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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.11.2003
Aktenzeichen: 16 U 31/03
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 251
HGB § 390
Beim Schadensersatz wegen Verlustes des Kommisionsgutes ist eine hypothetische Provision des Kommisionärs nicht zu berücksichtigen, soweit er nicht von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 31/03

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht .... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2003 (2-10 O 189/02) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.853,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2002 sowie weitere Zinsen aus 5.853,56 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz über den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 11. November 2002 von insgesamt 159,11 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen des Verlustes von Bildern, die in der Kunstgalerie der Beklagten abhanden gekommen sind. Der Kläger klagt aus abgetretenen Recht des Künstlers X.

Der Zedent übergab der Beklagten im November 1994 70 zum Teil gerahmte Arbeiten auf Papier. 6 davon verkaufte die Beklagte, 4 Arbeiten sind abhanden gekommen. Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte die Hälfte des vereinbarten Nettoverkaufspreises für die abhanden gekommenen Kunstwerke als Schadensersatz geleistet.

Die Parteien streiten noch über die Frage, ob die andere Hälfte zu zahlen ist.

Im Übrigen wird auf tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 540 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Januar 2003 abgewiesen. Das Landgericht meint, dem Beklagten stehe nur die Hälfte des vereinbarten Wertes der Kunstwerke zu. Wären die 4 Bilder nicht abhanden gekommen, hätte die Beklagte entweder die Bilder verkauft oder sie hätte sie dem Zedenten zurückgegeben.

Im Falle des Verkaufs hätte der Kläger nach Ansicht des Landgerichts auch nur die Hälfte des Wertes erlangt, da die Beklagte 50 % des Wertes als Verkaufsprovision hätte verlangen können. Im Falle der Rückgabe der Werke an den Künstler hätte dieser auch nur die Hälfte des vereinbarten Wertes erlangt, denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er den vereinbarten Wert bei einer Selbstveräußerung erhalten hätte. Von den 70 Kunstwerken seien nämlich nur 6 Arbeiten verkauft worden.

Die vereinbarten Verkaufspreise hätten nicht dem Wert der Kunstwerke entsprochen.

Der Kunde einer Galerie bezahle zusätzlich zum Marktwert für die Bequemlichkeit, das Kunstwerk einer Galerie präsentiert zu bekommen. Der Marktwert eines Kunstwerkes berechne sich deshalb aus dem verlangten Verkaufserlös abzüglich der Provision.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese fristgemäß begründet.

Er ist der Auffassung, dass Ausgangspunkt für die Berechnung des Schadens der Wert der Bilder sei. Diese Bilder seien nicht mit der Provisionsabrede belastet worden. Der Zedent sei Eigentümer der Bilder geblieben. Der Marktwert eines Kunstwerks berechnet sich gerade nicht aus dem von der Galerie berechneten Kaufpreis abzüglich der Provision. Bei den vereinbarten Preisen handele es sich um solche, die der interessierte Sammler auch beim Kauf aus dem Atelier zu zahlen hatte. Der Kläger meint weiter, die Berechnung der Schadensersatzforderung verstoße gegen die §§ 25, 26 UrhG. Der Zedent hätte die Kunstwerke zu den Preisen der Kommissionsliste verkauft. Seine Arbeiten seien nach dem Verkauf der 6 Kunstwerke im Januar 1995 ins Lager der Beklagten geschafft worden, sodass ein Verkauf kaum erfolgen konnte. Die Preise seien korrekt kalkuliert gewesen. Die Provisionsvereinbarung zwischen dem Zedenten und der Beklagten sei erst später getroffen worden, nachdem die Kommissionsliste erstellt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2003, Az.: 2-10 O 189/02, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.853,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2002 sowie Zinsen aus 5.853,56 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 11. November 2002 von insgesamt 159,11 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, auf das Eigentum komme es nicht an. Der Zedent könne ohnehin nicht mehr nach Belieben über die Kunstwerke verfügen. Aufgrund des Kommissionsvertrages habe die Beklagte die Verfügungsbefugnis über die Arbeiten gehabt.

Der Marktwert ergebe sich aus dem Verkaufspreis abzüglich der Provision, ebenso wie bei der Versteigerung. Die Behauptung, der Zedent hätte die Werke zum selben Preis weiterverkauft, lasse sich nicht beweiskräftig untermauern.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Das Rechtsmittel des Klägers ist auch begründet. Dem Kläger als Zessionar steht gegen die Beklagte ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.853,57 € zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 390 HGB. Nach dieser Vorschrift ist der Kommissionär für den Verlust des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes verantwortlich. § 390 HGB gibt zwar keine konkrete Rechtsfolge an. Nach allgemeiner Ansicht bedeutet jedoch Verantwortung für einen Verlust, dass Schadensersatz zu leisten ist. Im Übrigen ergibt sich der Anspruch auch aus einer positiven Vertragsverletzung des Kommissionsvertrages.

