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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 16 U 3/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BGB § 737
1. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem Gesellschafter das Recht einräumt, einen Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus einer Personengesellschaft auszuschließen, verstößt gegen die guten Sitten.

2. Dies gilt nicht, wenn ein neuer Gesellschafter in eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren können.

3. Eine überlange Prüfungsfrist ist geltungserhaltend auf einen Zeitraum von 3 Jahren zu reduzieren.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen der Kündigung eines Vertrages über die Gründung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis.

Die Parteien sind Fachärzte für Innere Medizin. Der Beklagte, der seit 1991 in eigener Praxis als Neurologe niedergelassen ist, hatte die Praxis bis 1992 zunächst als Einzelpraxis, bis zum 31. März 2000 in Gemeinschaft mit einem weiteren Arzt und nach dessen Ausscheiden bis zum Eintritt der Klägerin am 1. Juli 2000 wieder allein geführt.

Am 27. April 2000 unterzeichneten die Parteien einen Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis zum 1. Juli 2000, wonach sie sich zur gemeinsamen Ausübung ihrer vertragsärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit verbinden und zu diesem Zweck eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründeten.

§ 13 Abs. 2 des Vertrages lautet:

"Die Gesellschaft kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

§ 14 Abs. 1 des Vertrags lautet:

"Wird die Gesellschaft durch ordentliche Kündigung nach § 13 Abs. 2. aufgelöst, so hat der andere Gesellschafter das Recht, das Vermögen der Gemeinschaftspraxis ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven gegen Zahlung einer Abfindung an den ausgeschiedenen Partner oder dessen Erben zu übernehmen und die bisherige Gemeinschaftspraxis als Einzelpraxis oder mit einem Nachfolger seiner Wahl weiterzuführen."

§ 14 Abs. 3 des Vertrages lautet:

"Abweichend von den vorstehenden Regelungen steht bei Auflösung der Gesellschaft - gleich aus welchem Grund - das Übernahmerecht bis 31. Dezember 2001 in jedem Fall Herrn Dr. A zu, es sei denn, dass der Weiterführung der Praxis durch ihn rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. Dies gilt für den Fall der außerordentlichen Kündigung auch dann, wenn Frau Dr. C (die Klägerin) zur Kündigung berechtigt war."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 12 bis 28 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2003 drohte der Beklagte die Kündigung des Vertrages an. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben:

"Abschließend möchte ich jedoch nochmals bekräftigen, dass ich zu einer Beendigung unserer gemeinsamen Tätigkeit in jedem Fall entschlossen bin. Dies wird notfalls auch durch fristgemäße Kündigung unseres Gesellschaftsvertrages erfolgen.

Ich hoffe jedoch, dass es zu diesem Schritt nicht kommen muss, da Deine fachliche Qualifikation es Dir sicherlich ermöglichen wird, recht schnell einen anderen Wirkungskreis zu erschließen. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dies von Dir aus einer ungekündigten Position heraus erfolgen kann.

Die ordentliche fristgemäße Kündigung durch mich muss erst Ende dieses Jahres erfolgen, sodass hinreichend Zeit ist, gemeinsam eine einvernehmliche Auseinandersetzung zu gestalten."

Da eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit nicht zustande kam, kündigte der Beklagte den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 zum 31. Dezember 2004 ordentlich und erklärte zugleich unter Berufung auf § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages die Übernahme der Gemeinschaftspraxis.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe ihre sichere Stelle als Oberärztin einer Uniklinik auf Initiative des Beklagten aufgegeben und sei in dessen Praxis eingetreten. Sie habe zwar keinen Kaufpreis für den Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung zahlen müssen. Bei gleicher Arbeitsleistung wie der Beklagte habe sie aber auf ein Einkommen von etwa 1,5 Mio. DM verzichtet. Die Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis stelle ihre Existenzgrundlage dar.

Sie könne wegen der Zuweisung ihres Vertragsarztsitzes im Gebiet des X-Kreises und der Sperrung aller übrigen Gebiete für die Zulassung aufgrund ihrer Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinien ausschließlich im Bereich X-Kreis tätig werden. Eine Tätigkeit außerhalb des X-Kreises sei ihr nicht möglich. Sie würde mit Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis ihre Existenzgrundlage verlieren. Durch die vereinbarte Konkurrenzschutzklausel könne sie sich nicht anderweitig niederlassen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Regelung des § 14 Abs. 3 des Praxisvertrages sei nichtig, weshalb auch die von dem Beklagten erklärte Kündigung gegenstandslos sein müsse.

Sie hat beantragt,

1. festzustellen, dass § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages der Parteien vom 27. April 2000 mit folgenden Inhalten nichtig ist: "Abweichend von den vorstehenden Regelungen steht bei Auflösung der Gesellschaft - gleich aus welchem Grund - das Übernahmerecht bis 31. Dezember 2001 in jedem Fall Herrn Dr. A zu, es sei denn, dass der Weiterführung der Praxis durch ihn rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. Dies gilt für den Fall der außerordentlichen Kündigung auch dann, wenn Frau Dr. C zur Kündigung berechtigt war."

2. festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 12. Dezember 2003 gegenstandslos ist,

3. hilfsweise, festzustellen, dass § 17 Abs. 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages vom 27. April 2000 in allen drei Absätzen mit folgendem Inhalt nichtig ist:

"Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist es untersagt, sich innerhalb von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden im Umkreis von 2 km Luftlinie vom Sitz der Gemeinschaftspraxis oder vom Standort der ausgelagerten Behandlungsstätten als Internist mit oder ohne Schwerpunkterweiterung niederzulassen oder eine entsprechende Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter in einer anderen Arztpraxis oder ambulant tätigen Institutionen aufzunehmen. Gelegentliche Praxisvertretungen bis zu vier Wochen im Kalenderjahr werden durch dieses Verbot nicht berührt.

Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist es weiterhin untersagt, für die Dauer von vier Jahren nach seinem Ausscheiden in O2 oder im Umkreis von 20 km Luftlinie vom Sitz der Gemeinschaftspraxis Dialyseleistungen zu erbringen oder bei der Erbringung von Dialyseleistungen mitzuwirken. Dies gilt auch für eine entsprechende Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter in einer anderen Arztpraxis, die Dialysen anbietet sowie für vergleichbare Tätigkeiten in anderen ambulanten Dialyseleistungen anbietenden Institutionen. In diesem Bereich sind Ambulanzleistungen für andere ambulante Dialyseanbieter untersagt. Gelegentliche Praxisvertretungen bis zu vier Wochen im Kalenderjahr werden durch dieses Verbot nicht berührt. Die gleiche Regelung gilt für eine Tätigkeit im Umkreis von 10 km Luftlinie vom Standort der ausgelagerten Behandlungsstätten.

4. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in diesem Paragraphen geregelten Konkurrenzverbote vereinbaren die Vertragspartner eine Vertragsstrafe von 50.000,00 € für jedes Jahr der Geltung, die ggf. monatsanteilig zu berechnen ist. Ist die Zuwiderhandlung auf Dauer angelegt, wird die Vertragsstrafe alle drei Monate neu fällig, maximal jedoch viermal. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt."

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Darüber hinaus hat er im Widerklagewege beantragt,

1. festzustellen, dass die Klägerin mit Wirkung mit Ablauf des 31. Dezember 2004 aus der, in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Gemeinschaftspraxis Dres. med. A und B ausscheidet, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch den Beklagten als Einzelpraxis fortgeführt wird.

2. hilfsweise die Klägerin zu verurteilen, der Änderung des § 14 Abs. 3 und 17 des Gemeinschaftsvertrages wie folgt zuzustimmen:

a. § 14 Abs. 3 des Gemeinschaftsvertrages wird ersetzt durch:

"Abweichend von den vorstehenden Regelungen steht bei Auflösung der Gesellschaft, gleich aus welchem Grund, das Übernahmerecht bis zum 31. Mai 2005 in jedem Fall Herrn Dr. A zu, es sei denn, dass der Weiterführung der Praxis durch ihn rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. Dies gilt für den Fall der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund auch dann, wenn Frau Dr. B zur Kündigung berechtigt war.

Die Ausübung des Übernahmerechts nach Abs. 1 und Abs. 2 erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Ausscheidenden oder dessen Erben innerhalb eines Monats nach Auflösung der Gesellschaft, spätestens jedoch einen Monat nach Kenntnis von den die Auflösung bedingenden Tatsachen. Wird das Übernahmerecht nicht rechtzeitig ausgeübt, steht es dem anderen Gesellschafter zu."

b. § 17 des Gemeinschaftspraxisvertrages wird mit der Maßgabe geändert, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot insgesamt nur für die Dauer von zwei Jahren besteht.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 2004 festgestellt, das § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages der Parteien vom 27. April 2000 insoweit nichtig ist als das dem Beklagten darin zugestandene Übernahmerecht einen Zeitraum von drei Jahren, gerechnet von der Arbeitsaufnahme der Klägerin am 1. Juli 2000 bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Kündigungsrechts überschreitet.

Es hat weiterhin festgestellt, dass die Kündigung des Beklagten vom 12. Dezember 2003 gegenstandslos ist. Im übrigen hat es die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages sei sittenwidrig und gemäß § 138 BGB insoweit nichtig als die dem Beklagten darin eingeräumte Übernahmefrist einen Zeitraum von drei Jahren vom Eintritt der Klägerin in die Gemeinschaftspraxis am 1. Juli 2000 bis zur Ausübung des Kündigungsrechts überschreitet. Auf diesen Zeitraum sei die Vertragsklausel, die einen Zeitraum von über 10 Jahren vorsehe, geltungserhaltend zu reduzieren. Diese Frist habe der Beklagte nicht eingehalten, da er erst nach etwa 3 1/2 Jahren die Kündigung ausgesprochen habe.

