fehlerfreiheit der der Maßnahme zugrundeliegenden Tatsachenermittlungen - inhaltliche Angemessenheit des Verbandsregelwerkes.

Ein auf verfahrensrechtlicher Ebene liegender Verstoß konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger untersteht der Verbandsgewalt des Beklagten. Der Beklagte ist gegen den Kläger entsprechend seinem Regelwerk vorgegangen. In der IAAF-Liste der verbotenen Substanzen und Techniken sind unter Ziffer 1 a 1 Nandrolon und dessen chemische oder pharmakologische verwandte Verbindungen aufgeführt. Gemäß § 83 RVO hat die ADK die Tatsachen ermittelt und gemäß § 84 RVO den Ermittlungsbericht dem Präsidium des Beklagten vorgelegt. Das Präsidium des Beklagten hat gemäß § 84 Abs.2 RVO die bereits gemäß § 82 Abs.1 RVO durch die ADK ausgesprochene Suspendierung - Voraussetzung hier nur hinreichender Tatverdacht - aufrechterhalten, weil es einen - nunmehr erforderlichen - dringenden Tatverdacht bejaht hat.

Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs deshalb rügt, weil ihm vor dem Präsidiumsbeschluß vom 22.01.2000 nicht der Bericht der ADK zur Kenntnis gegeben worden war, kann dahingestellt bleiben, ob hierin ein durch die staatlichen Gerichte aufzugreifender Verfahrensverstoß liegt, wofür in der Tat vieles spricht, weil ein möglicher Verstoß gegen die Verpflichtung, dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren, nicht mehr für die Aufrechterhaltung seiner Suspendierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt kausal ist. Dem Kläger ist nämlich in der Folgezeit ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sich zur Sache zu äußern. Wenn das formal auch im Verfahren vor dem Rechtsausschuß geschieht, so hat das Präsidium des Beklagten die dort gewonnenen Erkenntnisse jedoch jeweils verarbeitet und seine Entscheidung, so die Beklagtenerklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis intern überprüft.

Das Präsidium des Beklagten kennt, was der Kläger nicht bestreitet, seine Einlassungen in Bezug auf die beiden positiven Urinproben. Der beklagte Verband ermittelt im Rahmen des verbandsgerichtlichen Verfahrens die relevanten Tatsachen, auch solche, die zugunsten des Klägers ausgelegt werden können.

Nach Senatsansicht liegen keine jetzt noch wirksam werdende Verstöße gegen ein faires, rechtsstaatlichen Geboten entsprechendes Verfahren vor. Der Umstand, daß der Kläger den ADK-Abschlußbericht nicht vor dem Präsidiumsbeschluß am 22.01.2000 übermittelt bekommen hat, muß zwar gerügt werden, kann aber im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht die Aufhebung der Suspension rechtfertigen, weil dem Kläger, wie bereits ausgeführt, zwischenzeitlich ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, sich verbandsintern gegen die Vorwürfe zu wehren.

Letztlich vermochte der Senat unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte auch nicht festzustellen, daß der Beklagte auf materiell-rechtlicher Ebene gegen staatliches Recht in einem Umfang verstoßen hat, der es rechtfertigen könnte, die gegen den Kläger verhängte Disziplinarmaßnahme aufzuheben.

Vorab ist festzustellen, daß der Straftatbestand und die angedrohten Strafen ordnungsgemäß in der Satzung des Beklagten (§§ 79ff RVO 1.V.m. §§ 11, 15 der Satzung) verankert sind.

In Bezug auf den Beklagten als sozialmächtigen Verband erstreckt sich die Kontrollbefugnis des angerufenen Gerichtes nicht nur auf die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen (vgl. hierzu Vieweg in NJW 1991, S. 1511 lff), sondern auch auf die inhaltliche Angemessenheit der angewandten Bestimmungen (vgl. hierzu die Urteile des 2. ZS vom BGH vom 24.10.1988 in BGHZ 105, S. 306 und vom 28.11.1994 in BGHZ 128, S.93), die einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Verbandes und den schutzwürdigen Interessen derjenigen, die seiner Verbandsgewalt unterworfen sind, herstellen müssen. Die der Verbandsgewalt Unterworfenen dürfen durch die Anwendung von Verbandsnormen keiner willkürlichen oder unbilligen, Treu und Glauben widerstreitende Behandlung unterworfen werden (vgl. Röhricht, Sportgerichtsbarkeit, 1997 S.28).

