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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.07.2009
Aktenzeichen: 16 U 15/09
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einer Nachbarin, Unterlassung bestimmter, insbesondere beleidigender Äußerungen sowie die Zahlung eines Schmerzensgelds und den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 278 bis 282 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme die Beklagte strafbewehrt verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin mit Ausdrücken wie "blöde Kuh, asoziales Pack, Hexe" oder ähnlichem zu beschimpfen sowie Dritten gegenüber zu behaupten, die Klägerin vernachlässige ihre Aufsichtspflicht gegenüber den eigenen und fremden Kindern; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 283 bis 291 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 16. Januar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 30. Januar 2009 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 16. März 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Unterlassung beleidigender Äußerungen gegenüber ihren Kindern, auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten weiter.

Soweit das Landgericht eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung beleidigender Äußerungen gegenüber den Kindern der Klägerin abgelehnt habe, rügt die Klägerin das Vorliegen eines Überraschungsurteils, da das Landgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass es den Antrag nicht für zulässig bzw. für unbegründet erachte. Zudem hätte das Landgericht auf eine umfängliche Aufklärung des Sachverhalts auch in Bezug auf die Äußerungen, die gegenüber den Kindern erhoben worden seien, dringen müssen. Der Rechtsstreit sei an das Landgericht zurückzuverweisen, wo nach entsprechendem Hinweis des Landgerichts und ergänzendem Vortrag erneut in die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme einzutreten sein werde.

Zu Unrecht habe das Landgericht der Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch versagt. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum hinweg, regelmäßig und für eine Vielzahl von Personen hörbar, Beleidigungen und Falschbehauptungen geäußert. Es habe im Bestreben der Beklagten gelegen, der Klägerin und ihrer Familie durch fortdauernde Beleidigung und Anzeigen bei Dritten körperlichen und seelischen Schaden zuzufügen. Die Klägerin und ihre Familie sei über Monate hinweg gezieltem Mobbing, Psychoterror und üble Nachrede ausgesetzt gewesen. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob tatsächlich Gesundheitsschäden eingetreten seien.

Schließlich sei die Beklagte auch zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten verpflichtet, da das Anwaltsschreiben vom 28. Juni 2006 in die Post gegangen sei, ohne dass es zu einem Rücklauf gekommen wäre.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 18. Dezember 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Az. 2 O 226/06, zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, die Kinder der Klägerin, ..., ... und ..., mit Ausdrücken, wie "blöde Kuh", "dreckige Hexe", "Sackgesicht", "Schleiereule" oder ähnlichem zu beschimpfen;

2. an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.500,- €, im Weiteren in das Ermessen des Gerichts gestellt, zu zahlen;

3. die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin in Höhe von 841,45 € zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Es handele sich nicht um ein Überraschungsurteil. Im Zuge der Beweisaufnahme habe sich nicht bestätigt, dass sie, die Beklagte, gegenüber den Kindern der Klägerin beleidigende Äußerungen getätigt habe. Zudem hätte die Klägerin diesbezüglich ihre Darlegungslast nicht erfüllt.

Die Beklagte schulde auch nicht die Zahlung von Schmerzensgeld. Es handele sich um eine Nachbarschaftsstreitigkeit, bei der beleidigende Äußerungen allenfalls gegenüber der Klägerin getätigt worden seien, ggf. in der Form, dass der eine oder andere Nachbar etwas mitbekommen habe. Es habe sich um banale Ausdrücke und damit Bagatellbeleidigungen gehandelt, denen ein konkreter Anlass zugrunde gelegen habe. Eine Gesundheitsbeschädigung der Klägerin sei nicht substantiiert dargelegt worden. Schließlich bestreitet die Beklagte weiterhin den Zugang des anwaltlichen Schreibens vom 28. Juni 2006.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

I.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

1. Keinen Erfolg hat die Berufung, soweit die Klägerin Unterlassung von beleidigenden Äußerungen gegenüber ihren Kindern begehrt.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin insoweit nicht anspruchs-, sondern allenfalls vertretungsberechtigt ist. Unterlassungsansprüche sind nämlich höchstpersönliche Ansprüche (Soehring, Presserecht, Rn. 30.5), die von dem Betroffenen auch nur persönlich geltend gemacht werden können; deshalb hätte die Klägerin die Ansprüche ihrer Kinder allenfalls gemeinsam mit ihrem Ehemann in Vertretung ihrer Kinder einklagen können. Dabei kann offen bleiben, ob das Landgericht auf diesen Aspekt hätte hinweisen müssen; es hätte nämlich auch nach einem Hinweis in der Sache nicht anders entscheiden können, so dass die Entscheidung insoweit nicht auf einem Verfahrensfehler beruht.