Die Widerklage sei unbegründet, da die Klägerin wegen der Unwirksamkeit der Kündigung nicht zum 31. Dezember 2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden sei. Der Hilfswiderklageantrag sei ebenfalls unbegründet, weil auch die Frist von fünf Jahren unangemessen lang sei.

Gegen dieses ihm am 9. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 6. Januar 2005 eingelegten Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 9. Februar 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass er bereits mit Schreiben vom 10. Februar 2003, also zwei Jahre und sieben Monate nach Beginn der Gemeinschaftspraxis der Klägerin seinen festen Entschluss mitgeteilt habe, von seinem Hinauskündigungsrecht Gebrauch zu machen, sodass die Klägerin sich nach § 242 BGB nicht darauf berufen könne, der Beklagte habe erst nach Ablauf der angemessenen und bis zum 30. Juni 2003 dauernden Kennlernphase mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 von seinem Hinauskündigungsrecht mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 Gebrauch gemacht. Außerdem sei das Schreiben des Beklagten vom 10. Februar 2003 als Kündigungserklärung zu werten.

Das Landgericht habe zu Unrecht nur einen Zeitraum von drei Jahren als angemessene Probezeit angenommen. Aufgrund der vereinbarten Kündigungsfrist von 12 Monaten, des Kündigungstermins Jahresende und des unterjährigen Beginns der Gemeinschaftspraxis könne die Regelung nur dergestalt geltungserhaltend reduziert werden, dass die angemessene Probezeit am Ende eines Kalenderjahres ende und somit erst am 31. Dezember 2003. Auch sei nur der Beklagte als Vertragsarzt rechtlich in der Lage gewesen, die Praxis fortzuführen. Deshalb sei die vertragliche Regelung nicht sittenwidrig.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 6. Dezember 2004 - Az.: 1 O 683/03 - wie folgt abzuändern, und zwar

1. die Klage abzuweisen und

2. auf die Widerklage des Beklagten festzustellen, dass die Klägerin mit Wirkung mit Ablauf des 31. Dezember 2004 aus der in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Gemeinschaftspraxis Dres. med. A und Dr. med. B ausgeschieden ist, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch den Beklagten als Einzelpraxis fortgeführt wird.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass das Gesellschaftsverhältnis zwischen den Parteien bis zum 30. Juni 2005 fortbestanden hat und insbesondere durch die von dem Beklagten ausgesprochenen Kündigungen nicht beendet worden ist.

2. hilfsweise, für den Fall, dass das Berufungsgericht in dem Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 10. Februar 2003 bereits eine wirksame Kündigung sieht, das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 6. Dezember 2004 - Az.: 1 O 683/03 - wie folgt abzuändern:

Es wird festgestellt, dass § 14 Abs. 3 Satz 1 der Gemeinschaftspraxisvertrages der Parteien vom 27. April 2000 mit folgendem Inhalt nichtig ist.

"Abweichend von den vorstehenden Regelungen steht bei Auflösung der Gesellschaft - gleich aus welchem Grund - das Übernahmerecht bis 31. Dezember 2010 in jedem Falle Herrn Dr. A zu, es sei denn, dass der Weiterführung der Praxis durch ihn rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegenstehen. Dies gilt für den Fall der außerordentlichen Kündigung auch dann, wenn Frau Dr. C zur Kündigung berechtigt war".

3. Äußerst hilfsweise, für den Fall der Abweisung des (Eventual-)Antrags zu 2., das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 6. Dezember 2004 - Az.: 1 O 683/03 - wie folgt abzuändern:

Es wird festgestellt, dass § 17 Abs. 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages vom 27. April 2000 in allen drei Absätzen mit folgenden Inhalt nichtig ist:

"Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist es untersagt, sich innerhalb von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden im Umkreis von 2 km Luftlinie vom Sitz der Gemeinschaftspraxis oder vom Standort der ausgelagerten Behandlungsstätten als Internist mit oder ohne Schwerpunkterweiterung niederzulassen oder eine entsprechende Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter in einer anderen Arztpraxis oder Ambulanz tätigen Institutionen aufzunehmen. Gelegentliche Praxisvertretungen bis zu vier Wochen im Kalenderjahr werden durch dieses Verbot nicht berührt.

Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist es weiterhin untersagt, für die Dauer von vier Jahren nach seinem Ausscheiden in O2 oder im Umkreis von 20 km Luftlinie vom Sitz der Gemeinschaftspraxis Dialyseleistungen zu erbringen oder bei der Erbringung von Dialyseleistungen mitzuwirken. Dies gilt auch für eine entsprechende Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter in einer anderen Arztpraxis, die Dialysen anbietet sowie für vergleichbare Tätigkeiten in anderen ambulanten Dialyseleistungen anbietenden Institutionen. In diesem Bereich sind Ambulanzleistungen für andere ambulante Dialyseanbieter untersagt. Gelegentliche Praxisvertretungen bis zu vier Wochen im Kalenderjahr werden durch dieses Verbot nicht berührt.

Die gleiche Regelung gilt für eine Tätigkeit im Umkreis von 10 km Luftlinie vom Standort der ausgelagerten Behandlungsstätten. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in diesem Paragrafen geregelten Konkurrenzverbote vereinbarten die Vertragspartner eine Vertragsstrafe von 50.000,- € für jedes Jahr der Geltung, ggf. monatsanteilig zu berechnen ist. Ist die Zuwiderhandlung auf Dauer angelegt, wird die Vertragsstrafe alle drei Monate neu fällig, maximal jedoch viermal. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt."

Die Klägerin meint, § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages sei nichtig und könne nicht geltungserhaltend reduziert werden. Die Arbeit in der Gemeinschaftspraxis stelle ihre Lebensgrundlage dar. Ein Ausscheiden würde aufgrund der Zulassungsprobleme für niedergelassene Nephrologin und wegen des vereinbarten Wettbewerbsverbotes die Klägerin unangemessen hart treffen, weil sie für den Rest ihres Berufslebens auf die Durchführung von Urlaubsvertretungen und Hilfstätigkeiten angewiesen wäre.

Die geltungserhaltende Reduktion scheide aus, weil keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen würden, die die Sittenwidrigkeit beseitigten. Eine Probezeit sei nur zu gewähren, wenn der neu eintretende Gesellschafter ohne Leistung einer Einlage aufgenommen würde. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil die Klägerin über Jahre auf Teile ihrer Gewinne verzichtet habe. Die Klägerin sei auch keine Berufsanfängerin bei Aufnahme in die Praxis gewesen, sondern langjährig tätige Oberärztin mit einer Lebenszeitstelle an der Universitätsklinik. Die Parteien hätten bewusst keine Probezeit vereinbart. Eine geltungserhaltende Reduktion scheide nach allgemeiner Auffassung aus, wenn die Klausel nicht nur wegen überlanger Dauer sittenwidrig ist. Hier habe sogar ein Übernahmerecht des Beklagten bestanden, auch wenn die Klägerin aus wichtigem Grund kündige. Die Kündigung sei auch rechtsmissbräuchlich, da die Differenzen zwischen den Parteien vom Beklagten verursacht worden seien.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Inzwischen hat die Klägerin das Gesellschaftsverhältnis mit Schreiben vom 30. Juni 2005 aus wichtigem Grund gekündigt, weil der Beklagte ein Schreiben der Stiftung Patienten-Heim-Versorgung (PHV), die die Einrichtung der Dialyseabteilung der Gemeinschaftspraxis und das dafür erforderliche Personal zur Verfügung stellt, nicht an die Klägerin weitergeleitet hat. In diesem Schreiben, das während des Urlaubs der Klägerin eingegangen ist, übersandte die PHV ein Vertragswerk, das den Ausbau der Zweigniederlassung in O2 zum Inhalt hatte. Der Beklagte sandte das an die Klägerin gerichtete Schreiben an die PHV zurück und behielt das wortgleiche an ihn gerichtete Schreiben.

Wegen dieser außerordentlichen Kündigung der Klägerin hat der Beklagte Feststellungsklage zum Landgericht Limburg erhoben.

Bezüglich des Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Das Rechtsmittel des Beklagten erweist sich in der Sache auch als erfolgreich, da die Klage zwar zulässig geworden, aber unbegründet ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts, das diese Frage in seinem Urteil unerörtert gelassen hat, aber offensichtlich von einer zulässigen Feststellungsklage ausgegangen ist, sieht der Senat die Feststellungsklage in ihrer ursprünglichen Form als unzulässig an. Die Klägerin hatte in erster Instanz die Feststellung der Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung begehrt, sowie die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten vom 12. Dezember 2003.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann u.a. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden. Zwar können neben dem Rechtsverhältnis (hier: Gesellschaftsverhältnis) auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen festgestellt werden (BGH NJW 1984, 1556), nicht aber Vorfragen des Rechtsverhältnisses oder einzelne Elemente (BGHZ 68 332). Abstrakte Rechtsfragen können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (MK-Lüke ZPO § 256 Rdz 22 m.w.N.).

Der Klägerin geht es mit diesem Antrag nur um die Feststellung der Nichtigkeit einer Vertragsnorm. Diese Norm ist nur Teil eines Rechtsverhältnisses und nicht das Rechtsverhältnis selbst.

