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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 16 U 170/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

In diesem Verfahren geht es um eine Äußerung, die die Antragsgegnerin am 17.4.2008 in einer mit "Toleranzpreis für Kirchengemeinde und Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus" übertitelten Meldung über die Verleihung eines Preises an die Gewinner eines von der Bundesregierung ausgeschriebenen Wettbewerbs "Aktive Demokratie und Toleranz 2007" veröffentlicht hat. Berichtet wird darin auch über eine Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz X mit dem folgenden Text:

Zugleich erhob der Staatssekretär schwere Vorwürfe gegen die Zeitung Junge Freiheit, die das Projekt 2006 in einem Artikel verunglimpft habe. 'Die Junge Freiheit werde von der Jugendorganisation der NPD gelenkt', erklärte er.

Wegen dieser Veröffentlichung forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung (in diesem Verfahren) sowie (im Parallelverfahren 16 U 170/08) zum Abdruck einer Gegendarstellung auf. Einem entsprechenden Begehren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht zunächst stattgegeben, nach Widerspruch der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung allerdings aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es darauf abgestellt, daß eine Haftung der Antragsgegnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung "die Junge Freiheit werde von der Jugendorganisation der NPD gelenkt" deshalb ausscheide, weil diese Äußerung der Antragsgegnerin nicht als eigene Äußerung zuzurechnen sei. Die Wiedergabe der beanstandeten Äußerung erwecke für den verständigen Leser nicht den Eindruck, die Antragsgegnerin stelle sich hinter diese Aussage, vielmehr habe sie sich hinreichend distanziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Antragstellerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr ursprüngliches Unterlassungsbegehren weiterverfolgt.

II.

Die gegen das Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin die erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückgewiesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin durch den Abdruck der Äußerung des Staatssekretärs X nach Maßgabe der von der Rechtsprechung (BGH NJW 1995, 861) entwickelten Grundsätze sich diese Äußerung in dem Maße zu eigen gemacht hat, daß ein eigener Unterlassungsanspruch gegen sie gerechtfertigt gewesen wäre.

Im Gegensatz zu der vom Landgericht in dem Parallelverfahren 16 U 152/08 vertretenen und in diesem Verfahren seiner Entscheidung ersichtlich zugrundeliegenden Auffassung ist der Senat nämlich zu der Ansicht gelangt, daß es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung des Staatssekretärs im Bundesjustizministerium, die die Antragsgegnerin in ihrem Artikel wiedergegeben hat, nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handelt.

Tatsachenbehauptungen liegen dann vor, wenn sich die Richtigkeit der Gesamtbehauptung durch eine Beweiserhebung klären läßt, es sich also um beweisbare Vorgänge handelt. Demgegenüber sind Meinungsäußerungen in ihrem wesentlichen Inhalt durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet und einem objektiven Richtigkeitsbeweis nicht zugänglich. Sind beide Äußerungsformen miteinander verbunden und macht dies gemeinsam den Sinn der Äußerung aus, so liegt dann insgesamt eine Meinungsäußerung vor, wenn das Gesamtergebnis durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird, insbesondere wenn durch eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte der Sinn der Äußerung aufgehoben oder verfälscht würde. Vermengen sich in einer Äußerung wertende und tatsächliche Elemente in der Weise, daß die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, kann im Rahmen der Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechtspositionen die Richtigkeit der in der Meinungsäußerung enthaltenen tatsächlichen Behauptungen eine Rolle spielen. Es ist eine einzelfallbezogene Abwägung vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall ist auf Grund des Zusammenhangs, in dem die Äußerung steht, von einer Meinungsäußerung auszugehen. Soweit zunächst die Frage der Beweisbarkeit der maßgeblichen Äußerung betroffen ist, so wird diese nicht durch weitere Tatsachen untermauert, so daß von vornherein nicht gesagt werden kann, wie und auf welche Weise die "Lenkung" der Antragstellerin durch die Jugendorganisation stattfinden sollte. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, daß dies auf die unterschiedlichsten Arten möglich ist, ohne daß sich hier allerdings irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, welche konkreten Umstände eine solche Lenkung dokumentieren sollen. Soweit das Landgericht - zusammen mit der Antragstellerin - sich Gedanken darüber macht, wie diese Lenkung stattfindet - ob über rechtliche oder wirtschaftliche Verbindungen, Einflußnahme auf die redaktionelle Tätigkeit der Antragstellerin -, handelt es sich um nichts anderes als Mutmaßungen, die eines realen Tatsachenkerns gerade entbehren.

Nimmt man den Zusammenhang dazu, in dem die Äußerung gefallen ist, dann ergibt sich nach Auffassung des Senats, daß schon der Staatssekretär und erst recht die Antragsgegnerin eine Meinungsäußerung kundtun wollten, die unmittelbar mit dem vorausgegangenen Artikel in dem Blatt der Antragstellerin zusammenhängt, in dem - zwischen den Parteien unstreitig - das Projekt 2006 verunglimpft wurde. Erwähnt wird in dem Artikel der Antragsgegnerin zusätzlich, daß der Staatssekretär schwere Vorwürfe gegen die Antragstellerin erhoben hat, die zusammenfassend in der Formulierung kumulierten, die Antragstellerin werde durch die Jugendorganisation der NPD gelenkt in dem Sinne, daß sie - die Antragstellerin - rechtsradikales Gedankengut transportiere und daher in einen Zusammenhang mit einer dieses verbreitenden Organisation zu rücken sei.

So kommt der Äußerung überwiegend die Qualität einer Meinungsbekundung zu mit der Folge, daß sie nicht Gegenstand eines Unterlassungsbegehrens sein kann. Anhaltspunkte dafür, daß mit der Äußerung eine - untersagungsfähige - Schmähkritik in Bezug auf die Antragstellerin verbunden wäre, sind nicht ersichtlich.

Die Berufung der Antragstellerin gegen das angefochtene Urteil war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.§ 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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