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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.09.2004
Aktenzeichen: 16 U 211/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 922 S. 3
BGB § 1004 I
Der Eigentümer, der seine Doppelhaushälfte abreisst, muss diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Verhinderung oder Beseitigung der Auswirkungen des Abrisses auf das Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind. Hierzu gehören auch Sicherungsmaßnahmen, wenn das verbleibende Haus durch den Abriss seine Stütze verliert.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 211/03

Verkündet am 6. September 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 26. November 2003 (2 O 366/99) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 26. November 2003 Bezug genommen.

Mit vorgenanntem Urteil hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an die Kläger 10.817,80 € nebst 4,7 % Zinsen seit 3. November 1999 zu zahlen.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens sei der Schädlingsbefall im Bereich der gemeinsamen Giebelwand durch eine dauerhafte Feuchtigkeitseinwirkung von außen begünstig bzw. sogar erst ermöglicht worden, somit sei die Schadensursache von den Beklagten gesetzt worden. Die Kammer sei nicht gehalten gewesen, dem Beweisangebot des Beklagten nachzugehen, denn der Beklagte habe nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Ausschlussfrist die angeforderten Auslagenvorschüsse eingezahlt bzw. Gebührenverzichtserklärungen der von ihm benannten Zeugen vorgelegt. Dies habe zur Folge, dass die Kammer auch nicht mehr dem letzten von den Klägern vorgelegten Beweisangebot, das im Schriftsatz vom 1. Oktober 2003 erfolgt ist, nachgehen musste. Der Beklagte sei verpflichtet, den infolge des Abrisses seiner Haushälfte entstandenen Schaden den Klägern gemäß § 831 BGB zu ersetzen, da ihm jedenfalls ein Überwachungsverschulden anzulasten sei.

Gegen dieses ihm am 11. Dezember 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 17. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach der am 10. Februar 2004 erfolgten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11. März 2004 am 11. März 2004 begründet.

Der Beklagte rügt einen Verfahrensfehler. Er meint, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft von einer Vernehmung der von dem Beklagten benannten Zeugen Z 1 , Z 2 und Z 3 abgesehen. Zwar habe der Beklagte die Zeugengebührenverzichtserklärung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist vorgelegt. Da der Termin zur mündlichen Verhandlung auf Mittwoch, den 8. Oktober 2003 und dieser später dann mehrmals, zuletzt am 10. Oktober 2003 auf den 22. Oktober 2003 verlegt worden ist, sei die Zeit noch ausreichend gewesen, eine Ladung der drei vom Beklagten benannten Zeugen zu veranlassen.

Der Beklagte wiederholt ausdrücklich sein Beweisangebot aus seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2003.

Weiterhin ist der Beklagte der Ansicht, dass das Landgericht das Gutachten des Sachverständigen in rechtsfehlerhafter Weise gewürdigt und zur Begründung einer Forderung herangezogen habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2002 die Verschalung der Giebelwand nicht zum Gegenstand gehabt. Außerdem habe das Landgericht die gemäß § 287 ZPO vorgenommene Schätzung unbegründet gelassen, mithin rechtsfehlerhaft vorgenommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Limburg/Lahn vom 26. November 2003, Az.: 2 O 366/99 abzuändern die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg/Lahn vom 26. November 2003, Az.: 2 O 366/99 zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass eine erneute Beweisaufnahme hinsichtlich des Zustandes der beiden Anwesenden notwendig sein sollte, so bieten die Kläger sämtliche in erster Instanz angebotenen Beweismittel an, insbesondere die mit den klägerischen Schriftsätzen vom 3. März und 1. Oktober 2003 angebotenen Zeugen.

Die Berufung des Beklagten ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 10.817,80 € verurteilt.

Den Klägern steht gegen den Beklagten zunächst ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorläufigen Absicherungsmaßnahmen in Höhe von 1.606,02 DM aus den §§ 812, 818 Abs. 2 BGB zu. Die Kläger haben mit der vorläufigen Absicherung ihres Gebäudes eine Verpflichtung erfüllt, die dem Beklagten oblag. Der Beklagte war nämlich nach § 1004 Abs. 1 BGB zur Absicherung des Hauses gegen Einsturz verpflichtet. Wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (BGHZ 78, 397, 399, BGH NJW 1989, 2541) ist die Erbengemeinschaft als Eigentümerin des Nachbargrundstücks jedenfalls Störer im Sinne von § 1004 BGB, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft durch Abriss eines Hauses auf dem Grundstück eine Grenzeinrichtung im Sinne von 921 BGB in ihrer Funktion für das Nachbargrundstück beeinträchtigt. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass der Abriss eines Gebäudes gegen § 922 Satz 3 BGB verstößt. Der Eigentümer, der sein Haus abreißt, muss diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Verhinderung oder Beseitigung der Auswirkungen des Abrisses auf das Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind. Hierzu gehören auch die Kosten einer Sicherung, wenn das verbleibende Haus durch den Abriss seine Stütze verliert (OLG Hamm MDR 1979, 757). Der Abbrechende hat die erforderlichen Stützungsmaßnahmen zu veranlassen und die dadurch entstehenden Kosten allein zu tragen (OLG Hamm a.a.O.).

Die Erbengemeinschaft und nach § 2058 BGB auch der Beklagte schulden deshalb Ersatz für die Kosten der Stützungsmaßnahmen.

Diese Kosten haben die Kläger tatsächlich aufgewendet, wie sich aus der Rechnung der Firma B ergibt. Diese Kosten sind nach Auffassung des Sachverständigen C auch notwendig gewesen und der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insoweit erhebt der Beklagte auch in der Berufungsinstanz keinerlei Angriffe gegen die Höhe der Rechnung.