Aber selbst wenn man von einem Rechtsverhältnis ausginge, würde es am Feststellungsinteresse fehlen, denn dieses besteht nur dann, wenn ein Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, die zwischen den Parteien bestehende Unsicherheit über ein zwischen ihnen bestehendes Rechtsverhältnis alsbald zu beseitigen (allgemeine Ansicht, vgl. zuletzt OLG Frankfurt ZIP 2004 1801 ff.). Die bloße Feststellung der Nichtigkeit des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages beseitigt aber die Unsicherheit nicht, denn die Klägerin interessiert vor allem, ob die Kündigung des Beklagten vom 12. Dezember 2003 wirksam ist und welche Folgen diese Kündigung hat oder nicht hat. Mit der bloßen Feststellung der Nichtigkeit der Vertragsbestimmung sind diese Fragen gerade nicht geklärt. Die Frage der Nichtigkeit ist insoweit eine bloße Vorfrage bzw. ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses.

Diesen Bedenken des Senates hat die Klägerin durch ihre Antragstellung in der Berufungsinstanz Rechnung getragen. Die darin liegende Klageänderung in der Berufungsinstanz sieht der Senat als sachdienlich im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO an, so dass die Feststellungsklage nunmehr zulässig ist.

3. In der Sache hat die Klage aber keine Aussicht auf Erfolg, da die Beklagte sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten nicht berufen kann.

Der Beklagte hat zwei schriftliche Erklärungen abgegeben, die sich auf die Beendigung der Gemeinschaftspraxis beziehen und über deren Rechtscharakter und Wirksamkeit die Parteien streiten.

a. Das Schreiben des Beklagten vom 10. Februar 2003 stellt keine Kündigung dar. Dort heißt es wörtlich: "Abschließend möchte ich jedoch nochmals bekräftigen, dass ich zu einer Beendigung unserer gemeinsamen Tätigkeit in jedem Fall entschlossen bin. Dies wird notfalls auch durch fristgemäße Kündigung unseres Gesellschaftsvertrages erfolgen.

Ich hoffe jedoch, dass es zu diesem Schritt nicht kommen muss, da Deine fachliche Qualifikation es Dir sicherlich ermöglichen wird, recht schnell einen anderen Wirkungskreis zu erschließen. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dies von Dir aus einer ungekündigten Position heraus erfolgen kann. Die ordentliche fristgemäße Kündigung durch mich muss erst Ende dieses Jahres erfolgen, so dass hinreichend Zeit ist, gemeinsam eine einvernehmliche Auseinandersetzung zu gestalten.".

Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass der Beklagte zwar zur Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses fest entschlossen ist, nicht aber zur Kündigung. Er avisiert die Kündigung für das Jahresende, spricht sie aber gerade nicht aus, sondern versucht eine einvernehmliche Vertragsbeendigung zu erreichen. Die Kündigung soll nur die ultima ratio sein.

b. Das Schreiben vom 12. Dezember 2003 stellt dagegen die Kündigung zum 31. Dezember 2004 dar und die Ausübung des Übernahmerechts. Vor allem über die Wirksamkeit dieser Kündigungs- Übernahmeerklärung herrscht zwischen den Parteien Streit.

Nach § 737 BGB kann ein Gesellschafter aus einer BGB-Gesellschaft nur ausgeschlossen werden, wenn in der Person des Gekündigten ein wichtiger Grund vorliegt. Diese Vorschrift ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, da es vorliegend nicht um eine mehrgliedrige, sondern um eine zweigliedrige Personengesellschaft geht. Bei dieser gibt es keine Ausschließung, da ein Fortbestand einer Gesellschaft nicht möglich ist. Es gibt insoweit keine Einmanngesellschaft. In einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht aber den Mitgesellschaftern ein durch einseitige Kündigungserklärung auszuübendes Übernahmerecht analog § 737 BGB bzw. analog § 140 Abs. 1 Satz 2 HGB zu, wenn der Gesellschaftsvertrag für die Kündigung eine Übernahme oder Fortsetzungsklausel enthält (OLG München NZG 1998, 937).

Im vorliegenden Fall liegt kein wichtiger Grund in der Person der Klägerin vor, so dass eine Ausschließung nicht auf eine analoge Anwendung des § 737 bzw. 140 Abs. 1 Satz 2 HGB gestützt werden kann.

aa. Die Parteien haben aber in § 14 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ein Übernahmerecht auch für den Fall der ordentlichen Kündigung vereinbart.

Diese Regelung ist aber nicht separat zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit § 14 Abs. 3 des Gemeinschaftspraxisvertrages. Danach steht bis zum 31. Dezember 2010 das Übernahmerecht dem Beklagten zu.

Diese Bestimmung ist - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - unwirksam. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH ZIP 2005, 706 ff.) entschieden, dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung gegen § 138 Abs. 1 BGB verstößt, die einem einzelnen Gesellschafter das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus einer Personengesellschaft auszuschließen.

