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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.06.2008
Aktenzeichen: 16 U 126/07
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin ist Herausgeberin des A-Magazins sowie diverser Jahrbücher. Im Jahrbuch für Kinder 2006 erschien ein Test, der sich mit der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Neurodermitis-Cremes auseinandersetzt. Die Produkte "X - 1 % Creme", "Y - 1 % Creme" und "Z - 0,1 % Salbe" erhielten bei der Bewertung das Gesamturteil "sehr gut" oder "gut".

Hinsichtlich näherer Einzelheiten der Tests, die Gegenstand des Artikels "Noch mehr Stress für die Haut" sind, wird auf Blatt 27 - 35 der Akte Bezug genommen.

Aus Anlass des Testberichts der Klägerin wandte sich die ... BKK an den Beklagten mit einer Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 des Pressekodexes. Der Beklagte ist eine Selbstkontrolleinrichtung der Presse, die 1956 gegründet wurde und sich ausschließlich aus Angehörigen der Presse zusammensetzt. Nach Anhörung der Klägerin stellte der Beschwerdeausschuss 2 des Beklagten mit Beschluss vom 9. Juni 2006 einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex fest und sprach gegen die Klägerin gemäß § 10 Beschwerdeordnung eine öffentliche Rüge aus.

Insoweit wird auf Blatt 99 - 101 der Akte verwiesen.

Die Klägerin wendet sich gegen die hierzu verfasste Presseinformation des Beklagten vom 9. Juni 2006, in der es unter anderem heißt:

"Wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung wurde das A-Jahrbuch Kleinkinder für 2006 öffentlich gerügt. Die Redaktion hatte in einem Test von Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei Cremes hingewiesen. Zwar wurde im Text kurz mitgeteilt, dass es eine solche Warnung gebe, in der dazugehörigen Tabelle wurde der Verdacht aber nicht mehr dargestellt. Dies wäre aber dringend notwendig gewesen. Zu dem wurde in der Tabelle eine Creme angeführt, die nicht für Kleinkinder zugelassen ist. Hierin sieht der Ausschuss eine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex."

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 319 - 322 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat Unterlassung der inkriminierten Äußerung verlangt.

Ferner beantragt sie hilfsweise,

den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand des Beklagten, zu gebieten, es zu unterlassen, im Internet oder in sonstiger Weise folgende Behauptung wörtlich oder sinngemäß aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen:

"A-Verlag hat bei der Veröffentlichung eines im A-Jahrbuch für Kleinkinder 2006 veröffentlichten Tests von Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei Cremes hingewiesen, obwohl dies dringend notwendig gewesen sei. Darin hat der Beschwerdeausschuss des B eine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex gesehen";

hilfsweise,

dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand des Beklagten, zu gebieten, es zu unterlassen, im Internet oder in sonstiger Weise folgende Behauptung wörtlich oder sinngemäß aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen;

"A-Verlag hat bei der Veröffentlichung eines im A-Jahrbuch für Kleinkinder 2006 veröffentlichten Tests von Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei Cremes hingewiesen, obwohl dies dringend notwendig gewesen sei. Darin hat der Beschwerdeausschuss des Beine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex gesehen", ohne darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um Entscheidungen auf gesetzlicher Grundlage, sondern um Meinungsäußerungen aufgrund presseethischer Grundsätze eines privaten Vereines handelt.

Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben und den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand des Beklagten, geboten, es zu unterlassen im Internet oder in sonstiger Weise folgende Behauptung wörtlich oder sinngemäß aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen:

"Wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung wurde das A-Jahrbuch Kleinkinder für 2006 öffentlich gerügt. Die Redaktion hatte in einem Test von Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei Cremes hingewiesen. Zwar wurde im Text kurz mitgeteilt, dass es eine solche Warnung gebe, in der dazugehörigen Tabelle wurde der Verdacht aber nicht mehr dargestellt. Dies wäre aber dringend notwendig gewesen. Zudem wurde in der Tabelle eine Creme angeführt, die nicht für Kleinkinder zugelassen ist. Hierin sieht der Ausschuss eine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex."

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich bei der beanstandeten Äußerung des Beklagten nicht nur um eine bloße Meinungsäußerung, sondern um eine unwahre Tatsachenbehauptung handele. So werde der Wahrheitsgehalt der Presseinformation deshalb tangiert, weil der Beklagte nicht hinreichend deutlich gemacht habe, dass sich die vom Beschwerdeausschuss erteilte öffentliche Rüge nicht auf den Wahrheitsgehalt der dieser Rüge zugrundeliegenden Testberichterstattung der Klägerin im Jahrbuch für Kleinkinder 2006 beziehe, sondern auf die mangelnde Hervorhebung des bestehenden Krebsverdachts auch in der zum Text gehörenden Tabelle.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 323 - 327 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 15. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einer am 6. Juli 2007 eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die er nach zweifacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Oktober 2007 mit einer am 11. Oktober 2007 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet hat.

Der Beklagte ist der Ansicht, in der Pressemitteilung gebe es keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich wahre Tatsachenbehauptungen und zulässige Meinungsäußerungen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 5. Juni 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-03 O 692/06, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen, da der Klägerin gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zusteht.

Die Presseinformation des Beklagten ist von der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Unwahre Tatsachenbehauptungen oder die Grenze zur Schmähkritik überschreitende Äußerungen enthält sie nicht.