Ob den Beklagten ein Verschulden trifft, ist für den Bereicherungsanspruch ebenso wenig bedeutsam, wie die Frage, ob die Kläger bzw. die Baubehörde den Abriss verlangt haben.

Den Klägern steht aus dem gleichen Rechtsgrund auch ein Anspruch auf Ersatz der Sanierungskosten von 10.444,64 DM zu. Auch diese Arbeiten haben die Kläger ausführen lassen.

Diese Forderung setzt sich teilweise zusammen aus den Kosten, die durch den Hausabriss entstanden sind. Der Sachverständige C hat sie im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens auf 7.609,60 DM geschätzt. Dagegen wurden im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens keine Einwände erhoben. Auch in der Berufungsinstanz wird dagegen nichts vorgebracht.

Der Restbetrag von 2.835,04 DM wird gestützt auf eine unzureichende Abdichtung des Daches am Haus des Beklagten, die zu Schäden im Haus der Kläger geführt hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt hat, wurde in der gemeinsamen Giebelwand Schädlingsbefall festgestellt, der durch dauerhafte Feuchtigkeitseinwirkung von außen erst ermöglicht wurde. Das Dach des Hauses des Beklagten zeigt deutliche Dachundichtigkeiten mit erheblichen Verfärbungen des Außenputzes. Auch das Bauamt hat schon in seinem Schreiben vom 4. Dezember 1998 auf das marode Dach hingewiesen und auf den Pilzbefall. Die Behörde hat auch auf die Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes hingewiesen. Außerdem lassen sich den Lichtbildern der Kläger die Dachschäden am Haus des Beklagten entnehmen.

Das Gericht sieht es deshalb als erwiesen an, dass durch die dauernde Feuchtigkeitseinwirkung vom Hausgrundstück des Beklagten der weitere Schaden am Hausgrundstück des Klägers verursacht worden ist.

Der Beklagte hatte zwar insoweit in erster Instanz vortragen lassen, dass im Zeitpunkt des Abrisses des Hauses das Haus des Beklagtren, insbesondere dessen Innenseite zum Giebel, vollkommen trocken gewesen sei. Das Landgericht hat diese Behauptung als entscheidungsrelevant angesehen und deshalb einen Beweisbeschluss erlassen.

Entscheidungsrelevant ist diese Behauptung aber nicht. Selbst wenn im Januar 1999 bei Abriss des Hauses des Beklagten die Innenseite zum Giebel trocken gewesen wäre, sagt dies nichts darüber aus, dass der Schaden am klägerischen Grundstück nicht durch lang dauernde Feuchtigkeitseinwirkungen entstanden sind. Diese Einwirkungen waren bereits in den Jahren 1995/96 so weit gediehen, dass das Dach marode war. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat lang andauernde Feuchtigkeitsweinwirkung zum Schaden geführt. Es genügt deshalb nicht, wenn lediglich behauptet wird, zu einem bestimmten Zeitpunkt sei das eigene Haus trocken gewesen.

Deshalb ist es auch unerheblich, dass das Landgericht die Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat. Der vom Beklagten gerügte Verfahrensfehler des Landgerichts wirkt sich auf das Ergebnis nicht aus, weil selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vorbringens des Beklagten der Anspruch der Kläger dem Grunde nach gegeben wäre.

Der Anspruch der Kläger ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die Kläger haben einen detaillierten Kostenanschlag der Firma B vom 8. März 1999 vorgelegt. Der Beklagte hat nur pauschal die Höhe des Schadens bestritten. Aus seinem Vorbringen wird nicht klar, welche Positionen des Kostenvoranschlags der Firma B angreifen will. Sein Bestreiten ist deshalb unsubstantiiert, so dass die Schadenshöhe als unstreitig anzusehen ist.

Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für der Verkleidung der Außenwand mit Hinterlüftung in Höhe von 6.296,48 DM zu. Zum Grund der Haftung gelten die Ausführungen zu den Kosten der vorläufigen Absicherung entsprechend. Insoweit finden sich auch in der Berufungsbegründung keine Angriffe gegen den Grund der Haftung.

Auch die Höhe des Anspruchs ist vom Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Detaillierte Angriffe gegen das Angebot der Firma B vom 8. März 1999 betreffend die Giebelschalung und die Außenfassade des Giebels werden vom Beklagten nicht erhoben.

Der Beklagte schuldet den Klägern auch Schadensersatz wegen Beschädigung der Bruchsteinmauer in Höhe von 1.780,60 DM. Insoweit finden sich in der Berufungsinstanz keine Angriffe gegen die erstinstanzliche Verurteilung. Das Landgericht hat das Vorbringen der Kläger insoweit als unstreitig angesehen.

Schließlich können die Kläger auch die Kosten für die Entfernung von Bauschutt und für die Abfuhr von Mutterboden etc. in Höhe von 1.030,00 DM verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich aus den §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 1004 Abs. 1 BGB. Durch die Ablagerung von Bauschutt auf dem Grundstück der Kläger hat der Beklagte das Eigentum der Kläger gestört. Der Grund des Anspruchs ist von ihm in der zweiten Instanz nicht mehr bestritten worden. Auch ist unstreitig, dass die Kläger Eigentümer des Flurstücks 102 sind.

Da die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Forderungen nicht substantiiert bestritten wurde, ist der Anspruch in vollem Umfang gerechtfertigt.

Die Gesamtsumme der Forderung des Klägers beläuft sich damit auf 21.157,74 DM. Dies entspricht der Urteilssumme der landgerichtlichen Verurteilung.

Die Zinsen sind in zweiter Instanz nicht mehr im Streit.

Da das Rechtsmittel des Beklagten erfolglos war, hat er gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Das Gericht sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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