Tragende Erwägung hierfür ist, den von der Ausschließung oder Kündigung bedrohten Gesellschafter zu schützen. Das freie Kündigungsrecht des anderen Teils kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, so dass er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters ausgeliefert zu sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch macht oder seinen Gesellschafterpflichten nicht nachkommt, sondern sich den Vorstellungen der anderen Seite beugt ("Damoklesschwert").

Der Bundesgerichtshof hat jedoch verschiedene Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Ausnahme wurde im Urteil vom 8. März 2004 (NJW 2004, 2013 ff.) entwickelt.

In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof folgenden Leitsatz aufgestellt: "Das grundsätzlich nicht anzuerkennende Recht, einen Mitgesellschafter ohne Vorhandensein eines sachlichen Grundes aus einer Gesellschaft ausschließen zu dürfen, kann ausnahmsweise dann als nicht sittenwidrig angesehen werden, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer Zeit bestehenden Sozietät von Freiberuflern (hier: Gemeinschaftspraxis von Laborärzten) aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren können; eine Prüfungsfrist von 10 Jahren überschreitet den anzuerkennenden Rahmen bei weitem."

Eine konkrete zeitliche Grenze für die Einarbeitung hat der Bundesgerichtshof in diesem Urteil nicht festgelegt, jedenfalls aber einen Zeitraum von 10 Jahren als zu weitgehend betrachtet.

Im vorliegenden Fall wurde ebenfalls eine Frist von gut 10 Jahren (1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2010) vereinbart, was nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung führt.

Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließt sich der Senat an. Er wendet sie auch auf den Fall an, dass der neue Gesellschafter nicht in eine Sozietät aufgenommen wird, sondern in eine Einzelpraxis einsteigt, da insoweit die Interessenlage identisch ist.

Die Einwendungen, die der Beklagte gegen diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall erhoben hat, führen nicht zur Wirksamkeit der Vertragsbestimmung.

Ob und in welcher Höhe die Klägerin eine Abfindung zu beanspruchen hat, ist unmaßgeblich. Ein solcher Ausgleich mag den von einer Kündigungsklausel ausgehenden Druck mindern, er kann ihn aber nicht ausschließen (BGHZ 81, 263 ff.).

Auch der Umstand, dass der Beklagte die Gesellschaft gegründet und aufgebaut hat, reicht nicht aus, den weitgehenden Eingriff in die Berufungsausübungsfreiheit der Klägerin zu rechtfertigen (BGH NJW 1985, 2421, 2422).

Ohne Bedeutung ist schließlich auch der Umstand, dass die Klägerin bei Gründung der Gemeinschaftspraxis keinen Kaufpreis für den Erwerb des Gesellschaftsanteils gezahlt hat, sondern die materielle Beteiligung der Klägerin am Gesellschaftsvermögen erst im Laufe der Zusammenarbeit der Parteien entstehen sollte.

Maßgeblich ist allein, ob und in welchem Umfang der neu aufgenommene Partner der Willkür des Mitgesellschafters ausgesetzt sein kann und die Gefahr besteht, dass er seinen Gesellschafterverpflichtungen nicht nachkommt, sondern sich den Vorstellungen der anderen Seite beugt. Diese Gefahr besteht aber auch, wenn der neu aufgenommene Partner bei der Aufnahme in die Gemeinschaftspraxis keinen Kaufpreis zahlt.

bb. Mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die grundsätzlich nichtige Vertragsbestimmung geltungserhaltend auf einen angemessenen Zeitraum einer Kennlernphase reduziert werden kann.

§ 139 BGB ist insoweit nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur den Fall erfasst, dass ein Rechtsgeschäft bei Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts vollständig nichtig ist oder unter Abtrennung des nichtigen Teils gültig bleibt, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil geschlossen hätten. Nicht geregelt ist in dieser Vorschrift der Fall, dass die Parteien an Stelle der vereinbarten nichtigen Regelung eine andere auf das zulässige Maß reduzierte Regelung getroffen hätten. Da nach Sinn und Zweck des § 139 BGB ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft aufrecht zu erhalten ist, erkennt der BGH eine quantitative Teilbarkeit und eine entsprechende Teilnichtigkeit an (BGHZ 105, 213 ff.).

Eine überlange Vertragsdauer wird in einzelne Zeitabschnitte eingeteilt, die teilweise wirksam und teilweise nichtig sind. Deshalb kann eine übermäßig lang bemessene und daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtige Laufzeit geltungserhaltend analog § 139 BGB auf eine nach Treu und Glauben angemessene Vertragsdauer reduziert werden (BGH a.a.O.). Dem trägt auch § 23 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages Rechnung, der bestimmt, dass nichtige Vertragsbestimmungen unter Wahrung des Grundsatzes der Vertragstreue neu zu regeln sind.