Im Weiteren war es auch nicht Aufgabe des Landgerichts, auf eine umfängliche Aufklärung des Sachverhalts betreffend mögliche Beleidigungen gegenüber den Kindern der Klägerin zu dringen. Weder hatte die Klägerin insoweit überhaupt ausreichend zu beleidigenden Äußerungen wie im Antrag angeführt vorgetragen noch gibt es einen Ausforschungsbeweis.

2. Die Klägerin hat aber gegen die Beklagte wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 GG in Höhe von 700,- €.

Dabei ist unerheblich, dass die Klägerin keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die ehrverletzenden Äußerungen der Beklagten zu gesundheitlichen Schäden geführt haben. Zwar macht die Klägerin einen Anspruch auf "Schmerzensgeld" geltend, der nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit voraussetzt. Letztlich ergibt sich jedoch aus der Berufungsbegründung, dass dieser Anspruch auch im Hinblick auf die Verletzung der Persönlichkeit der Klägerin weiterverfolgt wird; bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts kommt aber die Zuerkennung einer Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG in Betracht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Das hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. nur BGHZ 160, 298).

Vorliegend geben die Umstände des Einzelfalls nach Auffassung des Senats für die Zuerkennung einer Geldentschädigung Anlass. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich nicht um eine einmalige, aus dem Affekt heraus begangene Beleidigung handelt. Vielmehr ist es - wie insbesondere der Aussage des Zeugen Prof. Dr. Z1 entnommen werden kann, die von dem Landgericht als widerspruchsfrei, nachvollziehbar und glaubhaft erachtet worden ist - zu einer ganzen Anzahl von Vorfällen gekommen, in denen die Beklagte die Klägerin beleidigt und beschimpft hat. Auch wenn eine einzelne Beleidigung innerhalb einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung noch nicht geeignet sein dürfte, eine Geldentschädigung nach sich zu führen, so kann sich doch eine wiederholte Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung kumulieren (vgl. auch BGH, a.a.O., für wiederholte Bildveröffentlichung). Hinzu kommt, dass sich die Beleidigungen auch nicht mehr in den Zusammenhang eines konkreten Anlasses einordnen lassen. Zwar mag es Anlässe dafür gegeben haben, dass es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen ist, so der Beinahe-Unfall mit einem Kind der Klägerin und mögliche Probleme zwischen der Tochter der Klägerin und der Enkelin der Beklagten. Weder stellen diese Vorkommnisse überhaupt einen Grund für eine Beleidigung dar noch rechtfertigen sie, über eine Auseinandersetzung aufgrund dieser Anlässe hinaus die Beleidigungen wiederholt und andauernd fortzusetzen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin versucht hatte, die angespannte Situation mittels eines Schiedsverfahrens zu klären, das aber die Beklagte mit einer erneuten Beschimpfung beendete. Von daher wiegt das vorsätzliche Verhalten der Beklagten umso schwerer. Die Beschimpfungen sind auch nicht rein intern geblieben; vielmehr gab es zumindest einige Nachbarn, die sie mithören konnten. Hinzu kommt, dass die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf Beleidigungen beruht, so dass die Möglichkeit eines Widerrufs ebenso wie eine Gegendarstellung ausscheidet und die Geldentschädigung insoweit die einzige Möglichkeit zur Erlangung einer Genugtuung bietet (vgl. Wenzel / Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 126). Zwar ist die Beklagte auch zur Unterlassung verpflichtet worden; diese bietet jedoch keine Genugtuung für die erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung, zumal sich die Beklagte auch niemals entschuldigt hat. Aufgrund dieser Umstände erkennt der Senat vorliegend ein unabwendbares Bedürfnis für die Gewährung einer Geldentschädigung, die neben der Genugtuung auch der Prävention dient (vgl. BGH, a.a.O.).