Der Schadensersatz ist auf das positive Interesse gerichtet, wobei der Verkehrswert zu ersetzen ist (Ensthaler/Achilles GemKomm z. HGB 6. Aufl. § 390 Rz. 5a). Dieser Wert ist nach § 287 ZPO zu schätzen.

Die Beklagte und der Zedent haben bei Abschluss des Kommissionsvertrages die Werte der einzelnen Kunstwerke einvernehmlich festgesetzt. Damit haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass dieser Betrag auf dem freien Markt für die Bilder zu erzielen ist. Es ist deshalb angemessen, diesen in der Kommissionsliste enthaltenen Wert als Verkehrswert der Kunstwerke anzusetzen, zumal auch tatsächlich einige andere Bilder aus der Liste von der Beklagten zu diesen Werten an Dritte verkauft wurden. Dass die 4 verlorenen gegangenen Bilder nicht zu den vereinbarten Preisen an Dritte verkauft werden könnten, behauptet selbst die Beklagte nicht. Das sie nicht verkauft wurden, kann auf verschiedenen Umständen beruhen. Schon die unstreitige Tatsache, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, wann die Bilder verlorengegangen sind, lässt es möglich erscheinen, dass diese nicht oder nur kurz in der Ausstellung im Jahre 1994 waren. Auch hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte die Bilder schon kurz nach der Ausstellung im Januar 1995 in ihr Lager geschafft hat, sodass sie nicht ordnungsgemäß präsentiert werden konnten.

Jedenfalls ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Bilder zu den vereinbarten Preisen an Dritte verkäuflich waren.

Dieser Wert ist nicht zu kürzen um die Provision der Beklagten, die sie im Falle des Verkaufs erzielt hätte, denn diese Provision ist nicht entstanden. Eine Provision wird nur verdient, wenn die Bilder verkauft werden.

Die Beklagte hätte auch bei Selbsteintritt keine Provision verlangen können. Zum einen steht ihr nach § 400 HGB kein Selbsteintrittsrecht zu, da es sich bei den Kunstwerken nicht um Waren handelt, die einen Börsen- oder Marktpreis haben und zum anderen hat die Beklagte ein solches Recht auch niemals ausgeübt.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung ist die fiktive Provision der Beklagten nicht zu berücksichtigen, denn ein Vorteil ist dem Zedenten durch Verlust der Bilder nicht zugeflossen. Vielmehr erhält er nur den Wert der Bilder ersetzt, die er bei fehlender Veräußerung durch die Beklagte wieder zurückerhalten hätte.

Selbst wenn man aber in der Befreiung von der Möglichkeit, eine Provision zahlen zu müssen, einen konkreten Vermögensvorteil des Zedenten sehen würde, käme eine Vorteilsausgleichung nicht in Betracht, denn Vorraussetzung einer solchen Anrechnung ist, dass sie dem Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet (BGHZ 91, 210). Die Berücksichtigung dieses Vorteils würde aber zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten führen. Das der Verlust der Kunstwerke der Beklagten die Möglichkeit genommen hat, eine Provi sion zu verdienen, hat die Beklagte selbst zu vertreten. Der Verlust der Kunstwerke ist allein von ihr verschuldet.

Sie weiß nicht einmal, wo die streitgegenständlichen Kunstwerke geblieben sind, insbesondere ob sie gestohlen wurden. Bei ausreichend sorgfältiger und sicherer Aufbewahrung wären die Kunstwerke nicht abhanden gekommen. Würde man der Beklagten die Geltendmachung eines Vorteilsausgleichs in Höhe der fiktiven Provision zubilligen, würde sie für diese Nachlässigkeit begünstigt gegenüber sonstigen Schädigern, die vollen Ersatz leisten müssen.

Das Gericht schließt sich deshalb der einhelligen Meinung in Rechtsprechung (OLG Düsseldorf Versicherungsrecht 1983, 644) und Literatur (Ensthaler/Achilles a.a.O, Staub/Koller GroßK z. HGB 4. Aufl., § 390 Rz. 7) an, wonach beim Schadensersatz wegen Verlustes des Kommissionsgutes eine hypothetische Provision nicht zu ersetzen ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Durch Schreiben des Klägers vom 24. Juni 2002 ist die Beklagte in Verzug geraten. Bis zum 11. November 2002 war sie auch wegen weiterer 5.853,56 € in Verzug, sodass sie auch insoweit weitere Zinsen zu zahlen hat. Der Zinsanspruch ist im Übrigen zwischen den Parteien nicht im Streit.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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