Soweit der erste Satz der inkriminierten Äußerung betroffen ist, der lautet: "Wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung wurde das A Jahrbuch Kleinkinder für 2006 öffentlich gerügt", handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung. Zwar liegt in der Formulierung "wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung" zugleich ein Werturteil, aber es handelt sich lediglich um die Wiedergabe eines tatsächlichen Sachverhalts, nämlich die Begründung des Beschwerdeausschusses für die öffentliche Rüge.

Bei dem Satz "Die Redaktion hatte in einem Test von Neurodermitis-Cremes für Kleinkinder nicht deutlich genug auf einen bestehenden Krebsverdacht bei drei Cremes hingewiesen." handelt es sich im weiteren zwar um eine Meinungsäußerung; die jedoch keinen schmähenden Charakter hat, da bei der Wiedergabe nicht eine von der Sachdiskussion losgelöste Herabsetzung der Klägerin im Vordergrund steht, sondern die Auseinandersetzung in der Sache selbst. Es geht in diesem Zusammenhang nur darum, ob deutlich genug auf den bestehenden Krebsverdacht hingewiesen worden ist. Unstreitig ist, dass dies an sich geschehen ist. Bei der Frage, wie deutlich das geschehen müsste, geht es aber um eine Bewertung, die von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist.

In dem Satz "Zwar wurde im Text kurz mitgeteilt, dass es eine solche Warnung gebe, in der dazugehörigen Tabelle wurde der Verdacht aber nicht mehr dargestellt.", liegt wiederum im wesentlichen eine wahre Tatsachenbehauptung, da in der Tat in der dazugehörigen Tabelle auf den Krebsverdacht nicht erneut hingewiesen wurde. Lediglich in dem Wort "kurz" verbirgt sich eine Meinungsäußerung, die jedoch ebenfalls die Grenze der Schmähkritik nicht überschreitet.

Entsprechendes gilt für die Formulierung: "Dies wäre aber dringend notwendig gewesen." Auch hierin liegt eine Meinungsäußerung, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreitet. Ob angesichts der oft eher oberflächlichen Betrachtung solcher Testergebnisse ein Hinweis in der Tabelle angezeigt gewesen wäre, ist eine Bewertungsfrage. Auch das "dringend" macht dieses Werturteil nicht zur Schmähkritik, weil eine persönliche Diffamierung der Klägerin durch die Äußerung selbst nicht erkennbar wird.

In der weiteren Formulierung: "Zudem wurde in der Tabelle eine Creme angeführt, die nicht für Kleinkinder zugelassen ist." liegt eine wahre Tatsachenbehauptung, weil die Creme "Z - 0,1 %" nicht für Kinder ab 2 Jahren zugelassen ist, sondern nur eine Creme mit einer Konzentration von 0,03 %.

Soweit die inkriminierte Äußerung mit der Feststellung schließt "Hierin sieht der Ausschuss eine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex", ist ebenfalls kein Unterlassungsanspruch gegeben. Zum Einen liegt in dieser Mitteilung lediglich die Wiedergabe der Meinung des Beschwerdeausschusses und damit eine wahre Tatsachenbehauptung. Denn auch in der Ausschussentscheidung ist der Begriff "schwerwiegend" gefallen (vgl. Bl. 101 d. A.).

Die Bewertung des Beschwerdeausschusses selbst stellt im weiteren eine Meinungsäußerung dar, die von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt ist. Ob ein Verstoß der Klägerin gegen Art. 2 des Pressekodex vorliegt, wie es der Beschwerdeausschuss angenommen hat, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Hier geht es nur um die Frage, ob der Beklagte in seiner Presseinformation die Entscheidung des Beschwerdeausschusses zutreffend wiedergegeben hat bzw. allenfalls, ob er bei dieser Wiedergabe die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit übertreten hat. Die Frage, ob die Entscheidung des Beschwerdeausschusses richtig und angemessen ist, ist für diesen Rechtsstreit ohne Belang.

Aus den genannten Gründen war der Hauptantrag der Klägerin zurückzuweisen.

Auch die Hilfsanträge der Klägerin, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, erweisen sich, ohne dass es einer Anschlussberufung oder eines besonderen Antrags bedarf (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 528 Rdnr. 20 m. w. N.) als unbegründet.

Der Hilfsantrag ist aus den gleichen Erwägungen wie der Hauptantrag zurückzuweisen. Mit dem Hilfs-Hilfsantrag wird daneben der Hinweis erstrebt, dass es sich bei den Entscheidungen des Beschwerdeausschusses nicht um Entscheidungen auf gesetzlicher Grundlage, sondern um Meinungsäußerungen aufgrund presseethischer Grundsätze eines privaten Vereins handelt. Ob ein solcher erläuternder Zusatz einer Meinungsäußerung beigefügt wird, unterliegt ebenfalls Art. 5 Abs. 1 GG. Entscheidend ist, dass die Presseinformation ihren Urheber mit Anschrift, Homepage u. ä. ausweist, sodass jeder Leser, wenn er sich kundig machen möchte, über den Deutschen Presserat recherchieren kann. Das genügt dem Informationsinteresse des Lesers, ohne dass die Gefahr einer Irreführung besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Ende der Entscheidung

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