Unstreitig zwischen den Parteien ist, daß zwei Urinproben des Klägers positiv waren. Selbst der Kläger behauptet nicht, daß die Proben manipuliert worden seien. Unstreitig zwischen den Prozeßparteien ist aber auch, daß der Beklagte bis zum heutigen Zeitpunkt dem Kläger nicht nachweisen kann, daß dieser sich aktiv gedopt hat, was er mit Nachdruck bestreitet, auch wenn die verbotenen Substanzen erwiesenermaßen exogener Natur sind.

Zumindestens im Geltungsbereich des Grundgesetzes kann § 84 Abs.4 RVO i.V.m. der IAAF-Regel 55 Ziff.2a und weiterer Verbindung mit Ziff.4, wonach es Pflicht jedes Athleten ist, sicherzustellen, daß kein nach diesen Regeln verbotene Substanz in sein Körpergewebe oder seine Körperflüssigkeit gelangt, nicht so verstanden werden, daß auch ohne Verschulden des Athleten gegen diesen eine Disziplinarstrafe verhängt werden darf. Nach deutschem Rechtsverständnis setzt eine Vereinsstrafe, zumindestens wenn es sich um eine folgenschwere oder mit einem Unwerturteil verbundene Aktion handelt, Verschulden voraus (vgl. Reuter-Münchener Kommentar, a.a.0., RN 30 sowie Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl. 2000, RN 14 jeweils zu § 25; Summerer a.a.O., Tz 2/262; a. A. für geringfügige Strafurteile des 2. ZS des BGH vom 26.02.1959 in BGHZ 29, S. 352 sowie Soergel-Hadding a.a.0., RN 50 zu § 25). Auch das Schiedsgericht des Deutschen Schwimmverbandes hat im Beschluß vom 23.08.1994 (SpuRt 1994 S.210), einen Dopingfall betreffend, mit der Begründung im Bereich der Vereinsstrafe müsse die Frage der Strafbarkeit nach allgemein strafrechtlichen Kriterien beurteilt werden, das Verschulden zur Voraussetzung einer Bestrafung erhoben. Für diese Betrachtungsweise spricht auch der Grundsatz der Unschuldsvermutung des Art.6 Abs.2 EMRK. Der Grundsatz der "strict liability", der den IAAF-Regeln zugrundeliegt, und worunter im staatlichen Recht verstanden wird, daß weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit erforderlich ist, um eine Haftung zu begründen, ist im übrigen auch international sehr umstritten. Der frühere Vorsitzende des Schiedsgerichts der IAAF (arbitration panel of the IAAF), Lauri Tarasti, hat auf dem Internationalen Symposium für Sportrecht 1997 in Berlin und Potsdam die Rechtsprechung des internationalen Schiedsgerichtes dahingehend beschrieben, daß die strict liability immer mehr als eine Beweislastregel (Burden of proof) ausgelegt werde. Tarasti sagt:

"After a finding of a prohibited substance it is in the interest of the athlete to show that there ist a doubt as to the reliability of the findings, because otherwise he or she will loose the case."

Sowohl im Bevilacqua- (1996) als auch im Capobianco- (1997) Fall hat man bei dem Athleten die Beweislast dafür gesehen, daß ihn kein Verschulden trifft. Im Akpan- Fall, bei dem allerdings ungeklärt blieb, worauf die im Körper vorgefundene verbotene Substanz letztlich zurückgeführt werden konnte, blieb die Beweislast für den Dopingverstoß beim Verband. Der Rechtsausschuß des Beklagten hat bereits im Verfahren RA10/92 mit Beschluß vom 26.03.1993 (SpuRt 1994 S.66) entschieden, daß eine reine strict liability im Sinne einer Gefährdungshaftung des Athleten mit dem deutschen Rechtsstaatsprinzip unvereinbar sei.