Beruht indes die Sittenwidrigkeit nicht allein auf der zeitlichen Ausdehnung der vertraglichen Bindung, sondern treten weitere zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB führende Gründe hinzu mit der Folge, dass es nicht mehr nur darum geht, eine bloß quantitativ zu weit gehende Regelung entsprechend dem mutmaßlichen Willen der Parteien auf das zulässige Maß zurückzuführen, kommt eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht, da das Gericht auch auf den sonstigen Inhalt rechtsgestaltend Einfluss nehmen müsste (BGH LM BGB § 138 (Aa Nr. 55).

Insoweit weist die Klägerin auf § 14 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages hin, der bestimmt, dass das Übernahmerecht des Beklagten auch bestehen soll, wenn die Klägerin einen wichtigen Grund zur Kündigung hat. Diese Bestimmung hindert aber nicht die geltungserhaltende Reduktion des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages, denn die Regelung in § 14 Abs. 3 Satz 2 Gesellschaftsvertrag kann ohne weiteres vom Inhalt des übrigen Gemeinschaftspraxisvertrages getrennt werden, so dass eine etwaige Nichtigkeit des Satzes 2 unabhängig ist von der Wirksamkeit des Satzes 1. Außerdem liegt der Fall einer Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den Beklagten trotz Kündigung aus wichtigem Grund durch die Klägerin hier gar nicht vor. Vielmehr geht es um eine Übernahme durch Kündigung des Beklagten. Der Fall der Kündigung aus wichtigem Grund durch die Klägerin ist erst eingetreten durch die Kündigung vom 30. Juni 2005.

Diese ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, so dass es auf die Frage, ob auch das Übernahmerecht für den Fall der fristlosen Kündigung wirksam ist, offen bleiben kann. Die geltungserhaltende Reduktion des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

cc. Der Senat hatte ebenso wie das Landgericht zu entscheiden, auf welchen Zeitraum die Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages geltungserhaltend zu reduzieren ist, welcher Zeitraum also maßgeblich ist für ein gegenseitiges Kennenlernen und zur Klärung der Frage, ob das notwendige Vertrauen besteht und ob beide Partner harmonieren.

Henssler (LMK 2005, 15,16) meint, ein bis zwei Jahre seien angemessen, aber auch drei Jahre sollten noch akzeptiert werden. Grunewald (DStR 2004, 1750 bis 1752) sieht einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren als angemessen an. Rieger (Lexikon des Arztrechts "Gemeinschaftspraxis" Rdz. 52 und Fußnote 75) hält zwei Jahre für ausreichend. Dahm (MedR 2004, 565, 566) sieht als Obergrenze die öffentlichrechtliche Grenze von fünf Jahren, nach der der Juniorpartner auch in gesperrten Planungsbereichen im Falle eines weiterhin bestehenden Bedarfs eine Zulassung erhält. Als Untergrenze wird der Zeitraum von zwei Jahren genannt, der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG enthalten ist und eine entsprechende Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund vorsieht. Er sieht in der Regel einen Zeitraum von drei Jahren, in besonders gelagerten Fällen von fünf Jahren, als angemessen an.

Das Landgericht hält sich mit seiner Reduzierung auf drei Jahre völlig in diesem Rahmen. Der Senat sieht ebenfalls keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen.

Zur Abklärung der Frage, ob zwischen den Partnern einer Gemeinschaftspraxis das notwendige Vertrauen besteht und ob sie in ihren Berufsauffassungen harmonieren, hält der Senat einen Zeitraum von drei Jahren als äußerste zeitliche Grenze für die gegenseitige Prüfung, ob eine langfristige Zusammenarbeit möglich erscheint für angemessen, aber auch ausreichend. Nach einem solchen Zeitraum haben sich die Vertragspartner im täglichen Umgang, in der medizinischen Diskussion, im Umgang mit Patienten, der Kassenärztlichen Vereinigung, der PHV und den Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsfragen ausreichend kennen gelernt, sodass sie sich innerhalb dieser Frist für oder gegen eine langfristige Zusammenarbeit entscheiden können.

Die Klausel ist deshalb - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - geltungserhaltend auf drei Jahre zu reduzieren.

Die Kündigung des Beklagten ist am 12. Dezember 2003 erfolgt und damit drei Jahre und 5 1/2 Monate nach Beginn der Zusammenarbeit am 1. Juli 2000 ausgesprochen worden. Sie ist mit vertraglich vereinbarter Kündigungsfrist von 1 Jahr zum 31. Dezember 2004 erklärt worden und daher mangels wirksamer vertraglicher Grundlage unwirksam.

dd. Die Klägerin kann sich aber nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigungs- und Übernahmeerklärung des Beklagten berufen.