Der Senat vermag aber hinsichtlich der Höhe der Entschädigung nicht der Vorstellung der Klägerin zu folgen. Vielmehr hält er einen Betrag von 700,- € für angemessen, aber auch ausreichend, um der Klägerin für die erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung Genugtuung zu gewähren und die Beklagte anzuhalten, von weiteren Beleidigungen in der Zukunft abzusehen (vgl. auch AG München, lfd. Nr. 27.216 Hacks/Ring/Böhm). Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Beleidigungen nicht gegenüber einer großen Öffentlichkeit geäußert wurden, sondern mehr zufällig von einigen Dritten mitgehört wurden; im Übrigen handelte es sich um eine interne Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Auch ist der Senat nicht davon überzeugt, dass es im Bestreben der Beklagten gelegen hätte, der Klägerin und ihrer Familie durch fortdauernde Beleidigungen körperlichen und seelischen Schaden zuzufügen oder sie gar einem "gezielten Mobbing" und "Psychoterror" auszusetzen. Vielmehr vermitteln die Zeugenaussagen ein Bild der Beklagten, wonach diese auch gegenüber anderen Nachbarn in ihrer Wortwahl nicht immer zimperlich ist. Dass sie es ganz bewusst auf die Klägerin abgesehen hätte, steht insoweit nicht fest.

3. Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Dabei ist unerheblich, ob das anwaltliche Schreiben vom 28. Juni 2006 der Beklagten tatsächlich zugegangen ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, folgte daraus kein Anspruch aus §§ 286, 288 BGB, da der Verzug dann erst durch das Schreiben selbst eingetreten wäre. Ein Anspruch ergibt sich aber aus § 823 Abs. 1 BGB, da die Beklagte durch die beleidigenden Äußerungen schuldhaft das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt hat und dieser deshalb zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist. Dieser umfasst auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts, wenn sie erforderlich und zweckmäßig war (vgl. Palandt/Heinrichs, 68. A., § 249 BGB Rn. 39). Dass die Klägerin anwaltlichen Rat aufgesucht hat, steht nach Überzeugung des Senats aufgrund des in Kopie vorgelegten anwaltlichen Schreibens fest.

Die Inanspruchnahme des Anwalts war auch erforderlich und zweckmäßig, da die Klägerin bereits ein Schiedsverfahren beantragt hatte, das zu keinem Ergebnis führte und die Beklagte nicht davon abhielt, sich gegenüber der Klägerin mehrfach beleidigend zu äußern.

Vor diesem Hintergrund war die Klägerin berechtigt, in dieser Situation einen Rechtsanwalt auf Kosten der Beklagten einzuschalten.

Zu ersetzen sind allerdings nur die Kosten auf der Basis eines Gegenstandswerts in Höhe des Obsiegens der Klägerin, wobei allein auf das Unterlassungsbegehren (Klageantrag 1 und 2) abzustellen ist, da nur dieses mit dem anwaltlichen Schreiben geltend gemacht wurde. Insoweit hat die Klägerin hinsichtlich Antrag 1 zur Hälfte (= 500,- €) und hinsichtlich Antrags 2 zu etwa 2/3 (= 3.000,- €) obsiegt, so dass ein Gegenstandswert in Höhe von 3.500,- € zugrunde zu legen ist. Dabei scheidet eine Gebührenerhöhung für 5 Auftraggeber um 1,2 aus, da die Klägerin nur die für ihre eigene außergerichtliche Vertretung angefallenen Kosten geltend machen kann.

Diese berechnen sich wie folgt:

(Hinweis: Die Originalentscheidung enthält eine Tabelle, die hier aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann. Diesbezüglich wird auf die angehängte pdf-Datei verwiesen - die Red.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, wobei sich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht auf die Kostenverteilung auswirkt, da die Geltendmachung von Nebenkosten streitwertneutral ist (vgl. § 43 Abs. 1 GKG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Ende der Entscheidung

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