Auch im vorliegenden Verfahren geht der Beklagte davon aus, daß eine Verurteilung des Klägers nur bei einem schuldhaften Verstoß gegen seine Dopingbestimmungen in Frage kommen kann. Der Beklagte meint jedoch, daß bei einer positiven Probe das Verschulden des Athleten indiziert sei und dem Athleten es obliege, eine Fremdmanipulation nachzuweisen. In der Rechtslehre ist umstritten, ob bezüglich des Verschuldenstatbestandsmerkmales eine Beweislastumkehr, von der der Beklagte zumindestens bis zu seinem Beschluß vom 15.05.2000 ausging, statthaft ist (verneint z.B. von Summerer, a.a.0. Tz 2/264f, zumindestens bei Unterwerfung unter die Verbandsstrafgewalt durch Satzung). Der Senat erachtet das individuelle Freiheitsinteresse, auch die Freiheit umfassend, berufsmäßig eine bestimmte Sportart auszuüben, für höherwertig als jeden Verbandsstrafanspruch. Angesichts der Monopolstellung der Sport-Spitzenverbände muß das Verhältnis zwischen Verband und Berufssportler als rechtsähnlich mit dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger angesehen werden. Die Besonderheiten des verbandsgerichtlichen Verfahrens einerseits und das berechtigte Anliegen der Sportverbände, effektiv Doping bekämpfen zu können, bedingt jedoch, daß nicht ohne weiteres ausnahmslos die im Strafrecht geltende Unschuldsvermutung im Dopingbekämpfungsbereich Platz greift. Nach Senatsansicht ist geboten, aber auch ausreichend, davon auszugehen, daß eine positive A-Probe den Anscheinsbewels für einen schuldhaften Dopingregelverstoß begründet. Es liegt dann an dem Sportler, diesen Anscheinsbeweis nachhaltig zu erschüttern. Gelingt ihm dies, muß der Verband das Verschulden des Sportlers nachweisen. Eine Sanktion ohne individuelles Verschulden ­ soweit es nicht um eine Disqualifikation in einem konkreten Wettkampf geht, bei dem die Ausschaltung irregulärer Vorteile absoluten Vorrang haben muß ­ ist nicht rechtmäßig und kann, wenn sie denn von einem Verbandsgericht unter solchen Umständen verhängt werden sollte, keinen Bestand haben.

Die Wertung des Senates muß auch vor dem Hintergrund gesehen werden, daß von 6.829 in Deutschland 1998 durchgeführten Dopingkontrollen nur 35 (davon 21 bei Gewichthebern) positiv waren (Angaben bei Zück, Doping, NJW 1999 S. 831), das sind ca. 0,5% aller Proben.

Auch unter der Annahme, daß eine positive A-Probe nur einen Anscheinsbeweis für das Sportlerverschulden begründet, sind die Spezial- und Generalpräventionsinteressen des Berufssports als gesellschaftliche Institution ausreichend gewahrt.

Letztlich dürfte es sich auch so verhalten, daß die Begründungen des Internationalen Schiedsgerichtes des IAAF im Capobianco-Fall (1997) und im Bevilacqua-Fall (1996) sich durchaus auch mit den Regeln des Anscheinsbeweises nach deutschem Recht vereinbaren lassen. Auf die von Summerer (a.a.O.Tz 2/264) zitierte Entscheidung des Moskauer Bezirksgerichts im Fall der Hallenweltmeisterin Naroschilenko steht keinesfalls im Widerspruch zur Senatsansicht. Wenn deshalb das Präsidium des Beklagten dem Kläger allein nach Beweislastgrundsätzen ein Verschulden unterstellte, wie dies wohl noch in dessen Antragsschrift vom 28.01.2000 der Fall war ­ und auch noch der Beschluß des Rechtsausschusses vom 03.05.2000 geht erkennbar von einer Beweislastumkehr aus ­, wäre dies sicherlich eine fehlerhafte und von den staatlichen Gerichten nicht hinzunehmende Rechtsanwendung.

Gleichwohl war dem Begehren des Klägers nicht zu entsprechen, weil es vorliegend nicht darum geht, positiv einen Dopingverstoß durch den Kläger festzustellen, sondern es nur darum geht, ob der Beklagte rechtsfehlerfrei wegen Dopingverstoßes einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger bejahen durfte.