Der Beklagte hat der Klägerin nämlich bereits mit Schreiben vom 10. Februar 2003 - und damit zwei Jahre und sieben Monate nach Beginn der Zusammenarbeit - mitgeteilt, dass er "zu einer Beendigung unserer gemeinsamen Tätigkeit in jedem Fall fest entschlossen ist".

In diesem Schreiben hat er darauf hingewiesen, dass er eine einvernehmliche Beendigung des Gemeinschaftspraxisvertrages wünscht und nur deshalb noch nicht kündigt, um die Zeit bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin für eine einvernehmliche Regelung zu nutzen.

Der Klägerin war also innerhalb der zulässigen Frist bekannt, dass der Beklagte fest entschlossen war, die Zusammenarbeit zu beenden, und sie konnte sich darauf einrichten. Sie hat dies auch getan und sich um eine anderweitige Zulassung bemüht.

Seit dem Zugang des Schreibens vom 10. Februar 2003 konnte die Klägerin nicht mehr auf einen Fortbestand der Gemeinschaftspraxis vertrauen. Sie wusste, dass die Zusammenarbeit zum rechtlich zulässigen Termin am 31. Dezember 2004 enden wird und konnte sich hierauf einstellen. Ihr musste klar sein, dass es nur noch um die Frage ging, wie die Folgen der Beendigung der Zusammenarbeit geregelt werden, aber nicht mehr um das Ob.

Der Senat hält es deshalb für treuwidrig, wenn die Klägerin sich darauf beruft, dass die eigentliche Kündigung erst fünf Monate nach Ablauf der zulässigen Frist für ein freies Ausschlussrecht des Beklagten ausgesprochen wurde, obwohl sie schon fünf Monate vor Fristablauf von dem festen Entschluss des Beklagten zur Beendigung der Zusammenarbeit wusste und eine frühere Kündigung nicht zu einer früheren Beendigung der Zusammenarbeit geführt hätte, da eine Kündigung nur mit einer Frist von einem Jahr zum Jahresende möglich ist.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil dem Beklagten nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein konnte, dass es eine Dreijahresfrist für die Geltendmachung des freien Übernahmerechts gibt, da der Bundesgerichtshof eine solche Frist noch nicht festgelegt hat und auch andere Gerichte im Zeitpunkt der Kündigung eine solche Frist nicht als angemessen angesehen haben. Da sich die Klägerin nicht auf die verspätete Geltendmachung des Übernahmerechts durch die Kündigung berufen kann, ist die Kündigung des Beklagten vom 10. Dezember 2003 als wirksam zu behandeln.

Ihre in der Berufungsinstanz geänderte Feststellungsklage war deshalb abzuweisen.

4. Die Klägerin hat in ihrer Berufungserwiderung hilfsweise Anschlussberufung eingelegt.

a. Der erste Hilfsantrag ist nur für den Fall gestellt, dass der Senat das Schreiben vom 10. Februar 2003 als Kündigung ansieht. Da dies aber nicht der Fall ist, braucht über diesen Antrag nicht entschieden zu werden.

b. Der zweite Hilfsantrag (Feststellung der Nichtigkeit der Wettbewerbsklausel) ist nur gestellt für den Fall der Abweisung des ersten Hilfsantrages. Da dieser nicht abgewiesen wird, sondern mangels Bedingungseintritt überhaupt nicht darüber entschieden wird, braucht auch über den zweiten Hilfsantrag nicht entschieden zu werden.

5. Mit der Widerklage begehrt der Beklagte die Feststellung, dass die Klägerin mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 aus der in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Gemeinschaftspraxis ausgeschieden ist, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch den Beklagten als Einzelpraxis fortgeführt wird.

Dieser Antrag ist zulässig. Insbesondere hat der Beklagte ein rechtliches Interesse an der Feststellung. Von ihm wird nicht nur eine abstrakte Rechtsfrage oder Vorfrage zum Gegenstand der Klage gemacht, sondern eine konkrete Folge aus dem Gesellschaftsverhältnis nämlich die Gesamtrechtsnachfolge zum 31. Dezember 2004.

Die Widerklage ist auch begründet, da die Kündigung des Beklagten zwar unwirksam ist, weil sie auf einer nichtigen Vertragsnorm beruht. Die Klägerin kann sich aber nach Treu und Glauben nicht hierauf berufen.

6. Da die Klägerin im Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8. Der Senat hat die Revision zugelassen zur Fortbildung des Rechts.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 8. März 2004 (II ZR 165/02) zwar ausgeführt, dass eine Prüfungsfrist von 10 Jahren den anzuerkennenden Rahmen für die Prüfung, ob die Partner in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis miteinander auf Dauer kooperieren können, überschreitet. Er brauchte aber nicht zu entscheiden, welcher konkrete Zeitraum angemessen ist.

Diese Frage stellt sich aber im vorliegenden Rechtsstreit.

9. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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