Gemäß § 84 Abs.2 RVO ist nämlich die Anordnung der Fortdauer der Suspendierung, deren Aufhebung der Kläger begehrt, nur rechtens, wenn dringender Tatverdacht besteht. Wenn auch die RVO den Rechtsbegriff des dringenden Tatverdachtes nicht definiert und im Umkehrschluß zu § 82 Abs.1 RVO zu schlußfolgern ist, daß dieser nicht allein durch eine positive A-Probe begründet werden kann, so geht der Beklagte erkennbar doch davon aus, daß dringender Tatverdacht dann vorliegt, wenn eine Verurteilung des Klägers wahrscheinlicher ist als dessen Freispruch. Der Begriff des dringenden Tatverdachts im Sportrecht in diesem Sinne zu verstehen, begegnet nach Senatsansicht keinen Bedenken.

Der Senat hatte mithin letztlich die Entscheidung des Beklagten dahingehend zu überprüfen, ob unter Zugrundelegung dessen Würdigung der Tatsachen und bei Beobachtung des Rechtsgrundsatzes, daß eine positive A-Probe nur ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des Sportlers zu begründen vermag, rechtsfehlerhaft ein dringender Tatverdacht bejaht worden ist. Diese Frage mußte der Senat im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens verneinen.

Der Rechtsausschuß hat in seinen Beschlüssen vom 03. und 05.05.2000 alle bekannten und relevanten Tatsachen berücksichtigt und gleichsam tatrichterlich gewürdigt. Im Beschluß vom 03.05.2000 heißt es zwar, daß dem Athleten die Möglich- keit entgegen dem Regelwerk der IAAF eingeräumt werden müsse, vorzutragen und zu beweisen, daß die verbotene Substanz ohne sein Wissen und Wollen durch eine andere Person verabreicht worden und so in seinen Körper gelangt sei, und auch im Beschluß vom 05.05.2000 wird gleichfalls noch von der Regelung zur Beweislastverteilung gesprochen, aber im letztgenannten Beschluß vom 15.05.2000 wird auf Seite 7 auch ausgeführt

"Aus diesen Gründen besteht der dringende Tatverdacht, sich stützend auf zwei positive A- und B-Proben und den Regeln des Anscheinsbeweises, zum gegenwärtigen Zeitpunkt fort".

Der durch die positiven Urinproben begründete Anscheinsbeweis wird nach Senatsansicht nicht dadurch in Frage gestellt, daß die leistungssteigernde Wirkung der bei dem Kläger vorgefundenen Substanzen nicht unbestritten ist. Abgesehen davon, daß ein spezieller Athlet möglicherweise subjektiv positiv eine Leistungssteigerung erfährt, hat das Präsidium des Beklagten in seiner Antragsschrift auch darauf hingewiesen, daß Nandrolon in Zusammenhang mit dem vom Kläger aufgenommenen Krafttraining durchaus Sinn machen könne.

Die Begründetheit bzw. Unbegründetheit des Rechtsmittels hing letztlich allein davon ab, ob der Beklagte davon ausgehen muß, daß der Kläger den Anscheinsbeweis nachhaltig erschüttert hat. In diesem Zusammenhang weist der Senat nochmals nachdrücklich darauf hin, daß er ­ zumal im summarischen Verfahren ­ nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz hat und es ihm verwehrt ist, eine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle einer fehlerfreien Tatsachenwürdigung des Verbandes zu setzen. Die Tatsachenwürdigung des Beklagten, es bestehe weiterhin gegen den Kläger dringender Tatverdacht wegen eines Dopingverstoßes, ist jedenfalls nicht fehlerhaft.

Der Beklagte hat sich eingehend mit den Möglichkeiten und der Wahrscheinlichkeit einer Manipulation von zwei Zahnpastatuben durch Dritte auseinandergesetzt, wobei darauf hingewiesen werden muß, daß derzeit noch nicht einmal feststeht, ob der Kläger sich überhaupt die verbotenen exogenen Substanzen mittels Zahnpasta zu- geführt hat. Der Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, daß die klägerischen Erklärungsversuche sich allein auf die Zahnpastatube "elmex" beziehen. Bislang fehlt eine schlüssige und nachvollziehbare Darstellung, weshalb und wo die "Signal"- Zahnpastatube kontaminiert worden sein soll. Der Beklagte führt zutreffend auch aus, die Kenntnis, daß die Einnahme verbotener Substanz über die Mundschleimhaut ein geringeres Risiko als Einnahme solcher Substanzen in Tablettenform darstelle, sei nicht auf wenige beschränkt gewesen (hierzu informativ auch Brigitte Berendok, Doping - von der Forschung zum Betrug). Prof. S. hat in seinem Gutachten nachgewiesen, daß bei buccaler Applizierung von Nandrolon der Entdeckungszeitraum bei max. 52,5 Stunden liege und auf 23 Stunden reduziert werden könne. Vor diesem vorbeschriebenen Hintergrund kann die Tatsache allein , daß dem Kläger vor der Probe am 19.10.1999 letztmalig am 12.09.1999 eine Urinprobe entnommen worden war, den Anscheinsbeweis nicht nachhaltig erschüttern, wenn auch durchaus gesehen werden muß, daß der Kläger aufgrund der Kontrolldichte Mitte Oktober 1999 gleichsam damit rechnen mußte, eine Urinprobe werde bei ihm wieder genommen werden. Diesen Gesichtspunkt wird der Beklagte bei seiner endgültigen Entscheidung eingehend zu erörtern haben.

Der Beklagte hat sich auch ­ durchaus nachvollziehbar ­ Gedanken über ein mögliches Motiv des Klägers gemacht.

Daß der Beklagte den polygrafischen Test, dem sich der Kläger und dessen Ehefrau unterzogen haben, als unbeachtlich bezeichnet hat, ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu beanstanden. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 17.12.1998 (NJW 1999 S.607) in Auseinandersetzung mit dem Schrifttum die polygrafische Untersuchung mittels des Kontrollfrage-Test (wie hier) als "völlig ungeeignetes Beweismittel" im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO bezeichnet (vgl. hierzu auch die Arbeit von Rill/Nossel in NStZ 1998 S. 481). Der Beklagte hat sich vorliegend jedoch nicht darauf beschränkt, das Gutachten allein wegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafsachen für unbeachtlich zu erklären, sondern hat weitere plausible und deshalb nachvollziehbare Ausführungen gemacht, weshalb er, der Beklagte, das Gutachten nicht zur Grundlage einer Entscheidung machen könne. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Im Be- reich der staatlichen Zivilrechtspflege kann das Gutachten allenfalls als ein Mittel der Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO angesehen werden, dessen Wertigkeit jedoch noch geringer als die einer strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung einzustufen sein dürfte. Das Gutachtenergebnis kann nur auf der Wertigkeitstufe einer eindringlichen Parteierklärung stehen (vgl. zur eindringlichen Parteierklärung Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 58.Aufl. 2000, Rn 8, 6 zu § 294 i.V.m. Rn 5 zu § 286).

Wenn vor dem Hintergrund der noch immer offenen Fragen und der Plausibilitätsdefizite in der klägerischen Darstellung der Beklagte in einer würdigenden Gesamtschau des ihm unterbreiteten Sachverhaltes derzeit noch immer gegen den Kläger einen dringenden Tatverdacht bejaht, was letztlich heißt, die Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger den Anscheinsbeweis nicht nachhaltig erschüttern könne, sei höher einzustufen als die Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger den Anscheinsbeweis nachhaltig erschüttern könne und der Beklagte daher gezwungen ist, voll umfänglich ein Verschulden des Klägers nachzuweisen, ist dies durch die staatliche Gerichtsbarkeit im Rahmen der ihr eingeräumten Kontrollbefugnisse nicht zu beanstanden, weshalb sich letztlich der Antrag des Klägers und damit auch sein Rechtsmittel als unbegründet darstellen.

IV.

Die Kosten der Beschwerde hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Das Urteil war nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil gemäß § 545 Abs.2 S.1 ZPO mit seiner Verkündung sofort Rechtskraft eingetreten ist.



Ende der Entscheidung

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